Denn für das gesamte konservative, rechte Feld ist es von entscheidender Bedeutung, die Parteinahme von AfD-Politikern wie Bystron, Braun oder Meuthen im Kernkonflikt USA vs. Iran als geistige Selbstdistanzierung vom Eigenen zu begreifen und zu kritisieren. Es handelt sich hier nicht um Nebenkriegsschauplätze, sondern um grundsätzliche Auseinandersetzungen, die nicht von Skeptikern der US-Hegemonie, sondern vielmehr von ihren Anhängern in die Sphäre rechter Politik gebracht wurden und werden.
Denn: Bystrons und Meuthens Aufruf zum Regime Change im Iran (der einen Bürgerkrieg, womöglich auch einen Staatenkrieg hervorrufen würde) war kein Einzelfall.
Führende Politiker der Alternative für Deutschland nehmen, vermittelt über Berater aus »freiheitlich«-islamfeindlichen Kreisen, in Bezug auf außenpolitische Weichenstellungen, die in einer zunehmend globalisierten Welt im Regelfall zugleich innenpolitische Folgen zeitigen, in letzter Zeit einen nichtsouveränen und damit auch nichtnationalen Standpunkt ein. Der Einfluß der binären Weltbildern anhängenden Counter-Dschihad-Subkultur ist dabei offensichtlich. Darüber hinaus haben wir es mit einem Aufguß des aggressiven »Surrogat-Nationalismus« (Martin Lichtmesz) zu tun, der vor einigen Jahren schon von Karlheinz Weißmann inhaltlich zurückgewiesen und widerlegt wurde.
Diese Positionierung ist zweifellos statthaft, sollte aber keinen maßgeblichen Raum in einer politischen Kraft erhalten, die bereits im Parteinamen für sich beansprucht, vor allen anderen Ableitungsfragen eben den einen entscheidenden, subjektiven, parteiischen Standpunkt zu vertreten: eine Alternative für Deutschland (und nicht für Stellvertreterbelange anderer Nationen) zu sein.
Das mag pathetisch klingen, und ich selbst neige in nationalen Fragen nicht dazu, übertriebener Leidenschaft das Wort zu reden.
Die Vertreter der AfD als einer nationalpopulistischen Kraft haben ihre Mandate und damit ihre politischen Einflußmöglichkeiten nur erhalten, weil ihre Wähler eine Politik für Deutschland von ihnen erwarten. Daß einige prominente Vertreter dieser Partei neokonservativer als die Neocons, republikanischer als die US-Republikaner, (klischee-)amerikanischer als (Klischee-)Amerikaner wirken, ist eine ungute Entwicklung und auf jeden Fall eine Negation des Wählerinteresses.
Die kollektive Nachahmung US-amerikanischer Prinzipien wird mittlerweile so auf die Spitze getrieben, daß von den drei selbstverständlichen Grundzügen des nationalen Populismus – Vorrang des Eigenen (vor dem Anderen), Vorrang des Volkes (vor der Vereinzelung und lobbyistischen Interessensgruppen), Vorrang der Souveränität (vor Bevormundung) – in richtungsweisenden Äußerungen nicht mehr viel übrig ist.
