+ Am Dienstagabend, den 9. Oktober 2018, verkündet der Journalist Justus Bender bei seiner Zeitung FAZ, daß Antaios-Verleger Kubitschek fortan “eine Agentur für politische Kommunikation für AfD-Politiker betreibt”, auch CDU-Klienten aufweist, und sich aus dem Verlagsleben zurückzieht. Leiterin des Antaios-Programms beim neuen Besitzer wird Ellen Kositza sein, der Eigentümer wird noch nicht genannt.
Brisant, so Bender auf Twitter, sei vor allem der Umstand, daß sich nun der Verfassungsschutz noch einmal stärker mit der AfD beschäftigen würde, wenn Kubitschek, dieser Radikalinski, offizieller Berater von alternativen Fraktionen würde.
+ Ein subalterner Medienschaffender von “T‑Online” greift Bender noch am selben Abend – ebenfalls bei Twitter – an. Die FAZ, so der Tenor, sei nach dem Gauland-Populismus-Beitrag wohl nun das “Indymedia der Neuen Rechten”. Gewaltaufrufe und terroristische Bekennerschreiben finden sich freilich weder bei Bender noch bei Gauland.
+ Am nächsten Morgen – Mittwoch, 10. Oktober – zieht der Focus nach und faßt im wesentlichen die Bendersche Meldung zusammen. Im Visier steht auch hier der Wechsel eines Verlegers in die aktive Politik.
+ Die Buchmesse wird eröffnet. Kubitschek gibt eine Pressemitteilung heraus. Der Loci-Verlag bezieht seinen Stand in Halle 4.1, D57. Der Verleger, Dr. Thomas Veigel, ist ebenso am Stand anzutreffen wie Kubitschek und Kositza, die Programmleiterin des Loci-Imprints Antaios.
+ Dann geht es Schlag auf Schlag. Journalisten strömen zum Loci-Stand, interviewen Veigel, Kositza, Kubitschek. Ob im Tagesspiegel oder in der Leipziger Volkszeitung – der Verlagsverkauf prägt die Messeberichterstattung. Auch der Buchreport vermeldet Kubitscheks Karriereschritt.
+ Erste Linke verlieren die Fassung. Hanning Voigts, dem antifaschistischen Spektrum entstammender Jungredakteur der Frankfurter Rundschau, twittert, Ellen Kositza habe sich einfach so hinter ihn gesetzt. Leider bezieht er keine Stellung gegen Gewalt und Haß, obwohl ein Follower rote Hüllen fallen läßt.
+ Demgegenüber bleibt Tichys Einblick entspannt und wirft einen lässig-heiteren Blick auf das Geschehen um Schnellroda und in Frankfurt. Alexander Wallasch mutmaßt gar, Kubitschek habe die “Leitmedien am Nasenring über die Buchmesse geführt”.
+ Bei den Marktfreunden von eigentümlich frei stellt man unumwunden fest: “Schnellroda rockt Frankfurt”. Eins zu Null im Ort-Duell, nein: Zwei zu Null. Schnellroda ist auch schöner.
+ Den ersten Messetag beschließt Hannah Lühmann in der Welt. Sie befragt Kubitschek ausgiebig zum Verlagsverkauf, zur neuen Aufgabe als PR-Agent von AfD- und CDU-Verantwortlichen und will von der Ein-Mann-Consulting-AG wissen: “Wollen Sie jetzt Teil der Mitte sein, Herr Kubitschek?”
+ Der 11. Oktober, der Messedonnerstag, beginnt an selber Stelle, nämlich in der Welt. Lühmann ergänzt ihre Berichterstattung mit einer erneuten Befragung Kubitscheks. Diesmal entlang der Leitlinie: Herr Kubitschek, sind Sie jetzt Spaß-Guerilla?
