Historische Bearbeitung ist keine Aufarbeitung, sagt Übersetzer Antonin Brousek

Antonin Brousek (1962) ist gebürtiger Tscheche, kam mit seinen Eltern nach dem Prager Frühling nach Deutschland und wurde Richter. Er ist Mitglied im Abgeordnetenhaus Berlin. Seine Leidenschaft ist die Literatur. Er wagte sich an eine Neuübersetzung des hierzulande bekanntesten tschechischen Romans, Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk von Jaroslav Hašek, womit ihm nach einhelliger Meinung ein Meisterstück gelang. Nun hat sich Brousek der tschechischen Kollaboration angenommen und eine der zentralen Rechtfertigungsschriften neu herausgegeben: Das Ende der Beneš-Republik von Emanuel Moravec, 1941 erstmals auf deutsch erschienen. Wir sprachen mit ihm über dieses Projekt.

SEZESSION: Sehr geehr­ter Herr Brou­sek, Anfang Sep­tem­ber jähr­te sich das soge­nann­te Mün­che­ner Abkom­men zum 85. Mal. Wäh­rend ande­re his­to­ri­sche Daten, vor allem in Zusam­men­hang mit dem Drit­ten Reich, regel­mä­ßig im Fokus der bun­des­deut­schen Öffent­lich­keit und deren „Erin­ne­rungs­kul­tur“ ste­hen, wird über die­ses Abkom­men, den „vor­letz­ten Sarg­na­gel der demo­kra­ti­schen Nach­kriegs­ord­nung“, eher wenig dis­ku­tiert. Wie ver­hält sich das in Tsche­chi­en? Und wie gestal­tet sich die offi­zi­el­le und auch inof­fi­zi­el­le Erin­ne­rungs­kul­tur, d.h. die Gesprä­che und Gebräu­che im tsche­chi­schen Volk, ganz allgemein?

BROUSEK: Das ist eine wirk­lich unge­mein inter­es­san­te Sache. In der Bun­des­re­pu­blik ist die „Erin­ne­rungs­kul­tur“, ein schau­der­haf­tes Wort übri­gens, ja sehr inten­siv, die­ses The­ma fin­det aber komi­scher­wei­se fast nicht statt. Das ist für das heu­ti­ge Deutsch­land offen­bar poli­tisch nicht oppor­tun oder nicht genug schuldbelastet.

In Tsche­chi­en ist das völ­lig anders. Auf media­ler Ebe­ne und unter den Men­schen selbst, auch bei soge­nann­ten ein­fa­chen Leu­ten. Ich war jetzt gera­de in Süd­böh­men, es gab dazu Sen­dun­gen im Fern­se­hen und im Radio, es gab dazu Arti­kel in den Zei­tun­gen. Vor allem ist aber inter­es­sant, daß die Men­schen noch immer dar­über reden.

Gera­de heu­te habe ich mir eine popu­lär­his­to­ri­sche Zeit­schrift gekauft, in der „Mün­chen 1938“ das Haupt­the­ma ist. Das Titel­bild ist ein tol­les his­to­ri­sches Farb­fo­to und stellt die Besei­ti­gung tsche­cho­slo­wa­ki­scher Grenz­an­la­gen durch Deut­sche in süd­deut­scher Trach­ten­klei­dung dar. „Tracht­ler“ nennt man die­se Leu­te in Bay­ern. Das Foto wur­de aus­ge­wählt, weil alle Tsche­chen alpi­ne Trach­ten unge­mein lächer­lich und typisch deutsch fin­den. Des­halb müs­sen Sude­ten­deut­sche immer „Tracht­ler“ sein.

Die Tsche­chen sind aller­dings ein sehr his­to­risch den­ken­des Volk, viel­leicht ist das ein Spe­zi­fi­kum klei­ner Völ­ker. Sie reden viel über geschicht­li­che Ereig­nis­se und haben dabei, den­ke ich, drei gro­ße his­to­ri­sche Zeit­punk­te, die für sie zen­tral und trau­ma­ti­sie­rend waren: 1621 die tsche­chi­sche Nie­der­la­ge in der Schlacht am Wei­ßen Berg, 1968 die rus­si­sche Okku­pa­ti­on und eben 1938 das Mün­che­ner Abkommen.

Das letzt­ge­nann­te The­ma wird immer noch am inten­sivs­ten erlebt. Grund­te­nor ist immer: Wir wur­den vom Wes­ten im Stich gelas­sen oder gar ver­ra­ten – wir hät­ten uns im Sep­tem­ber 1938 gegen Deutsch­land ver­tei­di­gen sol­len – wir hät­ten uns erfolg­reich ver­tei­di­gen kön­nen, weil wir eine so moder­ne Armee hatten.

Der ers­te Punkt stimmt, der zwei­te ist zwei­fel­haft, der drit­te Unfug. Die moder­ne tsche­chi­sche For­schung nimmt nicht mehr an, daß eine Ver­tei­di­gung sinn­voll gewe­sen wäre. Das Volk aber eben schon …

SEZESSION: Das Mün­che­ner Abkom­men war ein ver­gleichs­wei­se unblu­ti­ger, vor allem diplo­ma­ti­scher Erfolg der deut­schen Füh­rung unter Hit­ler. Der von Ihnen kürz­lich wie­der­ent­deck­te Ema­nu­el Mora­vec, der nach dem Abkom­men mit den Deut­schen kol­la­bo­rie­ren soll­te, beschreibt in sei­nem Buch Das Ende der Beneš-Repu­blik sehr aus­führ­lich, daß der jun­ge tsche­cho­slo­wa­ki­sche Staat 1938 durch­aus über mili­tä­ri­sche Mit­tel ver­füg­te, Deutsch­land wenigs­tens eini­ge Wochen stand­zu­hal­ten. Wie­so also die­se diplo­ma­ti­sche, womög­lich wenig heroi­sche „Lösung“ des Kon­flikts um das Sudetenland?

