Die “Patriotische Jugend” ist eine Reaktion auf das Vorhaben der AfD, ihre eigene Parteijugend (JA) eng an sich zu binden. Diese agiert bisher eigenständig und in Vereinsform. Die AfD hat sie anerkannt, konnte aber einzelnen Landesverbänden die Parteinähe absprechen und sie dadurch zur Auflösung und einer Neugründung zwingen.
Wie jede Parteijugend, die etwas auf sich hält, vertritt auch die JA härtere, deutlichere Positionen als ihre Mutter. Ein Beispiel: Im Leitantrag, den die AfD-Programmkommission dem Bundes- und Aufstellungsparteitag Anfang Januar vorlegen wird, geht es auf einigen Seiten um die Anwerbung von Fachkräften und um die Integration derer, die schon eingewandert sind. Im gesamten Leitantrag taucht hingegen das Wort “Remigration” nicht auf.
Die JA hat sich in diesem Jahr genau diesen Begriff jedoch zu einer ihrer Forderungen gemacht – hat also das Lügengebilde, das Correctiv und andere von Deportationsphantasien verbreiteten, frontal angesprungen und auf das Recht gepocht, das Konzept einer umfassenden Remigration zu durchdenken und in politische Sofortprogramme zu überführen.
Man muß diese Virulenz, dieses Angriffslustige, den Mut und die Kreativität dieser jungen Leute weder “ertragen” noch “begrüßen”, sondern als das wahrnehmen, was es ist: ein nicht berechenbares, wucherndes, gut gelauntes Reservoir, aus dem man diejenigen keschern kann, die man einbinden sollte und die verstehen, daß die wilde Jugend eines Tages in Kärrnerarbeit münden muß, will man nicht der ewige Pfadfinder bleiben.
Auf Parteiveranstaltungen und beim Blick auf JA-Gruppen, die den Weg schon nach Schnellroda fanden, um an Akademien und Sommerfesten teilzunehmen, zeigt sich das ganze Spektrum: frühe Schlipsträger, große Leser, Idealisten, Dossiertypen, Lebensfrohe, Rechner, Angekommene, Parteienskeptiker, Unscheinbare, Bekenner.
Es ist alles vorhanden, es läuft nichts aus dem Ruder, nur für die Staatspresse, aber für die ist ja sowieso alles aus dem Ruder gelaufen, seitdem es Alternativen zur Alternativlosigkeit gibt. Nichts Neues unter der Sonne also!
Warum soll die Parteijugend dennoch enger angebunden werden? Banal gesagt: weil kein soziales Gebilde und schon gar keine Partei das Unkontrollierbare dulden möchte, für das es im Zweifelsfall verantwortlich gemacht wird. Parteien möchten kontrollieren, der Apparat ist darauf ausgerichtet.
Das Schutzargument zieht hingegen nicht recht. Natürlich ist die JA als extremer markiert worden vom Verfassungsschutz und den angegliederten Funkhäusern. Aber schon jetzt genießt sie als anerkannte Jugend einer Partei einen Schutzstatus, der weit stabiler ist als der gewöhnlicher Vereine. Es wäre aus diesem Grund genauso naheliegend, sich als Mutterpartei nicht mit den gefährdeteren Kindern zu kontaminieren, sondern sie weit außerhalb ihr Ding machen zu lassen und nach denen zu angeln, die sich ins große Gefüge einpassen lassen.
Dies alles ist nun nur Erklärung, Nachgereichtes. Die Entscheidung ist längst gefallen, keine AfD-Größe wird sich auf diesem Feld verkämpfen, denn eingefädelt hat diese Entmachtung ein machtvolles Netzwerk, dem nicht wenige JA-Protagonisten angehören.
Je länger eine Partei (ein Gebilde, das Betrieb zu machen hat) existiert, desto größer wird das Gewicht der Struktur, des Geflechts, der entscheidenden Positionen. Oligarchisierung nennt man das, und gegen diesen Vorgang ein Lamento anzustimmen, ist so alt wie wirkungslos. Ein Apparat und seine Teile ist ein Gefüge, in dem die Teile das wichtigste Argument auf ihrer Seite haben: Es fühlt sich gut an, geschmiert zu funktionieren.
Reinigungsvorgänge: Manche werden nicht in die neuen Strukturen übernommen, andere werden später ausgeschlossen werden.
Selbstreinigungsvorgänge: Einige gute Leute werden von vornherein nicht mehr mitmachen, die Flinte also ins Korn werfen. Das wäre dann ein starkes Zeichen, wenn neue Strukturen jenseits der Partei entstünden, die mehr sind als nur ein virtueller Schabernack. Die Partei selbst wird es sowieso nicht interessieren, aber für das, was man den Aufbau einer rechten Zivilgesellschaft nennen kann, könnte es wichtig sein.
Daher zurück zur “Patriotischen Jugend”, die nun einen Mordswirbel veranstaltet und suggeriert, “die Jugend” stehe hinter ihr. Es ist wie stets, wenn virtuelle Armeen aufmarschieren und genau ihr Feld beherrschen, aber keines darüber hinaus: Strukturen, Netzwerke, Mandate, bestbezahlte Stellen, Karriereangebote, der Betrieb – nichts davon läßt sich von einem Posaunenchor beeindrucken oder sogar verändern, zumal wenn dieser Posaunenchor von Witzbolden, Anonymen und disruptiven Chancenhüpfern angeführt wird.
Strukturelle Macht läßt sich nur von struktureller Gegenmacht aushebeln. Sie aufzubauen erfordert Ernst, Geduld, Zähigkeit, Geschick und Realismus. Ist nicht in Sicht.
Und noch eines: Einen ungeschickteren Zeitpunkt als den jetzigen gab es kaum. Warum sich die AfD zweieinhalb Monate vor einer Bundestagswahl (auf die sie schlecht vorbereitet ist) aus freien Stücken um die Straßenwahlkampfunterstützung hunderter junger Leute bringt, ist bizarr. Man liefert dem Gegner ein Thema, man beschäftigt sich selbst mit etwas, das nicht zum Kampf um Stimmen gehört. Aber bitte – irgendeiner wird schon nachgedacht haben. Hofft man.
Joerg
Diese Scherze der Patriotischen Jugend gingen mir so auf die Nerven, dass die die entsprechenden Kanäle entfernt habe. An meiner Humorlosigkeit gegenüber solchem Unsinn merke ich mein Alter.