Der strategische Teil seiner Kritik lautet so:
Denn diese Präsentation bestätigt scheinbar für eine ohnehin meist übelgesinnte Öffentlichkeit Negativklischees über das IfS respektive die konservativ-rechtsalternative Szene generell. Genauer: Sie erleichtert ungewollt ein absichtliches oder unbewußt feindliches Fehlverständnis, man sympathisiere mit testosterongesteuerten, durch Nietzsche-Parolen stimulierten Haudraufs.
Auch (völlig wertneutral) taktisch scheinen mir Gewaltbekenntnisse oder ‑euphorien angesichts der Kräfteverhältnisse im Lande und einer tendenziell linkspolitisierten Justiz verfehlt und höchstens tauglich zur kurzfristigen seelische Kompensation.
Ich muß bei allem Respekt vor Herrn Dr. Scholdt, den ich außerordentlich schätze, sagen, daß ich diesen Einwand aus mehreren Gründen nicht nachvollziehen kann, ja entschieden zurückweisen muß. Ich sehe nicht ein, warum wir irgendeine Rücksicht darauf nehmen sollen, was eine in der Tat “meist übelgesinnte” und eher bewußt als unbewußt feindliche Öffentlichkeit ” über unsere Arbeit denkt. Ob mit oder ohne Donovan im Programm, ich kann auf der Seite dieser Übelgesinnten ohnehin keinerlei Willen zur Fairneß oder zur ehrlichen inhaltlichen Auseinandersetzung erkennen, sondern eben nur eine üble Gesinnung.
Das hat teils mit kognitiver Überforderung, teils mit Faulheit und Unredlichkeit, teils mit schlichter Böswilligkeit zu tun. Alles, was wir sagen und schreiben wird durch einen – mitunter bizarr kreativen – Interpretationsfilter geleitet, um sicherzustellen, daß die Buhmänner und Pappkameraden auf ihren Plätzen bleiben. Daß unsere Positionen Feindseligkeit und Widerspruch hervorrufen, insbesondere bei jenen, die von uns kritisiert werden, versteht sich dabei freilich von selbst und ist natürlich legitim. Es ist allerdings auffällig und aufschlußreich, daß wir selten für das kritisiert werden, was wir tatsächlich sagen und vertreten, sondern vielmehr für das, was man uns unterstellt zu sagen und zu vertreten. Ich möchte einmal eine ernsthafte Kritik der Neuen Rechten lesen, die sich nicht in Alarmismus, Dämonisierung und im rituellen Abwatschen von zum Teil komisch absurden Strohmännern erschöpft.
Ein aktuelles Beispiel ist Ijoma Mangolds Rezension des neuen Buches des deutschen Meisters Volker Weiß über die “Neue Rechte” (dessen Titel schon so dumm ist, daß es wehtut) aus der Zeit 13/2017. Mangold ist ein gutes Beispiel für die intellektuelle Unredlichkeit, von der ich oben sprach. Nachdem er sich via Weiß ein “genaueres Bild von den weltanschaulichen Prämissen und ideengeschichtlichen Herkünften der rechtsautoritären Bewegungen der Gegenwart” gemacht hat, rühmt er dessen Meisterwerk als “glänzende Dekonstruktion der Neuen Rechten mit ihren eigenen Mitteln”. Da er aber alles, was er über die Neue Rechte weiß, aus Weiß’ Buch entnimmt und offenbar die Originalquellen kaum gelesen hat, kann er solch ein Urteil gar nicht ernsthaft fällen; er kann nur Beifall klatschen, wie gekonnt doch dieser Weiß seine Strohmänner zerlegt. Das führt dann zu Sätzen voll unfreiwilliger Komik wie diesem hier:
Universalismus gilt der Rechten als Täuschungsbegriff, mit dem der globalistische Westen Putins Abendland zu unterdrücken versucht.
Auf einem ähnlichen Niveau liegt dieser Satz:
Der »absolute« Feind der Neuen Rechten, die Identität an Räume koppelt, ist der Universalismus.
