Israel und Deutschland

Über die Frage nach dem Verhältnis zwischen Deutschland und Israel habe ich in den vergangenen Tagen mit Kennern der Materie diskutiert.

Götz Kubitschek

Götz Kubitschek leitet den Verlag Antaios

Sie such­ten alle­samt das Gespräch, weil sie in Sor­ge sind, daß das, was Bene­dikt Kai­ser und ich in unse­ren Bei­trä­gen (hier und hier) zur Instru­men­ta­li­sie­rung des Ausch­witz-Argu­ments für die For­de­rung nach einem Regime Chan­ge im Iran vor­tru­gen, falsch auf­ge­faßt und miß­ge­deu­tet wer­den könnte.

Die­se Sor­ge ist berech­tigt: Umzu­deu­ten und zu unter­stel­len gehört zu den Ver­tei­di­gungs­in­stru­men­ten der­je­ni­gen, die moral­po­li­tisch im Vor­teil sind. Daß die­se moral­po­li­ti­sche Auf­la­dung den kal­ten Blick auf die Poli­tik – in die­sem Fall: auf geo­po­li­ti­sche Fra­gen – ver­hin­dert, ist für Deutsch­land eine Tragödie.

Ange­sichts der ver­meint­li­chen “Alter­na­tiv­lo­sig­keit” tat­säch­lich in Alter­na­ti­ven zu den­ken, heißt, das Krampf­haf­te auf­zu­ge­ben: Der real­po­li­ti­sche Blick ist der ent­spann­te Blick, denn er muß nicht krampf­haft Umstän­de zusam­men­den­ken und unter einen Hut brin­gen, die ein­an­der widersprechen.

Vor allem aber muß er ande­re Natio­nen nicht behan­deln wie einen Ehe­part­ner (zusam­men durchs Leben, bis das der Tod uns schei­de); viel­mehr kann Ruß­land im Nahen Osten der geo­po­li­ti­sche Part­ner Deutsch­lands sein, und anders­wo nicht. Und wenn Ungarn 1989/1990 im Rah­men sei­ner Selbst­be­frei­ung die Unter­stüt­zung durch die USA begrüß­te und den Ame­ri­ka­nis­mus auch, so lehnt es heu­te – also in ver­än­der­ter Lage – den über­dreh­ten und vor allem ver­lo­ge­nen Libe­ra­lis­mus ab und arbei­tet kul­tu­rell jeder wei­te­ren Ame­ri­ka­ni­sie­rung ent­ge­gen, jedoch ohne dabei die star­ke Schul­ter Ruß­lands zu suchen. (Die Orban-Bera­te­rin Mária Schmidt führ­te das in einem Inter­view in Sezes­si­on 93 aus.)

Unse­re Kri­tik an den­je­ni­gen, die us-ame­ri­ka­ni­sche Regime-Chan­ge-Rhe­to­rik nach­ah­men und sich an Isra­els Sei­te im Kampf gegen den Iran wäh­nen, läßt sich in die­sem Sin­ne und in unse­rer Lage also in sechs Punk­te zusammenfassen.

1. Die Geo­po­li­tik eines Staa­tes wird von sei­ner geo­gra­phi­schen Lage, also sei­ner Aus­stat­tung, sei­nen Han­dels­be­zie­hun­gen, sei­nen Anfäl­lig­kei­ten bestimmt. Isra­el ist ein klei­ner, sou­ve­rä­ner Staat und han­delt als sou­ve­rä­ner Staat so, wie es für das Fort­kom­men und die Ent­wick­lung sei­nes Staats­volks gedeih­lich ist. Wenn wir nun davon aus­ge­hen, daß Deutsch­land eben­falls ein sou­ve­rä­ner Staat sein soll­te, müß­te unser Land die­se Sou­ve­rä­ni­tät dadurch zei­gen und dafür ein­set­zen, daß es im Inter­es­se des deut­schen Vol­kes handelt.

