+ Der Auftritt des Verlags Antaios auf der diesjährigen Frankfurter Buchmesse sorgte für eine Menge denkwürdiger Szenen. Eines ganz besonderen, photographisch festgehaltenen Moments nimmt sich Ellen Kositzas “Bild und Text” an, nämlich »Georgs Mimikry«…
+ Seit Versand des Sezession-Jahrgangsüberblicks im Spätherbst des vergangenen Jahres erkundigen sich Anrufer und leibhaftige Kunden immer wieder nach diesem Beitrag. Nun liegt er endlich vor: Siegfried Gerlichs kundiges Porträt des im Januar 2017 verstorbenen Publizisten und »nationalen Dissidenten« Hans-Dietrich Sander mit tiefen Einsichten über Lebens- und Denkwege des Verfassers von Der nationale Imperativ und Die Auflösung aller Dinge, die Beweggründe seines Naserümpfens über den »konformistischen« neuen Konservatismus der ganz frühen Neuen Rechten sowie die Züge seiner einsamen Fundamentalopposition gegen die immer gemütlicher werdende Bundesrepublik insbesondere nach dem Mauerfall.
+ Benedikt Kaiser wirft sich einmal mehr in die Bresche und regt zum verschärften Nachdenken an: Indem er die Frage nach einer »Revolutionären Realpolitik von rechts« stellt, weist er den Weg zu einer neuen Bestandsaufnahme rechter und/oder konservativer Positionen zu den jeweils bestehenden Verhältnissen – und zu einer eingehenden Musterung der Möglichkeiten, sich zu letzteren in Beziehung zu setzen. Und die Zeit könnte nicht besser sein, geht es doch zuallererst um die Widerlegung der lähmenden, aber für manch einen auch bequemen Phrase von der “Alternativlosigkeit”.
+ Für den Autor dieser Zeilen sind die heute ebenso beliebten wie bemühten “Entdeckungen” scheinbarer “feindlicher Brüder” ein rotes Tuch: Antifaschisten sollen “die wahren Faschisten”, Liberale “die wahren Antiliberalen” und – wie ein US-Publizist derzeit nervtötend über sämtliche Nachrichtenkanäle trompetet – amerikanische Linke “die wahren Nazis” sein. Nicht nur ist insbesondere letzteres nachweislich schlicht falsch (vielmehr handelt es sich bei der noch immer mächtigen neokonservativen Strömung in den USA um den unmittelbaren Ausfluß einer geheimdienstlich gesteuerten kulturellen Einflußorganisation vorgeblich geläuterter Trotzkisten); diese Adaption einer feindlichen Denkweise offenbart auch eine dramatische Verkürzung der politischen Denkfähigkeit. Es ist hohe Zeit für einen »Ausbruch aus dem offenen Ring« – sowohl den des absurden “Hufeisenmodells” als auch den gedanklichen, in dem man am Nasenring umhergezerrt wird.
+ Der Chemnitzer Politikwissenschaftler und Verfasser des Überraschungsbestsellers Der böse gute Wille, Prof. Dr. Lothar Fritze, der uns bereits im November letzten Jahres ein hochinteressantes Interview gab, hat eine hochverdichtete Kritik des heutigen Mißbrauchs des Konzepts der Hilfsbereitschaft vorgelegt. »Ein Mangel an Staatskunst« liefert ein ganzes Arsenal an Argumenten, die sich gegen Fürsprecher des “pathologischen Altruismus” verwenden lassen, ob sie nun mit moralischen, religiösen oder schlicht realpolitischen Rechtfertigungen daherkommen – und ein kraftvolles Plädoyer für die Grundvoraussetzung jeder nachhaltigen Solidarität, nämlich eine hinreichend homogene Bevölkerung.
+ 1967 erschien mit Guy Debords Die Gesellschaft des Spektakels ein immens bedeutsames und bis heute relevantes medientheoretisch-politphilosophisches Buch, noch im gleichen Jahr ergänzt um Jacques Derridas Hauptwerk Grammatologie. Caroline Sommerfeld nimmt sich dieser beiden zentralen Werke der philosophischen Postmoderne 50 Jahre nach ihrem Erscheinen an und klopft sie auf ihre Verwertbarkeit von rechts ab. Da sind zahlreiche provokante Schätze zu heben, von der Verpartnerung zwischen allumfassender, konsumbasierter Ersatzrealität und dem »falschen Bewußtsein« bis hin zur inhärenten (Selbst-)Dekonstruktion allen Textlichen – mehr als genug Anregungen, um das so gefestigte eigene Bild von geistiger Welt und Gesellschaft einer radikalen Prüfung zu unterziehen.
