Über den sinnlosen Widerstand gegen das Smarte

pdf der Druckfassung aus Sezession 121/August 2024

Martin Lichtmesz

Martin Lichtmesz ist freier Publizist und Übersetzer.

Es war im Juni 2023, als mir end­gül­tig klar wur­de, daß ich nicht mehr in der Welt leb­te, in der ich auf­ge­wach­sen war. Es war ein Moment wie in dem berühm­ten ers­ten Satz eines Romans von L. P. Hart­ley: »Die Ver­gan­gen­heit ist ein frem­des Land, man macht die Din­ge anders dort« – nur weni­ger zau­be­risch, son­dern eher alp­traum­haft, wie in dem Film Inva­si­on der Kör­per­fres­ser: »Sie sind kei­ne Men­schen! Sie sind schon hier! Ihr seid die nächsten!«

Die meis­ten wer­den frei­lich lachen, wenn ich ihnen erzäh­le, was pas­siert ist. Ich war­te­te in Lai­bach in einem Gast­haus auf einen Bus nach Tri­est. Auf dem Tisch neben mir nah­men vier Bau­ar­bei­ter Platz. Sie pack­ten simul­tan ihre Smart­phones aus, schal­te­ten sie an und starr­ten wort­los in sie hin­ein, ohne mit­ein­an­der ein Wort zu wech­seln. So ver­harr­ten sie min­des­tens zehn Minu­ten lang. Als wäre ich aus einem Traum erwacht, war ich nicht mehr imstan­de, unge­se­hen zu machen, was ich nun über­all sah: daß es außer mir kei­nen ein­zi­gen Men­schen mehr gab, der kein Smart­phone in der Hand hielt, dar­auf starr­te, es mit den Fin­gern bear­bei­te­te oder es zumin­dest sicht­bar in der Hosen­ta­sche ste­cken hatte.

Ich woll­te nach Tri­est fah­ren, um eine Kind­heits­er­in­ne­rung wie­der­zu­be­le­ben. Aber man kann lei­der nicht in die Zeit ein­tre­ten wie in einen Raum. Ande­re Orte in Euro­pa habe ich nicht wie­der­erkannt, weil sie gefüllt waren mit raum- und kul­tur­frem­den Men­schen­mas­sen. Davon ist Tri­est rela­tiv ver­schont geblie­ben. Aber als ich in der Abend­däm­me­rung auf einem Steg stand und ins Meer hin­aus­blick­te, sah ich über­all um mich her­um klei­ne, recht­ecki­ge Bild­schir­me leuchten.

Ver­ein­zel­te Paa­re und Grup­pen hat­ten die Din­ger neben sich lie­gen und lie­ßen sich von ihnen mit kaum hör­ba­rer Musik berie­seln. Die Stadt sah immer noch so aus wie frü­her. Die Men­schen nicht. Sie ver­hiel­ten sich anders. Und mir däm­mer­te: Da es inzwi­schen auf die­sem Pla­ne­ten mehr Smart­phones als Sapi­ens und kaum einen Ort mehr gibt, an dem sie nicht ver­teilt wur­den, wird mich die­ser Anblick – der Mensch und sein Smart­phone – vor­aus­sicht­lich für den Rest mei­nes Lebens ver­fol­gen, wenn er nicht eines Tages durch etwas Schlim­me­res ersetzt wird.

Zu den ästhe­ti­schen, anthro­po­lo­gi­schen, kul­tu­rel­len, poli­ti­schen Fol­gen die­ser Welt­re­vo­lu­ti­on in Per­ma­nenz wäre vie­les zu sagen, und ist auch schon vie­les gesagt wor­den. Das Smart­phone, das 2007 auf den Markt kam, erfüllt dabei nur die Rol­le eines Werk­zeugs und Ver­mitt­lers. Ihr eigent­li­cher Gegen­stand ist das Inter­net, das kurz vor der Jahr­tau­send­wen­de sei­nen Durch­bruch hat­te und die Welt­ge­schich­te in ein Vor­her und Nach­her teil­te. Natür­lich ist auch die­ses nicht plötz­lich vom Him­mel gefal­len, son­dern nur eine wei­te­re Zünd­stu­fe inner­halb grö­ße­rer Ent­wick­lungs­bö­gen gewe­sen: der indus­tri­el­len Revo­lu­ti­on, der mas­sen­me­dia­len Beherr­schung und Über­win­dung von Raum und Zeit durch Kino, Fern­se­hen und Radio, der Herr­schaft der Quan­ti­tät über die Qua­li­tät (René Gué­non), der »Auf­lö­sung« und »Ver­flüs­si­gung« (Zyg­munt Bau­man) aller Din­ge, aber auch ihrer Ein­spei­sung in elas­ti­sche, ort­lo­se Super­struk­tu­ren, deren Zugriff sich nichts und nie­mand mehr ent­zie­hen kann.

