“Aufgeblättert. Zugeschlagen” – das Literarische Trio kritisiert zum 17. Mal

2018 sattelten Susanne Dagen (Buch- und Kulturhaus Loschwitz) und Ellen Kositza (Literaturredakteurin unserer Zeitschrift) das Literarische Trio auf. Seither haben sie sich siebzehn Mal getroffen und jeweils mit einem Gast über stets drei Bücher diskutiert.

Die Anord­nung ist so: Jeder wählt ein Buch und stellt es vor. Die andern haben natür­lich auch gele­sen und loben, kri­ti­sie­ren, ver­wer­fen und vergleichen.

In der 17. Fol­ge ist die Unter­neh­me­rin und Jour­na­lis­tin Sil­ke Schrö­der zu Gast. Sie arbei­tet unter ande­rem für den Deutsch­land­Ku­rier und für tv.berlin. Sie emp­fiehlt das Buch Die Erfin­dung der Ele­ganz von Kers­ten Knipp (hier ein­se­hen und bestel­len) und hält in ihrer Prä­sen­ta­ti­on nach­ge­ra­de ein Plä­doy­er für mehr Ele­ganz, Umgangs­form, galan­te Begeg­nung und Stil.

Susan­ne Dagen ent­schied sich für eine soge­nann­te Auto­fik­ti­on: Mario Casel­la hat in Der Wan­der­fo­to­graf das Leben eines bet­tel­ar­men, aber von der Foto­gra­fie beses­se­nen Samen- und Saat­gut­händ­lers nach­ge­zeich­net, der in den ers­ten Jahr­zehn­ten des 20. Jahr­hun­derts durch die ita­lie­ni­schen Alpen­tä­ler zog. Hier kann man das Buch bestel­len.

Den Auf­takt aber macht Ellen Kositza mit dem gro­ßen Fami­li­en­ro­man Schön­wald von Phil­ipp Oehm­ke, in dem bei­spiels­wei­se ein deut­scher Trump-Influ­en­zer den Naz­igeld-Skan­dal rund um die Eröff­nung des quee­ren Buch­la­dens sei­ner Schwes­ter nicht ver­hin­dern kann. Der Witz: Die­se Sze­ne ist kei­ne Sati­re, son­dern in Ber­lin so gesche­hen. Schön­wald – ein gro­ßes Ver­gnü­gen. Hier ein­se­hen und bestel­len.

Genie­ßen Sie ein Gespräch über Lite­ra­tur auf hohem Niveau, dem es weder an Höf­lich­keit noch an Rele­vanz gebricht:

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Kommentare (21)

Gracchus

28. Oktober 2023 12:36

Oehmke - fällt bei mir weg. 600 Seiten sind viel zu viel. Nach 2 1/2 kann ich zwar verstehen, was EK witzig findet, aber mir würde das nach 10 auf die Nerven gehen. 
Eleganz - interessantes Thema.
Der Wanderfotograf würde mich am meisten interessieren. Allerdings ist das doch keine Autofiktion, was ja bedeutet, der Autor verwendet erkennbar eigene Lebenserfahrungen, fiktionalisiert diese aber.
Bei Wanderfotograf dachte ich an den unermüdlichen Wanderer Hans Jürgen von der Wense, von dem ein neues Buch herausgegeben worden ist -  "Südrouten" -mein Herbst-"Highlight".  
 

