Ausbruch aus dem offenen Ring

Nils Wegner

Nils Wegner ist studierter Historiker, lektorierte 2015–2017 bei Antaios, IfS und Sezession und arbeitet als Übersetzer.

Die Auf­re­gung war groß, als der indisch­stäm­mi­ge US-Autor und Doku­men­tar­fil­mer Dinesh D’Sou­za Ende Juli 2017 sein neu­es Buch vor­stell­te. Nicht nur hat­ten geziel­te Atta­cken auf Unter­stüt­zer Donald Trumps seit der hei­ßen Pha­se des Prä­si­dent­schafts­wahl­kampfs die Gemü­ter erhitzt: Sei­ner­zeit lag eine »Patri­ots Day« beti­tel­te Ver­an­stal­tung an der noto­risch lin­ken Uni­ver­si­tät Ber­ke­ley gera­de erst zwei Mona­te zurück – nach meh­re­ren Stun­den der Pro­vo­ka­ti­on und zahl­rei­chen Angrif­fen durch ver­mumm­te Gegen­de­mons­tran­ten hat­ten sich die Ver­an­stal­tungs­teil­neh­mer so plötz­lich und mas­siv zur Wehr gesetzt, daß der Schwar­ze Block der Lin­ken quer durch die Stadt gejagt wor­den war.

D’Sou­za prä­sen­tier­te sich nun als Auf­klä­rer, der den Ame­ri­ka­nern, die eine der­ar­ti­ge Bür­ger­kriegs­at­mo­sphä­re nur von Ras­sen­un­ru­hen her kann­ten, den wah­ren Grund für die Aus­schrei­tun­gen zu ent­hül­len ver­sprach. In The Big Lie. Expo­sing the Nazi Roots of the Ame­ri­can Left ver­kün­det er die »Ent­de­ckung«, daß es sich bei der Demo­kra­ti­schen Par­tei in den USA und der Anti­fa, die dort in der hier­zu­lan­de bekann­ten Form erst seit eini­gen Jah­ren öffent­lich­keits­wirk­sam aktiv ist, um die »wah­ren Nazis« bezie­hungs­wei­se »wah­ren Faschis­ten« han­de­le. Die Repu­bli­ka­ni­sche Par­tei unter Trump sei die letz­te Chan­ce, Ame­ri­ka zu »ent­na­zi­fi­zie­ren«, bevor es voll­ends in den Links­to­ta­li­ta­ris­mus abgleite.

Der­art stei­le The­sen ist man von D’Sou­za gewohnt. Der Best­sel­ler­au­tor, evan­ge­li­ka­le Christ und Repu­bli­ka­ner war 2014 ille­ga­ler Par­tei­spen­den über­führt wor­den. Bereits 2007 hat­te er in sei­nem Werk The Ene­my at Home. The Cul­tu­ral Left and Its Respon­si­bi­li­ty for 9 /11 Bush-Regie­rung und Repu­bli­ka­ner dazu auf­ge­for­dert, dem links­li­be­ra­len Kul­tur­be­trieb jede Unter­stüt­zung zu ent­zie­hen, da des­sen welt­wei­te Ver­mark­tung von Deka­denz und Amo­ra­lis­mus der wah­re Nähr­bo­den von anti­ame­ri­ka­ni­schem Haß und isla­mi­schem Ter­ro­ris­mus gegen die Ver­ei­nig­ten Staa­ten sei; die US-Lin­ke sei gera­de­zu ein Bünd­nis­part­ner Osa­ma bin Ladens.

Das Buch wur­de von Rezen­sen­ten ver­ris­sen und unter ande­rem in der New York Times als »natio­na­le Schan­de« bezeich­net; auch inner­halb des Con­ser­va­ti­ve move­ment schlu­gen die Wel­len hoch – die Netz­prä­senz der Haus­zeit­schrift Natio­nal Review ver­öf­fent­lich­te in Reak­ti­on auf einen exten­si­ven Arti­kel des gekränk­ten D’Sou­za, in dem er sei­nen kon­ser­va­ti­ven Kri­ti­kern Eng­stir­nig­keit unter­stell­te, eine gan­ze Flut an Zuschrif­ten, in denen nam­haf­te Autoren ihn im Gegen­zug des Ruf­mords, eli­tä­ren Den­kens und des Pseu­do­in­tel­lek­tua­lis­mus bezichtigten.