BROUSEK: Die Tsche­cho­slo­wa­kei hät­te sich mei­nes Erach­tens nicht lan­ge weh­ren und hal­ten kön­nen. Selbst, wenn die Bri­ten und Fran­zo­sen ein­ge­grif­fen hät­ten. Ich hal­te das für einen Mythos. Als aber Ende Sep­tem­ber 1938 klar war, daß vom Wes­ten kei­ne Hil­fe zu erwar­ten sein wür­de, war jeder tsche­cho­slo­wa­ki­sche Wider­stand völ­lig irra­tio­nal. Die tsche­cho­slo­wa­ki­sche Armee war zwar qua­li­ta­tiv wirk­lich recht hoch­wer­tig, die Kampf­mo­ral der Tsche­chen und Slo­wa­ken war eben­falls hoch. Aber auch die viel moder­ne­re fran­zö­si­sche Armee ist 1940 in nur vier Wochen kom­plett zer­schla­gen wor­den. Damit hat­te nie­mand gerech­net, nicht ein­mal der GröFaZ selbst. Der deut­schen Wehr­macht konn­te damals kei­ner stand­hal­ten, tech­nisch nicht, tak­tisch nicht und (kampf-)moralisch nicht.

Die Lösung durch die Befol­gung des Mün­che­ner Abkom­mens war wirk­lich unhe­ro­isch, aber klug, ange­mes­sen und prag­ma­tisch. Es war aber die ein­zi­ge ech­te Lösung, die es Ende Sep­tem­ber 1938 gab. Vie­le Men­schen haben das hin­ter­her Prä­si­dent Beneš ver­übelt. Gera­de auch Oberst Mora­vec, der sich als „muti­ger“ Sol­dat vom „fei­gen“ Poli­ti­ker ver­ra­ten fühl­te. Ich den­ke aber, daß Poli­ti­ker und Diplo­ma­ten immer klü­ger sind als Gene­rä­le und Sol­da­ten. Zudem war die Tsche­cho­slo­wa­kei die ein­zi­ge Demo­kra­tie in Ost­mit­tel­eu­ro­pa. In einer Demo­kra­tie haben Gene­rä­le zu tun, was die Regie­rung ihnen vor­gibt, nicht etwa umgekehrt.

Und nicht zuletzt: Hät­ten die Tsche­cho­slo­wa­ken mit Beneš sich im Herbst 1938 nicht gefügt, hät­ten in der Welt sie als Kriegs­trei­ber dage­stan­den und nicht etwa Adolf Hit­ler, der in Wirk­lich­keit den Krieg ja schon 1938 wollte.

SEZESSION: Der His­to­ri­ker Ste­fan Scheil spricht in einem Inter­view von einem „typisch ‚tsche­chi­schen Gedan­ken‘“. Die Polen hin­ge­gen hät­ten in einer ver­gleich­ba­ren Situa­ti­on sicher anders gehan­delt, so Scheil. Liegt er damit rich­tig? Läßt sich die „Kapi­tu­la­ti­on“ der Tsche­chen, eines Volks, das sich zu Recht auf die mili­tä­ri­sche Tra­di­ti­on der Hus­si­ten beruft, so ein­fach erklä­ren? Die Tsche­chen als Pazi­fis­ten? Ist das auch heu­te noch das Mind­set die­ses Volks? Oder steckt – his­to­risch betrach­tet – mehr dahinter?

BROUSEK: Ste­fan Scheil ist ein bemer­kens­wer­ter His­to­ri­ker, der nicht dem Main­stream ange­hört. Das macht ihn sehr inter­es­sant. Ich habe viel von ihm gele­sen, kann ihm aber in vie­len Din­gen nicht bei­pflich­ten. Hier indes schon.

Natür­lich kann man das nicht sim­pli­fi­zie­ren, nach dem Mot­to: „fei­ge Tsche­chen“, „tap­fe­re Polen“. Die Polen hät­ten nie kapi­tu­liert, zuge­ge­ben. Sie sind tap­fer, ja hero­isch, und auch groß­spu­rig. Das hat ihnen in der Geschich­te auch immer sehr vie­le Pro­ble­me bereitet.

Die Tsche­chen sind ein viel klei­ne­res Volk als die Polen, sie sind ein fried­fer­ti­ges Volk, und sie sind seit jeher ziem­lich anti­mi­li­ta­ris­tisch ein­ge­stellt. Fei­ge sind sie aber nicht. Sie wägen immer ver­nunft­be­zo­gen ab. Das rech­net sich his­to­risch eher als Hel­den­mut à la Ula­nen­an­grif­fe gegen deut­sche Pan­zer. Das war in den böh­mi­schen Län­dern seit der Zeit nach den Hus­si­ten­krie­gen eigent­lich immer so und ist auch heu­te noch so.

Den­noch gab es im Ein­zel­fall her­vor­ra­gen­de mili­tä­ri­sche Leis­tun­gen auch in der Zeitv­nach dem Hus­si­ten­füh­rer Jan Žis­ka. Man den­ke nur an die Tsche­cho­slo­wa­ki­schen Legio­nen in Sibi­ri­en im Ers­ten Welt­krieg, oder aber an die her­aus­ra­gen­den tsche­chi­schen Geschwa­der der RAF bei der Luft­schlacht um Eng­land im Zwei­ten Weltkrieg.