2. Wel­che außen­po­li­ti­schen Inter­es­sen müß­ten Deutsch­land lei­ten, wenn es tat­säch­lich das Wohl des deut­schen Vol­kes im Sinn hät­te? Mit Sicher­heit hät­ten die Ein­däm­mung der Flücht­lings­kri­se und die Zurück­wei­sung isla­mi­scher Ein­fluß­nah­me in Deutsch­land obers­te Prio­ri­tät. Die Flücht­lings­strö­me flie­ßen seit Jah­ren nach Deutsch­land ab, weil unser Land ein von kei­nem ande­ren Staat auch nur annä­hernd so kom­for­ta­bel geschnür­tes Für­sor­ge-Paket für jeden schnürt, der es über die Gren­ze geschafft hat.

Daß sich die­se Flücht­lings­strö­me über­haupt bil­den und in Bewe­gung set­zen konn­ten, hat mit den Krie­gen in Afgha­ni­stan und dem Irak, Syri­en und Liby­en zu tun. Die bei­den erst­ge­nann­ten Län­der kämp­fen seit den faden­schei­nig begrün­de­ten Angrif­fen durch die USA chao­ti­sche, kaum ent­wirr­ba­re Bür­ger­krie­ge aus. In Liby­en trat Gad­da­fi längst als gemä­ßig­ter Füh­rer auf und stell­te für Euro­pa kein Sicher­heits­pro­blem mehr dar, im Gegen­teil sogar: Er hielt die Afri­ka­ner von Euro­pa fern, indem er nach Süden eine wirk­sa­me Grenz­kon­trol­le gewähr­leis­te­te und im Nor­den an der Küs­te kei­ne Schlep­pe­rei zuließ.

Mit Syri­en hat­te Deutsch­land über­haupt kei­nen Kon­flikt. Assad stell­te weder für Deutsch­land noch für Euro­pa eine Bedro­hung dar. Natür­lich war Liby­en und ist Syri­en ein auto­kra­ti­sches Sys­tem ohne die libe­ra­len Men­schen­rechts­stan­dards, die wir in Euro­pa an unse­re poli­ti­schen Sys­te­me anle­gen, doch war Syri­en unter der Prä­si­dent­schaft des jun­gen Assad vor 2011 poli­tisch wie wirt­schaft­lich aufstrebend.

Vor allem aber ermög­lich­te es der damals noch viel­fäl­ti­gen Chris­ten­heit im Nahen Osten eine Schutz­oa­se; Richard Mil­let berich­tet dar­über kennt­nis­reich in sei­nem von Antai­os ver­leg­ten Essay, Kai­ser sprach zudem mit einem syri­schen Chris­ten über die­se Fra­gen. Klar ist frei­lich auch: Für Sala­fis­ten und Ter­ro­ris­ten gab es kein Pardon.

Für außen­po­li­ti­sche Bezie­hun­gen sind die oft bemüh­ten Men­schen­rechts­stan­dards völ­lig egal. Wenn man ernst­haft ent­lang der all­ge­mei­nen und “über­all gül­ti­gen” Men­schen­rech­te argu­men­tier­te, dürf­te es weder eine Fuß­ball­welt­meis­ter­schaft in Katar noch eine irgend­wie gear­te­te Part­ner­schaft mit Sau­di-Ara­bi­en geben; viel­mehr müß­te man ganz Afri­ka, halb Asi­en und wei­te Tei­le Latein­ame­ri­kas zum Schut­ze der Men­schen und ihrer Rech­te erneut kolonialisieren.

Sich auf uni­ver­sel­le Men­schen­rech­te zu beru­fen, ist auf poli­ti­schem Feld ein Aus­weis von Infan­ti­li­tät oder Perfidität.

3. Vor die­sem Hin­ter­grund lau­ten die ent­schei­den­den geo­po­li­ti­schen Fra­gen jen­seits von Ent­wick­lungs­hil­fe oder rhe­to­ri­schem Mit­leid: Wel­che Staa­ten bedro­hen uns, wel­che Ent­wick­lung könn­te für uns bedroh­lich wer­den und wer ist vor die­sen Bedro­hungs­sze­na­ri­en unser Ver­bün­de­ter? Wer arbei­tet sozu­sa­gen in die­sel­be Rich­tung wie wir, wer fährt uns in die Parade?