Schön, daß ich das auch einmal erfahre. Ich für meinen Teil – und ich bin ja wohl mit angesprochen, da ich von Mangold und Weiß zitiert werde – kann sagen, daß für mich der Universalismus keineswegs ein “absoluter” Feind ist. Wenn ich irgendwas von Carl Schmitt gelernt habe, dann dies, daß es “absolute” Feinde nicht gibt, beziehungsweise, daß die Idee der “absoluten” Feindschaft auf dem Mist des Universalismus gewachsen ist, den wir ja kritisieren. Bejahen würde ich allerdings, daß viele, die der Neuen Rechten nahestehen, im Universalismus (oder konkreter im universalistischen westlichen Liberalismus) den “Hauptfeind” sehen (so drückt es auch Alain de Benoist aus), während der Islam eher ein (ebenfalls universalistischer) Sekundärfeind ist, beschworen durch die Verfehlungen des westlichen Liberalismus, der sich im Zustand der Auto-Erosion befindet und den Westen in einen paradoxen Suizid treibt.
All diese einschlägigen Autoren begehen immer wieder den Fehler, anzunehmen, die (sogenannte) Neue Rechte sei ein ideologisch monolithischer Block, den man auf ein paar Formeln und Gleichungen herunterrechnen könne. Demgegenüber ist es immer wieder wichtig, den vitalen Binnenpluralismus des rechten Lagers zu betonen. Was die Universalismus-Kritik angeht, so kann man ein leidenschaftlicher Purist sein wie Martin Sellner (siehe hier, hier und hier), oder die Dinge eher so sehen wie ich: für mich gibt es Universalismus nur im Plural, und Universalismen unterliegen wie alle anderen Ideen einem historischen Wandel. In meinem Buch “Kann nur ein Gott uns retten?” habe ich betont, daß das universalistische Pathos und der universalistische Anspruch essentieller Bestandteil des “Abendlandes” waren und sind – im Guten wie im Schlechten, und heute eher im Schlechten.
Nun zeigt sich auch Mangold etwas peinlich berührt von Weiß’ allzu penetrantem pädagogischen Furor. Sein Buch sei “in seiner ersten Hälfte in einem Ton der Betulichkeit geschrieben, der selbst Betschwestern zum Wahnsinn treiben würde.” Weiß schreibt im in diesem Genre üblichen Dauermodus der “Entlarvung”, was typisch ist für Autoren, die an Selbstüberschätzung leiden. Dabei hat mich diese Bemerkung Mangolds besonders amüsiert:
Extremes Symptom dieser Gouvernantenhaftigkeit ist Weiß’ Gebrauch der Anführungszeichen.
Das ist genau das, was ich seit Jahr und Tag die “Politik der Anführungsstriche” nenne, wo ich von einem “unter Linken weitverbreiteten Typus” sprach, der
… die Rede des Gegners schon dann für inhaltlich erledigt hält, wenn er sie rein “sprachlich” dekonstruiert, was sich meistens darin erschöpft, alle Formulierungen und Gedanken, die einem nicht passen, in Anführungsstriche zu setzen oder suggestiv zu glossieren. Man spielt also “Ich sehe etwas, was du nicht siehst”, wobei die Linke heute in der Regel die Rolle der drei Tempelaffen einnimmt. Freilich, alles hängt davon ab, was man sehen kann und will und was nicht.
Weiß gehört zu jener Sorte, die sich manisch an der Neuen Rechten abarbeiten, dabei aber ständig versichern müssen, wie substanzlos und “dürftig” ihre Begriffe, Argumente und Positionen doch seien. Eine derartige Überemphase bei gleichzeitig obsessivem Interesse ist natürlich verdächtig. Womöglich kämpt da jemand heftig gegen eine unwiderstehliche Faszination an. Nach Mangold ist Weiß’ Buch sozusagen das “Reefer Madness” der Anti-rechts-Literatur:
Und wirklich klingt er wie eine Gouvernante, die in einem pädagogischen Dilemma steckt: Sie klärt über Marihuana auf, indem sie ausführt, wie lächerlich dieser Stoff sei, substanzlos, im Grunde nur heiße Luft. Zugleich aber warnt sie davor, dass Marihuana eine Einstiegsdroge sei, oft genügten ein paar Züge, schon sei man auf der schiefen Bahn. Zum Schluss – das lehre die Geschichte – ende alles beim Heroin.