SEZESSION: Ema­nu­el Mora­vec kol­la­bo­rier­te, wie gesagt, nach dem Mün­che­ner Abkom­men mit den Deut­schen. Er gilt den Tsche­chen als „Schreck­ge­spenst“ der eige­nen Geschich­te. Wie bekannt ist die­ser Mann in Tsche­chi­en? Könn­ten Sie einen Ver­gleich mit einer his­to­ri­schen Figur in Deutsch­land ziehen?

BROUSEK: Ema­nu­el Mora­vec wird in Tsche­chi­en bis heu­te geh­aßt und ver­ach­tet. Und zwar extrem. Er gilt als Ver­kör­pe­rung des Bösen. Er ist des­halb durch­aus auch immer noch sehr bekannt, da Hor­ror­fi­gu­ren stär­ker in Erin­ne­rung blei­ben als die Guten. Sau­ron ist doch auch viel inter­es­san­ter als etwa Bil­bo Beut­lin. Des­halb gibt es über Mora­vec auch stän­dig Bücher, Fil­me, ja sogar Gra­phic Novels.

Der Haß auf Mora­vec ist mei­nes Erach­tens auch eine Art Selbst­haß oder eine spe­zi­el­le Form des Fremd­schä­mens, nach dem Mot­to: Wie konn­te unser fried­li­ches Volk, ein Volk der Frie­dens­tau­ben, wie sich die Tsche­chen näm­lich selbst gern nen­nen, so einen fie­sen Böse­wicht und Fins­ter­ling hervorbringen?

Mora­vec ist auf die­sem Gebiet genau­so bekannt wie die zwei­te gro­ße Schre­ckens­fi­gur der tsche­chi­schen Geschich­te: der stell­ver­tre­ten­de Reichs­pro­tek­tor Rein­hard Heyd­rich nämlich.

Die Tsche­chen reden auch immer noch viel von Rein­hard Heyd­rich und dem Atten­tat auf ihn im Jahr 1942. Ema­nu­el Mora­vec und Rein­hard Heyd­rich kann man da sehr gut mit­ein­an­der ver­glei­chen. Sie spie­len in der glei­chen Liga, der Cham­pi­ons League des Schre­ckens sozu­sa­gen, einer für Tsche­chi­en, der ande­re für Deutschland.

SEZESSION: In Ihrem sehr aus­führ­li­chen Nach­wort zum Buch schrei­ben Sie, die Tsche­chen hät­ten die­sen Teil Ihrer Geschich­te, näm­lich die frei­wil­li­ge Kol­la­bo­ra­ti­on mit den Deut­schen, kei­nes­wegs „auf­ge­ar­bei­tet“. Ihr Nach­wort stößt in die­se Lücke. Mei­nen Sie, es ist an der Zeit, dar­über zu spre­chen? Und war­um? Sicher wol­len Sie kei­nen tsche­chi­schen Schuld­kult befördern.

BROUSEK: Wis­sen­schaft­lich ist die Fra­ge der Kol­la­bo­ra­ti­on von tsche­chi­scher Sei­te natür­lich schon bear­bei­tet wor­den. His­to­ri­sche Bear­bei­tung ist aber eben kei­ne „Auf­ar­bei­tung“. Dar­un­ter ver­ste­he ich eine bewußt­seins­mä­ßi­ge Durch­drin­gung und Erfas­sung his­to­ri­scher Kom­ple­xe. Eine gesell­schaft­lich herr­schen­de Mei­nung zu zen­tra­len geschicht­li­chen Pro­blem­fel­dern, die gebil­det wer­den und sich durch­set­zen muß.

Die­se fehlt doch bei vie­len Völ­kern. Den­ken sie ein­mal an das Vichy-Frank­reich von Mar­schall Pétain, das vie­le Fran­zo­sen bis heu­te igno­rie­ren, weil es ja nur die Résis­tance gege­ben habe. Oder aber die Rus­sen mit Katyn. Die wis­sen schon, daß sie es waren, wol­len es aber nicht wahr­ha­ben. Oder aber der Geno­zid der Osma­nen an den Arme­ni­ern. Hier wird ja die Wahr­heit in der Tür­kei bis heu­te sogar straf­recht­lich verfolgt.

Die Tsche­chen wis­sen durch­aus, daß sie kei­nen wirk­lich nen­nens­wer­ten Wider­stand gegen die deut­schen Besat­zer geleis­tet haben. Des­we­gen wer­den ja die Heyd­rich-Atten­tä­ter so gefei­ert. Ich sehe da übri­gens eine Par­al­le­le zu den Atten­tä­tern des 20. Juli. Auch die­se müs­sen in der bun­des­deut­schen Erin­ne­rungs­kul­tur Jahr für Jahr inten­siv dafür her­hal­ten, daß es gegen Adolf Hit­ler bis zum Schluß so gut wie kei­nen deut­schen Wider­stand gab. Womit ich bei­de Ereig­nis­se als sol­che natür­lich nicht schmä­lern möchte.

Die Tsche­chen redu­zie­ren aber das Pro­tek­to­rat von 1939–1945 auf das Atten­tat auf Heyd­rich und den Pra­ger Auf­stand am 5. Mai 1945, wobei schon das spä­te Datum Bän­de spricht. Im brei­ten Bewußt­sein der Men­schen wird höchs­tens noch der Pro­tek­to­rats­prä­si­dent Emil Hácha als tra­gi­scher alter Mann gese­hen. Die im Pro­tek­to­rat durch­aus vor­han­de­ne und gar nicht gerin­ge Kol­la­bo­ra­ti­on von tsche­chi­schen Beam­ten, Jour­na­lis­ten, Künst­lern und sogar Sol­da­ten wird aus­ge­blen­det, ist vie­len Leu­ten gar nicht bekannt. Nur Mora­vec eben, der aber als Figur aus dem Gru­sel­ka­bi­nett gilt. Das ist jedoch unrich­tig. Mora­vec stand nicht allein.