The­se: Die Bedro­hung Deutsch­lands durch ande­re Staa­ten ist kei­ne offen­sicht­li­che, son­dern eine hin­ter­grün­di­ge: Sau­di-Ara­bi­en, Katar und die Tür­kei sind die wich­tigs­ten Geld­ge­ber für den aggres­si­ven und plan­mä­ßig vor­ge­tra­ge­nen Moschee­bau in Deutsch­land. Sie sind offi­zi­ell unse­re Ver­bün­de­ten, vor allem aber die Ver­bün­de­ten der USA und Isra­els. Das bedeu­tet: Unse­re “Ver­bün­de­ten” expor­tie­ren Wah­ha­bis­mus, Sala­fis­mus und die Ideo­lo­gie der Mus­lim­bru­der­schaft nach Euro­pa, sie unter­stüt­zen finan­zi­ell und waf­fen­tech­nisch die syri­sche Oppo­si­ti­on gegen Assad und ver­ur­sa­chen durch das Cha­os, das sie anstif­ten, Flücht­lings­strö­me in Rich­tung Euro­pa, vor allem: Deutschland.

Die syri­sche Oppo­si­ti­on besteht in Wirk­lich­keit aus Dji­ha­dis­ten und nicht aus “Demo­kra­ten”, wie die offi­zi­el­le Pro­pa­gan­da erzählt. Die Golf­mon­ar­chien wol­len in Syri­en eine sun­ni­ti­sche Theo­kra­tie errich­ten, Erdo­gan möch­te das Osma­ni­sche Reich wie­der­auf­rich­ten. Die USA wol­len aus geschäft­li­chen Erwä­gun­gen den sun­ni­ti­schen Halb­mond von Ryad bis Anka­ra wie­der­her­stel­len, und Isra­el will aus Sicher­heits­er­wä­gun­gen die wei­te­re Herr­schaft von Erb­feind Assad unter allen Umstän­den unter­bin­den. Kei­nes die­ser Zie­le ist im Inter­es­se Deutschlands.

Unse­re offi­zi­el­len Ver­bün­de­ten han­deln und wir­ken also gegen unse­re Inter­es­sen, da sie für das Cha­os, das die Flücht­lings­strö­me ver­ur­sacht, ver­ant­wort­lich sind. Unse­re geo­po­li­tisch Ver­bün­de­ten in der Regi­on sind die­je­ni­gen, die Assad stüt­zen, die Dji­ha­dis­ten bekämp­fen, die Flücht­lings­strö­me ver­hin­dern: also Assad selbst, dann Ruß­land und der Iran. Wel­che Innen­po­li­tik die­se Staa­ten ver­fol­gen, ob sie demo­kra­tisch sind und wie sie die Men­schen­rech­te aus­le­gen, ist nicht unse­re Sache.

4. Natür­lich: Der Iran bedroht Isra­el. Jedoch sehen die Israe­lis (das ver­si­cher­te mir zuletzt ein israe­li­scher Offi­zier in höhe­rem Rang) die­se Bedro­hung  rea­lis­tisch und das bedeu­tet ent­spann­ter als die isra­el­hys­te­ri­schen Deut­schen. Isra­el ist ein bis an die Zäh­ne bewaff­ne­ter, wehr­haf­ter, kriegs­er­fah­re­ner Staat, hin­ter dem mit den USA die stärks­te Mili­tär­macht der Welt steht. Die deut­sche Spiel­zeug­ar­mee wäre mit ihren sie­ben fahr­tüch­ti­gen Pan­zern und andert­halb Hub­schrau­bern für die Ver­tei­di­gung Isra­els auch dann nicht rele­vant, wenn sie zur Hil­fe geru­fen würde.