Auf­leh­nung gegen eine eta­blier­te »neue Nor­ma­li­tät«, die alle Lebens­be­rei­che durch­dringt, ist in der Regel zweck­los und lädt die­je­ni­gen, die sich will­fäh­ri­ger und gründ­li­cher ange­paßt haben, zu wohl­fei­lem Spott über die Ver­lie­rer des dar­wi­nis­ti­schen Über­le­bens­kamp­fes ein. Sind ihre Kla­gen nicht alle schon mal dage­we­sen, jedes­mal, wenn sich eine neue tech­no­lo­gi­sche Inno­va­ti­on durch­ge­setzt hat?

Man muß dabei gar nicht beson­ders weit zurück­ge­hen, man erin­ne­re sich etwa an die sei­ner­zeit viel­ge­le­se­nen Schrif­ten des Medi­en­wis­sen­schaft­lers Neil Post­man (1931 – 2003): Das Ver­schwin­den der Kind­heit (1983), Wir amü­sie­ren uns zu Tode (1985) und Wir infor­mie­ren uns zu Tode (1992). Bücher, die War­nun­gen ent­hiel­ten vor der Nivel­lie­rung, wenn nicht gar Aus­lö­schung der mensch­li­chen Intel­li­genz und Urteils­kraft durch elek­tro­ni­sche Sti­mu­li, durch das media­le Mas­sen­bom­bar­de­ment mit Unter­hal­tung und »Nach­rich­ten«, die das mensch­li­che Gehirn flu­ten und »ver­mül­len«. Alle Phä­no­me­ne, die Post­man damals kri­ti­siert hat, sind inzwi­schen quan­ti­ta­tiv und qua­li­ta­tiv um ein Viel­fa­ches gestei­gert wor­den. Er sel­ber hat­te nicht damit gerech­net und war 1996 der Mei­nung, das Inter­net wer­de für den »Durch­schnitts­men­schen« ohne Bedeu­tung bleiben.

Es wäre heu­te ein leich­tes, sich über den »Apo­ka­lyp­ti­ker« Post­man und sei­ne Rede vom »kul­tu­rel­len Aids« lus­tig zu machen. Man kann sagen: Seht her, was man heu­te über die angeb­lich schäd­li­chen Aus­wir­kun­gen des Inter­nets sagt, hat man so ähn­lich schon vor vier­zig, fünf­zig, sech­zig Jah­ren über das Fern­se­hen gesagt. Ist denn das Abend­land seit­her unter­ge­gan­gen? Sind wir tat­säch­lich so übel dege­ne­riert, wie die Kul­tur­pes­si­mis­ten pro­phe­zeit haben? (Um zu wis­sen, daß man dumm ist, muß man intel­li­gent sein.)

Heu­ti­ge Kri­ti­ker des Smart­phones wer­den, so sagen sie, eines Tages ähn­lich lächer­lich daste­hen wie einst die TV- Hys­te­ri­ker. Sie sind wie alte Män­ner, die über die Jugend schimp­fen, Abge­häng­te, die nicht mit­hal­ten konn­ten oder woll­ten, bor­nier­te Fort­schritts­fein­de. Zuver­läs­sig wird irgend­wann der Vor­wurf der »Lar­moy­anz« erho­ben, der den Kri­ti­ker, Anklä­ger oder Kla­gen­den als Schwäch­ling oder Angst­ha­sen hin­zu­stel­len ver­sucht. Das funk­tio­niert fast immer, denn nie­mand möch­te als alt, schwach, wei­ner­lich, ängst­lich, rück­wärts­ge­wandt erschei­nen, son­dern lie­ber mit den opti­mis­ti­schen, zukunfts­ori­en­tier­ten, fort­schritt­li­chen Sie­gern um die Wet­te strahlen.