Volksdeutscher

28. Oktober 2023 14:00

"Sie empfiehlt das Buch Die Erfindung der Eleganz von Kersten Knipp und hält in ihrer Präsentation nachgerade ein Plädoyer für mehr Eleganz, Umgangsform, galante Begegnung und Stil."
Da kann man Frau Schröder zur guten Wahl nur gratulieren, denn Stil in allen Fragen ist nicht nur wichtig, sondern von absoluter Bedeutung, ganz im Sinne Georges-Louis Leclerc de Buffons. Es sei jedoch an dieser Stelle daran erinnert, daß Eleganz und Umgangsform ohne die stilprägende Aristokratie und das Großbürgertum kaum denkbar sind. Sie waren schon zu allen Zeiten jene Klassen, an deren Geschmack sich die unteren Klassen (erfolgreich) orientierten. Der Untergang dieser Klassen mit ihren Salons und elitären Zirkeln, in denen kultivierte und kulturelle Begegnungen stattfanden, hinterließ eine klaffende Lücke, dessen wir tagtäglich bewußt werden, wenn wir uns in die Öffentlichkeit begeben (Strickpullover in Oper und Theater sind noch die harmlosesten Erscheinungen). Daher finde ich begrüßenswert, die Tradition von Salons neu zu beleben, zuerst jedoch müßte die bürgerliche Klasse insgesamt revitalisiert werden, möchte man in seinem Tun diesbezüglich Erfolge erzielen.
Da ich das Buch noch nicht gelesen habe, weiß ich nicht, wie das Thema inhaltlich aufgebaut ist. Die Bedeutung von Eleganz, Umgangsform und Stil wurde jedoch schon in der italienischen Renaissance Gegenstand literarischer-intellektueller Auseinandersetzung, denke ich an das Buch "Il libro del cortegiano" (Das Buch vom Hofmann) von Baldassare Castiglione.

Maiordomus

28. Oktober 2023 14:22

 Oehmke wird von EK geschildert, dass zumindest der Verdacht einiger literarischer Volltreffer aufkommt, obwohl die meiner Generation näher stehende Susanne Dagen im Gesamturteil recht bekommen könnte. Neige trotzdem zur Bestellung, dies zu einem Zeitpunkt, da ich abgesehen von der Sorge um den Tod nahe Stehender die Selbstbiographie von F. Grillparzer als erträgliche Literatur mir wieder vornehme; FG hat vom Horizont her wohl seit Hofmannstahl im deutschen Sprachraum keinen Konkurrenten mehr bekommen. Dabei fand ich Ausführungen von S. Schröder anregend. Ihre Darlegungen erinnern an Vortrag von Sellner betr. die Destruktion der Gesellschaft durch die damalige Vulgärsatire, natürlich niemals mit Voltaire zu verwechseln.Vermutlich ist "Die Erfindung der Eleganz" gelungener als der Rousseau-Schrott vor 10 Jahren durch den unterdessen mit dem Hegelpreis auszgezeichneten, ungenügend recherchierenden Karl-Heinz Ott. Das hochgebildete Frauentrio war echt anregend. Verdient Bestellung!

Monika

29. Oktober 2023 09:49

Sehr gut fand ich den Ausdruck von Frau Silke Schröder von einer Kim Kardeshianisierung ,wonach das Proletariat die Vorbildfunktion übernommen habe,  Jogginghosen, Turnschuhe und Schönheits OPs zu lifestyle Produkten erklärt werden.  Mein Schlüsselmoment diesbezüglich war in den frühen 80 er Jahren, als es zur Einführung des Privatfernsehens kam. Das empfand ich als Beginn der Proletarisierung. Damals las ich noch die FAZ als Druckausgabe. Dort gab es eine wöchentliche Kolumne über interessante  "Leute" aus dem Kultur- und Geistesleben.  Als dort erstmals  über eine Verona Feldbusch geschrieben wurde, war ich ent-rüstet und geneigt, das Blatt sofort  abzubestellen. Nun ja, ab da wurde Dummheit hoffähig, bzw. wurde behauptet, dass Dummheit nur ein Trick sei, ("Sei schlau, stell dich dumm") um letztendlich doch noch Zutritt in die besseren Kreise zu bekommen. Es soll jetzt in den sozialen Medien Gegenbewegungen zum Trend der Proletarisierung geben.

RMH

29. Oktober 2023 11:48

@Volksdeutscher und @Monika,
ich halte einer Rückbesinnung auf Stil, Galanterie, Eleganz und Umgangsformen vergangener Zeiten für etwas, was man als Reenactment, Party-Spass oder Fetisch-Party einmal zum Zeitvertreib spielen kann (für alles gibt es mittlerweile sog. "Szenen"), aber letztlich ist es endültig vorbei damit. @Volksdeutscher wies zur Recht auf die Klassenfrage bzgl. der Genese dieser Umgangsformen hin.
Ich möchte alle an Nietzsches "Fünf Vorreden zu fünf ungeschriebenen Büchern" erinnern, die aus meiner Sicht einen immer wieder einen Spiegel vorhalten (auch beim Thema Bildung). Zum Thema Traditon und Konservatismus gibt es den ersten "Hammer" gleich bei "Über das Pathos der Wahrheit" und über die condito sine qua non der Kultur (und damit einhergehend des Stils), klärt uns die Abhandlung "Der griechische Staat" auf, der eigentlich Pflichtlektüre für alle "Sezessionisten" sein sollte (insbesondere die Schlussteile, wo Krieg und Geld behandelt werden, dürften vielen hier gefallen). Niemand kann das alles so erörtern und formulieren, wie eben das Genie Nietzsche.
@Gracchus, die "Fünf Vorreden zu fünf ungeschriebenen Büchern" haben keine 600 Seiten und sind recht schnell durchgelesen - das sog. "Sackenlassen" dauert aber länger.

