Es erlaubt vor allem einen aufschlußreichen Einblick in die Köpfe der Hohepriester und Welterklärer in (Staats-)Funk & Fernsehen.
Nach Thorsten Hinz, Akif Pirinçci (Teil 1) (Teil 2), Marco Gallina, Tobias Sedlmair, Gerd Buurmann und Claudio Casula nun auch ein paar Worte von mir dazu. Der Inhalt ist inzwischen wohl leidlich bekannt, und ich werde im folgenden natürlich gnadenlos “spoilern”. Martin Sellner und ich haben am Wochenende Waldorf & Statler gespielt, und den Film von Kai Wessel via Livestream kommentiert.
Das Drehbuch stammt von dem “Tatort”-geschulten Autorenpaar Eva und Volker Zahn – Volker Zahn ist schon seit Jahrzehnten “gegen rechts” engagiert, hat unter anderem mit Claus Leggewie zusammengearbeitet und für das linksextreme, stramm antideutsche Blatt konkret geschrieben.
Wessel hat sich schon 2007 an der Inszenierung einer “deutschen Flucht” versucht, mit einem ähnlich, aber etwas weniger erbärmlichen Ergebnis. Damals schrieb ich über die von die Maria Furtwängler verkörperte Hauptfigur, ihre Rolle verkümmere “zum antifaschistischen Zombie, der mit ernster, bitterer Miene alles durchschaut hat und den ganzen Film hindurch eine monotone Haltung durchexerziert.” (Nebenbei ist mein lange vergriffenes erstes Buch “Besetztes Gelände” über die Repräsentation der deutschen Geschichte im Film nun wieder erhältlich).
Ähnlich “monoton” läßt Wessel auch seine “deutsche Familie auf der Flucht” agieren. Seine Protagonisten geben sich redlich Mühe, permanente Schmerzensmienen aufzusetzen, furchen ihre bleichen Stirnen mit verzweifelten Dackelfalten, tasten einander mit mitfühlend-erschütterten Empathieblicken ab, und keuchen ihre Sätze, als wären sie ständig außer Atem vor Leid, Anstrengung und innerer Bewegung.
Insbesondere Fabian Busch als der Familienvater verläßt an keinem Punkt seinen Weinerlichkeitsmodus, und es ist wohl kein Zufall, daß die Frauenfiguren wesentlich beherrschter und “stärker” gezeichnet werden. “Sie leiden! Sie sind traumatisiert! Sie haben keine Hoffnung!” schreit es uns so unmißverständlich wie möglich aus jeder Szene entgegen.
Dabei tritt der Film nach etwa dreißig Minuten bis zum Schluß auf der Stelle. Nichts Neues wird erzählt, nur eine öde Leidensstation an die andere gereiht.
Letztere sind vergebliche Liebesmüh, denn die Figuren selber sind eindimensional und oberflächlich gezeichnet, es finden sich kaum Überraschungen, Charakterdimensionen oder “Brüche”, wie es in den Drehbuchseminaren an Filmschulen so schön heißt. Darum fällt es auch schwer, irgendeine Anteilnahme an ihrem Schicksal zu entwickeln. Selbst als Propagandafilm taugt “Aufbruch ins Ungewisse” wenig, da er die wichtigsten Zutaten effektiver Spielfilmpropaganda außer acht läßt: die Ideologie darf nicht zu dick aufgetragen werden, es muß eine ausreichende Portion Wahrheit oder zumindest Plausibilität enthalten sein, und die Figuren dürfen nicht allzu einseitig gezeichnet sein.
Als fröhlicher Rechtspopulist bin ich nun gewiß nicht die intendierte Zielgruppe, aber es scheint mir generell etwas unklar, wer sich denn nun mit dieser Familie auf der Flucht identifizieren soll. Die “pädagogischen” Absichten des Stücks wurden von den Programmgestaltern zwar kaum verhehlt – jetzt drehen wir einmal die Perspektive um, versetzen euch Normalbiodeutsche in die Lage der Flüchtlinge, damit ihr am eigenen virtuellen Leib erleben könnt, wie schrecklich deren Schicksal ist (plötzlich werden die gecasteten Gesichter wieder wirklich typisch “typisch deutsch”, und zwar immer dann, wenn ans schlechte Gewissen appelliert wird.)