Man kann die Selbstidentifizierung mit ausdrücklich US-amerikanischen (oder Trumpschen) Interessen, die bei mindestens einem guten Dutzend AfD-Bundestagsabgeordneten samt Mitarbeiterfeld die Agenda bestimmt, auf außenpolitischem Gebiete mithilfe eines Grundlagenbeitrags von Florian Sander (vgl. Sezession 93, Dezember 2019) veranschaulichen und in einen weiterreichenden bundesdeutschen Rahmen einbetten. In diesem gilt:
Die USA sind demnach nie nur die USA, sondern stets »unsere amerikanischen Freunde«. Wer die internationalen Beziehungen einem realistischen Blick unterzieht, weiß jedoch, daß es in diesen keine »Freunde« gibt, sondern: Interessen. Die Supermacht USA betreibt spätestens seit Beginn der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts globale Geopolitik – die Bundesrepublik diente in diesem Rahmen während des Kalten Krieges als ihr ökonomisch und militärisch eng verzahnter Vorposten, der aber im Atomkriegsfall das erste Gebiet gewesen wäre, das sich in eine radioaktive Wüste verwandelt hätte. (…)
Die NATO und der US-Einfluß haben in den letzten Jahren stetig dazu beigetragen, die Kriegsgefahr in Europa wieder zu erhöhen. Wer angesichts dieser Umstände äußert, Europa werde durch die NATO geschützt, macht sich zum Diener US-amerikanischer, nicht aber deutscher Interessen, und verfolgt damit eine Haltung, die Union und FDP sowie seit dem Tod Kurt Schumachers auch die SPD seit jeher vertreten haben und die Grünen sowie weite Teile der kosmopolitisch gewendeten Linkspartei mittlerweile vertreten. Für diese konsensbasierte »deutsche Außenpolitik« im deutschen Parteienspektrum bräuchte es ganz offensichtlich keine AfD.
Wir wissen aber nun, daß es angesichts des postpolitischen Konsens’ der Bundesrepublik in innen- wie außenpolitischen Schlüsselfragen einer wirklichen und wirkmächtigen AfD bedarf, und wir wissen dies, weil wir an den Zuständen nicht erst seit »2015« Substantielles auszusetzen haben – anders als viele »2015er Gefallenen«.
Es hat wenig mit »Anti-Amerikanismus«, aber viel mit einer realistischen Lageanalyse zu tun, sich klar darüber zu werden, weshalb Politiker der AfD es für ganz selbstverständlich halten, US-Positionen als die eigenen zu interpretieren, ohne an die Konsequenzen zum Nachteil nicht nur der betroffenen Länder, sondern auch Deutschlands zu denken (Flüchtlingswellen durch Regime Change-Folgen als Beispiel).
Dies liegt zentral daran, daß die Politik der Reeducation, des Mammutprojekts der »Umerziehung« der Bundesdeutschen also, als das erfolgreichste mentalitätspsychologische Experiment der Neuzeit anzusehen ist. Die forcierte Entfremdung der Deutschen von ihrer eigenen Geschichte, Mentalität, Denkweise usw., die bisweilen zum von Martin Lichtmesz und anderen als Nationalmasochismus, in Serbien etwa als »Autochauvinismus« beschriebenen Phänomen der Feindschaft zum eigenen volklichen Selbst führt, ging weit darüber hinaus, den Hitlerismus samt radikal-sozialdarwinistischer und rassenmaterialistischer Ideologeme zu überwinden.
Stefan Scheil hat diese massive Umgestaltung der deutschen Psyche durch wesentlich US-amerikanische Stellen als Transatlantische Wechselwirkungen umrissen, Caspar von Schrenck-Notzing als Charakterwäsche nachgezeichnet, und Hans-Joachim Arndt legte in Die Besiegten von 1945 den Fokus darauf, daß am 8. Mai 1945 eben nicht allein der Nationalsozialismus Hitlers, sondern »alle deutschen Staatsbürger als Besiegte behandelt wurden«. Die Westalliierten schickten sich an, »ausdrücklich in die Bewußtseinsstruktur der Besiegten einzugreifen«, und Besiegte, das waren nach Ansicht der Besatzerstrategen alle Deutschen, die sich seit Jahrhunderten »gegen die Zivilisation« gestellt hätten.
Daß diese Bewußtseinsmodifikation gelang, ist heute evident, und man sollte als Politiker des nonkonformen Lagers zu Scheil, Schrenck-Notzing und Arndt greifen, wenn man die Entwicklungsstränge nachempfinden möchte.
Bei Arndt wird etwa deutlich, wie es den Besiegten zumindest in Westdeutschland einfach gemacht wurde, sich selbst auch als Sieger zu fühlen: nämlich wenn sie künftig »ohne jede Bemühung politischer Identität und Identifizierungen« westkonform denken und handeln würden, ja eben Positionen und Interessen US-amerikanischer Präsidenten als die ihren empfinden (im Sinne von: nachahmen) und dann, wenn es nötig erscheint, offensiv vertreten.
