An der Gegenüberstellung kann man gut ablesen, welche Rolle der Hype um das letztere Buch für das Narrativ der Mainstreampresse spielt.
Zunächst möchte ich bezweifeln, daß sowohl das eine als auch das andere Buch bislang wirklich gründlich gelesen wurde. Lob und Kritik, wie sie etwa von Ijoma Mangold geäußert wurden, sind gleichermaßen oberflächlich und scheinen sich mehr an diskurspolitischen Aufträgen und Schablonen zu orientieren.
Mangold gibt vor, sich über den so weit und so hoch springenden “homerischen Witz” (was auch immer damit gemeint ist) von MRR schlappgelacht zu haben, aber ich kaufe ihm nicht ab, daß er tatsächlich aus diesem “als Sachbuch getarnten Mindfuck” (taz) so schlau geworden ist, wie er tut. Zumal das Buch, wie Götz Kubitschek schrieb (und wie Per Leo uns im mündlichen Gespräch bestätigte), “derart vollgestopft” ist “mit Anspielungen selbst auf entlegene Texte und atmosphärische Schnipsel aus unserem Kosmos, daß wohl nur wir selbst in der Lage sind, das alles zu entschlüsseln”.
Trotz des Untertitels handelt es sich bei MRR um alles andere als um einen “Leitfaden”; es ist eher ein quasi-experimenteller Knäuelsalat, über dessen Gelingen die Autoren wohl selbst Zweifel beschlichen haben, sehen Sie sich doch veranlaßt, den insgesamt ziemlich kurios und uneinheitlich geratenen literarischen Basiliskenkentaur mit etwas verdächtig exponiertem Selbstbewußtsein zu rechtfertigen:
Ob man es dann Literatur, Mythos, Parabel oder Fiktion nennt, ist in diesem Fall nebensächlich. Wichtig ist, dass sich jeder Leser seinen eigenen Reim darauf machen muss. Sollten diese Stellen für Sie dennoch rätselhaft bleiben, ist das nicht schlimm, den Rest des Buches kann man auch ohne sie verstehen. Aber vertrauen Sie uns: Wir haben uns etwas dabei gedacht. Und vor allem wissen wir, dass es Leser gibt, die sich einen Reim darauf machen können.
Die eklatanteste Schwäche des Buches liegt auf der Hand: Es wurde verfaßt, bevor einer der Autoren wirklich mit “Rechten” geredet hat, insbesondere jene Rechten, die in diesem Buch ständig implizit wie explizit präsent sind, nämlich wir Sezessionisten und Schnellrodianer (ich lasse hier meine Twitterscharmützel mit Daniel-Pascal Zorns Internetpersona außer acht, die kaum als “Gespräche” bezeichnet werden können). Kubitschek bemerkt treffend:
Sie reden nicht mit uns, sondern mit unseren Büchern, vor allem mit unserem Gesprächsband Tristesse Droite [M.L.: also ein Buch, in dem Rechte mit Rechte reden] , der in zwei Auflagen erschien und Kultstatus errang. Man kann also nicht recht behaupten, daß in diesem neuesten unter den Annährungsbüchern bloß über uns geredet würde – es ist eher ein Zu-uns-Sprechen, eine Art Monolog von dreien, die auf ihrem Vorstoß ins Herz der Finsternis Dinge erlebt und Erfahrungen gemacht haben, mit denen sie nun fertigwerden müssen.
Auch mein Eindruck war, daß die Autoren (ich vermute aufgrund des schillernden literarischen Stils, der weit entfernt ist von den zähflüssigen Texten, die Zorn und Steinbeis veröffentlicht haben, daß der Löwenanteil, nomen est omen, Per Leo gehört) in diesem Buch eher damit beschäftigt waren, ihre eigenen Gehirnwindungen auszuwickeln und auszustellen. Sobald “wir” von “ihnen” direkt angesprochen werden, schalten sie auf einen zumeist arroganten und herablassenden Ton um, den man als Angesprochener tierisch nervig empfinden kann, besonders, wenn man mit Befindlichkeiten zugelabert wird, die einen nichts angehen. Ich als dezidiert “Rechter” (womit ich es allen Schubladenfreunden ja ziemlich leicht mache) und Sezessionist habe mich kaum angesprochen gefühlt; zu offensichtlich war es, daß sich hier jemand an seinen eigenen Mißverständnissen und Bataillonen von Pappkameraden abarbeitet. Umso kurioser (und dreister) erschienen mir dabei Sätze wie diese:
Es ist und bleibt ja bis auf Weiteres so, dass wir euch deutlich weniger brauchen als ihr uns.
“Uns”? Wen meinen die Autoren damit? In wessen Namen sprechen sie hier? Als “Linke” wollen sie ja nicht abgestempelt werden, als “Nicht-Rechte”, wie sie sich selbst nennen, siedeln sie sich selbst in einem vagen Bereich an, den sie selbst kaum definieren können, der aber “Linke” inkludiert (und, wie sie es ironisch nennen, »Grundgesetzfans« oder »freiheitlich-demokratische Edelmenschen”). Ich weiß jedoch ehrlich gesagt nicht, wen oder was sie meinen, wenn sie sagen (obwohl ich das theoretisch ja müßte, da ich angeblich so “besessen” bin):
Wenn Rechte reden, dann haben sie dabei uns Nicht-Rechte, unsere Reaktionen und unsere Antworten, fest im Blick. Sie sind sogar geradezu besessen von uns. Sie müssen, um als Rechte zu existieren, gegen uns reden.
Wird nicht umgekehrt eher ein Schuh daraus? Erleben wir heute nicht einen gesellschaftlichen Konsens, wonach “die Rechten” oder was man gerade so nennt, immer irgendwie “die Anderen” sind, die nicht dazugehören, nicht reindürfen oder ausgestossen werden müssen, die Aliens und Störenfriede “mit Haß und Kälte im Herzen” (schnüff), die angeblich “unsere Demokratie” zerstören wollen? Kommen die Helldeutschen ohne den Satan der Dunkeldeutschen aus? Haben die Autoren bedacht, daß “rechts” selten eine Eigen‑, häufiger eine Fremdzuschreibung ist?
