Sonntagsheld (124) – Stille Helden

Schwierig, etwas über die Tat in Halle zu schreiben.

Schwie­rig auch, nichts über die Tat in Hal­le zu schrei­ben. Noch schwie­ri­ger in jedem Fall, da die­se Kolum­ne ja einer gewis­sen The­men­bin­dung unter­liegt, die schon häu­fig genug aus­ge­reizt wird. Wie auch immer, ich habe ein biß­chen gesucht und bin fün­dig gewor­den.

Die Fra­ge danach, wie ein Volk mit sei­nen Opfern umgeht, auch danach, was zu wel­cher Zeit über­haupt dar­un­ter ver­stan­den wird, ist in der Beur­tei­lung einer Gesell­schaft nicht zu unter­schät­zen. Daß es einen Unter­schied zwi­schen vic­tim und sacri­fice gibt, wuß­te nicht nur René Girard, es wird auch deut­lich, weil letz­te­res in der Öffent­lich­keit die­ser Tage schlech­terdings kei­ne Rol­le mehr spielt, wäh­rend ers­te­res eine nahe­zu all­um­fas­sen­de Gel­tungs­ho­heit erfährt. 

Die Gedenk­ver­an­stal­tun­gen wol­len „den Opfern eine Stim­me geben“, über­haupt gibt es inzwi­schen allent­hal­ben auch Opfer­or­ga­ni­sa­tio­nen, die es sich zur Auf­ga­be gemacht haben, den hier­ar­chisch geord­ne­ten vic­tims zur Gel­tung zu ver­hel­fen, oder sie über­haupt erst über ihren Opfer­sta­tus aufzuklären. 

Auch im Fall des „Live­stream-Ter­rors“ (Sell­ner) von Hal­le ver­hält es sich so. Nach­dem zu Beginn ein star­ker Fokus auf dem Täter Ste­phan B. lag, gin­gen die Bil­der der zwei Erschos­se­nen durch die Medi­en, es gab Infor­ma­tio­nen aus dem Pri­vat­le­ben und Inter­views. Es ist anzu­neh­men, daß das schon sei­ne Rich­tig­keit haben wird, will man doch die sinn­los erschei­nen­den Aus­lö­schung irgend­wie wie­der gut machen – ein klei­nes Biß­chen Ruhm und Aner­ken­nung für die­je­ni­gen, die damit nichts mehr anfan­gen können.

Fast nichts war indes zu lesen über die­je­ni­gen, die sich dem Täter ent­ge­gen­stell­ten und über­leb­ten. Wenig nur hör­te man von jenem ange­schos­se­nen Elek­tri­ker, der dem Amok­schüt­zen in Wie­ders­dorf trotz vor­ge­hal­te­ner Waf­fe die Her­aus­ga­be eines Wagens ver­wei­ger­te und gemein­sam mit sei­ner Frau nie­der­ge­schos­sen wurde. 

Auch die Tat eines anony­men LKW-Fah­rers, der auf Bit­ten der Poli­zei hin das auf ihn zura­sen­de gestoh­le­ne Auto in einer Bau­stel­le blo­ckier­te und so die Fest­nah­me von Ste­phan B. ermög­lich­te, ver­schwand irgend­wo zwi­schen Syn­ago­gen­tür und „Kiez-Döner“ – wohl auch, weil er allem Anschein nach nicht ver­letzt wurde.

Ver­ste­hen Sie mich nicht falsch: Es ist schon gut, daß es an die­sem Tag kein sacri­fi­ci­um gab; daß kein Poli­zist, oder wacke­rer Pas­sant sei­nen Ein­satz mit dem Leben bezah­len muß­te. Vor allem ist es auch gut, weil unser Volk, so wie es heu­te ver­faßt ist, mit die­ser Art von Opfer wohl gar nicht umge­hen könn­te, weil es in der DNA dieser Gesell­schaft liegt, die Opfer ihrer Fein­de zu glo­ri­fi­zie­ren und die Schlag­zei­len für ihre Hel­den der Bild­zei­tung zu überlassen.

Ich bin aller­dings, um ehr­lich zu sein auch froh, daß die Namen des Elek­tri­kers und des Last­wa­gen­fah­rers den meis­ten gar nicht bekannt sind. Sie wür­den – glei­ches gilt für den Namen des Strei­fen­po­li­zis­ten, der Ste­phan B. auf 50 Meter Distanz mit einer Hand­feu­er­waf­fe in den Hals schoß und so in die Flucht schlug – doch nur öffent­lich zeris­sen wer­den. Ent­we­der von der Arro­ganz derer, die genau zu wis­sen mei­nen, was man hät­te bes­ser machen kön­nen, oder vom Zynis­mus der absei­ti­gen Minus­men­schen, die dem Täter einen höhe­ren “Score” gewünscht hätten. 

Ich möch­te Sie trotz­dem ein­la­den, lie­be Leser, geden­ken Sie nicht nur der Opfer. Geden­ken Sie der­je­ni­gen, die in einer Aus­nah­me­si­tua­ti­on die rich­ti­ge Ent­schei­dung tra­fen, ihre Angst besieg­ten und durch ihren Ein­satz Leben geret­tet haben. Ich fürch­te, wir brau­chen sol­che Men­schen in Zukunft noch oft.

Nichts schreibt sich
von allein!

Das Blog der Zeitschrift Sezession ist die wichtigste rechtsintellektuelle Stimme im Netz. Es lebt vom Fleiß, von der Lesewut und von der Sprachkraft seiner Autoren. Wenn Sie diesen Federn Zeit und Ruhe verschaffen möchten, können Sie das mit einem Betrag Ihrer Wahl tun.

Sezession
DE58 8005 3762 1894 1405 98
NOLADE21HAL

Kommentare (0)

Für diesen Beitrag ist die Diskussion geschlossen.