Volksdeutscher

29. Oktober 2023 15:40

@Monika - Nehmen Sie das bitte nicht so ernst mit der Vorbildfunktion des Proletariats, sie ist nur für die Angehörigen des Proletariats, d.h. die unteren Bildungsschichten verbindlich. Es ist aber richtig, wenn man behauptet, daß westliche Gesellschaften seit 1945 eine Nivellierung zum Proletariat hin erfahren haben in Folge der allmählichen Verdrängung der in Stil und Kulturfragen kompetenten Oberschichten. Auch die Ideologie des Kulturrelativismus - eine Spielart des Subjektivismus - hat das ihrige dazu beigetragen, das häßliche Gesicht des Individualismus tagtäglich erlebbar werden zu lassen. Man kann zwar nach wie vor Salons und elitäre Zirkel für kulturelle und kultivierte Begegnungen erschaffen. Ohne die lebendige, dominante und aktive bürgerliche Klasse bleiben solche Initiationen bloß Angebote unter vielen, was letzten Endes nur ihre Unverbindlichkeit betont. Wofür ich plädiere, ist die Aufrichtung, Revitalisierung und Stärkung der bürgerlichen Klasse, damit solche Bestrebungen nicht schon im Vorfeld versanden. Ohne die Medien jedoch, die die bürgerlichen Wertsetzungen propagieren, die Geschmack und Verhalten der unteren Bildungsschichten prägen sollen, wird das nichts. 

Volksdeutscher

29. Oktober 2023 16:35

1. @RMH - Natürlich kann die Revitalisierung von Eleganz, Umgangsform und Stil, die nichts mit dem von Ihnen erwähnten "Reenactment" zu tun hat, an sich wenig bewirken und in ihrem Erfolg äußerst begrenzt sein. Der Sinn der Revitalisierung dieser Werte ist dennoch von großer ästhetischer und ethischer Bedeutung sowohl für den, der diese Signale sendet, als auch für den, der sie empfängt. Es wird nicht die Nachahmung von etwas Abgelegtem und Veraltetem bestrebt. Die Rede ist vom großen Stil. Man will Eleganz, Umgangsform und Stil wieder beleben, erleben und leben, weil man ihre gesellschafts- und kulturpolitische Relevanz erkannt hat. Dies ist den unteren Klassen gegenüber von solidarisierender und gemeinschaftsstiftender Natur, denn der neue Stil soll auch in die Politik formen.

Maiordomus

29. Oktober 2023 16:37

@Maiordomus. Ott erhielt natürlich den Hebelpreis, dessen frühe Träger keineswegs aus ideologischen Gründen abgetan zu werden verdienen. RMH vergleich auf unvergleichliche Texte, wobei aber Nietzsche noch darauf verwies, dass die Lebensgeschichte von Jung-Stilling und der Nachsommer, über den Arnold Stadler ein extra Buch geschrieben hat /"Mein Stifter"/ jederzeit und mehrfach lesbar seien über Goethes Meister hinaus. @Monika. Erinnere mich noch an Aufsätze von Peter von Matt damals in der FAZ, u.a. über George "Das Einhorn geht unter das Volk" und dergleichen. Das war aber garantiert nicht Verona Feldbusch.  An EK bleibt zu schätzen, dass sie im heutigen Sinn neugierig geblieben ist.  