Steht dazu nicht im Widerspruch, daß “Linke” als unkontroverser Teil des Systems gelten, selbst wenn die (teilweise staatssubventionierten) Rabauken der Antifa manchmal gescholten werden, wenn sie zu sehr über die Stränge schlagen? Wie ist das mit dem der Links-Rechts-Dichotomie zugrundeliegenden Schema Links-Mitte-Rechts vereinbar? Haben wir nicht eine Republik, die sich dezidiert, fundamental, ritualistisch als “anti-rechts” betrachtet und inszeniert? Sind unsere “Konservativen” (vulgo: Rechte, das kann man drehen und wenden, wie man will) nicht schon längst links aufgeweichte und zahnlos gemachte Teile eines Kartells, das keine echte Opposition mehr zulassen will?
Da kann ich den Autoren einen ihrer vielen projektiven Sätze zurückgeben: “Wir hätten im Grunde auch nichts gegen Nicht-Rechte. Wenn sie uns nicht andauernd sagen würden, was uns antreibt und wer wir sind”, und zwar meistens nach Vorgaben der Linken (wie MRR am laufenden Band bestätigt; am bedeutendsten die Übernahme des linken Mythos des rechten “Opfermythos”). Sie geben ihren Linksdrall (und damit den Linksdrall dessen, was sie “Nicht-Rechte” nennen) selbst zu:
… wenn die Linke leidet, leiden wir mit. Nur weil wir uns anderen Zielen verschrieben haben, ist uns ihr Projekt ja nicht egal. Wie könnte es uns egal sein, wenn Menschen Not leiden? Wenn Arbeitskraft ausgebeutet wird? Wenn Angehörige bestimmter Schichten oder Religionen, Menschen anderer Herkunft oder Hautfarbe, Frauen oder Homosexuelle diskriminiert werden? Die Ziele der Linken waren immer schon wichtig, so wie ihr Hang zur Selbstgerechtigkeit immer schon fatal war. Wir sind nicht-linke Humanisten und nicht-linke Dialektiker. Darum liegt uns die Linke am Herzen.
Das alte Laster der der Liberalen (verzeiht, aber da paßt ihr “Nicht-Rechten” am besten hinein): “Pas d’ennemis à gauche!” Nun aber dieser Konsens: Ist er nicht in Wahrheit eine (durchaus wirkmächtige) Fiktion, die die Indifferenten, sich “in der Mitte” wähnenden oder Unwissenden vor sich hertreibt, ein Instrument der sozialen und politischen Kontrolle, das vorrangig von den linksliberalen und (nicht nur nicht- sondern dezidiert anti-rechten) Massenmedien und ihren Tonangebern und Hohepriestern erzeugt wird, die für sich reklamieren, die “öffentliche Meinung” , ja das “Wir” der “Demokratie” zu repräsentieren? Nun, dann kann man beobachten, daß sich immer mehr Menschen nicht mehr von diesem medial simulierten “Wir” der “Nichtrechten” repräsentiert fühlen.
Wir haben diese Fragen im ersten Teil von MLL jedenfalls wesentlich detaillierter und komplexer beantwortet als MRR und gehen keineswegs von einer einfachen Dichotomie “Rechte” (kleine Gruppe von spinnerten Sprachspielprovokateuren) vs. Gesamtheit der “Nicht-Rechten” (Rest der Welt) aus, aber das konnten die Autoren ja nicht wissen.
Wenn sie aber, was eher dem Sound von MRR entspricht, in ihrem eigenen Namen sprechen, als Leo(-Steinbeis-Zorn), und man diesen obigen Satz wörtlich nimmt, dann paßt es erst recht nicht: Da quatschen mich als rechten Adressaten drei Typen an, die beanspruchen, für die Gesamtheit der “Nicht-Rechten” zu sprechen, die ein ganzes Buch über ihre um uns kreisenden Obssessionen geschrieben haben, und die mir bis zur Verlagsankündigung (im Frühjahr) des Meisterwerks kaum bekannt waren.
Leo kannte ich flüchtig durch eine Buchrezension Ellen Kositzas, Steinbeis durch ein ein, zwei Artikel über die “Neue Rechte” (in dem total nicht-linke Sätze stehen wie “Sellner ist ein weißer Hetero-Mann voller Angst”), und Zorn ebenfalls nur, weil er sich über uns geäußert hatte, sich dabei als großer “demokratischer” Wegweiser aus der Krise der “deutschen Diskussionskultur” empfiehlt und irgendwann angefangen hatte, mit mir herumzuzwitschern. Mit anderen Worten, ich würde mich mit allen dreien gar nicht erst beschäftigen, wenn sie sich nicht mit “uns” beschäftigen würden. Ja, der Name, den sie sich geben, ist eine bloße Negation des unseren: “Nicht-Rechte”. Wer braucht also wen so “dringend”?
Was die dezidiert linke Seite dieses nicht-rechten Reichsteiles betrifft, wäre der Satz vollends eine Verkehrung der Tatsachen. Die Autoren formulieren ihn sogar in dieser Fassung: “Ohne die Linke ist die Rechte nichts. Aus eigener Kraft vermag sie nichts, weder in Gedanken noch im Sein.” Nun, linke Ideen (und ihre Umsetzungen) bringen rechte hervor, und umgekehrt. Aber die Linke nährt sich parasitär an der Rechten, oder genauer: die Rechte steht für das Bestehende, die Linke für seine Auflösung im Namen wechselnder Utopien. Botho Strauß schrieb:
Zwischen den Kräften des Hergebrachten und denen des ständigen Fortbringens, Abservierens und Auslöschens wird es Krieg geben.
Man kann es auch trivialer beschreiben: Eine nur marginale Kenntnis der linken Literatur genügt, um zu zeigen, wie sehr die Linke die Rechte, oder genauer: das Feindbild Rechte, den Strohmann “Rechte” bitter nötig hat (Kubitschek: “Es gibt mindestens ein Dutzend Bücher, die sich mit uns und unserem Milieu beschäftigen…”), um sich noch eine Existenzberechtigung zu geben. Ohne das “antifaschistische” Narrativ würde der Großteil der heutigen Linken in sich zusammenstürzen, und ihre kulturmarxistische Fraktion hätte keine finstere Folie mehr, vor der sie ihren aggressiven Abbau des Bestehenden im Namen einer strikt ideologisch definierten “Antidiskriminierungs”-Politik rechtfertigen könnte.