+ Aber nicht nur Kubitschek gilt die Aufmerksamkeit der Presse. Auch Dr. Thomas Veigel, der Loci-Verleger aus dem Badenland, rutscht in den Fokus der Berichterstattung. Seine eigene Lokalzeitung stellt ihn vor; der Ton bleibt sachlich und fair.
+ Weder sachlich noch fair bleibt – wie gewohnt – die linke Tageszeitung Frankfurter Rundschau. Katja Thorwarth hat die Nachricht, daß Antaios doch noch auf der Buchmesse ist – und daß sukzessive mehr Antaios-Titel am Loci-Stand präsentiert und diskutiert werden – nicht verkraftet. Der Ankündigung Kubitscheks, fortan auch CDU-Politiker zu beraten, hat sie freilich geschluckt, denn: „Das erscheint angesichts der schwarz-blauen Koalitionsspekulationen durchaus eine Karriereperspektive“. Daß Publizisten nicht per se nur an „Karriereperspektiven“ in der Berufspolitik denken, leuchtet ihr freilich nicht ein.
+ Noch am 11. Oktober, Donnerstagnachmittag, dämmert es in der NZZ-Redaktion. Roman Bucheli mutmaßt, daß Kubitschek sich ins Fäustchen lache, weil der Verlag die Buchmessenleitung, die alles tat, um es politisch nonkonformen Verlagen zu verleiden, auf die Messe zu kommen, an der Nase herumgeführt habe.
+ Auch bei der Wochenzeitung für Debatte bemerkt ein kluger Akteur die Antaios-List und ordnet sie auf seine lesenswerte Art und Weise ein; Felix Krautkrämers Stück „Wie die Schlange dem Bücherfuchs einmal ein Bein stellte“ zählt zu den besonderen Berichten über die diesjährige Buchmesse und den Antaios-Loci-Coup.
+ Derweil hat der Tagesspiegel auch am Freitag, den 12. Oktober, den Antaios-Schock immer noch nicht verdaut. Gerrit Bartels arbeitet sich an einem Husarenstück ab, das er doch gar nicht ernstnehmen müssen zu meint. Bartels schreibt von Selbstinszenierung und von „Subversion für nichts“, muß aber im selben Zuge einräumen, daß im Messe-Kontext jeder von Antaios und Loci spreche; die Neugründung sei „in aller Munde“.
+ Ebenfalls Schaum vorm Mund beweist die von der umstrittenen Amadeu-Antonio-Stiftung (AAS) unterstützte Plattform „Belltower“ um ihren jungen Autor Robert Wagner. In einer ausführlichen „Analyse“ kommt man – am dritten Messetag, alles wurde an verschiedenen Stellen erläutert und offengelegt – zu einer erstaunlichen These: „Hat Götz Kubitschek mit Hilfe eines finanzstarken und weltanschaulich sympathisierenden Freundes den Verkauf seines Verlags bloß inszeniert, um die Frankfurter Buchmesse bzw. den Börsenverein des Deutschen Buchhandels, die Medien und die gesamte Öffentlichkeit an der Nase herumzuführen?“ Belltower Old …
+ Der Messesamstag, der 13. Oktober, beginnt mit einem erneuten Twitterbeitrag des Frankfurter Rundschau-Journalisten Danijel Majic. Der sich selbst als „Vaterlandsverräter“ bezeichnende radikale Linke schreibt: „Ich finde es gut, dass Kubitschek und seine faschistische Denkfabrik gerade bei der #FBM2018 sind. Hoffentlich bleiben sie bis Samstag. Dann wird Ihnen die Stadt zeigen, was sie von Ihnen hält. Falls sich die Antaios-Maulhelden überhaupt aus der Messehalle wagen.“ Majic schreibt dies explizit vor dem Hintergrund einer antifaschistischen Demonstration, an der linke, linksradikale und auch linksextreme Teilnehmer erwartet worden waren.