Volksdeutscher

29. Oktober 2023 16:41

2. @RMH - Dazu gibt es bereits kleine, aber erkennbare Ansätze von Politikern der AfD. Man benötigt dazu freilich ein dominantes und aktives Bürgertum, das das gegenwärtige Lumpenproletariat an der Macht beseitigt und der Verwahrlosung der Massen ein Ende bereitet. Machtwechsel und nationale Erhebung wird meines Erachtens nicht ohne dieses revitalisierte, meinetwegen auch erst neu zu erschaffene Bürgertum gehen. Ein anderer Menschenschlag muß an die Macht kommen, damit ein politischer Wechsel nicht nur vorübergehend, sondern dauerhaft besteht. Und wenn Sie schon Nietzsche erwähnen, denken Sie bitte an dessen Plädoyer für die höheren Menschen. Sie sind nicht aus der Mode gekommen, denn sie sind diejenigen, die die höheren Werte verkörpern, bewahren und weitergeben. Dazu gehören u.a. Umgansform und Stil im täglichen Leben. So aber auch in der politischen Sphäre.

Gracchus

29. Oktober 2023 17:51

@RMH: Es gibt durchaus Autoren, von denen ich mir 600+ Seiten gefallen lasse. Und 600 Seiten sind natürlich nicht gleich 600 Seiten. Da es bei SiN auch ins Grundsätzliche geht, muss gefragt werden, ob ein solcher bürgerlicher Roman-Realismus nicht überholt ist. Ich kann in derlei Verdopplung weder einen ästhetischen noch einen Erkenntnis-Mehrwert erkennen. Ist sowas nicht besser in Kolumnen aufgehoben? Das (Bildungs-) Bürgertum ist sowieso fast ausgestorben. 
 

Kositza: Sie stellen doch wohl nicht meine Begeisterung infrage?? (Smiley.) Gerade liest der Sohn "Schönwald", und ja, es gibt heute noch Zeiten, wo man einen festgelesenen Adoleszenten anweisen muß: "Jetzt mal weg mit dem Buch, geh mal ins Freie, Holzhacken!"

Gracchus

29. Oktober 2023 17:54

Eleganz verbinde ich mit Auslassung, Auslese. Bei Wikipedia ein schönes Zitat von Paul Valery gefunden: "Elegantia – Das bedeutet Freiheit und Ökonomie ins Sichtbare übertragen – Ungezwungenheit, Leichtigkeit in – schwierigen Angelegenheiten. Finden, ohne den Anschein zu erwecken, gesucht zu haben – Wissen, ohne offenzulegen, daß man gelernt hat."

Gimli

29. Oktober 2023 21:42

Ich mag viele Literatursendungen des ÖR (Ausnahme: Heidenreich) und hab auch hier neugierig quergeschaut. Immer auf der Lauer nach rechten Signalworten. Bin kaum getriggert worden. Danke dafür an das Triumfeminat. Der Kommentarbetrieb haut dagegen wieder mal in einer Art Autoren und Zitate raus, die mir eher selbstgefällig scheint und weniger, um "elegant" zur Diskusion beizutragen.  In dem Sinne Dank an Gracchus: Ihr Paul Valery ist augenzwinkernder Volltreffer ;-)
Überlege allen Ernstes, das unverdächtige Reclambüchlein zu kaufen. Auch wenn der Stapel Ungelesener damit wieder um eine Entität wächst. Aber besser als Nippes allemal. 

Gracchus

29. Oktober 2023 22:33

@EK: nein, niemals, zumal Ihnen ja schon Frau Dagen zugesetzt hat.
Das ist, schon klar, meine Idiosynkrasie, aber auf mich hat die aktuelle Romanproduktion etwas Gespenstisches, und ich bezweifle stark, dass dabei große Kunst herauskommt, und ich greife jetzt hundertmal lieber zu dem von @Maiordomus genannten Stifter, dessen "Nachsommer" in meiner Ausgabe mehr als 600 Seiten hat, sicherlich kein "Spaß" zu lesen, nix, was runterläuft wie Öl, dennoch kein Masochismus, sondern ... ja, man weiß nicht so recht, was einen beim Lesen hält, und plötzlich ist man auf eigenartige Weise beglückt. Wobei ich "Die Mappe meines Urgroßvaters" in letzter Fassung dem "Nachsommer" noch vorziehe, leider ist die Erzählung unvollendet geblieben.  

