Es zeigt eine Stelle nordwestlich des Schlosses, wo ich mich als Bub viel herumgetrieben habe.
War es am Ende der improvisierte Fußballplatz der Meßkircher Jugend, für die der kleine Martin damals den Linksaußen spielte? Er hat auch später diese sportliche Rolle niemals verleugnet, obwohl man im allgemeinen nur wußte, daß er ein guter Skiläufer und Schwimmer war.
So war ich eines Tages, Anfang der sechziger Jahre, einigermaßen überrascht, als er mich fragte: ob meine Freiburger Hausleute ein Fernsehgerät hätten und ob sie ihn bejahendenfalls als Zuschauer bei einem großen Pokalspiel akzeptieren würden? Mein Hauswirt, nicht minder überrascht, stimmte gerne zu.
Als Heidegger an dem bewußten Nachmittag kam, fügte er sich ungeniert in den kleinen, fußballkundigen Familienkreis. Nachdem ich ihn mit einer Tasse Tee versorgt hatte, sah er mich pfiffig-lächelnd an und sagte:
So, Petzet, nun gehen Sie nach oben in Ihre Wohnung und arbeiten von Fußball verstehen Sie ja doch nichts!
Sprach’s und wandte sich dem Spiel HSV-Barcelona in Brüssel zu – wobei er (wie mir dann erzählt wurde) einmal so heftig mitgespielt und mit dem linken Fuß zugestoßen habe, daß sich der Rest aus der Teetasse über seine Knie ergoß. Er ist noch mehrfach aus ähnlichen Anlässen in die Schwarzwaldstraße gekommen.
Jahre nach Heideggers Tod hat eine andere Begebenheit mir, dem Fußballfremden, ein Licht aufgesteckt für die Anteilnahme, die der ehemalige Meßkircher Linksaußen immer noch für den alten Sport bewahrte.
Der Intendant des Freiburger Theaters, Hans-Reinhard Müller, erzählte mir, er habe einmal im Zuge zwischen Karlsruhe und Freiburg den von einer Heidelberger Akademiesitzung heimkehrenden Heidegger getroffen und sich diesem vorgestellt. In der Hoffnung auf ein interessantes Gespräch über Literatur und Bühne habe er dessen Aufmerksamkeit auf die eigene Freiburger Tätigkeit zu bringen versucht – doch sei ihm das nicht gelungen. (Er konnte nicht wissen, daß Heidegger keinerlei Verhältnis zum Theater hatte.)
Dieser habe ihn vielmehr gefragt, ob er gelegentlich mit dem Fernsehen zu tun habe und diese Frage dahin erläutert: daß ihn an der fragwürdigen Einrichtung der modernen Television eigentlich nur eines interessiere: die Übertragungen von Fußballspielen, und zwar der Pokalspiele, wobei er besonders die Engländer hervorhob.
Größte Bewunderung hege er für Franz Beckenbauer. In einer begeisterten Schilderung von dessen Spielweise hob er hervor, wie sehr ihn dessen Taktik und Ballbehandlung faszinierten und versuchte seinem nicht wenig erstaunten Zuhōrer die Finessen solches Spiels geradezu augenfällig zu machen.
Nicht minder bewundere er Beckenbauers Geschicklichkeit, den so häufig drohenden Zusammenstößen mit gegnerischen Spielern auszuweichen, was Heidegger schließlich dazu veranlaßte, bei diesem wie er sich ausdrückte „genialen” Fußballspieler geradezu von „Unverwundbarkeit” zu sprechen.
So ging es bis Freiburg, wo beide ausstiegen. Nie hätte der Theatermann vermutet, mit dem Philosophen ein solches Gespräch zu führen, das ihr einziges geblieben ist. Heidegger hat mir wohlweislich nie etwas davon erzählt, auch als ich ihm später gelegentlich von dem fruchtbaren Wirken des Intendanten in Freiburg und München berichtete. Denn schließlich verstand ich ja nichts vom Fußball.
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(aus: Heinrich Wiegand Petzet: Auf einen Stern zugehen. Begegnungen und Gespräche mit Martin Heidegger 1929–1976, Frankfurt am Main 1983, S. 219f.)
Kurativ
Franz Beckenbauer hat es in die Sezessions-Online-Ausgabe geschafft
Herzlichen Glückwunsch zur Niveauverschiebung!