Um nun auf Jack Donovan zurückzukommen – auch er wird von Mangold (wohl via Weiß) als Kronzeuge für die Verruchtheit der Neuen Rechten zitiert:
Ganz bei sich ist die Neue Rechte erst dort, wo sie die Evidenz der Gewalt und die Triebe der Völker verherrlicht. Das tut sie zuletzt unverblümt – wie in dem Buch “Der Weg der Männer” des US-Amerikaners Jack Donovan, dessen deutsche Ausgabe in Kubitscheks Verlag Antaios erschienen ist: »Die Natur ist eben ungerecht«, heißt es dort zur Frage der Gleichberechtigung der Geschlechter.
Der erste Satz ist eine typisch unbelegte Unterstellung im “Entlarvungsmodus”, mit dem einzigen Zweck, die Neue Rechte besonders sinister aussehen zu lassen. Daß Donovan von unserem Publikum teilweise durchaus kontrovers und kritisch aufgenommen wurde, kann man leicht unseren Kommentarspalten entnehmen. Was die “Triebe der Völker” sein sollen, ist mir nicht ganz klar, aber vermutlich meint Mangold hier den natürlichen Drang zur Selbstbehauptung. Daß die “Natur eben ungerecht” sei, bezieht sich im Kontext des Zitates darauf, daß die biologische Reproduktionslast, Elterninvestition und physische Konstitution der Geschlechter eben ungleich verteilt sind, nicht aber auf die rechtliche Frage der Gleichberechtigung (nur Frauen können schwanger werden, und sind darum von Natur aus in einem verwundbareren Zustand als Männer).
Mangold fährt fort:
Was zählt, ist der ewige Kampf im Ausnahmezustand, nicht die Domestizierung der bestialischen Natur des Menschen durch Institutionen. Dies markiert die klare Grenze zwischen Konservativen und Rechten.
Damit “entlarvt” er sich selbst dahingehend, daß er offenbar weder das Buch von Donovan noch irgendeine andere Schrift des Verlags Antaios oder des Instituts für Staatspolitik gelesen hat. “Der Weg der Männer” ist keineswegs eine blinde Apologie des “ewigen Kampfes im Ausnahmezustand”, sondern einer agonalen Lebenshaltung, was nicht dasselbe ist; und die Notwendigkeit und Unvermeidlichkeit “der Domestizierung der bestialischen Natur des Menschen durch Institutionen” zieht sich durch seine Seiten wie ein roter Faden, wobei Donovans wesentliche Frage ist, wann die Grenze zur – frei nach Konrad Lorenz – “Verhausschweinung” (“Die Lage des Haustiers zieht die des Schlachttiers nach.” ‑Ernst Jünger) und der Domestikation des Mannes zum konsumierenden, staatsabhängigen, materialistischen, hedonistischen, thymosbefreiten und leicht kontrollierbaren “letzten Menschen” überschritten ist.
Abgesehen davon, daß Donovans Buch alles andere als eine kanonische Schrift ist, ist die “Domestizierung der bestialischen Natur des Menschen durch Institutionen” für die Neue Rechte in Wahrheit genauso wie für den Konservatismus schlechthin (zu dessen Familie sie selbstverständlich gehört) ein zentrales Thema. Nichts offenbart Mangolds Ignoranz mehr als dieses Urteil. Armin Mohler, einer der prägendsten Vordenker der Neuen Rechten, war ein dezidierter Gehlenianer, und nicht ohne Grund war eines der allerersten Bücher im Verlag Antaios (2000) eine Monographie über Arnold Gehlen aus der Feder von Karlheinz Weißmann. Ich würde Mangold empfehlen, doch einmal einen Blick in diverse Bücher unseres Verlages zu werfen (Günter Scholdts “Das konservative Prinzip”, Weißmanns “Das konservative Minimum”, Kaltenbrunners “Erziehung für den Ernstfall”, Devlins “Sex-Macht-Utopie”, Kleine-Hartlages “Die liberale Gesellschaft und ihr Ende”, etc. etc.), um zu erkennen, daß die Neue Rechte keineswegs der Entfesselung der Triebe und dem permanenten Ausnahmezustand oder gar dem Abbau der Institutionen das Wort redet – ganz im Gegenteil (wozu habe ich auf diesem Blog Stanley Kubrick als Kryptokonservativen abgefeiert? Weil er genau um diese Dinge wußte!). Wenn er die Rolle des feinen Konservativen spielen will, muß er sich einen anderen Schurken suchen, von dem er sich dann glanzvoll abheben kann.