Die gezeigte Familie ist allerdings ein Paradebeispiel für jene Schicht oder jenen Typus, der ohnehin schon davon überzeugt ist, daß die AfD abgrundtief böse und die Merkel’sche Flüchtlingspolitik himmelhoch gut ist. Es handelt sich um urbane, linksliberale Gutmenschen (der Familienvater mit dem deutschtypischen Allerweltsnamen Schneider ist “Anwalt für Regimeopfer”) und Süddeutsche-Zeitung-Leser, die im Fernsehen zusehen müssen wie eine Journalistin der fiktiven Süddeutschen Tagespost gewaltsam abtransportiert wird, “Nieder mit den Faschisten!” schreiend.
Die ersten Opfer des nationalistischen Regimes (das aus irgendeinem Grund so dämlich ist, seine Repressionsaktionen im Fernsehen zu übertragen), die man im Film sieht, sind also bezeichnenderweise linksliberale Journalisten, die mutig gegen die Machthaber anschreiben, die munter mit der “Lügenpresse” aufräumen. Später wird noch eine linke Bloggerin, augenscheinlich mit “Migrationshintergrund”, auftauchen, die von einer Art Gestapo-Truppe (genaueres erfährt man nicht) vergewaltigt und gefoltert wurde, weil sie es gewagt hat, die Regierung zu kritisieren.
Die Regierung kritisieren? Wer macht denn so etwas Böses und Verwerfliches?
Uta Ogilvie zum Beispiel, die flugs von der Antifa terrorisiert wurde, weil sie in Hamburg eine Anti-Merkel-Demo initiiert hatte. Am selben Aschermittwoch, als die ARD den Film ausstrahlte, postete sie auf Facebook:
Am Aschermittwoch ist alles vorbei? Erst mal schon, ich gebe auf. Warum? In erster Linie, weil ich meine Familie nicht schützen kann. Wer meine Geschichte in den letzten zwei Wochen verfolgt hat, weiß, dass es in der Nacht von Sonntag auf Montag einen Anschlag auf mein Haus gab. Dahinter steckt die Antifa. Diese selbsternannten Anti-Faschisten haben nicht nur Autoreifen zerstochen, die Hauswand mit Schmutz beschmiert und ein Fenster zerschlagen. Diese Anti-Faschisten haben auch billigend in Kauf genommen, Leib und Leben meiner Familie zu riskieren. In diesem Fall Leib und Leben meiner Kinder, denn besagtes Fenster gehört zum Kinderzimmer. Ich möchte nicht darüber nachdenken, was hätte passieren können, wenn die Betten der Kinder direkt unter diesem Fenster stehen würden. Zum Glück ist das nicht der Fall.
Der Fall Ogilvie ist nur einer unter vielen in Deutschland. Antifa-Terror, Netz-DG, “Hate-Speech”-Maßnahmen, indirekte Zensur, sozialer Druck, öffentliche Diffamierung, Bankkontenkündigungen, Verlust der Existenzgrundlage – das kann heute jeden treffen, der sich kritisch gegenüber der Regierung und der ihr fast schon lakaienhaft dienenden Lückenpresse positioniert. Dazu gehört nicht zuletzt ein öffentlich-rechtlicher Sender wie die ARD, die in “Aufbruch ins Ungewisse” – verschlüsselt, aber eindeutig – die einzige echte Oppositionspartei Deutschlands als Wiedergänger der NSDAP hinstellt.
“Aufbruch ins Ungewisse“stellt diese Lage auf den Kopf und verschärft sie noch zum “faschistischen” Alptraum. “Am Anfang hat man uns als Abschaum und Pack verhöhnt. Aber wo sind die Zweifler jetzt?”, hört man zu Beginn einen hitleresken Kanzler im Fernsehen wettern. Die Botschaft ist klarerweise, daß der “Abschaum” und das “Pack” im wesentlich tatsächlich ein solches sind und als solches bekämpft werden müssen. Das ist das Narrativ, das unsere Tonangeber propagieren, und an das sie vermutlich auch selber glauben.
