Die Aufregung war groß, als der indischstämmige US-Autor und Dokumentarfilmer Dinesh D’Souza Ende Juli 2017 sein neues Buch vorstellte. Nicht nur hatten gezielte Attacken auf Unterstützer Donald Trumps seit der heißen Phase des Präsidentschaftswahlkampfs die Gemüter erhitzt: Seinerzeit lag eine »Patriots Day« betitelte Veranstaltung an der notorisch linken Universität Berkeley gerade erst zwei Monate zurück – nach mehreren Stunden der Provokation und zahlreichen Angriffen durch vermummte Gegendemonstranten hatten sich die Veranstaltungsteilnehmer so plötzlich und massiv zur Wehr gesetzt, daß der Schwarze Block der Linken quer durch die Stadt gejagt worden war.
D’Souza präsentierte sich nun als Aufklärer, der den Amerikanern, die eine derartige Bürgerkriegsatmosphäre nur von Rassenunruhen her kannten, den wahren Grund für die Ausschreitungen zu enthüllen versprach. In The Big Lie. Exposing the Nazi Roots of the American Left verkündet er die »Entdeckung«, daß es sich bei der Demokratischen Partei in den USA und der Antifa, die dort in der hierzulande bekannten Form erst seit einigen Jahren öffentlichkeitswirksam aktiv ist, um die »wahren Nazis« beziehungsweise »wahren Faschisten« handele. Die Republikanische Partei unter Trump sei die letzte Chance, Amerika zu »entnazifizieren«, bevor es vollends in den Linkstotalitarismus abgleite.
Derart steile Thesen ist man von D’Souza gewohnt. Der Bestsellerautor, evangelikale Christ und Republikaner war 2014 illegaler Parteispenden überführt worden. Bereits 2007 hatte er in seinem Werk The Enemy at Home. The Cultural Left and Its Responsibility for 9 /11 Bush-Regierung und Republikaner dazu aufgefordert, dem linksliberalen Kulturbetrieb jede Unterstützung zu entziehen, da dessen weltweite Vermarktung von Dekadenz und Amoralismus der wahre Nährboden von antiamerikanischem Haß und islamischem Terrorismus gegen die Vereinigten Staaten sei; die US-Linke sei geradezu ein Bündnispartner Osama bin Ladens.
Das Buch wurde von Rezensenten verrissen und unter anderem in der New York Times als »nationale Schande« bezeichnet; auch innerhalb des Conservative movement schlugen die Wellen hoch – die Netzpräsenz der Hauszeitschrift National Review veröffentlichte in Reaktion auf einen extensiven Artikel des gekränkten D’Souza, in dem er seinen konservativen Kritikern Engstirnigkeit unterstellte, eine ganze Flut an Zuschriften, in denen namhafte Autoren ihn im Gegenzug des Rufmords, elitären Denkens und des Pseudointellektualismus bezichtigten.
Auch mit seinem Film Hillary’s America. The Secret History of the Democratic Party (2016), in dem der Autor den Tenor von The Big Lie zu einem guten Teil vorwegnahm und Rassismus als Grundkonsens der Demokraten von ihrem Gründervater Andrew Jackson an bis zur Gegenwart ausmachte, zog D’Souza viel Ablehnung auf sich; er wurde für fünf Goldene Himbeeren nominiert, während der damalige Präsidentschaftskandidat Trump seine Unterstützer dazu aufrief, den Film anzusehen.
Trotz dieser frühen Nähe sorgte es für Furore, als der Autor Anfang August ein Bild von sich mit seinem Buch im Weißen Haus an der Seite des damaligen obersten Präsidentenberaters Stephen Bannon (vgl. »Das Modell Breitbart News«, Sezession 75) ins Netz stellte, den er soeben darüber instruiert haben wollte, wie sich der Faschismusvorwurf effektiv gegen die amerikanische Linke kehren lasse.
Insbesondere bei Twitter ist D’Souza ein gnadenloser Selbstvermarkter. Auf seinem Profil finden sich neben Gleichsetzungen der angeblichen »feindlichen Brüder« Faschismus und Antifaschismus mit Katholiken und Protestanten sowie Schiiten und Sunniten die »Entzauberung« der »linken Ikone« Martin Heidegger als NSDAP-Mitglied und »lebenslanger Antisemit«, Vergleiche zwischen HJ und Antifa – und immer wieder die Aufforderung an seine Leser, Funktionäre der Demokraten und linke Journalisten mit Mem-Bildern (vgl. »Meme – kognitive Biowaffen«, Sezession 77) seines Buchs zu bombardieren.
Nicht nur appelliert D’Souza damit an den Nachhall der aus einer Vielzahl von Internetforen entsprungenen digitalen Trump-Propagandakampagne, sondern bedient sich bereits seit zwei Jahren (»Mit Hillary’s America habe ich den Demokraten ihren Rassismusvorwurf aus der Hand geschlagen, und jetzt ist der Faschismusvorwurf dran!«) in todernster Weise einer eristischen Dialektik, die zu Wahlkampfzeiten in ein eigenes ironisches Mem gegossen wurde: »DR3«, kurz für »the Democrats are the real racists«. Dieses an das »Selber, selber!« zankender Kinder erinnernde »Argument« wurde bereits in den 1990ern von Rush Limbaugh geprägt, einem rechtskonservativen Radiomoderator und Reagan-Anhänger, der nach Abschaffung der Fairness Doctrine, die US-Radiosender zu politischer Ausgewogenheit verpflichtete, ab 1987 einen kometenhaften Aufstieg als medialer Rechtspopulist avant la lettre erlebte.