Wir erinnern uns: Im April führte die Polizei Hausdurchsuchungen bei 17 Mitgliedern und Sympathisanten der IBÖ durch, darunter Martin Sellner und Patrick Lenart, deren Bankkonten beschlagnahmt wurden. Alle 17 sitzen nun in Graz vor Gericht, angeklagt der Bildung einer kriminellen Vereinigung nach § 278a des österreichischen Strafgesetzbuches.
Um bloß keinen “Opfermythos” aufkommen zu lassen, stellt der Spiegel-Schreiber Max Holscher die Lage so dar, als handele es sich hier um ein einziges Publicity-Festival für die Identitären:
Es sind diese Momente, die Österreichs Nazi-Hipster lieben: Im Grazer Gerichtssaal sind an diesem Tag Anfang Juli die Besucherreihen voll besetzt. Vor dem Gebäude drängen sich Kamerateams, Fotografen und Journalisten – Prozessauftakt gegen mehrere Personen der Identitären Bewegung Österreichs (IBÖ.) Das große Interesse kommt nicht überraschend. Die Gruppe hatte in den vergangenen Jahren mit ihren Guerilla-Aktionen international häufiger für Schlagzeilen gesorgt. Provozieren, sich Aufmerksamkeit verschaffen, in den sozialen Netzwerken als Gruppe mit vermeintlich großer Anhängerschaft auftreten – das ist die Masche der Rechtsextremen.
Letzteres unterscheidet die IB natürlich immens von allen anderen Gruppen, die einer politischen Agenda “Aufmerksamkeit verschaffen” wollen.
Aber schon im nächsten Satz versichert er, daß sich ohnehin bald kein Schwein mehr für die Identitäre Bewegung interessieren werde:
Schon am nächsten Verhandlungstag sind die meisten Journalisten nicht mehr da. Es ist ein Spiegelbild für die Entwicklung einer rechten Gruppe, die es immer seltener schafft, für Aufsehen zu sorgen.
Na, wenn er meint. Immerhin ist die italienische Regierung heute damit beschäftigt, wesentliche Forderungen der Identitären umzusetzen, womit der metapolitische Avantgarde-Charakter der Aktion “Defend Europe” (siehe auch Alexander Schleyers fesselnden Bericht) vom Vorjahr nachhaltig bestätigt wurde.
Einen ähnlichen Kurs hat die österreichische Regierung aufgenommen, was allerdings nicht bedeutet, daß der Vorhut gedankt wird. Im Gegenteil, die Tatsache, daß die Identitäre Bewegung Zielscheibe rechtlicher Repressionen geworden ist, zeigt, daß sie gewissen politischen Schichten innerhalb Österreichs immer noch – und jetzt erst recht – ein erheblicher Dorn im Auge ist.
Nicht zuletzt, weil sich die Schlüssigkeit der identitären Kritik an der Einwanderungs- und Asylpolitik immer deutlicher erweist, wie etwa der überraschend mutige Artikel von Mariam Lau über den Sinn und Zweck der Seenotrettung im Mittelmeer zeigt, der innerhalb ihrer Zunft mit aggressiver Gereiztheit quittiert wurde, als habe die Autorin Hochverrat begangen.
Thorsten Hinz bemerkte hierzu:
Der Text ist maßvoll in der Form und in der Sache. Er ist Angebot für eine längst fällige Debatte. Die abschließende Frage müßte man allerdings zuspitzen: Wie lange würde es dauern, bis auch die letzten europäischen Metropolen zu Kalkutta geworden sind, mit allen sozialen, kulturellen, zivilisatorischen Konsequenzen?
Nichts anderes ist die identitäre Frage.