Nie­man­dem macht es auf die Dau­er Spaß, die Kas­san­dra zu spie­len, und auch die Genug­tu­ung, wenn Tro­ja wie vor­her­ge­sagt zu bren­nen beginnt, hält sich bei den meis­ten Men­schen in Gren­zen. Den­noch fällt uns Kon­ser­va­ti­ven regel­mä­ßig die­se Rol­le zu, und nicht weni­ge von uns ver­lie­ben sich in sie. In Wahr­heit muß man kaum eine Zei­le ändern, die Post­man geschrie­ben hat; was er über das Fern­se­hen und die Mas­sen­me­di­en im all­ge­mei­nen sag­te, stimm­te damals eben­so, wie es heu­te noch stimmt. Wenn uns sei­ne The­sen rück­bli­ckend über­trie­ben erschei­nen, dann hat das wohl mit dem »Shif­ting-Base­line-Syn­dro­me« zu tun: Der Mensch gewöhnt sich rasch an neue Lebens­um­stän­de, und Gene­ra­tio­nen, die nie etwas ande­res gekannt haben als eine Schwund­stu­fe, haben kei­nen Begriff davon, was eigent­lich geschwun­den oder ver­schwun­den ist.

Die­ser Begriff wird vor allem im Bereich des Umwelt­schut­zes ver­wen­det, wo er die Gewöh­nung an bestimm­te öko­lo­gi­sche Stan­dards bezeich­net. Die­ses Kon­zept läßt sich leicht auf ande­re Berei­che über­tra­gen. Men­schen, die sich noch an ein Leben ohne Fern­se­her erin­nern kön­nen, sind heu­te min­des­tens zwi­schen sieb­zig und acht­zig Jah­ren alt. So lan­ge sind wir es schon gewohnt, mit Bild­schir­men zu leben, und gleich­zei­tig han­delt es sich hier­bei his­to­risch oder gar evo­lu­tio­när gese­hen um eine nur sehr kur­ze Zeitspanne.

In Form von Smart­phones sind Bild­schir­me zu stän­di­gen, all­ge­gen­wär­ti­gen per­sön­li­chen Beglei­tern gewor­den, die sich aller­dings nicht damit begnü­gen, als all­zeit bereit­ste­hen­de Dschin­nen auf unse­re Befeh­le zu war­ten. Im Gegen­teil, sie ergrei­fen von uns Besitz wie Neu­ro­pa­ra­si­ten, ver­bie­gen unse­re Kör­per, syn­chro­ni­sie­ren unser Den­ken, unse­re Ges­ten, unse­re Spra­che, dopen unse­re Gehir­ne, mischen sich in unse­re sozia­len Inter­ak­tio­nen ein, len­ken uns ab durch ihre blo­ße Prä­senz, steu­ern und mani­pu­lie­ren uns auf sanf­te, unmerk­li­che Weise.

Man muß kein Wis­sen­schaft­ler sein, man muß nur die Men­schen in öffent­li­chen Räu­men beob­ach­ten, um klar zu erken­nen, daß der Gebrauch die­ser Maschi­nen die Wil­lens­kraft schwächt, die Kon­zen­tra­ti­ons­fä­hig­keit beein­träch­tigt und sucht­ar­ti­ges Ver­hal­ten erzeugt. Man muß auch kein Kin­der­psy­cho­lo­ge sein, um zu erken­nen, wie Smart­phones die noch unfer­ti­gen Gehir­ne von Min­der­jäh­ri­gen beein­flus­sen und for­men. Schon klei­ne Kin­der kle­ben auf ihnen wie Rosen­kä­fer auf Flie­der­blü­ten. Manch­mal sieht man auch Erwach­se­ne, die bereits ihren Säug­lin­gen ein Smart­phone in die Hand drü­cken, um sie ruhig­zu­stel­len und zu beschäf­ti­gen. Ande­re wie­der­um gehen mit »gutem« Bei­spiel vor­an, indem sie sich durch ihre Social Media wischen, statt ihrem Nach­wuchs Auf­merk­sam­keit zu schen­ken. Heu­te wach­sen vor unse­ren Augen Gene­ra­tio­nen her­an, für die es nor­mal ist, daß man an jedem Ort und zu jeder Zeit mit dem Inter­net ver­bun­den ist, daß man den Mini­com­pu­ter immer mit sich trägt, als wäre er ein Kör­per­teil, daß man kein Gespräch füh­ren kann, ohne etwas zu »gugeln« oder dem ande­ren auf dem Dis­play zu zei­gen oder vorzuspielen.

Immer­hin war wenigs­tens die Sor­ge um Kin­der noch vor weni­gen Jah­ren Gegen­stand kri­ti­scher Main­stream- Bericht­erstat­tung. Der Spie­gel 41/2018 the­ma­ti­sier­te das Pro­blem mit einem Leit­ar­ti­kel, beti­telt »Mein Kind, sein Han­dy und ich«, illus­triert mit einem Car­toon, der ein Kind zeig­te, das mit krum­mem Rücken den Kopf magne­tisch in ein Smart­phone hin­ab­senkt, das auf der Hand­flä­che eines recht­wink­lig abge­win­kel­ten Arms liegt:

Das Smart­phone ist vie­len Jugend­li­chen zu einer Art zwei­tem Gehirn geworden,

stell­ten die Autoren fest.