Über sol­che Din­ge muß gespro­chen wer­den, weil man his­to­ri­sche Wahr­hei­ten immer erken­nen und aner­ken­nen muß. Mit Schuld­kult hat das gera­de nichts zu tun. Ein auf­rich­ti­ges Mea cul­pa ist eben kein Kult. Es genügt, wenn man es ernst meint, dann wird einem ver­zie­hen. Nur in Deutsch­land wird alles so schreck­lich breit­ge­tre­ten, insti­tu­tio­na­li­siert und instrumentalisiert.

SEZESSION: Apro­pos „Auf­ar­bei­tung“: Das Ver­hält­nis zwi­schen Deutsch­land und Tsche­chi­en war schon immer ein beson­de­res – vor allem durch das Sude­ten­land, die gemein­sa­me Gren­ze und die His­to­rie. Auf der poli­ti­schen Rech­ten sind die soge­nann­ten wil­den Ver­trei­bun­gen natür­lich noch immer irgend­wie ein The­ma – nicht zuletzt auf­grund der Fami­li­en­ge­schich­ten. Wie wird mit die­sem The­ma in Tsche­chi­en umgegangen?

BROUSEK: Das The­ma der „wil­den“ Ver­trei­bun­gen der Sude­ten­deut­schen im Jahr 1945 wird in Tsche­chi­en lei­der sehr unge­nü­gend behan­delt. Ich ken­ne jün­ge­re („ein­fa­che“) Leu­te, die dar­über nichts oder so gut wie nichts wis­sen. Ich ken­ne auch älte­re Men­schen, die dar­über nicht reden wol­len oder aber es bis heu­te gerecht­fer­tigt, nor­mal und rich­tig fin­den. Die meis­ten Tsche­chen den­ken dar­über aber lie­ber nicht nach, weder posi­tiv noch negativ.

Man sagt nur, „frü­her, als die Deut­schen da waren“, mehr nicht. Als wäre das eine Art Natur­er­eig­nis gewe­sen, das sich im Mai 1945 ereig­net hat. Ein Natur­er­eig­nis wie zum Bei­spiel Hagel oder Hoch­was­ser kann man ja auch nicht wirk­lich bewer­ten. Es pas­siert eben.

Ich den­ke auch, daß sich dar­an im tsche­chi­schen Bewußt­sein nichts mehr ändern wird. Wenn es bis heu­te nicht wirk­lich auf­ge­ar­bei­tet wur­de, wird es so lan­ge Zeit danach auch nicht mehr erfol­gen. Wozu? Tem­pi passati.

Wohl­ge­merkt mei­ne ich hier­bei nicht offi­zi­el­le oder halb­of­fi­zi­el­le Ver­an­stal­tun­gen von kul­tu­rel­ler, poli­ti­scher, christ­li­cher oder sons­ti­ger Sei­te, ich mei­ne wie­der­um nur das nor­ma­le Volk. Das will nichts davon wissen.

SEZESSION: Und was den­ken Sie als jemand, der sozu­sa­gen zwi­schen den Stüh­len sitzt, über Schuld, Süh­ne und Ver­ge­bung? Gibt es einen gemein­sa­men Weg in die Zukunft?

BROUSEK: Sie haben völ­lig recht. Ich sit­ze ja lei­der wirk­lich auf zwei Stüh­len oder dazwi­schen oder auf kei­nem Stuhl richtig.

Die Ver­trei­bung 1945 war his­to­risch ein gro­ßes Ver­bre­chen. Das tsche­chi­sche Volk hat sich damit noch wei­ter nach Osten kata­pul­tiert als schon 1918 bei Grün­dung der Tsche­cho­slo­wa­kei. Aber auch, wenn ich mich damit unbe­liebt mache: Wie hät­te Beneš die­sen Kon­flikt lösen sol­len? Es bot sich der Tsche­cho­slo­wa­kei nach Kriegs­en­de die ein­ma­li­ge Chan­ce einer Lösung die­ser his­to­risch ver­fah­re­nen Lage. Sie brach­te eine defi­ni­ti­ve Befrie­dung. Beneš hat­te sich ja die Aus­sied­lung der Grie­chen aus der Tür­kei in den Jah­ren 1921–1923 als his­to­ri­sches und juris­ti­sches Vor­bild genom­men. Auch die­se war ahis­to­risch, grau­sam, aber aus heu­ti­ger Sicht erfolgreich.

Ich den­ke, es gibt in der Geschich­te bei Groß­ereig­nis­sen kein rich­tig oder falsch. Es gibt nur Ereig­nis­se, die ex post so oder so bewer­tet wer­den kön­nen. War die Erobe­rung Kon­stan­ti­no­pels 1453 ein Ver­bre­chen? War die Ver­bren­nung von Jan Hus 1415 in Kon­stanz kano­nisch gerecht­fer­tigt? War die Abset­zung Mus­so­li­nis durch den Gro­ßen Faschis­ti­schen Rat 1943 ein Putsch oder ein Befrei­ungs­akt? Wir könn­ten die Lis­te unend­lich fortsetzen.

Schuld und Süh­ne ist mir zu sehr Dos­to­jew­ski. His­to­risch gibt es kei­ne Schuld an Ereig­nis­ses, es gibt nur kla­re Ver­bre­chen: den Holo­caust, den Holo­do­mor, die Gulags, die Kil­ling Fields usw. Für Ver­bre­chen gibt es nur Stra­fe und/oder Ver­ge­bung. Ver­ge­bung kann aber nur das Opfer selbst gewäh­ren. Dafür ist im Hin­blick auf die gesam­ten Ereig­nis­se in der deutsch-tsche­chi­schen Geschich­te 1938–1945 nun­mehr aber zu spät.