Die Autoren von MRR streifen diesen Zusammenhang, bekommen ihn flüchtig zu packen, aber dieser glitschige Fisch engleitet ihnen wieder zwischen den Händen, während sie sich in surrealen, unstimmigen Parabeln verirren:
Am Anfang der rechten Erfolgsgeschichte steht die Übermacht der Linken. Sie ist nicht Ursache, aber Bedingung für das Comeback der Rechten, das uns heute so mysteriös erscheint.
Ich sage: diese Übermacht ist eben doch die Ursache, vor allem seit die Linke mutiert ist, seit sie nach dem Ende der kommunistischen Welt mit dem Liberalismus zum Upgrade des Globalismus verschmolzen ist (schlag nach bei Fukuyama, Huntington, Kondylis, Michéa oder Legutko), den ich auf die Formel Neoliberalismus + Kulturmarxismus bringen würde.
In diesen Kontext gehören auch die zahllosen “antirassistischen”, scharf links bis neostalinistisch ausgerichteten Stiftungen ( Amadeu Antonio), Initiativen, “Bildungsstätten”, Kampagnen…, die reichlich mit Staatsknete versorgt werden und den dominanten politischen Deutungsrahmen entscheidend mitbestimmen, bzw. politisch und statusmäßig reichlich davon profitieren. Der “Kampf gegen Rechts”, der “Rechtspopulismus” als Feindbild, das “antifaschistische” Narrativ erfüllt im bundesrepublikanischen Diskurs seit den neunziger Jahren eine einigende, mobilisierende Funktion, spielt gar die Rolle einer Klammer, die die zunehmend disparate “bunte” und “vielfältige” Gesellschaft zusammenhalten soll (“Bunt statt Braun”).
Hinzu kommt, daß die Linken wie auch viele der “Nichtrechten” (meistens verkappte Linke oder linksoffene Liberale) ununterbrochen “Rechte” generieren, sei es durch ihre Politik und Rhetorik, die erhebliche Reaktionen hervorruft, sei es durch die Ausweitung des Begriffs “rechts”, der als Bannwort dienen soll, das alle Diskussionen beendet (siehe dazu unsere Bemerkungen in MLL zu so unterschiedlichen, “rechts” oder “rechtsextrem” oder “Nazi” einsortierten Leuten wie Xavier Naidoo, Jörg Baberowski, Alice Weidel, Sahra Wagenknecht oder Alice Schwarzer).
In dieser Lage ist es völlig egal, in welcher Weise Rechte oder “Rechte” über bestimmte Themen reden, ob nun ein Sarrazin oder Sieferle nüchtern mit Fakten und Zahlen argumentiert oder ob ein Akif Pirinçci deftig auf die Tube drückt, ob ein Björn Höcke den Volksredner gibt oder ob ein Michael Klonovsky bissige, geschliffene Aphorismen schreibt: Immer wird es jemanden geben, der reflexartig schreit: “Provokation! Provokation! Er hat Jehovah gesagt! Wie kann er es wagen?? Steinigt ihn!” Und nach der Steinigung: “Er soll jetzt bloß nicht das Opfer spielen, er hat ja provoziert!”
“Provokation” ist für diese Leute, daß wir überhaupt da sind, daß wir über Dinge sprechen, über die sie nicht sprechen und nichts hören wollen. Sie schließen von ihren eigenen Affekte auf unsere Absichten, sie verhalten sich im Prinzip nicht anders als ihre komische Extremform, die “Social Justice Warriors”, die ihre eigenen Gefühle und angeblichen “Trigger”-Traumata zum Maßstab aller Dinge machen und damit ihre Umwelt tyrannisieren.
Leo & Co treiben ihre Behauptung von der einseitigen Abhängigkeit der Rechten von einem linken “Feindbild” aber noch weiter, indem sie daraus ein vor allem psychologisches Problem machen. “Solange das so ist”, daß “wir” “sie” “deutlich” mehr “brauchen”, als sie uns,
… werden wir euch auch nicht los. Darum haben wir darüber nachgedacht, ob es nicht irgendeine Möglichkeit gebe, euch zu lassen, wie ihr seid, aber zugleich den geistigen Bürgerkrieg zu beenden. Für viele von euch ist das eine geradezu existenzbedrohende Idee, das wissen wir.
Nichts wißt ihr. Ich für meinen Teil kenne keinen Rechten, der ernsthaft so denkt. Ihr habt euch in eine bequeme, psychologisierende Fiktion verliebt. Genau wegen solcher betriebsblinden Kurzschlüsse haben wir dem ersten Kapitel von MLL ein Zitat von Leonard Cohen vorangestellt: “There is a war between the ones who say there is a war and the ones who say there isn’t.” Wir sind keine Bürgerkriegs- oder “Feindbild”-Junkies, die aus einer psychologischen Notwendigkeit heraus irgendetwas herbei halluzinieren müssen, um sich in einer konträren Existenz (oder was weiß ich) zu bestätigen. Wir haben den geistigen Bürgerkrieg nicht begonnen. Wir warnen im Gegenteil tagaus tagein davor, daß seine Pulverfässer mit allerlei guten Absichten gestopft werden, aber das geht nicht in eure Köpfe, ihr blinzelt und sagt: “Bis hierher lief’s noch ganz gut! Mir geht’s doch noch ganz gut!”
Er wird auch nicht magischerweise aufhören, wenn uns plötzlich das Schicksal unserer Polis egal ist (um nichts anderes geht es), wenn wir uns widerstandslos ins “Manifest Destiny” und Utopia der bunten, durch Auschwitz legitimierten Menschheitsdemokratie einkuscheln oder uns nicht mehr mit der islamischen Infiltration Europas, dem laufenden Bevölkerungsaustausch und der Masseneinwanderung, dem Terrorismus, den “Integrationsproblemen” und anderen Kollateralschäden der “weltoffenen” Politik beschäftigen.
Wie einer unserer Meisterdenker, Arnold Gehlen sagte, werden weiterhin zahllose linke und nicht-rechte Personen sich öffentlich bemühen, “mit allen Mitteln der Meinungsmache, allem, was irgendwie noch steht, das Mark aus den Knochen zu blasen.” Aber mit solch einer Feststellung stilisieren wir uns schon wieder zu Opfern, was?