Ein Leben ohne kön­nen sie sich nicht ein­mal vor­stel­len. Was macht das mit ihnen? Und was mit ihren Eltern und Lehrern?

Das Pro­blem war jedoch bereits damals, etwa ein Jahr vor dem »Gre­at Reset«, ein Pro­blem auch und sogar vor allem der Erwach­se­nen. Ein wei­te­rer Car­toon, der den Text illus­trier­te, deu­te­te in die­se Rich­tung: Ein Mann und eine Frau sit­zen an einem Steg am Meer, ähn­lich mei­ner Tri­es­ter Sze­ne­rie, von­ein­an­der abge­wandt, den Blick mit gesenk­tem Kopf und abge­win­kel­tem Arm auf den Bild­schirm fixiert, blind für die Sehens­wür­dig­kei­ten um sie her­um: eine See­schlan­ge, ein Wal, ein Segel­schiff, eine Flaschenpost.

Das wirkt nur sechs Jah­re spä­ter fast so rüh­rend alt­mo­disch wie der Ani­ma­ti­ons­film Are You Lost in the World Like Me? von Ste­ve Cutts aus dem Jahr 2016 (zwölf­ein­halb Mil­lio­nen Auf­ru­fe auf You­Tube), der auf optisch außer­or­dent­lich ein­präg­sa­me Wei­se die »Zom­bi­fi­zie­rung« durch Smart­phones anpran­gert, bezeich­nen­der­wei­se in Schwarz­weiß im »nost­al­gi­schen« Stil eines Car­toons von Dave Flei­scher oder Walt Dis­ney aus den zwan­zi­ger und drei­ßi­ger Jah­ren des letz­ten Jahr­hun­derts. In die­sem Kurz­film sind es die Erwach­se­nen, die sich in empa­thie­lo­se Schlaf­wand­ler oder Robo­ter ver­wan­deln, wäh­rend ein ein­sa­mer klei­ner Jun­ge ver­geb­lich um ihre Auf­merk­sam­keit bet­telt. Die »Mes­sa­ge« des Films war eher sen­ti­men­tal, wäh­rend seine
sur­re­al-dys­to­pi­schen Effek­te inzwi­schen eini­ges an Kraft ein­ge­büßt haben: Er zeigt die Welt, in der wir heu­te leben, wor­an nie­mand mehr Anstoß zu neh­men scheint.

Ähn­lich wir­kungs­los waren die zahl­rei­chen medi­en­kri­ti­schen Bücher des Psych­ia­ters Man­fred Spit­zer (Jahr­gang 1958), obwohl sie regel­mä­ßig auf den Best­sel­ler-Lis­ten des Spie­gels lan­de­ten, von Vor­sicht Bild­schirm! (2006) über Digi­ta­le Demenz (2012) bis zu Die Smart­phone-Epi­de­mie (2018). In letz­te­rem ver­sucht Spit­zer, die »Gefah­ren« des unge­zü­gel­ten Smartphone‑, Bild­schirm- und Inter­net­kon­sums »für Gesund­heit, Bil­dung und Gesell­schaft« wis­sen­schaft­lich zu bele­gen. Unter den Digi­ta­li­sie­rungs­schä­den, die er auf­zählt, sind Kurz­sich­tig­keit, Denk­stö­run­gen, Kon­zen­tra­ti­ons­schwä­chen, Intel­li­genz­schwund, Abnah­me von geis­ti­ger Leis­tungs- und Ent­schei­dungs­fä­hig­keit sowie von Empa­thie und Wil­lens­bil­dung, Depres­sio­nen, Über­ge­wicht, Schlaf­stö­run­gen, Ent­frem­dung von der Natur, sozia­le Ver­ein­ze­lung, Ver­ein­sa­mung, Nar­ziß­mus, ja sogar erhöh­te Sui­zid­ra­ten. Das Mate­ri­al, das er vor­bringt, ist durch­weg über­zeu­gend, zumal es sich mit All­tags­be­ob­ach­tun­gen deckt, die jeder Mensch machen kann, der sei­ne Umwelt mit offe­nen Augen betrachtet.

