Französischer Blätterwald (2) – Livr’Arbitres oder CasaPound in Frankreich

Caspar von Schrenck-Notzings längst eingestellte konservative Zeitschrift Criticón war ursprünglich als ein ausschließliches Rezensionsorgan angelegt:...

Benedikt Kaiser

Benedikt Kaiser ist Politikwissenschaftler und arbeitet als Verlagslektor.

Autoren und ihren in Büchern dar­ge­stell­ten Ideen hat­te man sich in exten­so wid­men wol­len. Heu­te nun exis­tiert ein Pen­dant, das sich exakt die­ser Leit­li­nie ver­pflich­tet weiß – indes à la fran­çai­se.

Die von Schrift­stel­lern vom For­ma­te Jean Ras­pails und Pal Van­drom­mes emp­foh­le­nen Livr’Arbitres (auf Bücher gemünz­tes Wort­spiel mit lib­re arbi­t­re, d. i. der freie Wil­le) bie­ten quar­tals­wei­se einen guten Über­blick bezüg­lich des fran­zö­si­schen und euro­päi­schen Lite­ra­tur­be­trie­bes. Stich­punkt­ar­ti­ge Vor­stel­lun­gen neus­ter Publi­ka­tio­nen befin­den sich in der schwarz-weiß gehal­te­nen Buch­zeit­schrift im DIN-A5-For­mat eben­so wie aus­führ­li­che­re Bespre­chun­gen und per­sön­li­che Stel­lung­nah­men der Autoren, die sowohl aus ver­schie­de­nen Spek­tren der fran­zö­si­schen Rechts­in­tel­li­genz als auch aus ande­ren Strö­mun­gen des fran­ko­pho­nen Geis­tes­le­bens stammen.

Die aktu­el­le Aus­ga­be (Nr. 10, Win­ter 2013), bei deren zahl­rei­chen Rezen­sio­nen ledig­lich die kon­stant feh­len­den Preis­an­ga­ben der bespro­che­nen Wer­ke zu bemän­geln wären, ist pri­mär dem rus­sisch-fran­zö­si­schen Schrift­stel­ler Vla­di­mir Vol­koff (1932–2005) gewid­met. Mit dem ehe­ma­li­gen Geheim­dienst­mit­ar­bei­ter und in Frank­reich viel­ge­le­se­nen Roman­cier beschäf­ti­gen sich mehr als zehn Autoren in einem 30seitigen Dossier.

Zuvor pla­ziert der Chef­re­dak­teur Xavier Eman, der sich zudem für die nur spo­ra­disch erschei­nen­den Ori­en­ta­ti­ons iden­ti­taires ver­ant­wort­lich zeich­net, sein Gespräch mit Adria­no Sci­an­ca. Letz­te­rer ist Kul­tur­be­auf­trag­ter der ita­lie­ni­schen Casa­Pound und wird auch ange­sichts des jüngst in fran­zö­si­scher Fas­sung erschie­ne­nen CP-Grund­la­gen­wer­kes Casa­Pound. Une ter­ri­ble beau­té est née ! (Casa­Pound. Eine schreck­li­che Schön­heit ist gebo­ren!; ital. Ori­gi­nal: Ripren­der­si tut­to, etwa: Alles zurück­ho­len) inter­viewt. Sci­an­ca wird zu sei­nem Schaf­fen, dem Kon­zept der Häu­ser­pro­jekt­be­we­gung, ihren geis­ti­gen Ahnen und der Wir­kung befragt. Dies alles beant­wor­tet der jun­ge Phi­lo­soph, der augen­blick­lich an einem Buch über den Namens­pa­tron der Grup­pe – Ezra Pound – arbei­tet, in knap­per Dar­stel­lung. Er streift die Bedeu­tung sei­nes, ihres Schlüs­sel­wer­kes, das für Akti­vis­ten wie Inter­es­sier­te glei­cher­ma­ßen geschrie­ben sei, betont die dezi­dier­te Erneue­rung der poli­ti­schen Land­schaft in Ita­li­en durch die viel­zi­tier­ten „Faschis­ten des drit­ten Jahr­tau­sends“ und nennt wie­der­um wich­ti­ge Sym­bol­fi­gu­ren ihrer famil­le spi­ri­tu­el­le (von Brad­bu­ry, Tol­ki­en und Orwell über Bras­il­lach, Céli­ne und Saint-Exupé­ry bis zu Höl­der­lin und Jünger).

Das Buch selbst ent­hält noch viel mehr; als poli­ti­sches Lexi­kon ver­sam­melt es „40 Kon­zep­te für eine Revo­lu­ti­on im Wer­den“. Die Tex­te sind nach Begriff­lich­kei­ten geord­ne­te Abhand­lun­gen über The­men­be­rei­che, die für den Casa­poun­dis­mus von Bedeu­tung sind. Neben zu erwar­ten­den Schlag­wor­ten wie „Faschis­mus“, „Ita­li­en“, dem Pound­schen „Usu­ra“ oder „Iden­ti­tät“ fin­det der Leser im ansehn­lich gestal­te­ten Buch auch Refle­xio­nen zum „Mar­mor“ oder dem „Lächeln“ vor.

Im Bei­wort zur fran­zö­si­schen Über­set­zung deu­tet Gabrie­le Adi­nol­fi, ehe­ma­li­ger Mili­tan­ter, nun Her­aus­ge­ber des Theo­rie­ma­ga­zins Occi­den­ta­le und spi­ri­tus rec­tor der Schild­krö­ten­ak­ti­vis­ten, das Pro­jekt CP getra­gen durch „akti­ven Rea­lis­mus“, ver­se­hen mit „einem kämp­fen­den Herz“ und „gemein­sa­men Emp­fin­dun­gen“, beflü­gelt durch ein „gro­ßes Ide­al“. Die Arbeit für eben­je­nes sei geprägt durch „eine ein­fa­che, aber kon­stan­te Effizienz“.

