Aufregung, wenn man die Holztür öffnet. Eine Wand weiter hausen die Hühner. Der alte Hahn hat sie im Griff, der junge zieht ohne Volk durch den Garten und versucht durch Gekrähe auf sich aufmerksam zu machen. Er ist prächtig (weiß, rot stehender Kamm, metallisch-grüne Schwanzfedern), hat sich gegen vier Brüder durchgesetzt, und wer ihn vor dem Topf bewahren will , kann ihn abholen.
In unserem Netz-Tagebuch stehen seit gestern Abend vier offene Fragen im Raum, die Felix Menzel gestellt hat. Sie dienen der Verknüpfung der ziemlich agilen, ziemlich jungen, ziemlich jugendlich bestückten Identitären Bewegung mit der belesenen, ausdifferenzierten, manchmal zynischen, manchmal gelassenen, jedenfalls desillusionierten Neuen Rechten – die im Vergleich zu den Identitären auf weltanschaulich und strukturell stabilen Füßen steht (Zeitung, Zeitschriften, Verlage, Bildungseinrichtungen).
Menzels Fragen gehen auch an meine Adresse. Mir scheint, daß da der Blick nach Innen und der Blick nach Außen ineinander verheddert sind. Der Blick nach Innen: Das ist die Frage nach dem eigenen Lebensentwurf, ist überhaupt die Frage danach, ob man sich “leben läßt” oder ob man sein Leben tatsächlich “führt”. Eine große Frage ist das, sie ist nicht mit einem Satz zu beantworten, allenfalls identitär zu gewichten: “Eine wahrnehmbare Lebensspur zu ziehen – das ist schon viel.” In unserem Sinne wäre diese Spur aber erst, wenn sie eingebettet wäre in das, was man Identität nennt, und dies hat immer etwas mit einer Zurückstellung des Ichs zu tun.
Der Blick nach Außen: Das ist die Wut über den Zustand eines Landes, eines Kontinents, über den Gang in eine Zukunft, die nicht in unserem Sinne sein kann. Diese Wut ist von der alltäglichen Lebenspraxis meistens weit entfernt, die Verbündeten im aufkommenden Widerstand sind andere als die Nachbarn, mit denen man über Enten, Kinder, das Wetter, den Tabellenstand und ihr blödes Laubgebläse spricht.
Kein Nachbar hier schreibt für die Sezession, keiner liest sie, keiner war je an einer konservativ-subversiven aktion beteiligt. Aber die Art, aus dem eigenen Stück Garten, dem Dorf und der Landschaft etwas zu machen, hat mich im alltäglichen Leben ebenso stark geprägt wie die Lektüre des Abenteuerlichen Herzens von Ernst Jünger. Und der Anspruch, den die Kinder haben, läßt mich Verlag und Zeitschrift anders führen, als es ein lediger Großstädter kann und tut.
Über alledem fehlt mir mittlerweile die Geduld mit Kommentatoren und Kritikern, die den Straßenaktivismus wie unversöhnlich der Publizistik gegenüberstellen. Jeder weiß, daß ein komplexer oder auch nur schöner Text vielfältige und gar nicht vorhersehbare Wirkungen bei seinen Lesern erzielen kann: Wenn der eine danach weiß, daß es neben dem Alltag noch eine zweite, dritte, vierte Welt gibt, wird der nächste produktiv und schreibt – den Ton des Gelesenen im Kopf – selbst auf, was er zu sagen hat; der dritte kriegt unruhige Füße und der vierte bricht den Text auf ein paar Parolen herunter und tanzt über den Bürgersteig.
Wie kann man die Auffassung vertreten, daß die Parolen und Manifest-Ansätze der Identitären aus dem hohlen Bauch entstünden? Wie kann man die Vielfältigkeit einer neurechten Szene dadurch so gründlich mißachten, daß man am liebsten jedes Berliner Kolleg oder jede Sommerakademie, jedes JF-Lesertreffen und jede Bibliothekstagung in eine Aktion, eine Demonstration münden lassen würde? Viele wollen weder schlecht tanzen, noch Scheiße reden, sondern durch Lektüre und gute Gespräche vor allem für das weiterkommen, was ihr eigenes Leben und das ihrer Kinder ausmacht.