Die Grundlage der Anklage ist wie gesagt der § 278a StGB:
Wer eine auf längere Zeit angelegte unternehmensähnliche Verbindung einer größeren Zahl von Personen gründet oder sich an einer solchen Verbindung als Mitglied beteiligt
1. die, wenn auch nicht ausschließlich, auf die wiederkehrende und geplante Begehung schwerwiegender strafbarer Handlungen, die das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die Freiheit oder das Vermögen bedrohen, oder schwerwiegender strafbarer Handlungen im Bereich der sexuellen Ausbeutung von Menschen, der Schlepperei oder des unerlaubten Verkehrs mit Kampfmitteln, Kernmaterial und radioaktiven Stoffen, gefährlichen Abfällen, Falschgeld oder Suchtmitteln ausgerichtet ist,
2. die dadurch eine Bereicherung in großem Umfang anstrebt und
3. die andere zu korrumpieren oder einzuschüchtern oder sich auf besondere Weise gegen Strafverfolgungsmaßnahmen abzuschirmen sucht,
ist mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen.
Dieser Paragraph hat eine interessante Vorgeschichte: Er kam 2010/11 im “Wiener Neustädter Tierschützerprozeß” zum Einsatz, der gegen eine militante linksradikale Tierschützergruppe geführt wurde. Ermittelt wurde seit 2007, Verhaftungen erfolgten 2008.
Eine linksextreme Seite aus dem Jahr 2008 berichtet:
Als am 21. Mai 2008 23 Wohnungen, Büros und Häuser von TierrechtsaktivistInnen in Wien, Niederösterreich, der Steiermark, Salzburg und Tirol durch Sondereinheiten der Polizei gestürmt und durchsucht wurden, sowie zeitgleich Haftbefehle gegen 10 der Betroffenen ergingen, stellte sich schnell heraus, was als Begründung für dieses massive Repression gegen linke AktivistInnen herhalten muss. Den Inhaftierten wird die Bildung einer kriminellen Organisation nach § 278a StGB vorgeworfen.
Dieser Paragraph wurde ursprünglich 1993 gemeinsam mit dem § 165 StGB gegen Geldwäsche eingeführt, um bei der Bekämpfung der organisierte Kriminalität bereits die Mitgliedschaft in einer kriminellen Organisation unter Strafe zu stellen, ohne das von dieser kriminellen Organisation bzw. deren Mitgliedern bereits konkrete Taten begangen worden sind. Der Straftatbestand ist ein sogenanntes “Vorbereitungsdelikt”, das heißt, dass der Tatbestand der kriminellen Organisation ein im Vorfeld zukünftiger verbrecherischer Aktivitäten liegendes Verhalten erfasst, das für sich alleine gesehen straflos wäre.
Zu diesem Zeitpunkt enthielt der Paragraph einen Zusatz, der später gestrichen wurde:
Wer eine auf längere Zeit angelegte unternehmensähnliche Verbindung einer größeren Zahl von Personen gründet oder sich an einer solchen Verbindung als Mitglied beteiligt
2. die dadurch eine Bereicherung in großem Umfang oder erheblichen Einfluß auf Politik oder Wirtschaft anstrebt …
Damit wäre eine Handhabe gegeben, politisch unliebsame Gruppen zu kriminalisieren, und genau dies wurde auch von den zahlreichen Kritikern des Prozesses heftig beanstandet. In diesem Fall galten die Kampagnen der Gruppe “gegen den Pelzhandel und die Schweinemast” als Grund für eine Anwendung von § 278a “da diese zeigten, dass die angebliche kriminelle Organisation Einfluss auf Politik und Wirtschaft anstrebe.” (Wikipedia).
Anders als bei dem Prozeß gegen die Identitären gab es massive nationale und internationale Proteste und breite Solidarisierung mit den Tierschützern. Unter anderem setzte sich der heutige Bundespräsident Alexander van der Bellen für die Gruppe ein:
Grünen-Chef Alexander Van der Bellen hat die Enthaftung der Tieraktivisten, und mittlerweile Grüne-Kandidaten für die Nationalratswahl, begrüßt. Er verlangte aber gleichzeitig die Novellierung des sogenannten Anti-Mafia-Paragrafen, der gegen die organisierte Kriminalität geschaffen sei und “nicht gegen die Arbeit von NGOs eingesetzt werden” solle. “Dieser Spuk muss ein Ende haben”, so Van der Bellen.