Gracchus

29. Oktober 2023 22:57

Stifter hat den "Nachsommer", wiewohl mehr als 600 Seiten dick, als Erzählung bezeichnet, und zwar, vermute ich jetzt mal, weil er sich von den Romanfabrikanten abgrenzen wollte. Seine späten Erzählungen sind von einer strengen Einfachheit, zu recht von Thomas Mann als "Greisen-Avantgardismus" gerühmt, formal radikal, antirealistisch - und daher noch heute frisch. 
Stifters Thema - das sich nie nur inhaltlich bestimmen lässt - ist heute noch genau so aktuell, weil er sich mit jedem Satz gegen die Auflösung der Ordnung und die Auflösung der Grenzen und Dinge zu stemmen versucht. 
Dabei vermag Stifter auf unvergleichlich tiefe Weise zu berühren (zB Der Waldgänger, Bunte Steine). 

Gracchus

30. Oktober 2023 00:09

@Volksdeutscher: Ich weiß nicht. Vielleicht ist mir etwas entgangen, aber SiN steht ja nicht für Bürgerlichkeit ein, das, scheint mir, ist eher Tichys oder JF-Beritt. Das Bürgertum hat es bisher nicht vermocht, wie sollte es das in Zukunft. Befand oder befindet sich das Bürgertum nicht im permanenten Aufstand gegen alles Hohe? Ist für das Bürgertum das Wahre nicht das Nützliche? So dass das Schöne, nicht mehr, wie noch im Mittelalter, der Glanz der Wahrheit, in einen irrationalen Ästhetizismus abgeglitten ist? 

Volksdeutscher

30. Oktober 2023 09:47

@Gracchus - Welche Klasse vertritt denn SiN, bzw. welche ist ihr Ansprechpartner in ihrer geistigen Ausrichtung Ihrer Meinung nach? Ich frage nur, weil ich noch nie eine konkrete Bekenntnis von SiN diesbezüglich gelesen habe... Überdies: Jeder Staat bedarf der Führung durch eine Klasse. Die Führung kann jedoch nicht jede Klasse ausüben, weil sie an bestimmte Voraussetzungen/Kompetenzen geknüpft ist. Dies steht nicht im Widerspruch zu dem Anspruch, intellektuelle Arbeit und Politik für die gesamte Nation zu machen. Aber es müssen Führer und Geführte geben, so wie es Künstler und Kunstinteressierte, Hersteller und Verbraucher gibt. Aufgabenteilung nennt sich das und so war es schon zu allen Zeiten. Diese konservative Auffassung ist zudem nicht zu überbieten.

RMH

30. Oktober 2023 09:49

"In dem Sinne Dank an Gracchus: Ihr Paul Valery ist augenzwinkernder Volltreffer ;-)"
@Gimli, Gracchus, Das Zitat sagt im Grunde auch nicht viel anderes, als Nietzsche, nur das Nietzsche eine Ehrlichkeit an den Tag legt, die bereits damals für viele eben zu viel wahr.
@M.D., ich habe Texte nicht verglichen, lediglich etwas zu dem Thema "Eleganz" beigetragen. Vergleichen kann ich nicht, da ich nur Nietzsche gelesen habe.
@Volksdeutscher, mit ihrem Hinweis auf den Klassenursprung lagen Sie am Anfang der Diskussion richtig, eiern später aber um den heißen Brei herum. Wer Eleganz, Stil, Kultur, Künste will, der braucht auch die Sklaven, die den Wohlstand für all das erwirtschaften. Wer bei solch einer Dreistigkeit der Behauptung das Näschen hoch zieht, ist am Ende - im Gegensatz zu bspw. Nietzsche - feige gegenüber Realitäten. Im Übrigen schafft jede Zeit eben ihre ganz eigenen Umgangsformen, daher auch der Verweis darauf, dass ein Nachahmen, eine Orientierung an Vergangenem, leidglich Ausdruck der eigenen Saft- und Kraftlosigkeit ist (im Übrigen brauche ich ganz persönlich manches von damals heute in der Tat nicht mehr, aber das ist persönliches Empfinden).