Wir erleben das “Deutschland schafft sich ab”, den “Strange Death of Europe” (Douglas Murray, Christopher Caldwell: “Can Europe be the same with different people in it?”), die “Identité malheureuse” (Finkielkraut), die “Migrationskrise” oder das “Finis Germania” (Sieferle), den “großen Austausch” (Camus), die “Unterwerfung” (Houellebecq), den “Suicide français” (Eric Zemmour), “die liberale Gesellschaft und ihr Ende” (Kleine-Hartlage), den Merkelismus, die “Flüchtlingskrise”, den »Willkommenskultur«-Größenwahn (Hans-Joachim Maaz), die “Hierarchie der Opfer” (Lichtmesz), die Macht der Lügen‑, Lücken- und Lumpenpresse etc. als einen realen Alpdruck, als verzehrendes, nimmersattes Feuer, als einen Krieg, der auch dann tagtäglich zu uns käme, wenn wir uns ins Biedermeierschneckenhaus verkröchen und fernblieben (wie es ja auch große Teile des wieder einmal oder noch immer bewußtseinsgespaltenen deutschen Bürgertums tun).
Wir “brauchen” den “geistigen Bürgerkrieg” nicht. Wir konstatieren, daß er da ist. Wir können beim besten Willen nicht so tun, als ob kein Gorilla auf der Hollywoodschaukel säße (wie Gevatter Klonovsky zu sagen beliebt). Wir gedenken allerdings auch nicht, passiv zu bleiben und ihn zu erdulden.
Wir bewegen uns hier auch in den Denkmustern der gängigen Literatur über »Rechtspopulismus« und die artverwandte Fauna und Flora, in der Regel unter dem Blickwinkel »was man dagegen tun kann« und im Stil von Dolchstoßlegenden verfaßt, in denen rechte Schurken aus purer Boshaftigkeit das »soziale Klima vergiften« und die heile, bunte, liberale, beste aller Welten sabotieren und »spalten« (nach der Logik: »Wenn es sie nicht gäbe, wären wir nicht gespalten.«) Dieser Logik folgen im Kern auch die Autoren von MRR:
Unser Problem mit euch ist also gar kein moralisches. Vielmehr sehen wir mit Staunen, wie ihr euch laufend in euer eigenes Problem hineinmanövriert – und uns ungefragt mitzieht.
Sie können es noch origineller:
Das, liebe nicht-rechte Leser, ist unser Problem mit den Rechten. Nicht weil sie irgendwelchen Ideen anhängen, die vielleicht ein bisschen skandalös klingen mögen, aber tatsächlich nur schlicht und undurchdacht, jedenfalls nie im Leben mehrheitsfähig sind, machen sie uns zu schaffen, sondern weil sie anderen die Schuld dafür geben, dass kein Gott und kein Präfekt erscheint, um sie zu erlösen. Sie spucken und fauchen von ihrem selbstgewählten Kreuz auf uns hinab – und hoffen, dass wir zurückfauchen.
Well, ihr armen, unschuldigen, passiven (und mit euch selbst und der Welt ach so zufriedenen) Opfer (har), die ihr nur dann faucht, wenn man euch grundlos aus irgendeinem überholten Herrgottswinkel heraus provoziert, wir sehen “mit Staunen”, wie ihr so bizarr blind dafür sein könnt, daß es auch “euer eigenes Problem” ist, daß ihr in ein- und derselben Kiste sitzt! Daß euch mangels Widerspruch gar nicht mehr auffällt, wie schlicht und undurchdacht, wie unredlich und verantwortungslos eure eigenen Ideen, Prämissen, Begriffe sind!
Wir warten keineswegs darauf, daß ein “Präfekt” (huh?) oder ein “Gott” erscheint (harhar), um “uns” zu “erlösen”. Wir fragen uns vielmehr, was eigentlich mit euren vernebelten Lemmings- und Schafsköpfen und offenbar atrophierten Gehirnen passiert ist, daß ihr euch und ungefragt auch uns in gewaltige Probleme hineinmanövriert oder hineinmanövrieren läßt, die, das könnt ihr uns glauben, schon mehr “Nichtrechten” auf den Kopf gefallen sind, als ihr euch in euren halkyonischen Echokammern auszumalen wagt.
Charakteristisch ist die Doppelbödigkeit, mit der viele Linke das Problem der “polarisierten Gesellschaft” beschreiben. Nehmen wir Ulrike Guérot (noch so eine “Nichtrechte”, die man aus sehr guten Gründen “knalllinks” nennen darf). Wie Sommerfeld und ich in MLL schreiben, nennt sie in ihrem Pamphlet “Der neue Bürgerkrieg”
folgende »Krisenerscheinungen«, die einen »Vorgeschmack auf den europäischen Bürgerkrieg« geben: »Arbeitslosigkeit, Individualismus, Niedergang traditioneller Konfessionen, demographischer Wandel, Fundamentalismus, Terror, Migration und Flüchtlinge, Verarmung, drastischer Bildungsverfall, Kriminalität, Polarisierung zwischen Arm und Reich.« Ein Rechter hätte die Lage kaum anders beschrieben, allerdings würde er dabei auf die Tatsache hinweisen, daß all diese Probleme von ebenjener »Elite« von »Kosmopoliten« und »Globalisierungsgewinnern« verursacht wurden, auf deren Seite sich die EU-apologetische Guérot schlägt. Die »Rechtspopulisten« (FPÖ, AfD, Front National, Wilders-Partei usw.), die sie als Schurken und Schuldige an der Spaltung der Gesellschaft nennt, können es jedenfalls nicht gewesen sein, da sie ja nicht an der Macht waren; in der Tat verdankt sich ihr Aufstieg direkt proportional dem Versagen ebendieser Eliten und den Folgen ihrer Politik. Vorwitzigerweise betrachtet Guérot die Zuspitzung der Krise durch die rechtspopulistische Revolte als Chance, die europäischen Nationalstaaten endgültig abzuwracken und an ihre Stelle eine »Republik Europa« (eher eine Art Europäische Sowjetunion) unter dem ökonomistischen Banner »ein Markt – eine Währung – eine Demokratie« zu setzen: Denn »Europa« sei »ohne die entschiedene Ablehnung des Nationalstaats als vermeintlichem Inhaber von Souveränität gar nicht denkbar.«
Wenn Leo & Co nun schreiben:
Einige von euch finden die Möglichkeit, irgendwie rechts bleiben zu können, ohne sich andauernd gegen alle Nichtrechten behaupten zu müssen, ja vielleicht interessant.