Ich weiß nicht, ob ich damit nun Mangolds Inkompetenz, Ahnungslosigkeit, Faulheit oder Böswilligkeit “entlarvt” habe. Tatsache ist, daß offenbar auch ein als besonders seriös und “konservativ” geltender Feuilletonist Deutschlands weniger an der Wahrheit als am Theaterspielen in eigener Sache interessiert ist, mit der Neuen Rechten (bzw. dem gleichnamigen Popanz) als Krokodil, das man zum passenden Zeitpunkt auftreten läßt. Ich will ihm nun aber einstweilen nichts unterstellen, und lade ihn ein, sich auf die “schiefe Bahn” zu begeben und von unserem bösen verbotenen “Marihuana” zu kosten, und zwar ohne Weiß’schen Gouvernantenfilter.
Damit will ich auch den Bogen zurück zu Günter Scholdts “Manöverkritik” schlagen: daß Mangold den bösen Herrn Donovan in den Cocktail gemixt hat, ist, wie man in Wien sagt, eigentlich “aa scho wuascht”. Unsere Feinde sind bekanntlich sehr produktiv im Finden und Imaginieren von Haaren in der Suppe, die sie notwendig haben, um sich selbst zu legitimieren. Wo kämen sie hin, wenn ihre Feindbilder nicht das wären, was sie glauben wollen, daß sie sind? In Reinform konzentriert kann man das bei unseren Freunden von der Antifa studieren, die wohl vor Wonne ejakuliert haben, als sie erfuhren, daß Schnellroda eine Akademie zum Thema, schauder, “Gewalt” veranstaltet. Hier sind Auszüge aus einem Aufruf, der unter dem Hashtag #sr1702 durch die sozialen Netzwerke der Linksextremen ging (gespeichert von unserer Leserin Monika L.):
Die selbsternannten Staatspolitiker*innen und pseudo-intellektuellen Rechten wollen sich dieses Mal mit dem Thema „Gewalt“ auseinandersetzen. Was erst einmal grundsätzlich sinnvoll erscheint, ist für uns aber Grund genug für Protest gegen die dort zu erwartenden Menschenfeindlichkeit. Denn es ist zu erwarten, dass sich die anwesenden Vertreter*innen der „Neuen Rechten“ eben nicht mit ihren ohne Zweifel existierenden Gewaltproblemen auseinandersetzen werden: Die Kubitschek-Jugend unter dem Label der „Identitären“ wird sich nicht fragen, warum ihre Gruppe beispielsweise in Halle aus gewaltbereiten Neonazis besteht oder ob es klug oder sonderlich gewaltfrei ist, politische Gegner*innen zu bedrohen und zu bedrängen, wie sie es tun. Auch werden sich diejenigen, die in ihrem fanatischen Hass auf alles angeblich Fremde geschlossene Grenzen und Ausweisung der vermeintlich „Kulturfremden“ fordern, keine Gedanken über die Gewalt dahinter machen. Ähnlich sieht es bei denjenigen aus, die Feminismus sowieso, aber auch jede Form von Gleichstellung für eine „Kastration“ des Mannes und für krankhaftes Aufbegehren gegen „die Natur“ halten. Niemand wird sich die Frage stellen, wie gewalttätig strukturelle Diskriminierung ist.
Nein, die Menschen, die sich Mitte Februar in Schnellroda treffen, werden von all der Gewalt, die sie auf die Gesellschaft loslassen, nichts wissen wollen. Sie werden sie ignorieren und sich als Opfer präsentieren oder sie als notwendiges Übel zur Zurichtung der Welt begreifen. Sie werden sich selbst und ihrem Volk die Erlaubnis erteilen, zu diskriminieren, zu hetzen und letztendlich zu töten, um sich vor den Dämonen der Moderne zu verteidigen. Sie sehen den „weißen Mann“ und die ihm untergeordnete Frau bedroht von Geflüchteten, die Familie bedroht von versuchter Gleichberechtigung und die deutsche Nation bedroht von der fehlenden Möglichkeit nicht jedem menschenfeindlichen, ausgrenzenden und hasserfüllten Impuls sofort nachzugeben. Dass sich diese ideologischen und praktischen Gewalttäter der Neuen Rechten am Ende für friedlich halten, obwohl sie nur danach streben, den Volkszorn gegen alle Schwachen und an einer besseren Welt Interessierten, aufzuhetzen, ist am Ende nur Spott.