Der Prozeß endete schließlich mit einem Freispruch der 13 Beschuldigten vom Tatvorwurf der Bildung einer kriminellen Vereinigung, wie auch anderer Anklagepunkte wie “schwere Nötigung, schwere Sachbeschädigung, Widerstand gegen die Staatsgewalt und Tierquälerei”.
In der Folge leitete das Justizministerium unter der ÖVP-Ministerin Beatrix Karl eine Reform des “Mafia-Paragraphen” ein, die dazu führte, daß der Punkt des Anstrebens einer politischen Einflußnahme gestrichen wurde.
Die Angeklagten erlitten trotz ihres Freispruches erheblichen persönlichen Schaden:
Die meisten der Angeklagten hatten mit dem Verlust der Arbeitsstelle, Verdienstausfall oder Verzögerungen von Bildungsabschlüssen persönliche und finanzielle Folgen zu tragen.
Trotz der Reform des “Mafia-Paragraphen” wurde dieser nun von der Staatsanwaltschaft auf exakt dieselbe Weise gegen die Identitäre Bewegung in Stellung gebracht wie einst gegen die Tierschutzaktivisten. Zusätzliche Vorwürfe betreffen Sachbeschädigung, Nötigung (in einem einzigen Fall) und natürlich Verhetzung.
Wie zu erwarten, steckten diesmal nur vergleichsweise wenige den Kopf hervor, um Kritik an dem Prozeß zu üben. Unter ihnen befanden sich jedoch immerhin der Verfassungsrechtler Bernd-Christian Funk, SPÖ-Justizsprecher Hannes Jarolim, die Neos-Justizsprecherin und ehemalige Präsidentschaftskandidatin Irmgard Griss oder gar der Falter-Chefredakteur Florian Klenk.
Die Presse berichtete:
Experten kritisieren: Die Staatsanwaltschaft Graz führe ein Gesinnungsstrafrecht ein. Der frühere Vorstand des Strafrechtsinstituts der Uni Wien, Helmut Fuchs, bezweifelt, dass der Tatbestand der kriminellen Vereinigung überhaupt erfüllt ist. Eine solche liegt vor, wenn ein Zusammenschluss von Personen darauf ausgerichtet ist, Verbrechen, erhebliche Gewalttaten, schwere Sachbeschädigungen, Diebstähle, Betrügereien, Verhetzung, Bestechung, Terrorfinanzierung, Schlepperei, Geldwäscherei etc. zu begehen.
Deshalb seien die Vorwürfe auf Verhetzung ausgerichtet, so Fuchs. Aber er könne der Anklage nichts entnehmen, wodurch Verhetzung erfüllt wäre. Dies bedeute etwa Aufrufen zur Gewalt (was nicht behauptet werde) oder Aufstacheln zu Hass, wobei der Paragraf „sehr unbestimmt“ formuliert sei. Also müsse im Einzelfall „ganz konkret ausgelegt“ werden, „sonst besteht Gefahr, dass es zum politischen oder Gesinnungsstrafrecht wird und ideologisch verwendet werden könnte“.
Nun, man kann die Sache kurz fassen: Es geht bei dem Grazer Prozeß offenbar in der Tat ausschließlich darum, die “Gesinnung” der Angeklagten zu bestrafen, und damit jede Form des patriotischen Protests, etwa gegen Masseneinwanderung oder Islamisierung, im Keim zu ersticken.
Wer daran noch zweifelt, sollte sich dieses Interview mit Christian Pilnacek, dem Sektionschef für Strafrecht im österreichischen Justizministerium ansehen, geführt von Armin Wolf, dem Gesinnungsmeister des ORF. (Pilnacek ist übrigens auch Verfechter des “Bundestrojaners”).
Ich habe ein paar entscheidende Stellen transkribiert.
Pilnacek behauptet wahrheitswidrig, daß die IB “Propaganda” verbreite, “die hetzerisch ist und zur Gewalt aufruft”, und unterstellt ihr, daß ihretwegen “türkische Geschäftsinhaber ihre Geschäfte mit Parolen beklebt und beschmiert vorfinden”. Ebenso wahrheitswidrig ist die Behauptung, sie würde “Motive und Symbole aus nationalsozialistischer Zeit” benutzen, “die sie in anderer Form übersetzen” (was auch immer das wieder heißen mag).