Komme also nicht ständig einer mit Radikal-Entwürfen oder Ausschließlichkeiten: Jeder von uns hat sich im Umgang mit anderen zu arrangieren, hat die Ellenbogen auseinanderzustemmen, um ordentlich Platz für das Eigene zu bekommen – aber auch im richtigen Moment aufzuhören sich zu spreizen, damit nicht jede U‑Bahn-Fahrt in eine Schlägerei ausartet. Und wenn einer gar nicht mehr “umgehen” will mit anderen – soll er! Es muß auch Orte geben, an denen zum richtigen Buch der richtige Suff sich gesellt.
Über Menzels vier Fragen zuckt die “Neue Rechte” (der er angehört!) die Schultern, gerade nach dem zwischentag, der den auch mir wichtigen Beweis einer ebenso lebendigen wie niveauvollen neurechten Szene erbracht hat. Ihr Ziel ist umfassend, ihr konkretes Tun eine gegen jeden Widerstand geleistete strukturelle und geistige Aufbau- und Bewahrungsarbeit, und ihre Verbündeten sind je nach Projekt mal der Setzer und der Drucker, der Referent und der Gastwirt, der seinen Raum zur Verfügung stellt. Das Wirken vor Ort ist etwas völlig anderes, ist von der Politik losgelöst. Verwechselt Politik nicht mit dem Leben, verwechselt eine Welle nicht mit einem Fluß!
Wer die Identitären führen will, wird ihre Sprache finden und so viel Energie präsentieren müssen, daß er magnetisch wird. Und ich weiß: Das wissen diejenigen, die das Projekt nun geschultert haben.
Rumpelstilzchen
Ich mache äußerst ungern den Anfang.
Habe mir die Videos der Straßenaktionen angeschaut. Ich möchte die Aktionen der Jugendlichen nicht schlecht machen, aber offen gesagt, mir als Elternteil tut es in der Seele weh, wie verloren, ohne Identität viele junge Menschen sind. Wie verloren das wirkt. Wie einsam.
Aber ich werde stinkesauer, wenn Altlinke und Altrechte sich über diese Jungen lustig machen oder sie stigmatisieren wollen als Rechte oder Naive.
Tacheles gesprochen, als verdammt noch mal - Mutter:
Ihr jungen Menschen habt nichts, gar nichts zu verlieren,
Weil ihr schon alles verloren habt,
Ihr dürft auf nichts mehr stolz sein,
ihr werdet verlacht, wenn ihr euch nicht anpasst,
ihr paßt euch an, um einen Minimalstandard zu halten, lasst euch von der EU Arbeitsplätze garantieren, wissend, dass das von euren Eltern Erarbeitete verfällt , Masseneinwanderung eure Existenz bedroht usw. usw.
Die Linken sagten uns, ihr habt nichts zu verlieren außer euren Ketten,
Auch die habt ihr verloren, euch hält nichts mehr...
Komischerweise fällt mir als Mutter nichts ein, was ich euch raten könnte, außer bildet euch und zieht herum und wandert und bildet Gemeinschaften, Freundschaften mit Gleichgesinnten, pflegt Freundschaften.das ist wirklich wichtig. Kultiviert Gemeinschaft. Steht füreinander ein. Strebt nicht nach Karriere.
Paßt euch diesem System nicht an.
ich denke an das Lied von den wilden Gesellen, an die Wandervogelbewegung, wandern als Selbstbehauptung, trotzig, ehrlos , in Lumpen und Loden.
ich habe vor kurzem im hiesigen Wald einen jungen Mann getroffen, der eine Woche durch den Wald zog , dort lebte und übernachtete, beeindruckend, aber er war ganz alleine... Das Große ereignet sich in der Stille....
Ihr müßt euch keine Fragen beantworten, das müssen eure Eltern,
Zieht los, verweigert euch , seid ehrlos bis unter den Boden...
Trotzdem bin ich nicht desillusionisiert