Dieses skurrile dämonologische Fundstück muß ich wohl nicht weiter kommentieren; er spricht deutlich für sich und läßt einen tiefen Einblick in das bizarre Weltbild und die “diffusen Ängste” (har) dieser Leutchen zu. Die als werwolfartigen Buhmänner gezeichneten “Neuen Rechten” dienen hier als Projektionsfläche für eine delirierende linke Masturbationsphantasie, die offenbar vor allem dem Zweck dient, der Antifamobilisierung und ‑gewalt ein gutes Gewissen zu geben. Indes ist der prinzipielle Unterschied zu Mangold resp. Weiß nur graduell.
Der Aufruf kommt übrigens ganz ohne Erwähnung von Donovan aus. Vor Ort war das dann anders. Hinter einem Schutzwall aus Polizeiwägen quakte (ich glaube) Juliane Nagel geschlagene fünfzehn Minuten Donovans Sündenregister ins Megaphon, das sie sich offenbar in der Nacht zuvor zusammengegugelt hatte. Als ich Donovan sagte, daß er zum Hauptschurken des Tages erkoren wurde, lachte er laut auf und genoß den Zirkus, der in der Tat zu einer Sternstunde von Antifantendusseligkeit geriet.
Ich für meinen Teil war sehr froh, Donovan als schillernden und recht ungewöhnlichen Gast auf der Akademie zu haben. Das Spannweite unserer Diskussion wurde durch seinen Auftritt ungemein erweitert. Ich bin seit eh und je dafür, das allzu Trockene und Akademische mit einem Schuß “romantischem Dünger” (Kubitschek) aufzulockern und fruchtbar zu machen. Persönlich erschien mir Donovan als zugänglicher und vernünftiger Mensch mit viel Sinn für schwarzen Humor, der sich selbst nicht allzu ernst nimmt, in der Tat mehr ein Künstlertyp als alles andere. Als ihm Martin Sellner in meiner Anwesenheit das Prinzip der Gewaltlosigkeit der Identitären Bewegung erläuterte, erklärte er seine vollkommene Zustimmung. Trotz seiner genußvoll martialischen Selbstinszenierung ist Donovan keineswegs ein “testosterongesteuerter, durch Nietzsche-Parolen stimulierter Haudrauf”, wie Günter Scholdt formulierte. Das zeigt, wenn man genau hinhört, nicht nur seine Rede, die im Grunde wenig anders als der Vortrag Marc Jongens ein Plädoyer für “Thymostraining” war, sondern auch sein berüchtiger (und großartiger) Essay “Violence is Golden” (abgedruckt in Sezession 76) und erst recht sein Buch “Der Weg der Männer”, das ich übersetzt und herausgegeben habe.
Damit wäre ich am zweiten, inhaltlichen Punkt von Scholdts Kritik angelangt. Ich will hier auf seine einzelnen Punkte nicht im Detail eingehen. Sie sind weitgehend berechtigt und nachvollziehbar, aber mir scheint, daß Scholdt hier vieles mißverstanden hat, etwa Donovans pathosgesättigten, nietzscheanischen Appell, eine “Herrenmoral” zu kultivieren. Das bedeutet bei ihm vor allem: Ermutigung zur Selbstermächtigung, Selbstverantwortung, Unabhängigkeit, Arbeit an der Entwicklung der in “Weg der Männer” genannten “männlichen Tugenden” Kraft, Mut, Kompetenz und Ehre, Abschütteln alles Kleinkarierten und insbesondere all der Erbärmlichkeiten und Zumutungen der “politischen Korrektheit”, die man mit Fug und Recht als manipulative, ressentimentgetriebene “Sklavenmoral” bezeichnen kann. Donovans Ideal ähnelt stark jenem Dominique Venners, der ihm lediglich eine etwas aristokratischere Fassung gab.