Auf Wolfs Frage, ob ein derartiges “Gruppendelikt” nicht problematisch sei, da man dadurch auch Mitglieder oder bloße Sympathisanten anklagen und verurteilen könne, denen man gar nicht mehr nachweisen muß, daß sie selbst an einer ganz bestimmten Tat beteiligt waren, antwortet Pilnacek (mit verwackeltem Satzbau):
Pilnacek: Aber Herr Wolf, ich denke immer, auch das hat der Staatsanwalt in seinem Eröffnungsplädoyer gut ausgeführt, daß es schon auch darum geht ‘Wehret den Anfängen’, und auch das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands hat sich ausführlich mit den Identitären und der Übernahme von bestimmten Motiven und Symbolen aus nationalsozialistischer Zeit, die sie in anderer Form übersetzen, sehr tiefgehend auseinandergesetzt. Und ich denke, es geht darum, daß es durchaus so ist, daß man in einer Gesellschaft, in der österreichischen, eine demokratisch-freiheitliche Gesellschaft, grundsätzlich schon abgrenzen muß, wollen wir das, daß es Gruppierungen gibt, die zum Haß aufrufen und die damit auch noch ein Geschäft machen… und genau deshalb hat auch der Europarat und hat auch die UNO, und deswegen ist es ja 2015 eingeführt worden, dazu aufgerufen, daß Gruppierungen, die derartige Taten begehen und dazu aufrufen, gesondert zu bestrafen sind.
Die Stoßrichtung Pilnaceks ist klar: Er folgt einem “antifaschistischen” Narrativ (wie üblich gefüttert von Linksaußen durch das berüchtigte DOEW), wodurch bereits die politische Gesinnung der Angeklagten in den Bereich der strafrechtlichen Relevanz gerückt wird (etwa Richtung “Wiederbetätigung”). Demnach müßte die Antwort auf Wolfs Frage Ja lauten – Es ist in diesem Fall gerechtfertigt, Mitglieder und Sympathisanten (!) zu bestrafen, obwohl sie keines individuellen Vergehens schuldig sind. Und nicht nur das: Er begründet dies mit dem Tatbestand des “Hasses”, einem Begriff, der überaus dehnbar ist, und der bekanntlich nahezu ausschließlich auf “rechte” Formen des “Hasses” angewandt wird.
Daraus würde folgen: Wer Mitglied oder Sympathisant einer Gruppe ist, die “Haß” verbreitet, macht sich strafbar.
Damit wird klarerweise beabsichtigt, die Kritik an der Einwanderungspolitik mundtot zu machen. Im Oktober 2015, im Jahr der Eskalation der “Flüchtlingskrise” forderte der Europarat Österreich auf, “Haßreden” “systematisch entgegenzutreten”:
Besorgt über die Ausbreitung des Ausländerhasses in Österreich zeigt sich die Kommission gegen Rassismus und Intoleranz des Europarates (ECRI). “Mehrere politische Parteien und andere Organisationen kultivieren und verbreiten rassistisches, fremdenfeindliches und neonationalsozialistisches Gedankengut”, heißt es in einem am Dienstag in Straßburg veröffentlichten Länderbericht.
Die Antipathie gegenüber Migranten sei in jüngster Zeit “erheblich gestiegen”, beklagen die Experten. “Hassreden insbesondere von Politikern wird nicht systematisch entgegengetreten.” So sei auch “eine neue Generation rechtsextremer Organisationen entstanden”, die eine Radikalisierung durchlaufe. Auch einige Medien würden “eindeutig rassistische Inhalte” veröffentlichen und Entscheidungen des Presserats nicht respektieren.
Internetforen würden nicht systematisch darauf kontrolliert, dass sie keine Hassrede enthalten. Rassismus im Internet und in den sozialen Medien sei auf dem Vormarsch.
