Ein feinfühliger Seismograph für diese Formierungstendenzen ist das wissenschaftliche Klima an den Universitäten. In der Theorie Stätten der geistigen Auseinandersetzung entwickeln sich die Bildungsinstitutionen seit geraumer Zeit vielmehr zu Burgen der moralinen Festigkeit. Prominenteste Beispiel für den linksextremen Zugriff auf den wissenschaftlichen Betrieb ist zweifelsohne der Fall des Berliner Historikers und Gewaltforschers Jörg Baberowski:
Seine Kritik an Merkels Asylpolitik aber auch seine Einladung des Historikers Robert Service – der mit der speziell in linken Kreisen kultivierten Vorstellung, Trotzki wäre der bessere Stalin gewesen – konfrontativ bricht, haben ihn zur Haßfigur linker Splittergruppen an der Humboldt-Universität zu Berlin werden lassen. Den »International Youth and Students for Social Equality«, kurz IYSSE, ist jedes Mittel recht, um den von ihnen als »Rechtsradikalen« und »Rassisten« markierten Baberwoski zum Schweigen zu bringen.
Die Journalistin Ingeborg Breuer hat sich unlängst in einem höhrenswerten Audiobeitrag für den Deutschlandfunk mit diesem Phänomen auseinandergesetzt, der hier abrufbar ist. Außerdem läßt sich der zugehörige Artikel »Die Toleranz gegenüber anderen Meinungen sinkt« hier nachlesen.
Außerhalb der Universitäten ist der Konformitätsdruck, das Abschleifen von Ecken und Kanten zudem schon länger im Volkssport Nummer eins der Deutschen, dem Fußball, zu beobachten. #SayNoToRacism plus #DieMannschaft – fast nirgendwo zeigt sich die Allianz zwischen Kapital und »Antifaschismus« augenscheinlicher als jedes Wochenende in den Stadien der Bundesliga.
Nachdem das finanziell strauchelnde »Bollwerk gegen den Rechtsextremismus« Chemnitzer FC seinen Kapitän und Torjäger Daniel Frahn entließ, weil dieser es gewagte hatte, sich verletzungsbedingt beim Auswärtsspiel gegen den Halleschen FC als Privatperson neben die »falschen« Leute im Gästeblock zu stellen, traf es in Schalke mit der »Affäre Tönnies« nun jemanden, der selbst als Teil der »Anti-Rassismus«-Maschinerie gehandelt werden kann – seine jüngsten Äußerungen sollten ihn jedoch aus der Gemeinschaft der Guten, der Hellen für längere Zeit bis endgültig ausgeschlossen haben.
Das Verbrechen des Aufsichtsratsvorsitzenden des FC Schalke 04 Clemens Tönnies; er hatte auf dem Tag des Handwerks in seiner Rede »Unternehmertum mit Verantwortung – Wege in die Zukunft der Lebensmittelerzeugung« die Errichtung mehrerer Kohlekraftwerke in Afrika empfohlen und dies folgenderweise begründet:
Dann würden die Afrikaner aufhören, Bäume zu fällen, und sie hören auf, wenn’s dunkel ist, Kinder zu produzieren.
Das holpert, knarzt im Gebälk und ist inhaltlich sicherlich zu kurz gegriffen, aber den »Rassismusskandal«, der nun aus allen Lautsprechern des Establishments verkündet wird, den vermag man darin nicht zu erkennen. Anders ausgedrückt: Tönnies Äußerungen haben Ecken und Kanten. Nun ist insbesondere in der Journaille eine Lawine losgebrochen, die in ihrem Empörungsgrad kaum zu überbieten ist. Das Totalitäre durchzieht die Hyperventilation, denn bei all den Angriffen auf Tönnies schwingt die Forderung der Brandmarkung, des Ausstoßens, des Unmöglichmachens mit.
Wenn man sich die breite Mobilmachung von den geheuchelt rebellisch, aber schlußendlich nur »konformen«, nützlichen Idioten der Ultras Gelsenkirchen bis zur taz anschaut, dann verwundert es einen nicht mehr, daß ohne vorherige PR-Beratung keiner der Spieler oder Offiziellen im Fußballbetrieb mehr den Mund aufmacht. Während das Fußballmagazin 11 Freunde ständig den »Typen« im Fußball nachweint, begünstigt der linksliberale Moralismus, für den es simultan steht, ihren Verlust.