+ Die verbal-mediale Enthemmung zeigt Wirkung. Noch am Abend des 13. Oktober werden Kubitschek, Kositza und vier weitere Personen überfallen und verletzt. Die Berichterstattung setzt ein, als ein schweizerisches Medium, die NZZ, am Morgen des Messesonntags, des 14. Oktobers, über den Vorfall recherchiert: „Die Polizei Frankfurt bestätigte der NZZ die Angaben und hat eine Anzeige wegen schwerer Körperverletzung aufgenommen. Es werde jetzt ermittelt, sagte eine Sprecherin.“ Die bundesdeutsche Presse zieht nur zögernd nach. Eine Ausnahme ist – wie so oft – Tichys Einblick.
+ Kubitschek schildert zudem am Sonntagmittag den Angriff der Linksextremen bei der Jungen Freiheit: „Sie kamen wie aus dem Nichts. Ich hörte nur den Schrei meines Bekannten, dann spürte ich, wie jemand mir gegen den Hinterkopf trat, ich fiel mit dem Kopf auf die Tischplatte und war wie benommen.“
+ Davon unabhängig erscheint in der NZZ am Sonntag ein Porträt Kubitscheks aus der Feder von Silke Mertins. Der „einflussreichste Intellektuelle der rechtspopulistischen Bewegung in Deutschland“. In ihrer Charakterstudie betont sie die Besonderheiten der Schnellrodaer Atmosphäre und grenzt Kubitschek klar von der extremen Rechten ab. Denn er „verharmlost keineswegs den Nationalsozialismus oder den Holocaust, bewundert die Weisse Rose und den Hitler-Attentäter von Stauffenberg“, so Mertins zusammenfassend.
+ Bei den linken Sozialisten des neuen deutschland herrscht zwar offenbar Katerstimmung, aber doch trübt dies die Wahrnehmung nicht. Christof Meueler findet es bestürzend, „dass die Rechten nun ebenfalls als Spaßguerilla auftreten. Auf der Messe reüssiert Götz Kubitschek mit Dadaismus von rechts“. Meueler referiert den Coup und erläutert den noch nicht Verständigen gewisse Anspielungen, etwa die Loci-Preise „von 19 Euro 18 mit jeweils 124 Seiten.
Ein Zahlenscherz: Am 12.4.1918 wurde in Berlin das »Dadaistische Manifest« von Richard Huelsenbeck verlesen, »verbissen in den Intellekt der Zeit, blutend an Händen und Herzen«, wie es darin hieß. Zu den »Loci«-Dummys gehört auch eine »Homestory« über Kubitschek und seine Frau Ellen Kositza, Untertitel: »Selbstinszenierung als Strategie« – die beherrschen die beiden wie sonst kaum jemand von den Rechten. Solcherlei Rechtsdadaismus ist neu.“
+ Es obliegt Kubitschek, am ersten Tag nach der Frankfurter Buchmesse 2018 eine finale Zusammenfassung zu geben. Auf dem Portal der Zeitschrift Sezession klärt der Verleger zwei wesentliche Punkte auf: den Überfall sowie den Loci-Coup. Überrascht zeigt er sich davon, daß ihm Freund wie Feind zutraute, künftig Unionspolitiker zu beraten und sich in der Parteipolitik zu betätigen: „Die CDU beraten? Die AfD? Gott bewahre! Weiß eigentlich jemand, der nicht Verleger ist, wie privilegiert die Position eines selbständigen Verlegers ist?“
+ Kubitschek bleibt Verleger, Frankfurt war wieder eine Reise wert, und zu Geniestreichen wird man so lange greifen müssen, bis wieder Normalität in einer längst aus den Fugen geratenen Gesellschaft der Denunziation und Gewalt hergestellt ist. Und auch drei Tage nach dem Überfall auf Kubitschek und Co. hat sich niemand im Umfeld der geistigen Aufwiegler von Gewalt, Haß und dem militanten Versuch der Einschüchterung distanziert.