Damit klar ist, in welche Richtung dieser Ukas weist, illustrierte der Kurier seinen Bericht mit einem Bild von FPÖ-Anhängern, die Schilder halten, auf denen steht: “Nein zum Asylantenheim”: “Bilder wie diese besorgen den Europarat”.
Schon im Frühjahr 2015 wurden die Verhetzungsgesetze in Österreich verschärft:
Bisher war Verhetzung strafbar, wenn die Äußerungen eine „breite Öffentlichkeit“ (rund 150 Personen) erreichten. Laut dem Gesetzesentwurf ist die öffentliche Hetze künftig bereits strafbar, wenn sie „vielen Menschen zugänglich wird“. Darunter werden nur noch rund 30 Personen verstanden. Die Strafbarkeit ist also rascher erfüllt.
Neu ist auch, dass man nicht gegen jemanden wegen „der vorhandenen oder fehlenden Staatsangehörigkeit“ hetzen darf. Bisher stellte das Gesetz zwar etwa auf „Kriterien der Rasse, der Hautfarbe, der Sprache, der Religion oder Weltanschauung“ ab, aber nicht explizit auf einen Herkunftsstaat. Die Verhetzung (§ 283) ist künftig auch schon erfüllt, wenn man „zu Hass“ gegen eine geschützte Gruppe aufstachelt. Und nicht wie bisher bei Aufrufen „zu Gewalt“.
Damit ist die Falle installiert: Jede negative, kritische, polemische oder auch nur beschreibende Aussage über eine bestimmte Gruppe (etwa Muslime, Islamisten, kriminelle Asylanten, Kinderschändergangs à la Rotherham oder Newcastle), inklusive des Verweises auf “vorhandene oder fehlende Staatsangehörigkeit“ oder “Herkunftsstaaten” kann nach Laune des Richters oder Staatsanwalts als “Haß” oder “Diskriminierung” klassifiziert und bestraft werden, unabhängig davon, ob sie auch tatsächlich zutrifft. Damit ist einer kafkaesken Justiz der Weg bereitet, die im Dienste des “antirassistischen” Gaslichterns steht.
Um nichts anderes geht es in Graz. Das bedeutet natürlich auch, daß bestimmte Meinungen außerhalb des Spektrums von “Demokratie” und “Meinungsfreiheit” gestellt werden müssen.
Wolf: Jetzt sagt der Anwalt der Gruppe – gut, das ist sein Beruf und dafür wird er bezahlt – , das sei normaler politischer Aktionismus und das falle unter die Meinungsfreiheit und eine Demokratie müsse das aushalten…
Pilnacek: Ich glaube, gerade hier ist zu entgegnen, daß auch der europäische Gerichtshof für Menschenrechte sagt, wer die Meinungsfreiheit scheinbar dazu benützt, andere der Menschenwürde zu entkleiden oder zu Haß gegen bestimmte Gruppierungen aufzurufen, fällt nicht unter den Schutz der Meinungsfreiheit. Man muß aufpassen, es ist sicherlich ein sehr heikles Gebiet, aber ich denke die Staatsanwaltschaft erfüllt ihre Aufgabe, sie legt dem Gericht eine Anklage vor, die vertretbar ist aus unserer Sicht…
… die Politik hat sich 2015 entschieden mit dem Strafrechtsänderungsgesetz 2015, daß auch Gruppierungen, die auf Verhetzung, diskriminierend aufstacheln zum Haß, ähm, ausgerichtet sind, als kriminelle Vereinigung zu beurteilen sind. Und jetzt der Staatsanwaltschaft den Vorwurf zu machen, daß das, was erst 2015 verabschiedet worden ist, auch umgesetzt wird, das finde ich nicht ganz fair.
Damit wird der Tatbestand der “Verhetzung” konstitutiv für die Bildung einer kriminellen Vereinigung.
Nochmal Pilnacek:
Wolf: Jetzt sind die Parolen dieser Gruppe zweifellos rassistisch und rechtsextrem, andererseits lese ich jeden Tag im Internet noch viel schlimmere Dinge, die nie angeklagt werden.