Die­se »Kul­tur­kri­tik«, die kei­ne sein will, hat Spit­zer erwar­tungs­ge­mäß etli­che gehäs­si­ge Arti­kel sei­tens der übli­chen Ver­däch­ti­gen ein­ge­tra­gen (etwa Die Zeit, Der Spie­gel, Süd­deut­sche Zei­tung). Viel­leicht zeigt er dar­um eine auf­fal­len­de Beflis­sen­heit, inner­halb der Gren­zen der Main­stream-Nar­ra­ti­ve zu ver­blei­ben. So warnt er zum Bei­spiel vor der Gefahr »für unse­re demo­kra­ti­sche Gesell­schaft«, etwa durch »Fake News«, Wahl­be­ein­flus­sung durch sozia­le Medi­en und »Radi­ka­li­sie­rung« durch You­Tube-Vide­os – im Jah­re zwei nach Trumps Wahl natür­lich fast aus­schließ­lich »von rechts« gedacht. Main­stream­kon­form zeig­te sich Spit­zer auch in sei­nem Buch Pan­de­mie: Was die Kri­se mit uns macht und was wir aus ihr machen (2020), das ihn als zu fei­ge oder zu blind aus­wies, sich kri­tisch damit aus­ein­an­der­zu­set­zen, wie die­se »Kri­se« denn tat­säch­lich »gemacht« wurde.

Der mas­si­ve Digi­ta­li­sie­rungs­schub durch die »Pan­de­mie« hat jeden­falls Tat­sa­chen geschaf­fen, denen gegen­über die von Spit­zer und ande­ren geäu­ßer­te Kri­tik hilf­los, obso­let, irrele­vant wirkt. Es ist gera­de­zu put­zig, wenn er immer wie­der an das ethi­sche Ver­ant­wor­tungs­ge­fühl der Gesell­schaft, des Staa­tes, der Insti­tu­tio­nen und der Erzie­her appel­liert, als wäre dort noch irgend jemand, der ihn hören könn­te oder woll­te. Mit dem Para­cel­sus-Satz »Die Dosis macht das Gift« und dem etwas holp­ri­gen Schlag­wort der »Tech­nik­fol­gen­ab­schät­zung« for­dert er, mit der Technik

maß­voll, kri­tisch und ver­nünf­tig umzu­ge­hen, die »erwünsch­ten Wir­kun­gen und die Risi­ken und Neben­wir­kun­gen« gegen­ein­an­der abzu­wie­gen: »Erst digi­ta­li­sie­ren und dann fra­gen, was das mit uns macht, ist wie ein Arz­nei­mit­tel auf den Markt brin­gen, und dann fra­gen, ob es über­haupt gut ist für den Patienten.«

Nun, ist nicht genau das mit den Corona-»Impfstoffen« gesche­hen? Alle Hem­mun­gen, alle Beden­ken, alle Regu­la­tio­nen schei­nen besei­tigt zu sein. War­nun­gen nüt­zen nichts, abschre­cken­de dys­to­pi­sche Bil­der nüt­zen nichts, wis­sen­schaft­li­che Stu­di­en nüt­zen nichts, die Ver­nunft und der »gesun­de Men­schen­ver­stand« nüt­zen nichts. Spit­zer will weder ein »Rech­ter« noch ein »Kon­ser­va­ti­ver« sein, ist aber schon längst unfrei­wil­li­ges Mit­glied in unse­rem trü­ben Klub der Kas­sand­ren und Modernisierungsverlierer.

Die Eigen­dy­na­mik der Tech­nik und der »Geschäfts­mo­del­le« ihrer Ver­wer­ter und Pro­fi­teu­re scheint unauf­halt­sam, denn sie kommt der mensch­li­chen Schwä­che ent­ge­gen, die stets den Weg des gerings­ten Wider­stands geht. Die Tech­no­lo­gie ist und bleibt der ent­schei­den­de Motor sozia­ler Ver­än­de­run­gen und damit auch poli­ti­scher Umwäl­zun­gen. Dies ist wohl auch einer der Grün­de, war­um rech­te, kon­ser­va­ti­ve, »reak­tio­nä­re« Bewe­gun­gen seit zwei­ein­halb Jahr­hun­der­ten schei­tern oder nur vor­über­ge­hen­de Sie­ge erzie­len kön­nen: Die Grund­la­gen des­sen, was sie vor dem Zugriff des »Pro­gres­si­ven« bewah­ren wol­len, wer­den unwei­ger­lich frü­her oder spä­ter von der nächs­ten Wel­le der indus­tri­el­len oder tech­no­lo­gi­schen Revo­lu­ti­on auf­ge­löst und hinweggefegt.

Martin Lichtmesz

Martin Lichtmesz ist freier Publizist und Übersetzer.

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