+ Sophie Liebnitz schließt ihren Mehrteiler über rechte Geschlechterphilosophie mit einer Analyse des aktuellen Ist-Zustands der »Geförderten Zerrüttung« ab. Unter dem Eindruck der Sextäterdebatte in Hollywood und Kampagnen wie #metoo thematisiert sie die neue Prangerkultur des öffentlichen Denunzierens (als Machtmittel klarsichtig herausgestellt auch in Sex, Macht, Utopie), die mittlerweile durch eine Vielzahl eigens dafür geschaffener (teils staatlicher) Internet- und Smartphone-Apps gefördert wird, und den grotesken Kosmos der Mikroaggressionen, die bereits bei einem ungenehmigten Anlächeln beginnen können. Das Ziel dahinter? Konformitätsdruck durch ununterbrochene Angst vor Fehltritten. Die Lösung? Ein Ausstieg aus dem bequemen Gewohnten?
+ Konrad Weiß, Übersetzer und Mitarbeiter des Karolinger-Verlags, ist Ende Juli in die USA gereist und liefert einen eindringlichen Bericht aus New York – der multiethnischen Stadt schlechthin, in der sich alle Aspekte und Widersprüche von God’s own country wie durch ein Brennglas zwischen Fifth Avenue und Ground Zero gebündelt wiederfinden – und Washington. »God bless America« ist sein Text überschrieben, und der geneigte Leser wird sich wundern, wie Weiß zu diesem Fazit seiner Reise kommt.
+ Unterwegs war Weiß mit Martin Lichtmesz, der eingeladen war, auf der 15. Jahreskonferenz des Blogs American Renaissance (AmRen) zu sprechen. AmRen als herausragendes Portal der bereits in Heft 79 thematisierten Race realists sowie dessen charismatischer Kopf Jared Taylor sind dem Sezession-Leser keine Unbekannten. Lichtmesz porträtiert diesen »Advokat der Weißen« und seine Arbeit in einem Amerika, das von vorgeblich “institutionellem Rassismus” bei gleichzeitiger Affirmative action, also der behördlich gesteuerten grundsätzlichen Bevorzugung von Schwarzen und sonstigen Minderheiten im Bildungswesen, bei der Arbeitsplatzvergabe und anderswo geprägt ist – einem Spannungsfeld, in dem sich die Frage nach der Identität in äußerster Zuspitzung stellt.
+ Am 5. Dezember 1917 wurde der erste Waffenstillstand zwischen den Mittelmächten und dem revolutionären Rußland vereinbart und trat am 7. Dezember in Kraft. Dieses Abkommen ebnete den Weg zum am 3. März 1918 geschlossenen Friedensvertrag von Brest-Litowsk, der den Ersten Weltkrieg in Osteuropa beendete. Stefan Scheil erinnert an diese schicksalhaften geschichtlichen Ereignisse, die die staatliche und politische Karte Europas nachhaltig veränderten und bis heute nachwirken – etwa in den Spannungen zwischen dem heutigen Rußland und der Ukraine.
+ Vor beinahe genau einem halben Jahrhundert kam der Tod ins hessische Marburg, und zwar in Form des Ausbruchs einer anfangs rätselhaften Tropenkrankheit, deren Erreger nach massiven internationalen Bemühungen schließlich als erster bekannter Vertreter der Filoviren identifiziert wurde. Der bekannteste Vertreter dieser Familie, der Ebolavirus, sorgte zuletzt mit einem massiven Ausbruch in West- und Zentralafrika 2014–2016 für internationales Zittern. Anläßlich dieses düsteren Jubiläums stellt sich aufs Neue die Frage: Wie entwickeln sich gesundheitliche Bedrohungen auf einem globalisierten Planeten? »Eine Welt, eine Risikogruppe«?
+ Frank Lisson blickt zurück auf ein Panorama widerständiger DEFA-Filme, die so im Westen nie erschienen sind und uns wohl auch bis auf weiteres nicht ins Haus stehen werden: Denk bloß nicht, ich heule, Karla, Das Kaninchen bin ich, Der verlorene Engel – allesamt Bildungsstücke, die ein um so zweifelhafteres Licht auf die bundesrepublikanische Einklangsopposition mit ihrer geistigen Dressur und den zwangsläufigen Weg der Demokratie hin zur Ochlokratie werfen.
+ Der Deutsch- und Lateinlehrer Norbert Zankl wirft einen analytischen Blick auf Rolf Peter Sieferles Finis Germania – konkret auf das Fragmentkapitel »Ernst Jünger als Erzieher«. Zankl ist es hier um eine notwendige Konkretisierung zu tun: Worauf genau bezieht sich Sieferle, und welche Lehren bietet Jüngers Lebenswerk? Den Kern der Kritik bildet hierbei der Nihilismus als »Stil der Zeit« (Parviz Amoghli), und Zankl verfolgt die Auseinandersetzung mit diesem Gegner durch drei zentrale Stücke Jüngers hindurch: Über die Linie, Der Waldgang und Eumeswil. Diese Betrachtung führt zu einem neuen Blickwinkel auf die Figur des Anarchen wie auf den Akt des Waldgangs selbst.
