Rechte Gruppen wollen in der „Me Too“-Debatte den Kampf um Frauenrechte kapern. Das kann niemals Feminismus sein.
Daß rechte Frauen ihre Stimme erheben, ist echt nicht okay. Das darf nicht sein, denn damit gerät der Feminismus in falsche Hände. Der SZ-Artikel kommt jedoch über dieses ungute Bauchgefühl nicht hinaus. Die meisten Argumente, die die SZ bringt, sind im wesentlichen von tagesschau.de abgeschrieben, jener Beitrag ist bereits umgestülpt und ein paarmal kurz geschüttelt worden, und heraus kamen mannigfaltige Denkfehler. Diese haben allerdings den Sekundärnutzen, den eigenen Standpunkt überdenken zu helfen.
- Migrantengewalt gegenüber Frauen zu thematisieren heißt n i c h t, jegliche andere sexualisierte Gewalt zu leugnen. Natürlich gibt es in Deutschland, in Europa, auf der ganzen Welt Gewalt, sexuelle Gewalt, Vergewaltigung und Mißbrauch. Kritik an einer Sache bedeutet freilich nicht, andere kritisierenswerte Sachen in Abrede zu stellen, zu bagatellisieren oder für inexistent zu erklären.
- Der SZ-Text arbeitet mit der Unterstellung, Frauen seien bloß das hübsche Feigenblatt für patriarchale Männer. Dieses Argument ist logisch zerrüttet, weil es unangreifbar ist. Wenn Frauen in dieser Kampagne das Wort selber ergreifen, dann werden sie nur von rechten Männern inszeniert oder schamlos ausgenutzt. Es ist also in der inneren Logik des Artikels unmöglich, daß rechte Frauen selber aktiv werden, mithin das tun, was der Feminismus seit jeher propagiert. Rechte Frauen können also nur unter der Knute der rechten Männer stehen, dafür sind sie ja beiderlei Geschlechts schließlich rechts und sollen es auch bitte bleiben.
- Feminismus kämpft für alle Frauen, nicht bloß die deutschen. Stimmt, bloß hat #120db ja niemals auf seine Fahnen geschrieben, den Feminismus als solchen zu übernehmen, als Komplettpaket, Rückgabe bei Mißfallen unerwünscht. Wenn in Deutschland konkret deutsche Frauen angegriffen werden, weil sie deutsche Frauen sind, und sich dagegen wehren ist das genauso feministisch, wie wenn im Iran persische Frauen angegriffen werden und sich dagegen wehren. Man könnte gar auf die hübsche Idee kommen, diesen Aspekt im Denkrahmen des linksfeministischen Diskurses “intersektional” zu reframen: Frau sein und deutsch sein gibt doppelt Opferpunkte.
- Frauen als Mütter zu framen sei per se antifeministisch. Wenn das so ist, dann ist der Feminismus selbstzerstörerisch. Punkt.
- Daß Frauen für sich selber kämpfen, hat der Feminismus verlernt. Feministinnen sind zu dem geworden, was in “Tote weiße Männer lieben” treffend “Stellvertreterminoritäre” genannt wird. Die 68er-Feministinnen traten noch für ihre eigenen Rechte, ihren eigenen Bauch, ihre eigenen Berufschancen ein, heute geht es immer um die Rechte möglichst weit von ihrer Lebenswelt entfernter Frauen, sonstiger Geschlechter und Minderheitengruppen. Wenn die 120db-Mädels nun auf sich selber zeigen, wirkt das höchst anstößig und “egoistisch” oder gar “völkisch”, gemessen am aus Amerika zu uns hinübergeschwappten On-behalf-of-others-Feminismus.
- Rechte “kapern” gerne. Das funktioniert in den sozialen Medien vortrefflich, weil linke Kampagnen, Hashtags, Plakate und Videos oft so herrlich dumm, naiv und offen propagandistisch daherkommen. Nur: in diesem Falle sind wir unschuldig! #metoo haben wir nicht gekapert. #120db ist eine Antwort auf #metoo, weil diese Kampagne auf die blinden Flecken der anderen Kampagne hinweist, es handelt sich also um althergebrachte Kritik. “Kapern” ist das neue “Instrumentalisieren” – wann immer Rechte auf Mißstände hinweisen, “instrumentalisieren” sie diese für ihre sinistren Zwecke. Wann immer Rechte an bestimmten links besetzten Diskursen teilnehmen, “kapern” sie gleich den ganzen Diskurs. Die Angst davor muß wirklich sehr groß sein.