Dann fragen wir: Wie denn, bitteschön? Sagt es uns. Vor allem, erklärt das mal den Linken unter den “Nichtrechten”. Das liegt nicht in unserer Hand. Die Lage ist, wie sie ist. Und “die Lage ist immer legal” (Heimito von Doderer).
Der Applaus, den Leo & Co nun von Leuten bekommen, die vorgeben, ihr Buch gelesen oder verstanden zu haben, gilt wohl in erster Linie dem autoimmunisierenden Narrativ, das es stärkt: Sie verlegen die Ursachen unserer Dissidenz und der Systemkritik, die von rechter (oder “rechter”) Seite kommt, vorrangig ins Psychisch-Subjektive.
Das klingt dann so:
Die Rechten verhalten sich tatsächlich so, als hätten sie Sartres „Geschlossene Gesellschaft“ wie einen Ratgeber gelesen, oder den „Don Quixote“ wie einen Heeresbericht. Wenn die Verlagerung ihres Identitätsproblems für uns – die anderen – nicht so problematische Konsequenzen hätte, könnte man sich ausschütten vor Lachen oder Tränen des Mitleids vergießen über erwachsene Menschen, die sich statt in der Welt im Widerspruch zu ihr eingerichtet haben.
Hier wird unterstellt, die Rechten litten unter individuellen Identitätsproblemen, die sie dann aus irgendeinem Grund nach außen projizieren. Fürwahr eine einfache Antwort auf komplexe Probleme. MRR legt uns folgende Sätze in den Mund:
Mein Problem, das seid ihr. Ich stimme nicht mit mir selbst überein, weil ihr das verhindert. Und mein Beweis ist, dass ihr nicht mit dem übereinstimmt, was ich sein will.
Im Gegenteil: Wir stimmen völlig mit uns selbst überein, und niemand “verhindert” dies (ich wüßte übrigens nicht, wo irgendein neurechter Autor dies behauptet hätte). Was die Autoren von MRR für sich beanspruchen, gilt genauso für jeden einzelnen uns: “Wir sind, wer wir sind. Uns beschäftigt, was uns beschäftigt.” Es ist vielmehr das Mit-uns-selbst-Übereinstimmen, das uns in die Opposition und den Widerspruch bringt; wir sind nach David Riesman vorwiegend “traditions”- oder “innengeleitete” Charaktere (MLL S. 55).
Leo & Co werfen uns hier im Grunde mangelnde Anpassung an (sprich: Unterwerfung unter) einen in unseren Augen faulen und irrationalen öffentlichen Konsens vor (den sie aus irgendeinem Grund “die Welt” nennen). Sie wollen uns mit anderen Worten genau das als “Reife” und “Erwachsensein” verkaufen, was der Psychologe Hans-Joachim Maaz, den wir in MLL mehrfach zitiert haben, als “Normopathie” bezeichnet, als Einreihung in eine konformistische, narzißtische und infantile Gesellschaft.
Mit dieser Logik ließe sich praktisch jede Form der politischen Opposition und Systemkritik als subjektiv-pathologisches Problem entwerten, sofern das System nur mächtig genug ist, sich absolut zu setzen und jeder Fundamentalkritik zu entziehen. Von hier aus ist man nicht weit von der sowjetischen Praxis entfernt, Dissidenten in der Psychiatrie zu entsorgen.
Damit wird auch die reale (zunehmend institutionalisierte und per Gesetzgebung zementierte) Macht der sogenannten “politischen Korrektheit” und des sozialen Drucks ebenfalls in unsere Köpfe verlegt. Das magische Zauberwort (mit all seinen Abwandlungen) heißt “Opfermythos” (MRR S. 92), wie ich ausführlich hier dargelegt habe. Hier soll der Blick auf konkrete Vorgänge und Mechanismen der Macht verwischt werden, in dem sie zur “self-fullfilling prophecy” (Leo) derer erklärt werden, gegen die sie sich wenden. Das ist für diejenigen, die diese Macht ausüben, sich vor dieser Kritik abschirmen, überaus bequem!
Nun: Wenn ich ein Minenfeld betrete, und die Mine geht hoch, habe ich dann die Mine selbst dorthin gezaubert? Gegenfrage des Linken oder Nicht-Rechten: Selber schuld, warum betrete ich überhaupt das Feld, wenn ich doch weiß, daß dort eine Mine liegt? Nun, ist das eigentliche Problem nicht die Mine? Warum ist die überhaupt dort? Wer hat sie dorthin gelegt und aus welchen Gründen? Was schirmt sie ab? Warum ist gerade dieses Gelände vermint und jenes nicht? Warum darf ich es nicht betreten? Warum konnte ich es gestern noch betreten und heute nicht mehr? Warum darf x es betreten, und warum y nicht? Warum wächst dieses Minenfeld immer weiter? Warum erwischen die Minen inzwischen auch jene, die bloß sagen, daß es die Minen und das Minenfeld überhaupt gibt? Warum werden also immer mehr Bereiche des Denkenden und zu Sagenden und zu Sehenden vermint? Dazu bedarf es der Minenräumer, jener, die sich nicht erpressen und einschüchtern lassen!
“Mit Rechten reden” basiert mit anderen Worten auf demselben Meisternarrativ, das die tonangebenden politischen und medialen Milieus durchgesetzt haben: Daß die “Rechten” (und alles, was in diese Ecke geschoben wird) von rein psychologischen Momenten angetrieben werden, sei es “diffuser”, also irrationaler “Haß”, seien es “diffuse”, also irrationale “Ängste” und so weiter. Es fällt also vorrangig unter den Mit-Linken-leben-Modus “Psychokrieg” (MLL, S. 232)
Das wirft die Frage auf, ob hier das (aus langer, reichlicher Erfahrung destilierte) “Lichtmesz-Sommerfeld-Gesetz” (MLL S. 121) in Geltung tritt. Es ist eine Abwandlung von Vox Day’s Formel “SJWs always project” und lautet so:
Alles, was professionelle [zu einschränkend formuliert, das wird in der nächsten Auflage gestrichen. – ML] »Entlarver« und “Aufklärer« gegen »Rechts« über Rechte schreiben, ist eine Projektion ihrer eigenen Charaktereigenschaften, Denkstrukturen und Modi operandi. Immer. Ausnahmslos. Dies ist eng verwandt mit der ehernen Regel des amerikanischen Undergroundautors Jim Goad: »If you disagree with someone who has a Dumb Belief System, they will automatically think you identify with a competing Dumb Belief System.« – »Wenn du jemandes System blöder Überzeugungen nicht zustimmst, denkt derjenige automatisch, du seiest Anhänger eines Konkurrenzsystems blöder Überzeugungen.« Korollarium: Derjenige, der im Laufe einer Diskussion den anderen als erster pathologisiert, ist in der Regel selbst der pathologische Fall.