RMH

30. Oktober 2023 10:34

Nachtrag: Eleganz, Stil, Umgangsformen, "Höflichkeit", sind (auch) gesellschaftliche Mittel der Distinktion (das englische distinguish drückt das klarer aus, als die deutsche Verwendung von distinguiert, wobei es in der Form des "distinguished" auch in diese Richtung geht). Das erklärt auch die Attraktivität dieser Themen bei Rechten, obwohl gerade diese politische Abart der Linken (in Form einer Massenbewegung) von denen, die ernsthaft die Mittel der Distinktion in den Händen halten, als Pöbel angesehen wurden und werden. Der heutige Massenmensch (auch unter den Rechten), der eine gewisse Sehnsucht danach entwickelt, übersieht dabei gerne, dass es das Wesen der Distinktion ist, dass diese kein Wunschkonzert ist. Nur, weil man das attraktiv oder "schick" findet, gehört man eben noch lange nicht dazu und so darf jeder ehrlich zu sich selber sein: Gehört er dazu oder nicht? Eleganz geht einher mit Exklusivität (=Ausschluss). Seit jeher gab es Menschen, die ihre eigene Eleganz gerade dadurch entwickelten, dass sie nicht à la mode waren, nicht "schicklich" und damit ihre eigene Würde entwickelten.

Volksdeutscher

31. Oktober 2023 11:13

@RMH - "Nur, weil man das attraktiv oder "schick" findet, gehört man eben noch lange nicht dazu und so darf jeder ehrlich zu sich selber sein: Gehört er dazu oder nicht?"
Darauf habe ich schon die ganze Zeit gewartet, daß Sie das Beispiel des Parvenues daherbringen und Sie haben es tatsächlich geliefert.... Sie argumentieren klug, wie jemand, für den Eleganz nicht mehr darzustellen scheint, als sieben Buchstaben. Dabei ist Eleganz viel mehr! Bei allen klugen Dingen, die Sie als Unbeteiligter erwähnt haben, vergessen Sie nur folgerichtig das Wesentliche: Daß es dabei nicht darum geht, einer bestimmten gesellschaflichen Klasse zu gefallen in der Hoffnung, von ihr aufgenommen zu werden, sondern darum, die Aufmerksamkeit anderer auf sich zu lenken, indem man seine Kompetenz in ästhetischen Fragen sichtbar werden läßt, kurz: Sich zum Mittelpunkt macht! Hätten Sie das gedacht? In kulturgeschichtlicher Hinsicht nämlich erfüllt die Bekleidung des Menschen seit jeher drei Funktionen, bzw. hat drei Funktionen zu erfüllen: Bedeckung der Scham, Schutz gegen Witterungseinflüsse und Darstellung seiner selbst. Diese Dinge sind unabhängig von Klassen und Kulturen. Um mehr geht es dabei nicht. Wer weniger linke Soziologie liest, hat mehr Verständnis für und von diesen Dingen.

Volksdeutscher

31. Oktober 2023 11:51

@RMH - "Wer Eleganz, Stil, Kultur, Künste will, der braucht auch die Sklaven, die den Wohlstand für all das erwirtschaften."
Ich eiere nicht zurück, sondern wehre mich gegen die falsche Inanspruchnahme meines nicht voll entfalteten Arguments durch Sie.
Aber sehr klug von ihnen gefolgert, denn wer Eleganz, Stil, Kultur, Künste will, muß auch B sagen und ich sage B. Ein Volk erschafft sich seine Kultur und hinterläßt damit seine Spuren in der Zeit, zudem macht es sich für andere Völker wahr- und vernehmbar, durch Kultur erschafft es sein Gesicht, seine Größe. Indem es sich aus dem puren Naturgeschehen herausschält, behauptet es sich als Subjekt der Geistesgeschichte. Kultur erschaffen heißt auch Wille zum Leben. Das Wort Kultur können wir dabei ersetzen durch das abstraktere Wort, das auch Nietzsche benutzte: Werke.
Übrigens, es kommt nicht darauf an, was wir in unserem Gegenüber sehen, sondern darauf an, wie wir mit ihm umgehen, ihn behandeln. Das erste geht nur uns etwas an - das zweite jedoch ihn selbst.

willezumleiden

1. November 2023 10:26

Schließe mich @gimli an. Manches im Kommentarbereich wirkt einfach nur peinlich. Was ist auch die Alternative zum Benehmen? Braucht man Sklaven, um Anstand zu wahren? Einen "Willen zum Leben" lehne ich ab, eher einen Zwang zum Leben, da der Selbstmord nicht allzu einfach und die Konsequenzen verheerend sein können. Nietzsche war denn auch ein leidender Mann, der nur nicht glauben konnte seines Stolzes wegen.

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