Auch mit sei­nem Film Hillary’s Ame­ri­ca. The Secret Histo­ry of the Demo­cra­tic Par­ty (2016), in dem der Autor den Tenor von The Big Lie zu einem guten Teil vor­weg­nahm und Ras­sis­mus als Grund­kon­sens der Demo­kra­ten von ihrem Grün­der­va­ter Andrew Jack­son an bis zur Gegen­wart aus­mach­te, zog D’Sou­za viel Ableh­nung auf sich; er wur­de für fünf Gol­de­ne Him­bee­ren nomi­niert, wäh­rend der dama­li­ge Prä­si­dent­schafts­kan­di­dat Trump sei­ne Unter­stüt­zer dazu auf­rief, den Film anzusehen.

Trotz die­ser frü­hen Nähe sorg­te es für Furo­re, als der Autor Anfang August ein Bild von sich mit sei­nem Buch im Wei­ßen Haus an der Sei­te des dama­li­gen obers­ten Prä­si­den­ten­be­ra­ters Ste­phen Ban­non (vgl. »Das Modell Breit­bart News«, Sezes­si­on 75) ins Netz stell­te, den er soeben dar­über instru­iert haben woll­te, wie sich der Faschis­mus­vor­wurf effek­tiv gegen die ame­ri­ka­ni­sche Lin­ke keh­ren lasse.

Ins­be­son­de­re bei Twit­ter ist D’Sou­za ein gna­den­lo­ser Selbst­ver­mark­ter. Auf sei­nem Pro­fil fin­den sich neben Gleich­set­zun­gen der angeb­li­chen »feind­li­chen Brü­der« Faschis­mus und Anti­fa­schis­mus mit Katho­li­ken und Pro­tes­tan­ten sowie Schii­ten und Sun­ni­ten die »Ent­zau­be­rung« der »lin­ken Iko­ne« Mar­tin Heid­eg­ger als NSDAP-Mit­glied und »lebens­lan­ger Anti­se­mit«, Ver­glei­che zwi­schen HJ und Anti­fa – und immer wie­der die Auf­for­de­rung an sei­ne Leser, Funk­tio­nä­re der Demo­kra­ten und lin­ke Jour­na­lis­ten mit Mem-Bil­dern (vgl. »Meme – kogni­ti­ve Bio­waf­fen«, Sezes­si­on 77) sei­nes Buchs zu bombardieren.

Nicht nur appel­liert D’Sou­za damit an den Nach­hall der aus einer Viel­zahl von Inter­net­fo­ren ent­sprun­ge­nen digi­ta­len Trump-Pro­pa­gan­da­kam­pa­gne, son­dern bedient sich bereits seit zwei Jah­ren (»Mit Hillary’s Ame­ri­ca habe ich den Demo­kra­ten ihren Ras­sis­mus­vor­wurf aus der Hand geschla­gen, und jetzt ist der Faschis­mus­vor­wurf dran!«) in tod­erns­ter Wei­se einer eris­ti­schen Dia­lek­tik, die zu Wahl­kampf­zei­ten in ein eige­nes iro­ni­sches Mem gegos­sen wur­de: »DR3«, kurz für »the Demo­crats are the real racists«. Die­ses an das »Sel­ber, sel­ber!« zan­ken­der Kin­der erin­nern­de »Argu­ment« wur­de bereits in den 1990ern von Rush Lim­baugh geprägt, einem rechts­kon­ser­va­ti­ven Radio­mo­de­ra­tor und Rea­gan-Anhän­ger, der nach Abschaf­fung der Fair­ness Doc­tri­ne, die US-Radio­sen­der zu poli­ti­scher Aus­ge­wo­gen­heit ver­pflich­te­te, ab 1987 einen kome­ten­haf­ten Auf­stieg als media­ler Rechts­po­pu­list avant la lett­re erlebte.

Nils Wegner

Nils Wegner ist studierter Historiker, lektorierte 2015–2017 bei Antaios, IfS und Sezession und arbeitet als Übersetzer.

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