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Dass es im Feminismus aber gerade um das Gegenteil, nämlich die Enttabuisierung von Sex und die sexuelle Befreiung in einem respektvollen Miteinander geht, wird ausgeblendet. Allerdings ist genau diese verzerrte Darstellung sehr anschlussfähig, weil sie an eine Sichtweise anknüpft, die tief in der Mitte der Gesellschaft verankert ist: der Feminismus als Feind der Erotik.
Da erdreistet sich die offensichtlich erstaunlich weit rechts liegende “Mitte der Gesellschaft”, ein Gespür dafür zu haben, daß ein “respektvolles Miteinander” der Geschlechter und “Enttabuisierung von Sex” letztlich destruktiv statt wie irrtümlich angenommen konstruktiv sind. Sex auf Augenhöhe und ohne Tabus ist kein Sex. Rechter Feminismus hat den Job, und nicht bloß den “blow job” auf dem der SZ-Artikel herumreitet, diese Abgründe vor dem verblasenen linken Feminismus wieder aufzureißen und den Blick tief hinein zu lenken.
Sind wir nach alldem überhaupt Feministinnen?
Mit Milo Yiannopoulos gedacht: nein. Feminismus ist Krebs. Und es gibt keinen reflektierten, erneuerten, gekaperten, entrümpelten oder umgekrempelten besseren Krebs. Frauen können nur überleben, wenn sie sich davon verabschieden, das “zweite Geschlecht” (Simone de Beauvoir) zu sein und gegen das erste zu kämpfen. Einen Feminismus ohne das genuin linke Unterdrückungs- und Befreiungsnarrativ und ohne Subjektivismus kann es strukturell nicht geben. Feminismus von rechts ist so gesehen ein Selbstwiderspruch. Wenn rechte Feministinnen dafür aufstehen, anziehen zu dürfen was sie wollen, hingehen zu dürfen wo sie wollen und sich verhalten zu dürfen wie sie wollen, weil es nicht angeht, deswegen zur Beute aggressiver Einwanderer zu werden, dann sind sie allenfalls “westliche-Werte”-libertär und betreiben dieselbe dekadente Agenda wie linke Feministinnen.
Mit Camille Paglia gedacht: ja. Der Feminismus hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten selbst verraten, zerstört und die Frauen für dumme Opfer verkauft. Feminismus bedeutet, daß Frauen kapieren, was ihre Natur ist, worin das ewige Verhältnis der Geschlechter besteht, und daß sie selber daran schuld sind, wenn sie sich für dumm verkaufen lassen. #120db ist ein Versuch, sich in einer spezifischen Hinsicht nicht länger für dumm verkaufen zu lassen: daß es importierte Gewalt gegen Frauen gibt, es dafür Verantwortliche gibt, und Frauen nicht damit zu leben lernen müssen. Feminismus von rechts ist so gesehen eine Notwendigkeit.
Waldgaenger aus Schwaben
Die unsägliche Margarete Stokowski
von SPON meinte sich auch zur Frage äussern zu können, warum rechte Frauen keine Feministinnen sein können. Der Verweis auf Kubitschek und Kositza darf im Artikel natürlich nicht fehlen.
https://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/feminismus-warum-rechte-nicht-gegen-sexuelle-gewalt-aufrufen-koennen-a-1191986.html
Frau Stokowski bringt daui ihre eigene Definiton von Feminismus in's Spiel
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Die Antwort steht und fällt natürlich mit der Definition von Feminismus. Wenn Feminismus heißt, sich ab und zu irgendwie für irgendwelche Frauen einzusetzen, dann kann es rechten Feminismus geben, Grüße an Ivanka Trump, aber ansonsten nicht. Wenn Feminismus bedeutet - meine Definition -, dass alle Menschen die gleichen Rechte und Freiheiten haben sollten, unabhängig von ihrem Geschlecht, ihrer Sexualität und ihrem Körper, dann ist diese Haltung unvereinbar mit rechtem Denken.
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Solche "eigenen" Definitionen sind logisch immer bedenklich, weil sie nach ad-hoc Definitionen zur Stützung der eigenen These dienen klingen.
In den Kommentaren wirde diese Definition auch gründlich zerplückt. Ich greife nur das hier raus:
Eine Bewegung, die dich angeblich für die Rechte aller Menschen unabhängig von ihrem Geschlecht, ihrer Rasse usw. einsetzt, darf sich natürlich nicht nach einem Geschlecht benennen , sondern muss auch in dieser Hinsicht neutral bezeichnet werden.