Auf jeden Fall gibt es einen gemein­sa­men Weg von Tsche­chen und Deut­schen in die Zukunft. Ohne alle Pro­ble­me und ohne die­se gan­zen schwe­ren Belas­tun­gen aus unse­rer gemein­sa­men Geschich­te. Ein­fach nur, weil die meis­ten jun­gen Men­schen hüben wie drü­ben sich für die­se Din­ge nicht mehr wirk­lich inter­es­sie­ren. Das ist zwar etwas arm­se­lig im Ergeb­nis, aber befreiend.

Es gehen so Schuld, Süh­ne und Ver­ge­bung ver­lo­ren. Wir wer­den sie nicht mehr brau­chen. Es geht aber auch das gemein­sa­me his­to­ri­sche Bewußt­sein ver­lo­ren, das Bewußt­sein dafür, daß das tsche­chi­sche und das deut­sche Volk seit der Tau­fe der 14 böh­mi­schen Fürs­ten im Jahr 845 in Regens­burg his­to­risch und kul­tu­rell eng mit­ein­an­der ver­bun­den waren. Jeden­falls bis Mai 1945.

Und gemes­sen an die­sen 1100 Jah­ren sind Figu­ren wie Ema­nu­el Mora­vec oder auch Rein­hard Heyd­rich dann doch eher marginal.

– – –

Ema­nu­el Mora­vec: Das Ende der Beneš-Repu­blik, über­setzt von Anto­nin Brou­sek. Jun­g­eu­ro­pa 2023, hier ein­se­hen und bestel­len.

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Kommentare (20)

RMH

19. November 2023 22:41

"Auf der politischen Rechten sind die sogenannten wilden Vertreibungen natürlich noch immer irgendwie ein Thema – nicht zuletzt aufgrund der Familiengeschichten."
Oh ja! Heute war sog. Volkstrauertag. Da hätte ich mir auf SiN ein anderen Beitrag gewünscht, als dieses Interview (das hätte ich einen Tag oder ein paar Tage später online gestellt). Die Kollaboration interessiert deutlich weniger als das, was an Terror und Mordbrennerei dann 45 an den Deutschen geschehen ist. Die Kollaboration spielt hier allenfalls als Motiv eine Rolle, sich mit dem Blut der alten "Herren" rein zu waschen, mit vermeintlich "berechtigter" Rache sich als Opfer darzustellen und bei den neuen Herren als zuverlässig zu präsentieren, aber die Kollaboration war sicher kein tragendes und auch kein alleiniges Motiv für die Verbrechen, die ab 45 geschehen sind. Und zu einer Historisierung gehört auch eine Aufklärung darüber, was genau mit den Opfern passiert ist. Viele haben nicht einmal ein Grab, sind nur verscharrt oder am Wegesrand verwest. 

Laurenz

19. November 2023 23:11

Oha! Herr Brousek ist zwar recht kritisch mit den Tschechen, bleibt aber beim individuellen historischen Märchen-Narrativ osteuropäischer Staaten. Als der Mehrvölkerstaat Tschechoslowakei gegründet wurde, lebten dort 3 Mio. Deutsche, die weder bei der Namensgebung, noch als große Minderheit politisch berücksichtigt wurde. Vielmehr wurden die Deutschen, ähnlich den Minderheiten in der Ukraine heute, schikaniert. Historisch sind Böhmen & Mähren bajuwarische Stammlande. Von wem sonst hätten die Tschechen das Bierbrauen & Knödelmachen lernen sollen? Die Tschechen sind quasi Migranten, die uns die Hunnen daließen. Prag war 300 Jahre Deutsche Hauptstadt. In Prag steht die erste Deutsche Universität. Die Rückeroberung Deutscher Territorien von den ausländischen Invasoren war vollkommen legal & hat nichts mit Hitler oder Nazis zu tun. Es ist unser Land, in dem die Tschechen immer leben durften. Was für eine eklige Dankbarkeit, den Gastgebern den Dolch in den Rücken zu stoßen. Die tschechische Bündnispolitik war bis 1938 eben selten dämlich, wie die der Polacken & Ukrainer heute auch. Im Unterbewußten bleibt die Schuld der Tschechen. Oder glaubt Herr Brousek, daß die Türken Istanbul die nächsten 100 Jahre halten können. Ich denke das nicht.

Franz Bettinger

20. November 2023 10:05

In einem französischen Schulbuch fand ich hinter einem Text zum 2.WK die als Hausaufgabe gestellte Frage: Wer war der bessere Patriot, Pétain oder de Gaulle? Die angestrebte Antwort war wohl gewesen: beide, jeder mit seinen Möglichkeiten und zu seiner Zeit. In D wäre das Schulbuch wohl sofort aus dem Verkehr gezogen worden. 

Adler und Drache

20. November 2023 10:23

Auf jeden Fall gibt es einen gemeinsamen Weg von Tschechen und Deutschen in die Zukunft. Ohne alle Probleme und ohne diese ganzen schweren Belastungen aus unserer gemeinsamen Geschichte. Einfach nur, weil die meisten jungen Menschen hüben wie drüben sich für diese Dinge nicht mehr wirklich interessieren.
Sehr optimistische Sicht, aber wenn ich in Tschechien unterwegs bin, stelle ich zumindest außerhalb der Gastronomie eher eine wachsende Ablehnung und Unfreundlichkeit fest, sobald ich als Deutscher erkannt werde. Bissige, verkniffene Gesichter, Wegdrehen, keine Erwiderung des Grußes usw. 
@Laurenz: Dass die Tschechen ein eigener, von den Deutschen unterschiedener Phänotyp sind, ist mir schon als Kind aufgefallen. Zum hunnisch-asiatischen passt dieser aber nicht. Die Beutehunnen wurden im rumänisch-bulgarischen Raum angesiedelt, Böhmen war bestenfalls Randbezirk des Attila-Reichs. Auch linguistisch ergibt Ihre These keinen Sinn. 

