Szene-Kaleidoskop XVI: Lage, Lappen und Lektüre

In den letzten Tagen und Wochen haben "Ein Prozent" und die IB gut vorgelegt – Zeit für einen kleinen Überblick. Doch das ist nicht alles: Vielleicht gibt es bei YouTube bald nichts Interessantes mehr zu sehen!

Nils Wegner

Nils Wegner ist studierter Historiker, lektorierte 2015–2017 bei Antaios, IfS und Sezession und arbeitet als Übersetzer.

Sach­lich fun­dier­tes Infor­ma­ti­ons­ma­te­ri­al zum fort­dau­ern­den Anflu­ten der “Neu­bür­ger” aus Nord­afri­ka und der Levan­te ist rar gesät – zumin­dest von offi­zi­el­ler Sei­te. Das Insti­tut für Staats­po­li­tik hat bereits zwei grund­le­gen­de (und sehr erfolg­rei­che) Stu­di­en zur The­ma­tik vor­ge­legt: Ansturm auf Euro­pa und Der Berei­che­rungs­my­thos erör­tern nicht nur die tat­säch­li­che Lage, son­dern dekon­stru­ie­ren auch die poli­ti­sche Phra­seo­lo­gie von den “Flücht­lin­gen”, die laut Mar­tin Schulz ja angeb­lich »wert­vol­ler als Gold« sei­en. Als opti­ma­le Ergän­zung hier­zu liegt von der Bür­ger­initia­ti­ve “Ein Pro­zent für unser Land” nun eine fak­ten­ge­sät­tig­te Hoch­glanz­bro­schü­re vor, die sich beson­ders zur Wei­ter­ga­be an Zeit­ge­nos­sen eig­net, die noch in der Sphä­re der öffent­lich-recht­li­chen Bericht­erstat­tung über den »Mel­ting Pot Deutsch­land« gefan­gen sind. Hier ent­lang geht es zum kos­ten­frei­en Bezug der Asyl­fak­ten.

“Flüchtlings“bezogene Neu­ig­kei­ten gibt es außer­dem vom Mit­tel­meer, wo die #Defen­d­Eu­ro­pe-See­not­ret­ter unter­wegs sind. Zum Wochen­be­ginn hat­te das ita­lie­ni­sche Innen­mi­nis­te­ri­um einen “Ver­hal­tens­ko­dex” für in die “Ber­gung” “Schiff­brü­chi­ger” invol­vier­ten Nicht­re­gie­rungs­or­ga­ni­sa­tio­nen vor­ge­legt, dem zahl­rei­che Grup­pen die Unter­schrift ver­wei­ger­ten. Vor zwei Tagen dann der Pau­ken­schlag: Die ita­lie­ni­sche Küs­ten­wa­che beschlag­nahm­te im Hafen von Lam­pe­du­sa die Iuven­tus, das Schiff der deut­schen NGO “Jugend ret­tet” – unter dem beleg­ten Vor­wurf der direk­ten Zusam­men­ar­beit mit liby­schen Men­schen­schmugg­lern. “Ein Pro­zent” war mit einem Kor­re­spon­den­ten im Mit­tel­meer­raum ver­tre­ten und hat die aktu­el­len Details zu die­ser span­nen­den Ent­wick­lung zusammengetragen.

Und nicht nur auf dem Mit­tel­meer ist der Som­mer heiß und iden­ti­tär: Bei Antai­os sind mit Kon­tra­kul­tur und Iden­ti­tär! Geschich­te eines Auf­bruchs gleich zwei Schlüs­sel­wer­ke zur Bewe­gung und ihren geis­ti­gen Grund­la­gen erschie­nen! Wäh­rend Mario Mül­ler, Kopf der Hal­len­ser Grup­pe Kon­tra­kul­tur, ein schnei­di­ges Vade­me­cum aus aktio­nis­ti­schen Inspi­ra­tio­nen und denk­wür­di­gen kul­tu­rel­len Ver­satz­stü­cken zusam­men­ge­stellt hat, erzählt Mar­tin Sell­ner die Geschich­te des Auf­baus iden­ti­tä­rer Struk­tu­ren im deutsch­spra­chi­gen Raum. Sezes­si­on-Lite­ra­tur­re­dak­teu­rin Ellen Kositza stellt das iden­ti­tä­re Dop­pel (das es hier zum Vor­zugs­preis und mit streng limi­tier­ter Drein­ga­be gibt) in ihrem neu­en Buch­vi­deo im “kanal schnell­ro­da” vor:

Noch ein Nach­satz zu You­Tube: Wer sich in den nächs­ten Tagen oder viel­leicht auch schon jetzt wun­dert, wohin aller­lei ker­ni­ge Vide­os plötz­lich ver­schwun­den sind – das ist Absicht. Die zu Goog­le gehö­ren­de Video­platt­form hat sich offen­bar ein Bei­spiel an Face­book genom­men und arbei­tet neu­es­tens mit gan­zen 15 Min­der­hei­ten- und Best­men­schen­lob­by­or­ga­ni­sa­tio­nen zusam­men, unter ande­rem mit der stets bemüh­ten Anti-Defa­ma­ti­on League, um anstö­ßi­ge und “ver­let­zen­de” Inhal­te auszusondern.

Beson­ders betrof­fen ist davon die stän­dig wach­sen­de Alt­Right-Video­com­mu­ni­ty und ihr Umfeld, und das Mit­tel der Wahl ist neben der Ver­wei­ge­rung von Wer­be­an­zei­gen sowie dem Aus­sper­ren ange­mel­de­ter Benut­zer (wovon unlängst sogar der unta­de­li­ge kana­di­sche Psy­cho­lo­gie­pro­fes­sor Jor­dan B. Peter­son betrof­fen war) der bereits auf Twit­ter sehr erfolg­reich erprob­te Shadow ban: Von ande­ren Nut­zern denun­zier­te und als Hate speech mar­kier­te Inhal­te wer­den nicht mehr nach­weis­bar ein­fach gelöscht, son­dern ledig­lich sys­tem­sei­tig auf “unsicht­bar” geschal­tet. Abon­nen­ten der jewei­li­gen Kanä­le bekom­men also kei­ne neu­en Vide­os mehr ange­zeigt, und der Erstel­ler stellt nur durch aus­blei­ben­de Reak­tio­nen auf sei­ne Fil­me fest, daß die­se nun­mehr dem digi­ta­len Ana­the­ma unterliegen.

Soll­te sich obi­ges Modell bei You­Tube bewäh­ren, wird es nicht lan­ge dau­ern, bis auch deutsch­spra­chi­ge Inhal­te betrof­fen sind. Es gilt also um so mehr, die Augen offen­zu­hal­ten und immer mal wie­der selbst die jeweils favo­ri­sier­ten Kanä­le auf Neu­erschei­nun­gen zu über­prü­fen, anstatt sich nur auf auto­ma­ti­sier­te Benach­rich­ti­gun­gen zu ver­las­sen, die genau­so mani­pu­lier­bar sind wie bei­spiels­wei­se “Best­sel­ler­lis­ten”. Die­se SiN-Rubrik hier wird dazu auch wei­ter­hin Unter­stüt­zungs­ar­beit leis­ten. In die­sem Sin­ne hier der Impuls­vor­trag des stets hörens­wer­ten Mike “Enoch” Pein­ovich beim nor­we­gi­schen Scand­za Forum am 1. Juli zum The­ma, war­um es sich (in hie­si­ger Ter­mi­no­lo­gie) beim Ver­fas­sungs­pa­trio­tis­mus um die Orga­ni­sa­ti­ons­form einer Moda­li­tät des Glo­ba­lis­mus handelt:

Nils Wegner

Nils Wegner ist studierter Historiker, lektorierte 2015–2017 bei Antaios, IfS und Sezession und arbeitet als Übersetzer.

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Kommentare (7)

Leo Lobauer

4. August 2017 20:41

Besten Dank für diese Hinweise! Ich überlege gerade selbst intensiv, wie man diese neue Form des "unsichtbarmachens" in den sozialen Medien auf den Begriff bringen kann. Unterschwellig drängt sich mir der Begriff 'vaporisieren' auf. Aber das betrifft eigentlich nur das mediale Totschweigen von Büchern aus Papier, also Sieferle, Sarazzin usw. Bei der Unsichtbarkeitmachung in der Öffentlichkeit des Internets ist es etwas anderes. Es ist so eine Art von Zwischending zwischen staatlich angeordneter 'Zensur' und gefühlsduseliger 'Sensibilisierung', also einer pseudo-demokratischem Neusprech entsprechenden Lenkung von Meinungen über die Gefühlsebene: Vielleicht nennt man das "Zensibilisierung" von Öffentlichkeit!?