Pilnacek: Na ich glaube, die steigenden Anklagen im Bereich der Verhetzung zeigen, daß sich die Staatsanwaltschaften dieser Aufgabe durchaus bewußt sind, und natürlich ist das Internet und sind die sozialen Medien eine große Verbreitungsform derartiger Äußerungen, aber es wird nach und nach die Verfolgung ausgebaut..
Als nächstes unterstreicht Pilnacek unverhohlen, daß diese “Verfolgung” ausschließlich in eine politische Richtung gehen soll (wie er auch hervorhebt, daß die Tierschützer nach der Gesetzesänderung des § 278a heute nicht mehr verfolgt werden könnten.)
Wolf: Mit dieser Begründung könnte man auch NGOs wie Greenpeace anklagen, die auf aktionistische Formen setzen, möglicherweise auch mal eine Sachbeschädigung…
Pilnacek: Aber das ist im Ansatz falsch, weil Greenpeace diskriminiert keine bestimmte Gruppe aus religiösen Motiven. Das ist nicht vergleichbar. Greenpeace sieht sich dem Umweltschutz verpflichtet, und macht manchmal durchaus grenzwertige Aktionen, wird aber nie in der Gefahr sein jemanden zu verhetzen.
Damit wäre alles weitere Beiwerk wie “Sachbeschädigung” etc. abgeräumt: Das einzige, das die Verfolger interessiert, ist die ominöse “Diskriminierung”, was – wie gesagt – konsequent angewendet dazu führen würde, daß keine kritische oder auch nur unterscheidende Aussage über eine Gruppe getroffen werden kann (wobei man jede Wette eingehen, daß sich dieselben Verfolger einen feuchten Kehricht für den Haß von Antifanten oder linksliberalen Journalisten gegen “Rechte” interessieren.)
Pilnaceks Verweis auf höhere Autoritäten wie den Europarat, den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte oder die UNO zeigt, daß sich die österreichische Justiz an die Leine einer übernationalen, globalistischen Agenda legen hat lassen, die sich bekanntlich die Masseneinwanderung in westeuropäische Länder, “Diversity” und “Bestandserhaltungsmigration” auf ihre Fahnen geschrieben hat.
Die “New Yorker Erklärung” (“Global Compact on Immigration”) der UN Refugee Agency (19. September 2016) verlautbarte:
Wir verurteilen nachdrücklich gegen Flüchtlinge und Migranten gerichtete Akte und Bekundungen von Rassismus, Rassendiskriminierung, Fremdenfeindlichkeit und damit zusammenhängender Intoleranz sowie die häufig auf sie angewandten Stereotype, insbesondere aufgrund der Religion oder Weltanschauung. Vielfalt bereichert jede Gesellschaft und trägt zum sozialen Zusammenhalt bei. Flüchtlinge oder Migranten zu verteufeln rüttelt an den Grundfesten der Würde und Gleichheit aller Menschen – Werte, denen wir uns verschrieben haben. Wir, die wir uns heute bei den Vereinten Nationen, der Wiege und Hüterin dieser universellen Werte, versammelt haben, missbilligen zutiefst alle Erscheinungsformen von Fremdenfeindlichkeit, Rassendiskriminierung und Intoleranz. Wir werden eine Reihe von Schritten unternehmen, um derartigen Einstellungen und Verhaltensweisen entgegenzuwirken, insbesondere gegenüber Hasskriminalität, Verhetzung und rassistischer Gewalt.
Die Verfechter dieser Agenda haben klar die Gefahr der sozialen Medien und des Aufbaus einer Gegenöffentlichkeit erkannt. Die “Haßrede”- und “Fake News”-Gesetze (wie das deutsche “NetzDG”) sind unmittelbare Reaktionen darauf.