Loki

20. November 2023 10:24

Leider ein unbelehrbarer Herr Brousek. Denn Holocaust, Holodomor, Killing Fields und Gulags stehen geschichtlich auf der gleichen Bewertungsstufe wie Vertreibung. Noch dazu, wenn diese kalt geplant und zum großen Teil nach Kriegsende, an den Deutschen aus dem Osten durchgeführt wurde. Wer die Wahrheit wissen will, der schaue sich "Töten auf Tschechisch" an. Oder er frage nach den Deutschen Zivilisten, welche lebendig gefesselt, in die Elbe geworfen wurden. Tschechien kämpfte sozusagen seinen "Heldenkampf" gegen die Deutschen nach Kriegsende. Das sich daran die wenigsten Tschechen erinnern mögen, ist nur allzu verständlich! 

Gustav

20. November 2023 10:25

"Man denke nur an die Tschechoslowakischen Legionen in Sibirien im Ersten Weltkrieg..."
Das habe ich tatsächlich, aber mit einem ganz anderen Ergebnis:
Nach Kriegsende kämpfte die Tschechische Legion in Rußland gegen den Bolschewismus, beschlagnahmte zeitweise die Transsibirische Eisenbahn und zog plündernd durch Sibirien bis Wladiwostok. Dabei verübte sie neben zahlreichen Plünderungen und dem Raub großer Mengen russischen Goldes viele Grausamkeiten, vor allem an kriegsgefangenen Deutschen und Volksdeutschen.
Angehörige der tschechischen Legion taten sich ab 1919 auch bei den Mißhandlungen Deutscher in dem der neugegründeten Tschecho- Slowakei zugeschlagenen Sudetenland hervor.
Der Mai 1945 hatte also bereits Vorläufer....
Quelle:
Margarete KLANTE, Von der Wolga zum Amur, Ost-Europa, Berlin-Königsberg 1931;G. THUNIG-NITTNER, Die tschechische Legion in Rußland, Diss., Mainz 1970; Konstantin W. SAKHAROW, Die tschechischen Legionen in Sibirien, Hendriock, Berlin 1936.
 

Gustav

20. November 2023 10:29

»Man kann vielleicht einwenden, ein Historiker sei kein Moralist, er habe nur die Aufgabe, die Ereignisse genau zu beobachten, nicht aber, den Lügen den Prozeß zu machen, die vielleicht über diese Ereignisse in Umlauf gesetzt worden sind. Dadurch würde indessen die Geschichte ihr Hauptinteresse einbüßen, nämlich die Lehre, die aus ihr gezogen werden sollte. Aber selbst vorausgesetzt, jene These ließe sich im allgemeinen halten, so wäre sie doch nicht auf den Krieg von 1914 anwendbar, bei dem die Lüge der Vorläufer der Ereignisse gewesen ist.«
Georges Demartial, Das Evangelium des Quai d’Orsay

Valjean72

20. November 2023 10:38

«1621 die tschechische Niederlage in der Schlacht am Weißen Berg»
---
Das war keine tschechische, sondern vielmehr eine böhmische Niederlage. Böhmischer König zu diesem Zeitpunkt war Friedrich V. von der Pfalz.
 
Böhmen und Prag waren eben mitnichten rein tschechisch, sondern tschechisch und deutsch geprägt.
 
«Prague had a German-speaking majority in 1848”
 
(Quelle: en.wikipedia.org)
 
Diese bi-nationale, d.h. tschechisch-deutsche Geschichte Böhmens und Mährens wird von zeitgenössischen Tschechen gemeinhin ausgeblendet (heruntergespielt bis negiert) und so offensichtlich auch von Herrn Brousek.
 
Auf Deutsch unterscheiden wir zwischen böhmisch und tschechisch. Auf Tschechisch sind diese Begriffe i.d.R. deckungsgleich. Aber das ist nicht richtig, denn Deutsch-Böhmen waren keine Tschechen.
 
Für mich zeigt dies einmal mehr, dass wir von deutsch-patriotischer Seite aus, sowohl gegenüber Polen als auch gegenüber Tschechien – bis auf weiteres – eine gewisse Distanz halten sollten.

KlausD.

20. November 2023 13:03

Meine erste Auslandsreise führte mich 1966 als 13-järiger in die Tschechoslowakei nach Ceske Budejovice (Budweis) als Gegenbesuch vom Pionierhaus unserer Stadt in einer Gruppe von Schülern. Ich war begeistert von allem, der Herzlichkeit der Menschen, den Hörnchen zum Frühstück und dem Stück Kuchen als Nachspeise zum Mittagessen. Dieselben Eindrücke bei späteren Reisen. Einmal hatte ich mein Portemonnaie mit Geld und allen Papieren im Zug liegen gelassen, ein paar Stationen weiter wurde alles abgegeben. 
Die „Sudeten“ waren in der DDR kein Thema, wie überhaupt alles vor 1945 weit weg war. Das änderte sich nach der Wende schlagartig, plötzlich stand alles wie gestern vor einem. Zwar ist Tschechien nach wie vor ein beliebtes Reiseland im Gegensatz zu Polen, sehe aber die Situation jetzt nach Kenntnisnahme historischer Vorgänge sehr viel kritischer.
„Vergebung kann aber nur das Opfer selbst gewähren. Dafür ist es im Hinblick auf die gesamten Ereignisse in der deutsch-tschechischen Geschichte 1938–1945 nunmehr aber zu spät … Es gehen so Schuld, Sühne und Vergebung verloren. Wir werden sie nicht mehr brauchen.“ 
So leicht geht das? Wo gleichzeitig an anderer Stelle der Welt ein Volk sich mit seiner Vertreibung nicht abfinden kann und immer wieder einen nicht zu gewinnenden Krieg führt? Da passt die Meinung Herrn Brouseks wie die Faust aufs Auge, nämlich gar nicht.