Derweil im Vordergrund das Theater der antifaschistischen Allzweckwaffe »Rassismus« läuft, vollzieht sich im Hintergrund die endgültige Kapitalisierung eines Sports, der ursprünglich symbolisch für traditionelle, regionale Verwurzelung stand:
Zwischendurch noch ein Nachtrag zu meinem letzten Blogbeitrag „Die Grenzen der Machbarkeit (2): nachhaltig und erneuerbar“: Der Windkraftausbau gerät ins Stocken. Woran das liegt zeigt Kay Bandermann hier in einer informationsreichen Reportage für den Deutschlandfunk, in der ersichtlich wird, daß die Windkraftbranche im Grunde genommen auch nur eine Industrie unter vielen ist mit eigener Lobby und einem Willen zum Wachstum um jeden Preis.
Ein überraschendes Fundstück bescherte mir die Kulturzeitschrift Merkur – Deutsche Zeitschrift für europäisches Denken, die in ihrem Augustheft einen Essay des Leipziger Politikwissenschaftlers Moritz Rudolph mit dem Titel „Eurofaschismus – Wer gegen ihn ist, könnte für ihn sein“ abdruckte (der Aufsatz ist hier frei verfügbar).
Darin stellt Rudolph folgende Frage in den Raum:
Warum kann Europa denn nichts Rechtes sein, erst recht ein »starkes«, wie es Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in einem Sonderheft der Bahn beschworen hat, das allen ICE-Gästen in der Wahlwoche aufgedrängt wurde (#bahnfuereuropa)?
Schon fast konservativ mutet sein ins Feld geführtes Geschichtsverständnis an, aus dem er die Möglichkeit eines rechten Europas ableitet:
Bornierte Kleinstaaterei des 17. und 18. Jahrhunderts, Nationalismus des 19. und Faschismus des 20. Jahrhunderts wären dann nicht mehr unerklärliche Störfälle auf dem Weg zur Universalbruderschaft, die nur noch soziologisch und nicht mehr geschichtsphilosophisch eingefangen werden können, sondern Ereignisse, die sich im Zentrum des geschichtlichen Unsinns eingenistet haben. […] Der Rückzugsraum wuchs von Mal zu Mal, die Kontraktion machte nicht den gesamten geschichtlichen Prozess rückgängig, um in die winzige Stammesgemeinschaft zurückzufallen, sondern sie rastete irgendwo ein.
Die nächste erfolgende Kontraktionsphase sieht er als einen weiteren Sprung nach oben »mitten hinein ins europäische Reich, das dann zur Festung Europa ausgebaut wird«. In seiner Explikation, warum die Rechte sich »ganz auf der Höhe der kontrahierenden Zeit« befinde, rekuriert er auf zwei Antaios-Autoren, die sich vom französischen »Eurofaschisten« Pierre Drieu la Rochelle hätten inspirieren lassen: Benedikt Kaiser und Till-Lucas Wessels.
Dabei verweist Rudolph auf Kaisers Studie im traurig verschiedenen Regin-Verlag von 2011 Eurofaschismus und bürgerliche Dekadenz und zitiert aus Wessels kaplaken europaradikal (sowohl Kaisers Eurofaschismus als auch Wessels europaradikal sind natürlich einmal hier und einmal hier beim größten konservativen Versandbuchandel, Antaios, bestellbar):
Er bezeichnet den »klassische[n] bürgerliche[n] Nationalstaat, der als selbständige Handlungsinstanz überall auf dem Rückzug ist«, als den großen »Verlierer« der Globalisierung. Wessels, ganz und gar nicht konservativ, will von diesem Zombie auch nichts mehr retten, sondern, ähnlich wie Habermas, den Sprung nach oben wagen und ein neues Europa schaffen.
Wenn er dann noch Kaisers Beitrag auf Sezession im Netz “Der europäische Hindernisparcours” rezipiert hätte, wären ihm einige Schwächen bezüglich rechter Europakonzeptionen und ‑politik erspart geblieben.