Kammerherr

5. August 2017 02:02

Dieser Mike-Enoch-Vortrag finde ich richtig klasse, danke Ihnen sehr für die Anregung, Herr Wegner!

(Stelle mir nämlich gerade zum Spaß das verdatterte Publikum vor, würde der Mann vor, sagen wir, den "Neuen Deutschen Medienmachern" referieren...)

Osmond van Beck

5. August 2017 03:59

Auch wenn sich meist unter diesen Szene-Kaleidoskopen wenig Kommentare befinden, lese ich diese SiN-Beiträge stets immer gerne und hoffe auch, dass dies viele andere ebenfalls tun. Jedenfalls ist so eine regelmäßige Übersicht recht hilfreich und auch die zusätzlichen Links und Infofetzen sehr interessant. Danke!

niekisch

5. August 2017 15:06

Ist hier im Diskutantenkreis auch das Problem bekannt, bei facebook ausgeschaltet zu werden, indem Dir mitgeteilt wird, Dein account sei möglicherweise gehackt worden und Du wirst dann zum Mitteilen privater Daten aufgefordert, die Du dann aber keinesfalls bekanntgeben willst?

Das ist dann auch eine Variante des "Unsichtbarmachens"

Simplicius Teutsch

5. August 2017 21:20

Ich bin kein AfD-Mitglied, aber ich will sagen, zur angesprochenen Methode der Ausblendung und Ausgrenzung missliebiger Meinungen jetzt verstärkt und systematisch im Internet (facebook, youtube) hat „AfD-Parteiphilosoph“ Dr. Marc Jongen auf Seite 3 der aktuellen Doppelnummer der JF im Interview mit Moritz Schwarz treffende Worte gefunden:

„Die regierenden Altparteien und die geballte Macht der staatstragenden Medien haben sich verschworen, um uns totzutreten. Unsere Etablierung als feste politische Größe in Deutschland wollen sie mit allen Mitteln verhindern, solange sie noch eine Chance dazu sehen. Daher verbreiten sie das Narrativ, wir verträten nur ein paar Radikale und Abgehängte.“

 Solange die AfD solch klarsichtige und klarsprechende Geister in ihren Reihen hat, kann und muss man sie wählen im „Widerstand gegen den Ausverkauf“ und gegen Zensurminister Heiko Maas.

Radistschew

6. August 2017 12:45

Danke für die Hinweise bzgl. youtube und google. Es ist nun aber mal Tatsache, dass wir es hier mit kapitalistischen PRIVATUNTERNEHMEN zu tun haben. Es besteht kein rechtlicher Anspruch auf kostenlose Nutzung der angebotenen Dienstleistung. Und dafür, dass wir alle diese angebotenen kostenlosen Dienstleistungen nutzen dürfen, haben wir keinen Einfluss auf die Qualität und auf die Modalitäten dieser Dienste und wir haben auch keine Durchsetzungsmöglichkeit irgendwelcher Ansprüche. Eben weil diese Kostenlos-Dienste ja natürlich nicht kostenlos sind  verkaufen wir damit unsere persönlichen Daten. Das war schon immer so. Wir können aber beanstanden, dass dies nicht allgemeinverständlich dem Nutzer mitgeteilt wurde. Und, dass man uns nicht sagen will, an wen diese unsere persönlichen Daten verkauft wurden. Das könnte man evtl. rechtlich beanstanden. Ich weiß als Laie nicht einmal, ob man die Manipulationen von google hinsichtlich der Suche von politisch unliebsamen Seiten, rechtlich beanstanden kann. Siehe hier: https://www.wsws.org/de/articles/2017/08/05/goog-a05.html Ein möglicher Ausweg besteht in der Schaffung und Nutzung eigener Videoplattformen.

Lotta Vorbeck

8. August 2017 01:54

Wer über ein eigenes Youtube®-Konto respektive über einen eigenen Youtube®-Kanal verfügt, öffne seine mit "Später ansehen" betitelte Videoliste:

Bei den unter "Später ansehen" gespeicherten Videofilmchen wird das ganze Ausmaß der aktuellen Säuberungsaktion deutlich.

Die jeweiligen Fehlstellen in der vor Kurzem noch vollständigen Liste sind entweder mit "Gelöschtes Video" (das betreffende Video existiert nicht mehr auf der Plattform) oder "Privates Video" (das betreffende Video ist wie vom Herrn Wegner beschrieben auf 'unsichtbar' geschaltet) gekennzeichnet.

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