Es ist jene von Arndt diagnostizierte »Spätsieger-Attitüde«, die das hypermoralische Auftrumpfen der Bundesdeutschen – etwa in Polen oder Ungarn – antreibt, was wiederum antideutsche Rückwirkungen heraufbeschwören kann. Entscheidend dabei ist, daß man sich diese moralisch wohltuende und materiell durchaus profitable Spätsieger-Attitüde, so Arndt, nur »auf Kosten des realistischen Lageverständnisses« aneignen durfte.
Schrenck-Notzing ergänzte hierzu in seinem Standardwerk zur Umerziehung, daß es entscheidend für das Gelingen ebenjenes Vorhabens war, daß die die Phase der Reeducation durch eine andauernde Phase der Self Reeducation, also der Selbstumerziehung, abgelöst werden mußte, die alle politische Lager der BRD erfaßte.
Erst müsse Fluidity als Flüssigkeit der Verhältnisse hergestellt werden, damit der »Kulturwechsel« zu einem offenen Gesellschaftstyp westlichen Zuschnitts gelinge; die Zerschlagung der alten Lebensformen muß hier subsumiert werden. Hernach müsse der Drang gefördert werden, den Wechsel selbst zu perpetuieren, abschließend müsse das neue Gleichgewicht durch effektive Selbstregulierung und Selbstkontrolle deutscher Akteure – und willfähriger Kollaborateure auch innerhalb politisch grundsätzlicher Lager – permanent gemacht werden.
Diese implementierte Verhaltensweise wird zur zweiten Haut der Menschen und kann im Regelfall nicht mehr grundsätzlich hinterfragt werden. Kommt es doch dazu, drohen Behörden wie der Verfassungsschutz damit, bereits dieses Hinterfragen als Abweichung von der freiheitlichen demokratischen Grundordnung zu sanktionieren. Der »langfristige Umbau des deutschen Charakters« (Schrenck-Notzing) ist auf diese Weise über alle ideologischen Grenzen hinweg gründlich gelungen.
Nicht ohne Ironie kann hier festgehalten werden, daß ausgerechnet Parade-Opfer der Umerziehung und ihrer immanenten ideologischen Denkblockaden nun Paradigmen der Umerziehung am fanatischsten verteidigen wollen und eben dies auch noch als »alternativ« oder »rechts« zu bezeichnen wagen.
20 Jahre BRD-Erfahrungen später ergänzte Schrenck-Notzing seine eigenen Analysen. In einem Schlüsseltext »Wir Protektoratskinder« im Sezession-Vorläufer Criticón kam er 1983 auf die anhaltenden Wirkungen der angloamerikanisch projektierten Umerziehung zu sprechen, die man weder zeitlich noch programmatisch als abgeschlossen betrachten dürfe.
Erneut betonte er, gleich Arndt vor ihm, daß die Reeducation nicht den Nazis als Nazis, sondern allen Deutschen galt, für die sich dann »die goldene Pforte der Freien Marktwirtschaft« öffnen sollte, wenn sie ihrer konstanten Degradierung zum politischen Objekt der Geschichte zustimmten:
Eifrig und produzierend würden sie zivile Tugenden entwickeln und allmählich ihre martialische Vergangenheit vergessen. Churchill äußerte drastisch, daß er sich die Deutschen der Zukunft fett, aber impotent wünsche.
Selbst in der AfD gibt es also Leute, die sich mit der Rolle des Musterschülers arrangiert haben, anstatt, wie Sander in der Sezession einforderte, die erneute Subjektwerdung Deutschlands, seinen »Rückruf in die Geschichte« (Karlheinz Weißmann) sukzessive einzufordern oder zumindest als langfristige Option mitzudenken.
Es war wiederum Caspar von Schrenck-Notzing, der 1996 seine eigene Beschäftigung mit diversen Umerziehungsfolgen fortsetzte. Mittlerweile war Deutschland zwar das Musterobjekt einer erfolgreichen Reeducation, doch wollte man dies nun seitens der westlichen Welt in weiteren Ländern – ob in Jugoslawien oder im Irak – fortsetzen.
