KRAH: Es ist ja nicht sehr schwer, den linken Mainstream zum Schäumen zu bringen, denn in Deutschland ist alles tabuisiert außer Sex. Sobald ich also ein Thema pointiert anspreche, wird es als Provokation wahrgenommen. Ich kann bisweilen nicht einmal vorhersagen, welches Video nun genau die größte Welle macht. Es geht mir aber darum, einfache Dinge, die mir selbstverständlich erscheinen, in einer einfachen, klaren und unangreifbaren Sprache auszudrücken und dadurch die linken Empörungsrituale als das zu entlarven, was sie sind: Machtdemonstrationen ohne jede inhaltliche Berechtigung. Wir sollen gehindert werden, das Offensichtliche auszusprechen, zu sagen, dass zwei plus zwei vier und der Kaiser nackt ist.
SEZESSION: Wir zitieren mal aus diesem TikTok-Filmchen: „Wenn du wiederentdeckst, was deine Vorfahren alles getan haben, dann wirst auch du dich aufrichten können und musst keine Angst mehr haben. Deshalb: Krieg’ mal raus, was Oma, Opa, Uroma und Uropa gemacht haben. Wo sie herkamen, wie sie gekämpft und gelitten haben. Sie haben gelebt und wollen jetzt, egal, wo sie sind, stolz auf dich sein. So wie du später stolz auf deine Nachfahren sein willst.“ Das ist explizit ein Aufruf zu Stolz und Selbstbewußtsein und implizit ein Hinweis auf die Schuldkultur, die unseren Landsleuten den Rücken beugt.
KRAH: Alles Selbstverständlichkeiten, was ich da sage, oder? Wir sind ja nur auf der Welt, weil es diese Vorfahren gibt. Insofern ist die Verneinung der Vorfahren eine Unmöglichkeit, weil wir uns damit selbst in Frage stellen würden. Der Wille zum Leben baut auf dem Bekenntnis zu Herkunft auf, auf dem, woraus unser Leben entstanden ist, das wir dann in Fortsetzung dieses Schöpfungsprozesses weitergeben. Wenn uns die Vorfahren, die Herkunft genommen wird, wer sind wir dann, worauf bauen wir auf?
Deshalb ist die Idee, wir seien die Richter unserer Vorfahren, für mich absurd, und die Behauptung, das Bekenntnis zu ihnen sei eine Geschmacksfrage und kein moralisches Gebot, ein verheerendes Mißverständnis. Ich werde es weiterhin so halten, mich an historischen Debatten nicht zu beteiligen, vielleicht irgendwann einmal in Buchform, aber nicht in Kurzvideos oder Interviews, weil es immer mißinterpretiert wird.
Ich rufe deshalb in dem Video einfach Selbstverständliches in Erinnerung: Das Bekenntnis zu den eigenen Vorfahren gehört zum Menschsein. Es ist unabdingbar für die eigene individuelle psychische Gesundheit wie auch für die Selbstbehauptung als Kollektiv. Jede weitere, detaillierte Deutung, jede konkrete Anwendung dieser Aussage überlasse ich dem Rezipienten.
SEZESSION: Der Trend geht weg von komplexen Betrachtungen hin zu einprägsamen, sehr knappen Parolen. Machen Sie so etwas intuitiv oder haben Sie die Massenpsyche studiert, die ja erwiesenermaßen um Meilen von der Individualpsyche getrennt ist und völlig anders reagiert?
KRAH: Ich bin keine One-man-Show, wir arbeiten als Team. Auch meine Gegner billigen mir rhetorisches Talent zu. Das nutzen wir. Wir haben also gemeinsam dieses Format der zugespitzten Kurzvideos mit einem markanten Auftaktsatz, der auch zugleich Schlußsatz ist, entwickelt. Wir überlegen uns pro Drehtag 10–15 solcher Auftaktaussagen, und ich setze es dann sprachlich und inhaltlich um.
SEZESSION: Die Reaktionen auf Ihre kurzen Botschaften bestätigen den Spruch „Viel Feind, viel Ehr“. Sie werden sich kaum die Mühe machen durchzuzählen – aber die Waage neigt sich deutlich der Seite „Ehr“ zu. Ein besorgter Kommentator, ehemaliger BILD-Redakteur, seufzt: „Die Leidenschaft, mit der so viele Maximilian Krah verteidigen, macht sprachlos.“ Was machen Sie richtig?
KRAH: Das müssen Sie mir sagen, was ich richtig mache! Ich kann Ihnen sagen, was wir uns denken: Wir wollen solche Dinge aussprechen, die einer großen Mehrheit absolut klar erscheinen, aber von den Linken mit ihrer Diskursmacht tabuisiert werden. Beispiel: Ein Mann, der sich Frauenkleider anzieht, wird dadurch nicht zur Frau, sondern bleibt ein Mann. Das ist ein klarer Angriff auf die linke LGBTQIA+-Ideologie, aber weil es eben sprachlich so harmlos daherkommt, ohne jeden Schaum vor dem Mund, nicht kriminalisierbar. Ich vermeide also Phrasen, Pathos und Schlagworte. Das macht es schwer, mich zu dämonisieren.