Ein paar Indizien dafür hätten wir bereits zusammengetragen. Nicht nur die taz-Rezensentin, auch wir haben MRR als “Mindfuck” empfunden – inklusive reichlich unterhaltsamer Traumsequenzen (das Beste am ganzen Buch!) mit ekstatischen Groupies, die von einem wildlederbehosten Rockstar Martin Sellner ein Kind erflehen, dionysischen Freiluftorgien mit arischem Personal und Musikbegleitung von Current 93, sowie den Kastrationsphantasien eines Erzählers, der zusehen muß, wie sein dissoziiertes Alter Ego, der Romanautor “Leo”, von einem “schwarzen Ritter” und einer “Kerzenfrau” des “teils-teils” Rechtsseins überführt wird (oder so).
In letzterer Sequenz tritt auch ein gestrenger “bärtiger Mann im Rollkragenpullover” auf, “der an einem sozialen Defekt zu leiden” scheint, “Asperger oder so” (ich wußte es). Als ich Leo, der einen völlig normalen Eindruck auf mich machte, auf der Buchmesse mitteilte, daß mir sein Buch “völlig verstrahlt” erschien, antwortete er: “Ist es auch.”
Wie auch immer. Die smoking gun, daß der Wahrnehmungsempfänger der Autoren von MRR erheblich gestört ist, ist für mich vor allem ihre Schilderung meines Duells mit Wolfram Eilenberger in der Servus-TV-Sendung “Talk im Hangar 7” vom Anfang des Jahres. Sie erfüllt perfekt den Tatbestand des “Gaslichterns” (MLL S. 207) und ist sozusagen die Probe auf’s Exempel, ob der Bauplan “Sprachspiel/Provokation – Reaktion – Opferspielen” zutrifft, oder nicht. Ich analysiere sie hier nicht aus persönlicher Eitelkeit, sondern weil sich daran gut zeigen läßt, warum und wie die Spule von MRR schief gewickelt wurde.
Demnach hätte ich einem armen, unschuldigen, passiven Opfer den “Rollenzwang des rechten Sprachspiels”, mithin den geistigen Bürgerkrieg hartnäckig aufgenötigt (weil Rechte das eben so machen):
Es gelang ihm, Eilenberger aus der zivilen Gesprächsrunde in eine offene Redeschlacht zu locken. Teils durch kleine Provokationen, wie die Verdrehung seines Namens zu »Eilesberger«, teils durch große, wie die breitbeinig geäußerte Unterstellung, sein Kontrahent sei feige. »Ich seh’ doch die ganze Zeit, wie Sie sich fürchten«, äffte Lichtmesz. »Wenn Sie zu mir hergucken, fürchten Sie sich!« Und Eilenberger nahm die Herausforderung an. Er nannte Lichtmesz einen »Verfassungsfeind«, dessen ganzes Denken um das »Phantasma des Bürgerkriegs« kreise. Schlagartig war sein Gegenüber in Ekstase. Ob gespielt oder tatsächlich in Rage, wippenden Rumpfs und wild gestikulierend gerierte Lichtmesz sich als Opfer einer »schäbigen Unterstellung«, die er empört zurückwies…
Ich möchte nun jeden Leser einladen, sich die Sendung noch einmal genau anzuschauen, und dann möchte ich sehen, wer ernsthaft behaupten will, es hätte sich so verhalten, wie Leo & Co behaupten. Auf eine geradezu aberwitzige Weise hat sich das genaue Gegenteil abgespielt. Eilenberger attackierte mich von Anfang an auf einer persönlichen Ebene, indem er mir allerlei Rollen (“Framings” nennen wir es in MLL), wie man mich als Rechten wahrzunehmen und zu beurteilen habe, überstülpen wollte. Die Untergriffigkeit ging eindeutig von ihm aus, und ich war es, der “die Herausforderung angenommen” hat, und ihm seine Provokationen entsprechend zurückzahlte.
Man kann den Punkt genau markieren, an dem die Angriffe begannen. Mein erster Redebeitrag war eine scharfe Kritik des Anti-Trump-Narrativs gewesen, das meine Kontrahenten Herbert Lackner und Eilenberger vertraten, als wäre es eine unhinterfragbare Selbstverständlichkeit, und das von den Videoeinspielungen des Senders (Trump + Hitler) noch unterstützt wurde. Ich führte zuerst aus, was es mit dem “muslim ban” Trumps tatsächlich auf sich hatte, kritisierte die krass hysterische, unangemessene Stimmungsmache der Medien (insbesondere des Spiegels), und äußerte, daß ich deren Selbstgleichschaltung (alternative Darstellungen Trumps fand man damals allenfalls in der Weltwoche) ziemlich gruselig fände.
Darauf Eilenberger (5:32):
Da sieht man aber beim Herrn Lichtmesz, oder Herrn Semlitsch, wie er eigentlich heißt, sehr klar diese Strategie, daß die eigentlichen Täter sich als Opfer stilisieren. (…) Lassen Sie mich kurz ausreden, Sie haben jetzt nichts gesagt, aber das sehr lange. Es geht darum, daß die eigentlichen Täter sich als Opfer stilisieren und die eigentliche Mehrheit sich in eine Psychose der Minderheit begibt. Das ist auch bei Bewegungen, wie Herr Lichtmesz, die ja verfassungsfeindlich sind, anhängt, man ist in einer faktischen Mehrheit und kreiert eine Psychose der Minderheit, als bedrohtes Volk, als bedrohte Rasse, als bedrohte Identität, macht das in extrem aggressiver Weise und wenn eine gemäße Reaktion kommt, dann ist man in der Opferrolle. In der Mimik, in der sehr weiblichen Haltung, daß man unglaublich ungerecht behandelt wird, dieses Querulantentum und Paradoxe, einerseits unglaublich aggressiv und menschenverachtend vorzugehen, andererseits sich sofort in die Opferposition zu begeben, das ist das eigentlich Kennzeichnende von Trump, aber natürlich auch von vielen rechtspopulistischen Bewegungen hier.