Aber geschenkt. Als interessierter Blick von Außen ist Rudolphs Aufsatz allemal lesenswert, auch wenn das “Faschistische” nebulös bleibt – eine rechte Europakonzeption, zumal eine föderativ-soziale wie Kaisers oder eine karolingische Spielart von Wessels – ist ja nicht per “faschistisch”. Gleichwohl:
So viel Europa-Lust von rechts mag manche erstaunen, aber dass der Faschismus etwas Ewiggestriges sei, gehört zu den verhängnisvollsten Klischees über ihn.
zeitschnur
Rudolphs Text, der verlinkt wurde, ist allerdings nicht optimistisch, man lese das Zitat nur ganz:
"Der Rückzugsraum wuchs von Mal zu Mal, die Kontraktion machte nicht den gesamten geschichtlichen Prozess rückgängig, um in die winzige Stammesgemeinschaft zurückzufallen, sondern sie rastete irgendwo ein. (Das ist die Wahrheit an der falschen Vorstellung der Zivilisationsoptimisten: Nicht moralisch rasten wir ein, sondern in der Organisationsgröße – bei gleichzeitig wachsenden Verheerungen, weil mit den Produktions- auch die Destruktionskräfte anschwellen, weshalb wir mit dem Organisationsfortschritt realmoralisch sogar immer wieder zurückfallen.)
Es ist deshalb auch nicht sehr plausibel, dass die nächste Kontraktionsphase ebenfalls auf den Nationalstaat zulaufen wird. Verlaufslogischer wäre es, dass sie auch dieses Mal einen Sprung nach oben macht – mitten hinein ins europäische Reich, das dann zur Festung Europa ausgebaut wird. (...)"
Wenn ich Rudolph recht verstehe, will er sagen, die geschürte Panik vor "rechts" unter Assoziation von "nationalistisch", "Nazi" greift viel zu kurz und verkennt den historischen Verlauf: die Kontraktionen und Expansionen schwingen nicht mit gleichem Ausschlag vor uns zurück, sondern exponentiell wachsend. Die nächste Stufe der Kontraktion ist der Eurofaschismus, der wiederum eine Expansion ins "Globale" weichen wird, die dann zurückschlägt ins Globalfaschistisch-Weltstaatliche.
Die Rechte sieht er dabei doch logischerweise als Erfüllungsgehilfen für die letzte Eskalation, die darin besteht, dass Expansion und Kontraktion zusammenfallen:
"Widersprüche halten die Rechte nicht auf, sie machen sie erst so richtig heiß, denn als Revolte gegen die Ordnung im Namen der Ordnung ist sie von Anfang an widersprüchlich konzipiert (...)"
Ich fürchte an dieser Bemerkung ist etwas Wahres dran. Die Linke ist umgekehrt der Erfüllungsgehilfe der Rechten:
"Das Dilemma besteht darin, dass man, um dieses heraufziehende Unheil vielleicht noch zu verhindern, genau das tun muss, was es wahrscheinlich befördert: zur Europa- und Bundestagswahl gehen und dort einer der linken oder liberalen Parteien die Stimme geben, die fast alle den Ausbau der europäischen Souveränitätsarchitektur fordern. (...) (Die Rechten) können ihr Glück dann wohl kaum fassen, denn sie selbst hätten so etwas nie auf die Beine stellen können. Und ist dann alles fertig für sie hergerichtet."
An Rudolphs Argumentation mutet gar nichts "fast konservativ" an, sondern sie offenbart eine tiefe Skepsis gegenüber diesem Expansions-Kontraktiossystem, das kein genuiner Antagonismus von Links und Rechts, sondern eine Art Presswehen sind, deren Ausgeburt man fürchten sollte. Die Verengung der Denkmuster auf Links und Rechts ist dabei Methode und Rettung vor dem unweigerlich eintretenden Ergebnis kann demnach logisch nur sein, aus diesem künstlichen Antagonismus auszusteigen - So verstehe ich diesen Artikel Rudolphs.
So ist auch das Schlusszitat schaurige Wahrheit, denn der Faschismus ist nicht rechts, sondern Mosaik aus links UND rechts.