Gian­lu­ca Ian­no­ne, Prä­si­dent der Orga­ni­sa­ti­on, die im April vor allem in den Lati­um-Gebie­ten süd­lich von Rom mit eini­ger Hoff­nung auf Ach­tungs­er­fol­ge zu den anste­hen­den Wah­len antritt, greift die The­ma­tik hin­ge­gen emo­tio­nal auf. Er ver­faß­te ein Nach­wort, das einen kur­zen Streif­zug durch gemein­schafts­för­dern­de Erleb­nis­se der radi­ka­len Sub­kul­tur dar­stellt – eige­ne Musik, eige­ne Akti­ons­for­men, eige­ne Knei­pen­kul­tur, eige­ne Infra­struk­tur. Abge­run­det wird das Erst­lings­werk der Pari­ser Édi­ti­ons du Rubicon durch den Anhang „Die Bücher von Casa­Pound“, eine bun­te Auf­lis­tung aller im Ein­gangs­be­reich der Römer Zen­tra­le ver­ewig­ten „Schutz­pa­tro­ne“ sowie einen 24seitigen far­bi­gen Innen­teil, der Pho­tos aus dem All­tag der rasant wach­sen­den neo­fa­schis­ti­schen Bewe­gung zeigt, die bei­spiels­wei­se bei den letz­ten stu­den­ti­schen Wah­len über ihre römi­schen Depen­dance des CP-nahen Bloc­co stu­den­tes­co 28 Pro­zent der Stim­men (= 11.233 Wäh­ler) erhielt.

Man kann (und muß) den Vor­marsch der alter­na­ti­ven Faschis­ten als genu­in ita­lie­ni­schen Son­der­fall begrei­fen, der in den beson­de­ren his­to­ri­schen, poli­ti­schen und öko­no­mi­schen Rah­men­be­din­gun­gen des Lan­des und sei­ner Haupt­stadt wur­zelt. Kann man aber in man­chen Aspek­ten ernst­haft an einer Inter­na­tio­na­li­sie­rung des Phä­no­mens arbei­ten? Der­ge­stalt fragt jeden­falls Eman im bereits erwähn­ten Livr’Arbitres-Inter­view, ob Casa­Pound ein poten­ti­el­les Export­pro­dukt ver­kör­pe­re. „In der Form nein, im Geis­te ja“, ant­wor­tet ihm Sci­an­ca und fügt hin­zu, daß es immer wie­der Besu­cher gäbe, die ähn­li­che sozia­le Zen­tren in ihren Län­dern betrei­ben wol­len und ein Erfolgs­re­zept ver­lang­ten. Ein sol­ches kön­ne es schlicht nicht geben: „Das ein­zi­ge Rezept, das es gibt, besteht in täg­li­cher Arbeit und dem Glau­ben an die eige­nen Ideen“. Zudem benö­ti­ge man „Gemein­schaft, Ein­heit, Hier­ar­chie, Opfer­be­reit­schaft und kla­re Visionen“.

Wie die­se Schlag­wor­te von den Casa­poun­dis­ten mit Inhalt gefüllt wer­den, und mit wel­chem ver­blüf­fen­den Selbst­be­wußt­sein Sci­an­ca, Ian­no­ne, Adi­nol­fi et al. an ihrer „Revo­lu­ti­on“ arbei­ten, kön­nen Wohl- wie Übel­mei­nen­de nun in ful­mi­nan­ter Arti­ku­la­ti­on nachlesen.

Adria­na Sci­an­ca: Casa­Pound : Une ter­ri­ble beau­té est née ! Les mots de Casa­Pound : 40 con­cepts pour une révo­lu­ti­on en deve­nir. Pré­face à l’édition fran­çai­se de Gabrie­le Adi­nol­fi. Intro­duc­tion de Fla­vio Nar­di. Post­face de Gian­lu­ca Ian­no­ne, Paris: Les Édi­ti­ons du Rubicon 2012. 363 S. (+ XXIV S.), 24.00 €.

Die vier Mal im Jahr erschei­nen­de Zeit­schrift Livr’Arbitres kos­tet im Aus­lands­ta­rif 30.00 € jähr­lich (Ein­zel­heft 6.00 € + Por­to); Bestel­lun­gen sind jeder­zeit über die infor­ma­ti­ve Netz­prä­senz der Her­aus­ge­ber möglich.

Am Sams­tag, den 9. Febru­ar, prä­sen­tiert Sci­an­ca beim fran­zö­sisch­spra­chi­gen Radio Cour­toi­sie sein Buch. Die Sen­dung beginnt um 12.00 Uhr. Stu­dio­gäs­te sind – neben dem Autor selbst – der Ver­le­ger Gérard Vau­dan (Édi­ti­ons du Rubicon) und der Schrift­stel­ler, Comic­zeich­ner sowie Jour­na­list Patrick Wag­ner (Livr’Arbitres). Am ver­gan­ge­nen Mitt­woch gab es im Pari­ser Sen­der, der allen Strö­mun­gen rechts der Mit­te zugäng­lich sein möch­te, bereits eine Dis­kus­si­on über Casa­Pounds Stel­lung in der ita­lie­ni­schen Poli­tik. Ins­be­son­de­re die pro­vo­kant-offen­si­ve Ver­wen­dung des Faschis­mus­be­griffs durch CP sorg­te auch hier für irri­tier­te Nachfragen.

Benedikt Kaiser

Benedikt Kaiser ist Politikwissenschaftler und arbeitet als Verlagslektor.

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