Martin Sellner, der Weiße Ritter, der so virtuos die neuen Medien zu nutzen versteht, wurde faktisch waffenlos gemacht. Auch das gehört zum Lehrstück. In seinem Buch „Identitär!“ hat Sellner die Möglichkeit verstärkter Repression in Rechnung gestellt und eine „Anti-Repressionstaktik“ aus „Offenheit und Solidarität“ skizziert, die öffentliche Unterstützung mobilisiert. Doch das Rezept versagt, wenn das „System“ den Aufbau einer Gegenöffentlichkeit unterbindet, indem es die nötigen Instrumente beschlagnahmt.
Zum andern sind die neuen Medien und sozialen Netzwerke keine neutralen, rein technisch zu verstehenden Transportmittel von Informationen und Ideen. Um das zu erkennen, bedurfte es nicht erst der Fotos, die Facebook-Chef Mark Zuckerberg beim Plausch mit Angela Merkel zeigen. Facebook, Twitter, Google, Wikipedia, Amazon und so weiter verfolgen global angelegte Geschäftsmodelle, die ihr politisch-ideologisches Gegenstück in der Vision einer Welt ohne Grenzen haben.
Sie werden auf Dauer keine Ideen verbreiten, die diesem Modell und dieser Vision widersprechen. Hier betritt man das schwierige Terrain der Eigentums- und Produktionsverhältnisse. Sellner ist inzwischen zu dem Schluß gekommen, sich in einer „feindlichen Matrix“ zu befinden.
Apropos Eigentumsverhältnisse. Wolf begeht einen seltsamen Schnitzer, als er fragt:
Wolf: Jetzt wurden die Tierrechtsaktivisten damals alle freigesprochen, die meisten davon waren nach diesem sehr langwierigen, umfangreichen Prozess finanziell völlig ruiniert. Jetzt angenommen, in Graz diese 17 Angeklagten werden auch freigesprochen, hätte dann die Justiz dieser an sich möglicherweise völlig irrelevanten Gruppe von ein paar jungen Menschen nicht einen Riesengefallen getan oder eine Riesenwerbeaktion für die veranstaltet und sie wahnsinnig wichtig gemacht?
Den Angeklagten droht wie den Tierschützern der finanzielle Ruin auch bei Freispruch, trotzdem hätte das Gericht ihnen einen “Riesengefallen” getan?
Pilnacek besteht jedenfalls auf der “Gefährlichkeit” und Relevanz der Identitären:
Pilnacek: Herr Wolf, ich frage mich, ob sie wirklich so unbedeutend sind, wenn im Verfassungsschutzbericht 2017 das Bundesamt für Verfassungsschutz dieser Gruppierung ein eigenes Kapitel widmet, und auch den Auswirkungen, und wenn Sie daran denken, das Schiff, das hier auch die internationalen Verbindungen in Genua, die sozusagen verhindern wollten, daß ein Flüchtlingsschiff anlegt, also ich denke mir, das wird einen Grund haben…
Aus dem Gestammel ist wohl mindestens zu entnehmen, daß Pilnacek in den Identitären in der Tat eine Gruppe sieht, die für einen ernsthaften politischen Trend innerhalb Europas steht, der ihm nicht paßt. Was nun den Verfassungsschutzbericht betrifft, den er wie eine Bibel behandelt, so wirkt sich hier der Einfluß linker Kreise, die wie immer im Einklang mit der globalistischen Agenda von oben stehen, besonders fatal aus. Die österreichischen VS-Berichte über die “Identitären” und andere Rechte sind notorisch auf dem trüben Niveau antifantischer Trakate verfaßt, was von den Antifanten selbst mit einiger Genugtuung bemerkt wird. Und diese haben wohlgemerkt ihre eigenen Kapitel in denselben VS-Berichten.
Patrick Lenart hat den Verfassungsschutzbericht 2017 hier sowie das DOEW und andere linke Quellen über die Identitären hier mustergültig auseinandergenommen.
