Kollege Lichtmesz hat durchaus ein Talent dafür, mir alle paar Monate den obligatorischen (Anti-)Sonntagshelden vor der Nase wegzuschnappen und so kurzfristige thematische Umdisponierungen zu provozieren. Das hat er diesmal nicht geschafft, aber es war knapp.
So bleibt mir allerdings das außerordentliche Vergnügen seine hervorragende Analyse “Ist Deutschland zu weiß?” (Teil 1, Teil 2) um ein weiteres Netzkuriosum ergänzen zu dürfen.
Es war eine nicht zu verhehlende hämische Vorfreude, die mich überkam, als ich vor einigen Stunden auf diesen taz-Artikel mit der charmanten Überschrift “Kein unschuldiges Wort – Sozialdemokratin über den Heimatbegriff” stieß. Die betreffende Sozialdemokratin, das ist Karen Taylor* und Karen Taylor ist Schwarz. Darauf legt sie offensichtlich viel wert, eigentlich geht ihr Teint zwar mehr Richtung Haselnuss, aber nachdem solcherlei identitätspolitische Farbspielereien erst seit kurzem wieder en vogue sind, möchte ich meine fortuna nigra nicht überreizen und bleibe daher bei der von der Menschenrechtsreferentin des Bundestages vorgeschlagenen Kategorisierung: Schwarz.
Mit großem S übrigens, das hatte sich vor einigen Jahren die Schwarze Noah Sow ausgedacht, weil sie die Selbstzuschreibung als politisches Bekenntnis und nicht als bloße physiognomische Beschreibung verwendete. Kann ich mit leben, “Schwarz” it is – überhaupt kommt es ja auch unserer Sache entgegen, wenn solche Aktivisten ihre von Lichtmesz ausführlich geschilderten Anspruchsbewegungen im Schriftbild zu kennzeichnen. Warum aber nicht das Empowerment konsequent zuende denken? Warum nicht auch den restlichen Minuskeln des Wortes zur Gleichberechtigung verhelfen? Warum nicht SCHWARZ?
Aber zurück zu Karen Taylor: Die hat nämlich richtig kreative Ideen dafür was man an Stelle des toxischen Heimatbegriffes als Grundlage menschlicher Vergemeinschaftung nehmen kann, die “Zugehörigkeit für möglichst viele Menschen schafft”:
Zum Beispiel das Grundgesetz. Und sie hat ja gar nicht so Unrecht; die behaglich-sterile Nestwärme flackernder Büro-Neonleisen, die dieser Begriff in jedem echten deutschen Herzen hervorruft, vermag sicher den einen oder anderen zu beruhigen. Und auch für die SCHWARZEN ist was mit dabei:
“Normalerweise verdrehe ich immer die Augen, wenn sich jemand bei allem auf das Grundgesetz beruft. Aber hier finde ich es tatsächlich sehr passend. Im Grundgesetz steht schwarz auf weiß, dass Deutschland vielfältig ist und jeder Mensch dieselben Grundrechte hat. Diese Werte sollten eine Gesellschaft zusammenhalten. ”
Alles Grundgesetz, alles super also? Nicht ganz: Die Verfassung ist natürlich nur dann ein veritables Integrationorgan wenn sie “reicht”. “Und wenn das nicht reicht?” – Auf diese Frage hat Taylor gleich mehrere Antworten.
1. Die Politik muss dem Volk vermitteln, dass Deutschland nicht für immer so bleiben kann. Nur damit wir uns indes nicht falschverstehen: Dieses “so”, von dem wir uns verabschieden sollen ist nicht irgendein imaginäres Arbeiter- und Bauernland in dem – Danke Lichtmesz – Hans und Maria sich in seliger Zwietracht über den Gartenzwerganteil ihrer Datschen-Parzelle streiten. Karen Taylor meint schon das 2018-Deutschland mit seinem schwarz-auf-weiß-Grundgesetz, dass sich – so mutmaße ich – in enger Fühlung mit den Repräsentanten des SCHWARZEN Anteils der Bevölkerung verändern soll.
2. Eine “Quote für Menschen of Color und Schwarze Menschen”. Aber natürlich nicht gleich, sondern erst in ein paar Jahren. Wenn diejenigen ausgestorben sind, die sich an solchen Selbstverständlichkeiten stören könnten: “Bei diesem Thema spreche ich mit zwei unterschiedlichen Hüten. Als Aktivistin würde ich sagen: Wir brauchen sofort überall eine Quote! Weil es da nicht um Bevorzugung geht, sondern um das Ausgleichen von Nachteilen. Aber als Mensch, die in einer Partei ist, weiß ich: Es geht um Mehrheiten. Und selbst bei der Frauenquote schreien alle auf. Für eine Quote für Menschen of Color und Schwarze Menschen wird so schnell keine Mehrheit zusammenkommen. Leider.”
Aber, liebe Freunde des gepflegten Schwarzen Sonntags, seien sie nicht verzagt! Obgleich die Umsetzung vielleicht noch ein paar Jahre warten muss, gibt es jede Menge Vorarbeit zu leisten:
“Ich denke, eine Grundvoraussetzung wäre es, eine Zählung vorzunehmen, die zeigen müsste, wie es denn zur Zeit um Minderheiten in Deutschland steht. Gerade im Bezug auf Schwarze Menschen können wir gar nicht genau sagen, wie viele es aktuell sind, wegen der unterschiedlichen Hintergründe. Und dann müsste eine realistische Quote angesetzt werden, um Fakten zu schaffen.”
Abermals: Ist für mich in Ordnung. Legen Sie los, Frau Taylor!
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*Karen Taylor ist offensichtlich nicht verwandt oder verschwägert mit dem amerikanischen Publizisten Jared Taylor. Das wollte ich irgendwie noch loswerden.
Sandstein
Danke, nettes bonmot.
Viel besser als das Interview finde ich aber die Kommentare der taz Lesergemeinschaft. Ich mein selbst dort glaubt fast niemand, dass Frau Taylor mit ihren Thesen auch nur irgendwen überzeugen kann. Wahrscheinlich glaubt sie den Mist nichtmal selber.
Bin übrigens auch für eine Quote: in der Leichtathletik, mindestens 5 Startplätze für Weiße beim 100m Sprint und dann beim Marathon erst recht.