Schrenck-Notzing konstatierte:
Reeducation führt zur falschen Vorstellung einer wandernden Volkshochschule mit dem Unterrichtsfach democracy. Es handelte sich jedoch nicht um ein Bildungsangebot, sondern um gezielte Beeinflussung (…). Markante Ziele waren die Beseitigung der vorherigen Führungsschicht, Einsetzung einer neuen Führungsschicht und ihre institutionelle Absicherung, Ausrottung vermeintlicher “Vorurteile” und damit Verhinderung eines Rückgriffs auf Traditionen, Herstellung einer neuen Öffentlichkeit durch artificial revolution und ein programmiertes, sich selbst regulierendes und nicht mehr von der Bevölkerung getragenes Meinungsklima usw. usf.
Der konservative Grandseigneur nannte dieses Modell der vielerorts bemühten Umerziehung, das auch heute noch so firmiert, nicht zu Unrecht eine »Orwellsche Lösung«, wobei es Aufgabe einer selbstbewußten und selbständig denkenden Neuen Rechten wäre, diese Lösung als das zu denunzieren, was sie darstellt: ein Programm zum Regime Change, das seit Jahrzehnten weltweit für Kriege, Leid und Flüchtlingsströme sorgt, die dann wiederum regelmäßig nicht ihre Mit-Urheber, sondern vor allem Anrainerstaaten und/oder Mitteleuropa, zentral Deutschland, betreffen.
Möchte man seitens aktuell wirkender rechter Politiker diese bis heute so einschneidenden »Schlachten von gestern« nicht in sein Gedankengebäude einbeziehen, ist das zwar ohne Zweifel kritikwürdig und spottet jeder wirklich grundsätzlich ausgerichteten Alternative zum falschen Ganzen, aber man könnte es verstehen, wenn die Ignoranz gegenüber indirekten Herrschafts- und Hegemoniemethoden wenigstens durch eine realistische Kritik der oben erwähnten, direkten Folgen der aktuellen Weltunordnung für Deutschland ersetzt würde.
Daß aber selbst diese Minimalposition seitens meinungsstarker AfD-Politiker nicht beachtet wird, liegt an drei Personengruppen innerhalb des alternativen Beritts, die unterschiedlich zu betrachten sind.
1. gibt es strukturelle Opportunisten. Sie meinen, eine Anpassung an die Politik und Geisteshaltung der israelischen und US-amerikanischen Rechten würde der eigenen Handlungsfähigkeit in Mitteleuropa gut tun; sie interessieren sich schlechterdings nicht für Inhalte, aber schreiben besagten politischen Gruppen eine solche Macht zur Legitimitätsverleihung zu, daß deren Ritterschlag einer Reinwaschung der eigenen, verfemten Position bedeuten würde. Strache und andere prominente Politiker europäischer Rechtsparteien sind hier zu verorten; in der AfD gibt es diesen Typus ebenfalls.
Pikant: Es gibt europaweit kein einziges Beispiel für einen Triumph der strukturellen Opportunisten in ihrem Vorhaben. Das unterwürfige Ersuchen um einen Persilschein hat noch nie zum Erfolg geführt, wird aber von den eigenen Wählern zum überwiegenden Teil nicht verstanden (oder gar mit Sympathie- und Stimmentzug beantwortet), vom Gegner derweil als Etikettenschwindel, Mimikry etc. verworfen.
2. gibt es ideelle Transatlantiker. Dies sind jene Kräfte von Pazderski bis Bystron/McMahon, die die von Caspar von Schrenck-Notzing sezierte Selbstumerziehung mit frappierend gutem Gewissen auf die Spitze treiben. Die USA werden ideologisch motiviert und aufrichtig als Garant für freedom and democracy wahrgenommen, und was Francis Fukuyama 1989, ein wenig sentimental, prophezeite, wird zur nachgeahmten Vision:
Die »Grundprinzipien des liberal-demokratischen Staates« seien »absolut«, und man müsse daher an der Seite der USA dafür streiten, »diese Prinzipien räumlich auszubreiten, so dass die verschiedenen Bereiche menschlicher Kultur auf das Niveau ihrer am weitesten fortgeschrittenen Vorposten gehoben« werden können.