Das österreichische Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) zeichnet im Verfassungsschutzbericht ein Bild der Identitären Bewegung, wonach es in fünf Jahren des Bestehens keinen einzigen geplanten Gewaltakt gegeben hat. Wo es Gewalt gab, geschah dies ausschließlich zur Verteidigung gegen linksextremistische Angriffe. Ausdrücklich stellt der Verfassungsschutz auch fest, dass die Identitäre Bewegung eine Strategie der Gewaltlosigkeit verfolgt und sich eine Gewaltbereitschaft nicht an Einzelpersonen festmachen lässt. Da die Gutheißung oder Anwendung von Gewalt zu den notwendigen Bedingungen des BVT-Extremismus-Begriffes zählt, ist die IBÖ vom BVT eindeutig nicht als rechtsextremistisch einzustufen.
Doch anstatt sich an den eigenen Ermittlungen zu orientieren, übernimmt die SPÖ-nahe Extremismus-Beauftragte im BVT unreflektiert die Charakterisierung des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstands (DÖW). Das DÖW verwendet jedoch einen am Marxismus orientierten Begriff von „Rechtsextremismus“ , der in ausdrücklichem Gegensatz zu jenem der Behörden liegt. Auch die Behauptung einer „militanten Grundhaltung“ übernimmt das BVT vom DÖW – eine Unterstellung, die einer näheren Betrachtung nicht standhält. (…)
Insgesamt ist eine unwissenschaftliche Immunisierungsstrategie im Umgang mit der IBÖ bemerkbar. Das bereits vorgefasste Interpretationsergebnis über den angeblichen Rechtsextremismus der IBÖ wird nicht auf konkreten Handlungen der IBÖ aufgebaut.
Wo Handlungen und Äußerungen der IBÖ der Einordnung als „rechtsextrem“ explizit entgegenstehen, werden diese als Beweise einer „besonders geschickten“ Tarnstrategie ausgelegt. Ein Ausbleiben von Gewalt und extremistischen Botschaften wird als „Taktik“ ausgelegt. Unter diesen Umständen ist es für die IBÖ völlig unmöglich, durch Aussagen oder Verhalten den Vorwurf und Verdacht des Rechtsextremismus zu entkräften.
Eine Handvoll einschlägiger Journalisten versucht zudem, ein Bild der IBÖ als gewalttätig und extremistisch zu untermauern. Bei genauerer Betrachtung der zehn Gewaltvorwürfe zeigt sich jedoch, dass kein einziger Vorwurf auf eine behauptete Gewalttätigkeit der IBÖ zurückgeht. Hingegen hat sich die IBÖ immer ausdrücklich von jeder Form politischer Gewalt distanziert. Die Unprofessionalität der aktuellsten Einstufung durch den Verfassungsschutz lässt vermuten, dass schlicht Meinungen aus fremden Quellen übernommen und zusammengefasst wurden, ohne die Begrifflichkeit oder die behaupteten Fakten zu hinterfragen. Das führt zu einer starken Inkonsistenz und Übernahme unbegründeter Behauptungen von Gegnern der IBÖ. Teilweise beruft sich das BVT sogar auf Personen aus dem linksextremistischen Spektrum.
Sollten die Identitären im Sinne der Anklage schuldig gesprochen werden, wird es im Österreich von Kurz und Strache keinen legalen Platz mehr für eine patriotische NGO geben. Damit hätte auch die Gesinnungsjustiz über den Rechtsstaat triumphiert; und damit hätte man bloß einen weiteren Deckel auf einen Topf gepreßt, der (blindlings oder sehenden Auges?) am Köcheln gehalten wird.
Heute, Mittwoch, 18. 7., wird der Prozeß fortgeführt. Weitere Verhandlungstage sind der 19., 20., 23–27. sowie 30. und 31. Juli, jeweils von 9 bis 15 Uhr.
Maiordomus
Informative, nüchterne und ernüchternde Ausführungen von Lichtmesz, welche es vielfach kaum in die Mainstreammedien schaffen. Nie mehr seit den Dreissigerjahren, als noch Carl Schmitt die Massstäbe setzte, mit der allerdings richtigen Feststellung, dass die Justiz seit eh und je schon politisch war, war die Justiz in Österreich und auch Deutschland derart durchpolitisiert wie heute. Und wie in den Vereinigten Staaten von Amerika findet bei der Besetzung der Richterämter ein absolut wesentlicher Teil des politischen Machtkampfes statt.