Immerhin räumt Scholdt selbst ein, daß Donovan Dinge anspricht, die unabweisbar sind:
Donovans Text in der Sezession 76 / Februar 2017 enthält übrigens eine durchaus stringente Beweisführung, die sich jederzeit nachvollziehen läßt. Verdeutlicht er doch – was unsere Sentimentalinskis so gerne vergessen oder vergessen machen wollen –, daß Gewalt immer herrscht und wir sie nur allzu gern verbal verstecken. Er mißbilligt zurecht das öffentliche Geschwätz darüber und die jeweiligen interessengelenkten Umdefinierungen.
In der Tat, und ich glaube, daß unsere zivilisationsverwöhnten, illusorischen, eskapistischen, grundlagenvergessenen, schlafwandelnden sich allzu sicher glaubenden Zeitgenossen mit ihrer „infantilen Wirklichkeitsverweigerung“ (Rüdiger Safranski) besonders hart geschüttelt werden müssen, um aufzuwachen, und zu erkennen, daß “der Mensch des Menschen Wolf” ist (Thomas Hobbes), daß das “Paradies unter dem Schatten der Schwerter und unter den Füßen der Mütter” liegt (Mohammed, zitiert von Nietzsche) und daß “die zivilisierten Völker der Barbarei so nahe wie das bestgeschliffene Eisen dem Rost” sind (Rivarol). Und auch Ernst Jüngers Waldgänger weiß, daß die Freiheit ein souveränes Verhältnis zur Gewalt voraussetzt:
Lange Zeiten der Ruhe begünstigen gewisse optische Täuschungen. Zu ihnen gehört die Annahme, daß sich die Unverletzbarkeit der Wohnung auf die Verfassung gründe, durch sie gesichert sei. In Wirklichkeit gründet sie sich auf den Familienvater, der, von seinen Söhnen begleitet, mit der Axt in der Tür erscheint. Nur wird diese Wahrheit nicht immer sichtbar und soll auch keinen Einwand gegen Verfassungen abgeben. Es gilt das alte Wort: »Der Mann steht für den Eid, nicht aber der Eid für den Mann.« (Hier eine Besprechung dieses Jahrhundertessays von Donovan.)
Warum kam ich auf die Idee, gerade “Weg der Männer” bei Antaios herauszubringen? Was gefiel mir daran? Nach den Übersetzungen von Jean Raspail und Renaud Camus hatte ich Lust auf stilistisch und inhaltlich ganz andere Kost. Donovans Schaffen verfolge ich etwa seit 2010, und habe ihn stets als orginellen und interessanten Kopf wahrgenommen, alles andere als ein wandelndes Klischee oder “Negativklischee”. Eine zeitlang habe ich mich auch sehr für die amerikanische “Manosphere” interessiert, die sich teilweise mit der Altright überschneidet, und für die Blogger unterschiedlicher Qualität wie Heartiste, Quintus Curtius, Roosh, Matt Forney, Davis Aurini oder Mike Cernovich stehen. Hinzu kommt, daß ich großes Vergnügen an amerikanischer Self-Help- und How-to-Literatur habe, deren Spannweite für mich von Napoleon Hill über Leil Lowndes bis Anton LaVey reicht (ich arbeite übrigens gerade, zusammen mit Caroline Sommerfeld, an einem Buch aus diesem Genre). Auch Donovans Buch, das mir durch seine Ehrlichkeit und seinen Pragmatismus gefiel, gehört für mich, zumindest am Rande, als entfernter Verwandter, in diesen Kontext.
Mit “Der Weg der Männer” ergeht es einem wohl ähnlich wie mit Chuck Palahniuks geistesverwandten Roman “Fight Club” (und seiner Verfilmung aus dem Jahr 1999): entweder man spürt sofort eine unmittelbare Resonanz und Verbindung, ist elektrisiert, weiß, “worum es geht”, oder eben nicht. Manche Leser haben daran kritisiert, daß es nicht an das Niveau anderer Antaios-Publikationen heranreicht, fanden es zu trivial und zuwenig “intellektuell”. Ich selbst bin bekanntlich kein Freund dieser Art von Dünkel.
Donovan selbst erhebt auch keinerlei Ansprüche dieser Art. Im Vorwort schreibt er:
Ich habe es in einer relativ einfachen Sprache verfaßt. Auch Männer, die wie ich aus der Arbeiterklasse stammen, sollen es mit Leichtigkeit und Vergnügen lesen können. Ich bin kein Akademiker.