SEZESSION: Susanne Gaschke (die 33 Jahre SPD-Mitglied war und die wir als Autorin etlicher konservativer Bücher schätzen) hat Sie nun in einem NZZ-Artikel hart angegriffen: „Folgt man ihm, dann müsste man stolz sein auf Vorfahren, die nach 1933 die mühsam errungene Demokratie in Deutschland beseitigten. Die politische Gegner einsperrten, ausser Landes trieben oder umbrachten. Die Millionen von Juden verfolgten und mit deutscher Effizienz ermordeten.“ Gaschke wirft Ihnen nun vor, „mit keinem Wort die Verbrechen des Nationalsozialismus“ erwähnt zu haben. Wir nehmen an, Sie sind wie wir der Meinung, daß man das auch nicht immer tun muß, oder?
KRAH: Es gibt selbstverständlich kein Gebot, immer den Nationalsozialismus zu erwähnen, wenn man von Deutschland redet. Erstaunlich ist, daß Frau Gaschke mir aber explizit vorwirft, gegen dieses Nicht-Gebot verstoßen zu haben. Und das ist ein Erfolg: Sie muß ein solches Gebot ins Feld führen, sie offenbart damit die krude Logik der Linken, die uns Herkunft und Geschichte nehmen wollen. Sie springt über mein Stöckchen, nicht ich über ihres.
Entweder, sie läßt meine Aussage stehen, dann habe ich gewonnen. Oder sie offenbart ihre NS-Fixierung in voller Pracht und erzeugt dann Abwehr gegen sich und Zustimmung zu mir. Das ist geschehen. Auch gewonnen. Und das ist auch meine Empfehlung: Wir sollten nur deshalb, weil unsere Gegner ständig vom Nationalsozialismus reden, es ihnen nicht gleichtun. Sondern wir sollten uns lustvoll und stolz auf die über eintausend (minus 12) Jahre an Geschichte und Kulturaufbau beziehen, in denen wir die geistige Grundlage Deutschlands sehen.
Eine Beobachtung: Daß der im liberalkonservativen Biotop weltberühmte Fachhochschullehrer Martin Wagener sich in dieser Sache auf Seite der Linken geschlagen hat, ist entlarvend.
SEZESSION: Ja, es ist jedenfalls interessant. Wageners diesbezüglicher Tweet hat zahlreiche Kommentare erhalten, fast nur „seriöse“. Von 104 Kommentaren schlagen sich knapp 100 auf Ihre Seite. Fest steht: Sie polarisieren ordentlich. Björn Höcke schrieb in seinem Buch und sagte es in unserem Podcast erneut: Der Riß, der durch unser Volk geht, müsse gekittet werden. Kann man polarisieren und kitten zugleich, oder ist das einfach eine gewisse Aufgabenteilung?
KRAH: Wir brauchen Klarheit. Die Zeiten, in denen man auf Kosten der Klarheit Differenzen einfach verdecken konnte, sind vorbei. Wir müssen jetzt die Alternativen deutlich aufzeigen: Dort das Establishment, das mit Deutschland als Bezugsrahmen längst nichts mehr anfangen kann, das Politik explizit nicht als Dienst an nationalen oder immerhin europäischen Interessen versteht, sondern sich einer imaginären Weltmoral verpflichtet fühlt und dafür jederzeit Deutschland auszuplündern bereit ist. Und hier die demokratische Rechte, die eine Politik für uns macht, was damit beginnt zu klären, wer dieses Wir ist – deshalb ja der Streit um den Volksbegriff.
Diese beiden Politikverständnisse sind antagonistisch. Das muß ausgefochten werden. Ich will ein Bewußtsein schaffen für den politischen Graben, auf daß die Leute nachvollziehen, wieso die anderen so und wir anders argumentieren und agieren.
SEZESSION: Diejenigen, die Ihnen keinen Applaus spenden, sondern den Nazi erschnüffeln wollen, werfen Ihnen auch vor, Sie erhielten Applaus von der falschen Seite, also von NPD-Leuten, Reichsbürgern, Ewiggestrigen undsoweiter. Muß man auf solche Anwürfe reagieren?
KRAH: Nein. Enzensberger nannte die Angst vor dem Beifall von der vermeintlich falschen Seite gar ein „Charakteristikum totalitären Denkens“. Und trotz meiner Scheu vor solch bombastischen Bezeichnungen: Er hatte recht. Wir müssen unbeirrt ausdrücken, wofür wir stehen und was wir für richtig halten und dürfen uns nicht danach richten, wem wir gefallen wollen. Das ist ja die rechte Weltanschauung: Wir gestalten die Welt, nicht die Welt gestaltet uns. Wir sollten uns natürlich immer prüfen, ob wir richtig liegen, und der Blick auf jene, die uns zustimmen, ist da ein wichtiger Indikator. Aber auch wenn ich mich selbstkritisch prüfe: Echte Männer sind rechts und unsere Vorfahren waren keine Verbrecher – unabhängig davon, wem das paßt und wem nicht.
RMH
Extra für Frau Gaschke und für alle anderen, die den Grundsatz, dass Ausnahmen die Regel bestätigen, nicht wahrnehmen wollen und in Fragen der Historie nur 100% Licht oder 100% dunkel kennen:
Unsere Vorfahren waren keine Verbrecher. Der Begriff Vorfahren kann Spuren von braunen Nüssen enthalten.
PS: @Dr. Krah, viel Erfolg in der Auseinandersetzung mit der Red. von t-online.