Das Resultat einer solchen zur Heilslehre erhobenen ideologischen Projektion ist der Drang, »rückständige« Völkerschaften von ihren »vormodernen« oder »regressiven« (patriarchalischen, nationalen, religiösen, ethnokulturellen usw.) Traditionen zu befreien, um sie aus der »Barbarei« in die (westlich-individualistisch verstandene) »Freiheit« zu führen – in Richtung der »offenen« Gesellschaft US-amerikanischer Prägung. Diese im Regelfall zusätzlich ressentimentgetriebene und frappierend niveauarm-antiislamisch aufgeladene Argumentation findet man beim ideellen Transatlantiker von rechts wie links (siehe hier: »Antideutsche«).
3., und diese kleinste der hier skizzierten drei Gruppen wird bisher überhaupt nicht beachtet, gibt es mittlerweile jene Ausläufer einer »evangelikalen« Strömung, die eigentlich nur in den USA und Israel eine Rolle spielten, aber auch zunehmend über diverse Netzwerke in der politischen Rechten der BRD Fuß fassen.
Ihr großes Idol, der qua seines Glaubens apokalyptische Endzeitvisionen affirmiert (Stichworte: Dispensationalismus, Armageddon in Jerusalem), ist der unter den US-Fans innerhalb der AfD besonders populäre und verehrte Politiker Mike Pence – seines Zeichens Vizepräsident unter Donald Trump –, der, wenig überraschend, zu den lautstärksten Anhängern eines Krieges gegen Teheran samt Regime Change und »Befreiung« der Iraner zählt.
Es ist für eine souveränistische, populistische, konservative Partei in Deutschland eminent gefährlich, wenn zwei der drei schablonenhaft skizzierten Typen zusammenwirken; ungenießbar für viele Millionen Wähler dürfte die Partei indes dann werden, wenn alle drei auftreten, wie es mal offensichtlich, mal stärker im Hintergrund praktiziert wird.
Eine Volkspartei-im-Werden kann und muß auch strukturelle Opportunisten oder religiöse Eiferer an ihren Rändern aushalten. Klare Entscheidungen wären jedoch dann gefragt, wenn jene Kreise durch markante Wortmeldungen und Aktionen den Kurs der Gesamtpartei und ihres Umfelds zu prägen trachten und sich damit gegen die objektiven Interessen einer Mehrheit der eigenen Wählerschaft richtet.
Ein Standpunkt, wonach die Generallinie einer rechten Partei davon unbenommen bliebe, weil das Skizzierte vorwiegend außenpolitische Züge tragen würde, wäre im besten Falle naiv. Spätestens unter den heutigen Verhältnissen der US-amerikanisch geprägten Globalisierung als Universalisierung haben geopolitische und geoökonomische Prozesse immer auch eine Rückwirkung auf Deutschlands Innenpolitik.
Wer, um ein signifikantes Beispiel zu bemühen, Interesse an einer Verhinderung neuer Flüchtlingsströme nach Deutschland hat, muß Abstand nehmen zu jedweden interventionistischen Ideen im Nahen und Mittleren Osten (wohlgemerkt: einerlei, wie man zu bestimmten Regimes stehen mag, das ist für eine oppositionelle, populistische, alternative Kraft in Deutschland und für Deutschland gänzlich nachrangig!).
Wer Fluchtursachen bekämpfen will und diese Haltung nicht nur als wohlfeile Floskel bemüht, muß endlich die Fragen danach stellen, welche Akteure welche Rolle für die Eskalation und militärische Zuspitzung in Krisenländern spielen.
Zugespitzt: Wer gleichzeitig Krieg gegen Iran (oder gegen andere von den USA als »Schurken« diffamierten Nationen) und einen Stop von kriegsbedingten Migrationen fordert, ist recht eigentlich schon politikunfähig. Wer meint, Konflikte im Nahen oder Mittleren Osten interessieren ihn nicht, und man sollte nur vor der eigenen Türe kehren, verkennt die massiven Rückwirkungen globaler Konflikte auf die jeweilige eigene, längst von innen wie außen lädierte Tür.