Eilenberger ging also sofort zu einer persönlichen Attacke auf mich über, in der er das gesamte Arsenal des “Psychokriegs” gegen mich in Stellung brachte:
1) Die erste Provokation war, daß er mich im despektierlichen Tonfall mit meinem bürgerlichen Namen nannte, in der dritten Person, um einen Outgrouping-Effekt zu erzielen und im Gestus der “Mimikry”-Entlarvung, was ich ihm später (übrigens versehentlich, aber das glaubt mir keiner) heimzahlte, als ich ihn bei einem leicht verballhornten Namen nannte. Daß Leo & Co diese ganz am Anfang der Diskussion stehende Untergriffigkeit Eilenbergers unterschlagen, während sie mir gleichzeitig die “Verdrehung seines Namens” ankreiden, zeigt deutlich, wie parteiisch verzerrt ihre Sicht der Dinge ist.
2) die zweite, daß er mich (in einem Atemzug mit Trump, was für eine Ehre!) einen “Täter” nannte, der sich zum “Opfer” stilisiere, also die “Opfermythos”-Platte, die darauf basiert, daß Rechte qua Rechtssein “Täter” sind (“Über jeder Tür ist ein Schild angebracht, auf dem linken steht Für Opfer, auf dem rechten Für Täter”, MRR 59). Über mich selbst hatte indes ich kein Wort gesagt, sondern lediglich, daß ich die Unisono-Hetze gegen Trump für hysterisch und unangemessen halte.
3) die dritte, daß er mir unterstellte, daß ich “verfassungsfeindlichen” Bewegungen anhänge – was eine Lüge ist und meiner Markierung als Aussätziger diente; auch die berüchtigte “Beobachtung” durch den VS bedeutet lediglich einen “Verdacht” (also genauer gesagt die politische Herrschaft des Verdachts). Darüberhinaus ist “Verfassungsfeindlichkeit” an sich kein Argument – wer als Philosoph mit dem Verfassungsschutz argumentiert, macht sich zum Büttel.
4) die vierte, daß er mir unterstellte, ich hätte “nichts” gesagt (ich hatte sehr konkret ausgeführt, warum die Panik um Trumps “muslim ban” unangemessen sei)
5) die fünfte, daß er tief in die Pathologisierungskiste griff und mir (wie auch den “Rechtspopulisten” und wohl auch dem rechten Gesocks insgesamt) wörtlich eine “Psychose” unterstellte, gebuttert mit dem putzigen Versuch, mich mit der Unterstellung einer “sehr weiblichen Haltung” zu ärgern. Diese Perfidien zahlte ich ihm später zurück, indem ich ihn selbst der neurotischen Angst bezichtigte (etwa vor den dämonisierten “Rechtspopulisten”), wobei ich übrigens nicht einmal übertrieb: Schon im Backstageraum war Eilenberger mit einem ängstlichen Blick herumgeschlichen, sah mich während der Sendung an wie der Leibhaftige und ergriff nachher als einziger der Gäste rasch die Flucht (hier kann man den ewiggestrigen Angstfilm nachlesen, in dem er drinnensteckt) (meinethalber mußte er vielleicht einen Zug oder einen Flieger erwischen, jedenfalls hatte er es sehr eilig, wegzukommen, während ich mich mit den anderen Gästen, Lackner inklusive völlig normal unterhielt.)
6) Die sechste, daß er mir “Aggressivität” und “Menschenverachtung” unterstellte.
Damit war der Eimer, den er mir übergestülpt hatte, ohne mit irgendeinem Wort sachlich auf das einzugehen, was ich gesagt hatte, mit allen üblichen Ingredienzien gefüllt. In demselben Tonfall ging es dann munter weiter, und mein anderer Kontrahent, Herbert Lackner, stand ihm in Arroganz und polemischer Schärfe nur wenig nach. Man lasse es sich nun angesichts des obigen Transkripts auf der Zunge zergehen, daß Leo & Co behaupten, ich hätte
es geschafft, einem kontroversen, aber offenen Gespräch das Schema »Wir gegen euch« aufzuzwingen.
(Man vergleiche übrigens meinen Auftritt bei Servus-TV mit dem von Caroline Sommerfeld am 12. Oktober, ein echtes “kontroverses, aber offenes Gespräch”, das eine völlige andere Dynamik hatte – unter anderem deswegen, weil niemand sie anfeindete und ihr allerlei Schuhe zum Anziehen unterschob, wie es bei mir der Fall gewesen war.)
Der Rest der Diskussion zwischen Eilenberger und mir bestand im wesentlichen darin, daß ich seine Eimer, “Framings” und Schuhe abwehren und ihm gegebenenfalls Retourkutschen verpassen mußte. Als er mir dann am Schluß ohne irgendeine Begründung oder irgendeinen konkreten Anlaß vorwarf, ein “Verfassungsfeind” zu sein, und mich allen Ernstes nötigte, mich “zur Verfassung” zu “bekennen” (Welcher eigentlich? Der deutschen? Der österreichischen? Der amerikanischen? Seiner Geistesverfassung?), war das keine Antwort auf eine Herausforderung oder Provokation meinerseits, wie Leo & Co behaupten, sondern ein klassisches Derailing (eben hatte ich meine Sicht auf das populistische Phänomen ausgeführt), über die Schiene einer Ad-hominem-Behauptung. Über dieses Stöckchen bin ich jedenfalls nicht gesprungen.
Das von Servus-TV und meinen Kontrahenten servierte Narrativ (Populismus = Sehnsucht nach einem starken “autoritären” Mann, der “die Demokratie” abschaffen will) zu durchbrechen und in Frage zu stellen, war mein wesentliches Ziel an diesem Abend, und es ist mir gelungen, zumindest ein paar Punkte zu servieren. Eilenbergers diffamierende Angriffe waren in dieser Hinsicht eher lästig. Leo & Co stellen es dagegen so hin, als hätte ich gezielt auf eine Eskalation mit Eilenberger angesteuert, um einen Vorwand zu lustvoller Empörung zu finden und mich in folgende Pose zu werfen:
Schaut her, der Herr Philosoph ist ein Salonlinker, sollte das heißen, und ich bin ein Ritter des Volkes.