Nehmen wir z.B. Ulf Poschardt, der sich selbst allen Ernstes als “Konservativen” betrachtet. Wenn eine Alice Weidel so frech ist, sich nicht in das von Poschardt angeführte rituelle Küssen des Allerwertesten von Deniz “Völkersterben von seiner schönsten Seite” Yücel einzureihen, kommentiert er das so:
Näher an Putin, Erdogan, der NPD und den alten Nazis als an irgendwelchen Komservativen. Die AfD ist eine mittlerweile komplett rechtsradikale Partei, die dringend vom Verfassungsschutz beobachtet werden muss
In dieses Genre gehört auch der physiognomisch artverwandte Georg Restle (Monitor ARD), der besonders gereizt (und durchsichtig) auf Kritik an dem Film reagierte:
War natürlich bloß die rechtsfaschistische “Bubble”, die rumgemeckert und gehetzt hat, Leute! Nur Faschisten können einen solchen Film schlecht finden, sie wollen ja nicht entlarvt werden!
Hellhörig auf den leisesten Abweichlermißton, nahm Restle im Stil eines bolschewistischen Kommissars auch Philipp Plickert von der FAZ ins Visier:
“Propaganda”, Genosse?? Wie kann man auf so eine krude, abstruse, verschwörungstheoretische Idee kommen?? Das ist gefährlich faschistisch-konterrevolutionäres Fahrwasser!
“Aufbruch der Flüchtlinge” geriet jedenfalls zu einer Art “Passion der Bobos”, weniger zu einem aufrüttelnden pädagogischen Drama, um Dunkeldeutsche zur Empathie und Identifikation mit Flüchlingen zu bekehren, sondern zu einer erbaulichen Predigt zu den Bekehrten, zu einer Art Martyriumsporno für eine Schicht, die sich in Gestalt der Familie Schneider selbst bemitleiden und vor ihrem Lieblingsphantom, dem dräuenden Comeback des Dritten Reichs gruseln darf.
Die Zielgruppe war allerdings auch nicht besonders von dem Resultat befriedigt. Claudia Tieschky fand in der Süddeutschen Zeitung die Idee des Films zwar wahnsinnig “toll” und “genial”, kam jedoch zum selben Schluß wie ich: Der Film interessiere sich “gar nicht besonders für seine Personen”, die “ganz offenbar bloß zu Illustrationszwecken erschaffen” wurden.
Die vergewaltigte Bloggerin, die unermüdlich weiter gegen das Regime schreibt und in der Dusche mit Faustschlägen gegen den Bauch das Kind abtreibt. Der gemütliche Schwule, dessen HIV-positiven Freund man in Deutschland absichtlich sterben ließ und der am Ende abgeschoben wird. Die ältere Frau, die tonlos berichtet, ihr Schwiegersohn sei getötet worden, nur weil er Muslim ist.
Inhaltlich fiel sowohl ihr als auch ihrem Kollegen René Martens von der Zeit wenig Kritikwürdiges ein, außer daß die Filmemacher “die Erfahrungen der realen Geflüchteten unserer Zeit verniedlichen”. Mit anderen Worten, unsere Familie Schneider leidet in ihren Augen nicht drastisch und realistisch genug.
“Verniedlicht” werden in “Aufbruch ins Ungewisse” indes ganz andere Dinge. Die “Politikjournalistin” Miriam Hollstein, ein selten intelligentes Lebewesen und “Autorin der ersten Comicbiographie über Angela Merkel”, mokierte sich über dumme Menschen, die sich unverständlicherweise an diesem interessanten Film stoßen:
Nu ja, was die “verkehrte Perspektive” betrifft, so gibt es einen ganzen Haufen wesentlicher Unterschiede zwischen der im Film gezeigten Situation und der realen “Flüchtlingskrise”. Familie Schneider ist die westlich-bürgerliche Vater-Mutter-Kind-Kernfamilie (die “kleinste Zelle des Faschismus”), die auf dem berüchtigten “Refugees Welcome”-Logo dargestellt wird (lustig, daß unsere homonormativen Linken in diesem Fall keinerlei Einwände gegen ein derart erzreaktionäres Symbol haben), während die überwiegende Mehrzahl der tatsächlichen “Flüchtlinge” aus jungen Männern bestand, die größtenteils ohne ihre Familien aufgebrochen waren (und auch keine politisch Verfolgten waren).