Maiordomus

20. November 2023 13:21

@RMH. Ich verstehe Ihre schmerzdurchtränkte Geschichtserfahrung. Erinnert mich an eine Begegnung vor wenigen Jahren am Sterbebett einer katholischen, im Alter von 12 Jahren vertriebenen Schlesierin, deren "Schnittmenge" im gegenseitigen Verständnis die Verehrung der hl. Hedwig und des hl. Klaus von Flüe war. Sie gestand mir, über diese Kommunikation jemanden getroffen zu haben, der sich bezüglich des deutsch-polnischen Verhältnisses in ihr Schicksal hätte einfühlen können. Ihr Vater, später Frauenarzt im Allgäu, war in Schlesien bis 1933 Parlamentsabgeordneter des Zentrums gewesen, weltanschaulich noch klar rechts von den NS, ganz besonders der SA. Ihre Sicht der Polen, zwar nicht feindselig, aber alles andere als schmeichelhaft, siehe die Ereignisse vor allem ab 1921, hat es nicht in herkömmliche Schulbücher gebracht. Oder kann mich hier jemand korrigieren? Es gab, zumindest ursprünglich, nicht nur "antifaschistische" Geschichtsschreibung. 

kikl

20. November 2023 13:37

Das ist ein durchaus interessantes Interview. 
In der Rückschau werden die "Kollaborateure" in Tschechien aber auch in Frankreich mit großer Leidenschaft gehasst. Aber was hätten denn Marschall Pétain oder auch Emil Hácha tun sollen? Die eigenen Soldaten in den sicheren Tod schicken ohne Hoffnung auf Sieg? Das wäre doch ein Verbrechen gewesen!?
In Frankreich wollte kein Politiker für sein Versagen die Verantwortung übernehmen und nur Pétain, der Held des 1. Weltkrieges, konnte die Kapitulationsurkunde unterzeichnen.
Eigentlich müssten die Tschechen und Franzosen diesen Kollabolateuren dankbar dafür sein, dass sie die Verantwortung übernommen haben und das Notwendige getan haben. Der Hass auf die Kollaborateure ist wohl insgeheim der Wunsch sich zu den Siegern der Geschichte zu zählen, wobei die meisten Tschechen und Franzosen natürlich kollaboriert haben.

RMH

20. November 2023 15:08

"aber wenn ich in Tschechien unterwegs bin, stelle ich zumindest außerhalb der Gastronomie eher eine wachsende Ablehnung und Unfreundlichkeit fest, sobald ich als Deutscher erkannt werde. Bissige, verkniffene Gesichter, Wegdrehen, keine Erwiderung des Grußes usw. "
@Adler und Drache, entspricht auch meinen subjektiven Erfahrungen, wobei es, wie immer, Ausnahmen gibt. Ganz anders habe ich dagegen die Slowakei in Erinnerung, aber da war ich vor ca. 15 Jahren das letzte mal. Ich kam mir dort als Deutscher durchweg willkommen vor (aber sicher wird es auch dort Ausnahmen geben) und habe daher die friedliche Teilung der Tschechoslowakei begrüßt. In diesem Punkt, der Fähigkeit, sich friedlich auseinanderzudividieren, können diese beiden Länder durchaus als Vorbild gelten. Aber es war damals auch eine andere weltpolitische Lage, als heute.
Historisch ist auf die hohe industrielle Entwicklung Böhmens hinzuweisen, es war im WK II eine der Waffenkammern des Reiches, zumal erst spät von größeren Bombardements betroffen (ab 43 dann vor allem die dortigen Kohlehydrieranlagen).

Valjean72

20. November 2023 15:17

@Adler und Drache:
"Dass die Tschechen ein eigener, von den Deutschen unterschiedener Phänotyp sind, ist mir schon als Kind aufgefallen."
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Das sah ich wiederum seit jeher anders, insofern dass es sowohl unterschiedlich als auch - und mehr - sehr ähnlich aussehende bei unseren östlichen Nachbarn gibt (Anm.: ich bin Oberpfälzer).
 
Und vor ein paar Monaten stiess ich auf tschechische Zeitungsmeldungen über eine in Tschechien durchgeführte DNA-Analyse. Nachfolgend eine computergenerierte Übersetzung eines Auszuges aus solch einem Artikel:
 
"Wie die Tests zeigten, sind Tschechen ein genetischer Mix aus verschiedenen Gruppen. Wir sind den Deutschen und Österreichern am nächsten. Etwa drei von zehn Menschen haben rein slawische Gene. 18 % der Bevölkerung gehören zur Gruppe der Ureinwohner Europas, die hier seit 35.000 Jahren leben. Sechs Prozent der Tschechen stehen Albanern und nordafrikanischen Berbern genetisch nahe. Etwa 4 % sind mit den heutigen Georgiern verwandt."
 
(Quelle: dotyk.cz, 22.06.2023)

dojon86

20. November 2023 19:17

Die Tschechen, ein anderer Phänotyp ? Als ich das erste Mal in Prag war (1973) fiel mir sofort die große Zahl von Blonden auf (im Vergleich zu meiner Heimatstadt Wien, und ich meine damit keine Neubürger, davon gab es 1973 erst wenige) und ich fragte mich, wo da die Elterngeneration eine slawische, von uns unterschiedene Rasse erkennen konnte. 