Weit gefehlt! (Siehe auch MLL S. 56, “Warum wir nicht die Mehrheit des Volkes vertreten”). Was sie nicht gesehen haben, ist Eilenbergers in so gut wie jedem Satz präsente Message: “Schaut her, der Herr Lichtmesz, der nicht einmal so heißt, offenbar was zu verbergen hat, ist ein böser, rechtsextremer Verfassungsfeind, und ich bin ein liberaler, demokratischer Philosoph, der euch über seine üblen Tricks und Strategien aufklärt!” Dabei überschätzen sie ordentlich den vermeintlichen Spaß, den es macht, in einer Situation zu stecken, in der man eine Unterstellung nach der anderen abwehren muß, noch dazu, wenn Fernsehkameras auf einen gerichtet sind (aber ja, ich “spiele” schon wieder das “Opfer”, alles klar?).
Wie kommt es nun zu solchen kognitiven Fehlleistungen? Was Eilenberger betrifft, so ist die Frage wohl einfach zu beantworten: Er glaubt seinen Gruselfilm wirklich, er hält es für eine “gemäße Reaktion”, Trump so darzustellen, wie es der Spiegel bislang auf seinen Panik‑, Weltuntergangs- und Ku-Klux-Klan-Covers tat, er denkt wirklich, daß es einen Pluralismus in der Berichterstattung über Trump gibt (oder hält es für völlig abwegig, daß man die Dinge ernsthaft anders sehen kann), und er kann sich meinen Widerspruch nur durch irgendeine psychotische, menschenverachtende Hinterfotzigkeit meinerseits erklären. So felsenfest, so unreflektiert ist er davon überzeugt, daß sein Buhmannbild von mir stimmt und gerecht ist, daß er jeden Versuch meinerseits, es als unzutreffend (“ungerecht”) abzuwehren, nur als “Opferrolle” oder “Provokation” werten kann.
Warum aber sind Leo & Co offenbar stockblind für die Provokationen, Untergriffigkeiten und Redeschlachteröffnungen Eilenbergers? Ganz einfach, weil sie in dem gleichen abgeschotteten Wahrnehmungsschema befangen sind wie er selbst. Auch wenn sie es vielleicht differenzierter ausdrücken würden, so denken sie doch im Kern dasselbe wie Eilenberger: Ich sei ein “Täter” (sie nennen es im Buch galant “Arschloch”), der “Opfer” spielt, und von irgendeiner ominösen Identitätspsychose getrieben, mit der ich dem friedfertigen Rest der Welt auf den Sack gehen möchte.
Solide Basis für ein Reden mit Rechten, oder ein Leben mit Linken, was? Ich denke, daß Du einen Knall hast, Du denkst, das ich einen habe, na dann Prost, darauf trinken wir, und wir sehen uns im Morgengrauen im Prater. Ich kann nur wiederholen (und erweitern), was ich bereits gesagt habe:
Ich habe kein Interesse an “Sprachspielen”, “Opferrollen”, “Provokationen”, “Strategien” und dergleichen. Ich bin, wer ich bin. Mich beschäftigt, was mich beschäftigt. Ich bin politisch rechtsgerichtet, aber ich lasse mich darauf nicht reduzieren, und ich spreche nur für mich allein. Ich bin ein Autor, dessen einziger Ehrgeiz es ist, ein paar einigermaßen gute Bücher zu schreiben, und der vor allem gelesen, gehört und verstanden werden will.
Franz Bettinger
Wenn das Begriffspaar Rechts / Links überflüssig wäre, existierte es nicht. Was wäre falsch daran, so wie man die Norm über die Zahl definieren kann, Links und Rechts über die Gleichheit zu definieren bzw. deren Gegenteil? Das Bejahen oder Negieren von Gleichheit der einzelnen Menschen, Geschlechter, Völker und Rassen ist der Schlüssel zum Verständnis. Links ist das Negieren von Unterschieden und das Streben nach Gleichheit (Gleichmacherei). Rechts das Gegenteil. Rechts ist das Erkennen und Anerkennen von Unterschieden. Links glaubt, niemand sei im Grunde echt für sich verantwortlich, alles sei unverschuldet und entweder genetisch oder Umwelt-bedingt. Rechts bestreitet das. Rechts glaubt, es gäbe immer auch eine Mit-Verantwortung für das eigene Schicksal, und der Nützliche (Fleißige, Begabte) sollte Vorteile (z.B. mehr Geld) aus seinem Leistungs-Plus erzielen dürfen. Rechts anerkennt das Leistungs-Prinzips und hat nichts gegen Leistungs-Eliten. Links strebt nach einem leistungslosen (Grund-) Einkommen. Was ist an meiner Definition ungenügend?
Ich finde, eine humane Gesellschaft sollte, sofern sie sich es leisten kann, zwischen den Polen Links und Rechts einen Kompromiss herstellen. Zur Zeit ist das Pendel aus der Verankerung geflogen. Ekelhaft die exorbitanten Manager-Gehälter und Boni. Ekelhaft auch, dass Manager und Politiker sich in der Regel verlustfrei und straflos aus der Verantwortung stehlen können. Nicht weniger abstoßend finde ich das Immer-Enger-Flechten der sozialen Hängematten und erst recht die Forderung nach Solidarität mit dem ganzen Globus.
Ich habe nichts dagegen, als Rechter bezeichnet zu werden. Ich nenne mich selber so, nachdem ich definiert habe, was das ist, ein Rechter. Er anerkennt Unterschiede. Nicht mehr und nicht weniger, basta. Dennoch frage ich mich, wer die echten Nazis zu Rechten gestempelt hat, denn nach ihrer eigenen Einschätzung waren sie das nicht. (Dazu gibt es viele Quellen und Zitate.) Ich vermute, die DDR-Bonzen steckten dahinter. Die mussten sich irgendwie vom S und vom A in der NSDAP abgrenzen. Die DDR war es auch, die aus demselben Grund den Nazis das Attribut faschistisch angehängt hat, um vom Linken und Sozialistischen der NSDAP abzulenken. Zeuge und Quelle: Marcel Reich-Ranicki. Die Länder, die das Wort "Links" groß auf den Fahnen stehen hatten, waren nicht die bunten, weltoffenen, sondern die, die sich am meisten nach innen und außen verschlossen hatten: die UDSSR, DDR, Nord-Korea, China, Kuba, Albanien... .