Junge deutsche Männer kommen übrigens (fast) überhaupt nicht vor in dem Film, mit einer bezeichnenden Ausnahme. Ganz im Sinne des laufenden staatlich geförderten Verkuppelungstrends (Motto “Integration durch Penetration) sind die einzigen Gleichaltrigen, die die junge Nora Schneider im südafrikanischen Flüchtlingslager trifft, ebenfalls aus Deutschland vertriebene Migrantenjungs, die hip und cool wie eine Boyband sind. Zwischen ihr und einem samtäugigen, sensiblen Türken bahnt sich natürlich eine zarte Romanze an. Der darf Nora schließlich ritterlich vor dem einzigen jungen Deutschen im Film beschützen (die Szene beginnt etwa bei 01:00). Der hat ihr vermutlich das Smartphone geklaut, schubst sie herum und beschimpft den türkischen Beau rassistisch-islamophob als “Ziegenficker”, der zu seinem “islamischen Staat abhauen” soll.
In diesem Zusammenhang könnte man daran erinnern, daß Co-Produzentin Christine Strobl (ARD/Degeto) Wolfgang Schäubles Tochter ist:
Die Abschottung ist doch das, was uns kaputt machen würde, was uns in Inzucht degenerieren ließe.
Die ideologische Gleichung des Films geht also perfekt auf: die Verfolgten sind Schwule (hier wurde ein betont maskuliner, untuntiger Typ gecastet), Linke, Moslems, und Migranten, herausgeschnitten aus dem Bild ist der (junge) “heterosexuelle weiße Mann”, der sich allenfalls in Gestalt von Fabian Busch als vierzigjähriger “Cuck” par excellence durch den Film flennen darf.
In diesen Zusammenhang gehört wohl auch die wunderliche, ziemlich absurde Wahl von Südafrika als Zielland der Flüchtenden. Absurd unter anderem deswegen, weil Südafrika weniger für sein willkommenskulturelles Sozialstaatparadies à la Deutschland und Schweden (das im Film ebenfalls “faschistisch” geworden ist) bekannt ist, sondern eher für seine exorbitant hohen Mord-, Vergewaltigungs- und HIV-Raten.
Besonders für Weiße empfiehlt Südafrika kaum als Zufluchtsort. Die junge kanadische Journalistin Lauren Southern arbeitet gerade an einem abendfüllenden Dokumentarfilm über die bestialischen Morde an weißen Farmern, deren Opferzahl bereits über 4,000 betragen soll.
Ob die Bürokratie in Südafrika so sauber funktioniert wie in “Aufbruch ins Ungewisse”, lasse ich mal dahingestellt. Hilfe bekommen die Deutschen im Film (die natürlich brav ihre Pässe dabeihaben) von einer hübschen, schlanken, freundlichen Afrodeutschen, die ihnen zum Schluß auch (Spoiler) eine goldene Brücke baut, wie sie die Behörden überlisten und ihre Abschiebung verhindern können.
“Aufbruch ins Ungewisse” ist ein Zeitdokument, das man irgendwann studieren wird wie weiland Siegfried Kracauer die Filme der Weimarer Republik. Wenn sich die Vertreter der Kaste, die das ausgebrütet hat – wie etwa Restle – darüber empören, daß man dieses und andere Erzeugnisse beim Namen nennt, nämlich “Propaganda”, dann sind sie subjektiv vielleicht sogar ehrlich. Das Endprodukt ist weniger ein gut durchdachtes und zielgerichtetes Machwerk à la Goebbels, sondern eher ein diffuser Mix aus Wunscherfüllungsphantasie, Selbsttäuschung, Orientierungslosigkeit, Wirklichkeitsverweigerung und triebhaften volkspädagogischen Impulsen. Die Einschaltquoten waren jedenfalls vergleichsweise ziemlich schlecht (drei Millionen).
Im zweiten Teil werde ich einen weiteren (Quasi-)Propagandafilm behandeln, der momentan in aller Munde ist, und durch etliche unterirdische Fäden mit der ARD-Produktion verknüpft ist: der Superhelden-Blockbuster “Black Panther”, der allerdings im Gegensatz zum “Aufbruch” genau weiß, was er erreichen und erzählen will, sich dabei aber in allerlei (ziemlich interessante) ideologische Widersprüche verstrickt.
Blue Angel
Gerne gelesen, danke!