+ Der Rezensionsteil liefert einmal mehr Besprechungen zahlreicher interessanter Werke, diesmal u.a. Ayelet Gundar-Goshen, Javier Cercas, Gerd Koenen, Marie Antoinette und der Frage: Lügen die Medien?
Abonnenten sollten die Ausgabe mittlerweile erhalten haben; Einzelbestellungen und die Einsicht in das Inhaltsverzeichnis sind möglich. Angebot: Wer jetzt abonniert, steigt mit Heft 81 (Dezember 2017) ein: Dieses Heft gibt es mit Lieferschein gratis! Erst im Januar 2018 folgt dann eine Rechnung fürs komplette neue Kalenderjahr. Übrigens: Wir haben es erneut geschafft, die Preise nicht erhöhen zu müssen. 50 € werden jährlich fällig im Normalbezug, auf 35 € kostet das Abo für Studenten, 75 € für Förderer und 60 € für Leser, die außerhalb Deutschlands und Österreichs leben. Bei Fragen und Sonderfällen bitte anrufen oder Nachricht an vertrieb[at]sezession.de!
Ausblick 2018
Wer von diesem Angebot immer noch nicht überzeugt ist, hier ein kleiner Vorausblick auf den Jahrgang 2018: Im Februar wird es ein Themenheft »Hegung« geben, mit dabei: ein Autorenporträt Wilhelm Röpkes sowie Grundlagenartikel über »nachbarschaftliches Wirtschaften«, die Macht der »Kleinen« und die Notwendigkeit einer zeitgemäßen Kapitalismuskritik von rechts. Im April folgt ein »offenes Heft«, das mit einem Porträt Reinhold Schneider eingeleitet wird und einige Jubiläen erforscht, darunter: Offensive 1918, Österreich 1938, Oklahoma 1993.
Im Juni erscheint das Themenheft zur Zäsur »1968«, das Autorenporträt ist dem Historiographen des Kommunismus Gerd Koenen gewidmet. Außerdem: Aufsätze über die Ideengeber der 68er, Protest- und Aktionsformen, so daß auch hier der Bogen von der Theorie zur Praxis geschlagen wird. Das Augustheft berichtet von einer »Sommerlichen Reise« Götz Kubitscheks, untersucht »Blaue Projekte« und resümiert »40 Jahre RAF«.
Der Oktober ist ganz der Idee »Europa« gewidmet. Welche Europakonzepte gibt es, was ist machbar, was ist denkbar, was wäre zu wagen? Und was ist das eigentlich: »Europa«, oder: »Abendland«? 2018 wird schließen mit dem Rückblick auf das erste Jahr der AfD im Bundestag und Grundsätzlichem zu neurechter Theoriearbeit. Der Jahrgang ist, wie immer, nicht gänzlich vorgeplant. Wir lassen Platz für neue Entwicklungen, Sonderfälle, Spontanes. Wer uns dabei begleiten will, ist herzlich eingeladen, o. g. Abonnement-Angebote zu nutzen. Wir danken im voraus!
S.J.
Besondere Aufmerksamkeit in der neuen Ausgabe verdient der programmatische Artikel „Revolutionäre Realpolitik von rechts?“ von Benedikt Kaiser. Allein der Titel dürfte die üblichen Erregungszustände bei allen auslösen, die unausgesetzt auf Publikationen und Äußerungen in der Erwartung schielen, dort Assoziationsmaterial für ihre These vom politischen Wiedergängertum zu finden und die deshalb die Rechte nie richtig verstehen werden; ganz zu schweigen von unserer Verfassung. Die Ausführungen Kaisers sind luzid und sollten als Grundlage für alle gelten, die sich auf ihre Weise dafür einsetzen, den abgehalfterten Mainstream durch eine gesellschaftspolitische Ordnung zu ersetzen, „in der soziale Gerechtigkeit und Staatsbewußtsein, Recht und Gesetz, Verantwortlichkeit und Solidarität“ (Sezession 81, S.12) wieder (!) gelten würden. Wenn ich alles richtig verstanden habe, so ermuntert Benedikt Kaiser die Rechte:
- unterschiedliche Ansichten und Tonlagen zuzulassen und als Ausdruck des gerade genannten Bemühens um einen Wechsel zu begreifen (und den Riss in der Rechten zu vermeiden);
- die AfD als parlamentarischen Arm zu verstehen, der wichtig ist, um sich Gehör zu verschaffen;
- die eigentliche Arbeit auf der Straße und in den Medien zu leisten;
- Aufforderungen des Mainstreams zur Distanzeritis abzulehnen, weil man sich nicht eine Minute lang zur Putzkraft eines Systems machen muss, das seinerseits Recht und Ordnung ignoriert;
- sich selbst als Bewahrende der Verfassung zu verstehen.
Es ist ganz in der Linie anderer Publikationen grundlegender Art (Thor von Waldstein: Wer schützt die Verfassung vor Karlsruhe?; Josef Schüßlburner: „Verfassungsschutz“. Der Extremismus der politischen Mitte).