Laurenz

20. November 2023 20:21

@Adler & Drache, Kikl, RMH & Co. ... Tschechen sind keine Ungarn (Magyaren (ca. 25% der ungarischen Ethnien) oder gar Asiaten im ethnischen Sinne. Wie zahllose andere ostgermanische Stämme, sogenannte Slawen nach Schröcke https://de.wikipedia.org/wiki/Helmut_Schr%C3%B6cke, lebten wohl auch die Tschechen als kulturelle Wasserträger ostasiatischer Nomadenstämme, in diesem Fall der Hunnen. Denn als die Römer hier waren, gab es noch keine Tschechen, erstmalig tritt der Landraub-Konflikt mit Deutschen Stämmen signifikant bei Wenzel auf, dem tschechischen Superhelden, quasi ein tschechischer König Lazar (Serbien), nur älter. Den ethnischen Unterschied zu Asiaten machten ja auch die Kaiser des I. Reichs. Solange das I. Reich existierte, lief, trotz der üblichen Konflikte alles gut. Erst seit die Osteuropäer sich von den Deutschen emanzipierten, ist die Kacke am dampfen. Ständig wird rumgeheult, wegen der bösen Russen & bösen Deutschen. & das, obwohl sie uns ihre gesamte Kultur zu verdanken haben. Übrigens, Schröcke gilt zwar als verfemt, aber ich habe bisher keinen Historiker gefunden, der plausibler argumentiert als Schröcke, immer nur Haltungshistoriker am Werk.

Laurenz

20. November 2023 20:46

@Adler & Drache, Kikl, RMH & Co. (2) ... auch in einem anderen Punkt muß ich Herrn Brousek widersprechen & zwar bezüglich der Abschätzigkeit gegenüber der Trachtenkultur. In 2009 machte ich mit meinem besten Kumpel eine Motorrad-Tour durch das Elbsandstein-Gebirge, durchs Erzgebirge, rüber ins Egerland. Da sind heute noch die Ergebnisse der Vertreibung vollkommen sichtbar. Anders als die Polen, hatten die Tschechen gar keine größere Mengen an Bevölkerung, die man in die teils sehr schönen Häuser der Vertrieben hätte ansiedeln können. Im heutigen Grenzgebiet siedelte man vor allem Zigeuner an, so sieht's da auch aus. Im schönen Eger (der häßliche tschechische Name ist Cheb) selbst, hingegen gab es genug Tschechen, die bereit waren, dorthin zu siedeln. Wir fuhren damals direkt in ein altes deutsches Volksfest mit Trachten hinein, wohl durch tschechische Gewerbevereine organsiert. Da tanzten alles Tschechen in Tracht. Denn die originalen Egerländer wurden restlos vertrieben. Hier der legendäre (vertriebene) Egerländer Ernst Mosch, der in Seinem Leben über 1.000 Konzerte spielte & über 40 Mio. Tonträger verkaufte.  https://youtu.be/u2Xw4Kd1uig Herr Brousek, setzen, 6, nicht versetzt.

Adler und Drache

21. November 2023 09:02

@Laurenz
Im heutigen Grenzgebiet siedelte man vor allem Zigeuner an, so sieht's da auch aus.
Stimmt, das Gebiet ist schauderhaft runtergekommen, besonders hässlich Asch (ich wohne sozusagen gegenüber) - das haben sie nun davon. 
Das "Trachtendissen" hab ich auch nicht verstanden, selbstverständlich haben die Tschechen, wie jedes Volk, ihre Volkstracht, mit typisch slawischer Ornamentik. 
Verstehe ich Sie richtig: Ihrer Ansicht nach kamen die Slawen im Gefolge und unter Protektion der Hunnen ins germanische Gebiet? 

KlausD.

21. November 2023 09:04

Je öfter ich über die Aussagen Herrn Brouseks nachdenke, desto mehr könnte ich mich aufregen. Auch das hier:
"Es bot sich der Tschechoslowakei nach Kriegsende die einmalige Chance einer Lösung dieser historisch verfahrenen Lage. Sie brachte eine definitive Befriedung."
Ja, Friedhofsruhe. Das ist einfach nur zynisch. Und unpatriotisch, zumindest im deutschen Sinne. Auch nicht rechts, im Sinne "Bewahrung des Eigenen". Ich frage mich, was hat Herr Brousek in der AfD zu suchen? Ich meine das durchaus im wörtlichen Sinne.

Adler und Drache

21. November 2023 09:07

@Valjean72, dojon86:
Na gut, "Phänotyp" ist zu viel gesagt. Dennoch fiel mir der Unterschied auf, im Schnitt der Gesichter gibt es etwas typisch tschechisches, das eben anders aussah als auf deutscher Seite, und wenn man es auf deutscher Seite fand, dachte man sofort daran, dass es eigentlich auf die tschechische Seite gehört. 

Valjean72

21. November 2023 10:39

@Laurenz:
"Erst seit die Osteuropäer sich von den Deutschen emanzipierten, ist die Kacke am dampfen."
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Und das wurde mE gezielt ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts von den Feinden Deutschlands im Westen forciert. Das alte Spiel imperialer Geopolitik: divide et impera.
 
Über einen bemerkenswerten Aspekt betreffend des ersten Panslawismuskongresses im Jahre 1848 verfasste Karl Marx folgende Zeilen:
 
" ... und als man die Verhandlungen eröffnete, fehlte die gemeinsame slawische Sprache, durch welche die Redner sich verständlich machen konnten. Man versuchte es mit dem Französischen, aber die Majorität verstand auch das nicht, und die armen slawischen Enthusiasten, deren einziges gemeinsames Empfinden der gemeinsame Hass gegen die Deutschen war, sahen sich schließlich gezwungen, sich in der verhassten deutschen Sprache auszudrücken, als der einzigen, die sie Alle verstanden."
 
(Quelle: Wikipedia)

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