Angesichts von Donovans äußerem Erscheinungsbild mag der eher bescheidene und bedächtige Duktus des Buches überraschen. Das Pathos ist sorgsam dosiert, und im Gegensatz zu anderen Autoren, die in der “Manosphere” gelesen werden, hält er sein Ego deutlich zurück. Im Vorwort zur ersten Ausgabe (2012) des Buches schrieb er, er intendiere damit “keine Werbung für meine eigene Männlichkeit”. Er will sich keineswegs als leuchtendes Vorbild hinstellen, wie etwa dieser nicht unsympathische rechte “Douchebag” aus Schweden.
Henning Lindhoff schrieb in eigentümlich frei:
Es ist ein Buch, das anfangs begeistert, aufgrund seiner schlichten aber kraftvollen Botschaft: „Mehr Bande wagen!“ Es ist aber auch ein Buch, das mit zunehmender Lesedauer verärgert, aufgrund seiner kraftvollen, aber letzten Endes zu schlichten Botschaft.
Nun wäre mir dieses Buchprojekt nicht so am Herzen gelegen, wenn ich nicht durchaus anderer Meinung wäre. Mich hat es vielmehr von Anfang bis zum Ende begeistert, und ich finde es keineswegs so “schlicht”, wie es manchem auf den ersten Blick erscheinen mag. Ganz im Gegenteil: Donovans literarische, historische, wissenschaftliche und popkulturelle Referenzen sind von einer stupenden Bandbreite und fügen sich in ein ebenso originelles wie schlüssiges Gesamtbild mit einer starken Suggestivkraft. Man spürt in jeder Zeile: Hier hat sich einer eine Frage gestellt, die ihn leidenschaftlich bewegt. Es ist amüsant und flott geschrieben, voll kluger Einsichten und sarkastischem Trotz, aufmunternd, optimistisch und inspirierend, und ich glaube, daß es vielen Männern aus der Seele spricht (so ging es jedenfalls mir), und ihnen helfen kann, über sich selbst und ihre innersten Beweggründe Klarheit zu gewinnen. Und ich denke auch, daß dieses Buch viel Wertvolles für junge identitäre Aktivisten enthält. Die Identitäre Bewegung ist eben auch eine “Bande”, eine Wald-“Gang”, und als solche kann sie wohl am besten funktionieren.
Das Programm von Antaios ist so reichhaltig wie nie zuvor, und das halte ich für eine großartige Entwicklung. “Der Weg der Männer” ist nur eine Stimme in diesem Chor, die mir persönlich viel bedeutet ist. Darum, lieber Günter Scholdt, machen Sie sich an diesem Punkt keine allzu großen Sorgen oder strategischen Gedanken: “Haters gonna hate”, wie die IBster wissen. Freuen wir uns lieber über die geistigen Freiheiten, die uns unser publizistisches Piratenschiff ermöglicht!
ALD
Lieber Herr Lichtmesz, vielen Dank auch Ihnen für diesen wieder mal großartigen Text! Sowohl Günther Scholdt's Kritik als auch ihre Würdigung der Donovan'schen Arbeit zeigen das intellektuelle Niveau, die stete Bereitschaft sich mit kontrahierenden Standpunkten auseinanderzusetzen und ernsthafte Diskurse innerhalb der eigenen Reihen zu führen im neurechten Spektrum.
Ich hatte die Kritik des Herrn Scholdt aus der Perspektive heraus verstanden, daß die patriotischen bzw. neurechten Gesellschaftslager ihre Heterogenität und intellektuelle Überlegenheit auch der breiten Mitte der Gesellschaft werden vermitteln müssen, - um durch zumindest teilweiser Erlangung der Zustimmung und Unterstützung der Vernunftsdeutschen jeglicher politischer Färbung die erforderliche Wirksamkeit der konkreten politischen Anliegen zu entfalten - und daß der Habitus eines Herrn Donovan in diesem Sinne eher undienlich erscheint. Daß der vernunftbegabte, wohlerzogene, deutsche Bildungsbürger, der einem Kubitschek, Lichtmesz, Kaiser usw. wohl mit Interesse zuzuhören bereit wäre, eben durch die Präsenz eines Donovan eher abgeschreckt werden könnte.