Kurz gefaßt: Als AfD wird man nicht umhin kommen, auch außenpolitisch für Deutschland zu denken, damit irgendwann, nach eventueller Regierungsfähigkeit und der damit verbundenen Rückkehr von Real- und Geopolitik, nicht jene Kreise in ein Vakuum stoßen können, die im Grunde nicht viel ändern, sondern das Mangelhafte effizienter und korrigiert erscheinen lassen wollen.
Der Zusammenhang zwischen Nationalmasochismus nach innen und willfähriger Adaption US-amerikanischer Narrative nach außen muß in die Bestandsaufnahme und Programmatik einer echten Alternative einbezogen werden.
Florian Sander hat auch diesen Standpunkt in der 93. Sezession auf den Punkt gebracht:
Ein zentrales Feld, in dem sich eine solche weltanschauliche Konsequenz dringend stärker niederschlagen muß, ist die Außenpolitik. Die – richtige – realpolitische Einsicht, daß Staaten (und damit auch Nationen und Völker) Interessen haben und souverän sein müssen, um diese selbstbestimmt verfolgen zu können, muß ergänzt werden um die soziologische Erkenntnis, daß genau dadurch – und nur dadurch – auch das Fortbestehen bzw. die Wiederkehr ihrer kollektiven, nationalen Identität gewährleistet werden kann. Es gibt das eine nicht ohne das andere. Wer eine Rückkehr deutscher Identität will, wer ein Ende der Entfremdung, eine »Selbstbefreundung« (Björn Höcke) der Deutschen will, der muß sich vom westlichen Blockdenken verabschieden – und damit auch von jenen Institutionen und Ideologiebausteinen, die dieses politisch und militärisch tragen.
Zu ergänzen bleibt Sanders Plädoyer lediglich um die Ebene des Politikers. Wer kritikresistent stetige »Selbstumerziehung« von rechts betreibt, also ausgerechnet in jenem Feld, in dem der Komplex der Reeducation und Self Reeducation sein wohlverdientes Ende finden sollte, »kann nie sicher sein, daß man nicht eines Tages den Finger in die Wunde legt und nicht länger duldet, daß schlechte Aufführung durch den Verweis auf gute Absicht gerechtfertigt wird« (Caspar von Schrenck-Notzing).
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Lektüre:
- Der iranische Sezession-Autor Dr. Seyed Alireza Mousavi im empfehlenswerten Interview zur aktuellen Situation im Iran.
- Sezession 93 mit Florian Sanders außenpolitischer Standortbestimmung für die deutsche Rechte mit der Wahlpartei AfD in ihrer Mitte.
- Caspar von Schrenck-Notzing: Charakterwäsche.
- Stefan Scheil: Transatlantische Wechselwirkungen.
- Ivan Krastev und Stephen Holmes: Das Licht, das erlosch.
- Nationalmasochismus (mit Beiträgen von Martin Lichtmesz und anderen)
- Alle weiteren erwähnten Titel – ob Die Besiegten von 1945 oder Schrenck-Notzings gesammelte Aufsätze – sind antiquarisch verfügbar.
Gotlandfahrer
Danke. Dies hat mir nicht nur meine Frage aus dem vorhergehenden Strang beantwortet, weshalb es nicht nachrangig ist, wie ein Oppositionspolitiker eine Begründung formuliert, die geostrategisch niemanden ausserhalb dieses Kreises interessieren wird. Sondern erneut aufgezeigt, warum ich hier mit klareren Gedanken die Seite verlasse als ich sie anklicke. Die Begründungen oben sind - für mich als vergleichsweise derben Pragmatiker- sehr komplex, aber überzeugend.
Trotzdem hoffe ich darauf, dass wir "uns" nicht vor der Zeit an Fragen trennen, auf deren spaltenden Charakter der weitaus grössere Gegner nur wartet.