5. Es ist im deut­schen Inter­es­se, zu nahe­zu allen nah­öst­li­chen Staa­ten mög­lichst gute Bezie­hun­gen zu unter­hal­ten, ohne sich in deren end­lo­se Kon­flik­te mit den stän­dig und schnell wech­seln­den Alli­an­zen ein­zu­mi­schen. Wir beherr­schen die­ses Spiel sowie­so nicht und kön­nen dabei nur verlieren.

Man muß sich ent­schei­den: Ist man als Deut­scher israe­li­scher Patri­ot (was aus unse­rer Geschich­te her­aus eine nach­voll­zieh­ba­re Hal­tung wäre), kann man nicht gleich­zei­tig deut­scher Patri­ot sein. Ist man aber deut­scher Patri­ot (und damit vor allem dar­an inter­es­siert, daß sich Deutsch­land sei­nen Inter­es­sen gemäß geo­po­li­tisch ver­hält), dann kann man Isra­el nicht bedin­gungs­los unter­stüt­zen und muß vor allem die us-ame­ri­ka­ni­sche Außen­po­li­tik im Nahen Osten ablehnen.

6. Die­se bedin­gungs­lo­se, zu einem nicht uner­heb­li­chen Teil deut­sche Inter­es­sen wider­spre­chen­de Unter­stüt­zung israe­li­scher und/oder us-ame­ri­ka­ni­scher Außen­po­li­tik dadurch zu erzwin­gen, daß man moral­po­li­tisch mit Ausch­witz und der deut­schen Schuld argu­men­tiert, kann kei­nes­falls ein Ansatz für eine patrio­tisch-alter­na­ti­ve Poli­tik in Deutsch­land sein.

– – –

Die­se knap­pe Argu­men­ta­ti­ons­ket­te berührt nicht die Fra­ge nach dem israe­li­schen All­tag, nach dem Zugang zu den dor­ti­gen, für uns Chris­ten so wich­ti­gen reli­giö­sen Stät­ten, nach den his­to­ri­schen Bezü­gen und Ver­flech­tun­gen zwi­schen Isra­el und den deut­schen Juden. Schon gar nicht wird die eigent­li­che Fra­ge nach Ausch­witz berührt: Über sie habe ich – von geo­po­li­ti­schen Über­le­gun­gen frei – hier ein­mal geschrieben.

Götz Kubitschek

Götz Kubitschek leitet den Verlag Antaios

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Kommentare (43)

Waldgaenger aus Schwaben

11. Februar 2020 11:23

"Israel und Deutschland"
Viel Spaß bei diesem Glasperlenspiel. Es gibt fürwahr zur Zeit wichtigere Dinge zu diskutieren in Deutschland.

MaxMueller

11. Februar 2020 11:55

Danke Herr Kubitschek für die grandiose Zusammenfassung des Nahostkonflikts und seiner Kontrahenten. Das Problem ist dass Deutschland für Geopolitik noch nie auch nur den Hauch eines Talents hatte und somit immer Spielball bleibt.

Franz Bettinger

11. Februar 2020 12:02

Diese glasklare Analyse hat mir einige Spinnweben aus dem Hirn geblasen. Merci.

RMH

11. Februar 2020 12:08

Grundsätzlich sehr logischer und stringenter Beitrag, der dennoch kleinere Schwachpunkte und sogar aus meiner Sicht einen echten Fehler hat:

"und Israel will aus Sicherheitserwägungen die weitere Herrschaft von Erbfeind Assad unter allen Umständen unterbinden."

Diese These halte ich für nicht haltbar. Israel hatte mit Assad vor dem Beginn des Bürgerkrieges selber keine ernsthaften Probleme und man lebte nach dem Motto, solange die Golanhöhen nicht angetastet werden, dann herrscht zumindest friedliche Koexistenz. Was jedoch Israel auf den Plan und auch zum teilweisen Eingreifen in Syrien veranlasst, ist offen erkennbar: Durch das Zuhilferufen von libanesischen, vom Iran gesteuerten Milizen und dem Iran selber durch das Assad Regime, trat der wirkliche Gegner Israels in Syrien und damit unmittelbar direkt vor der Haustür Israels auf den Plan - und das eben auch noch zusätzlich zu den Positionen, die der Iran im Libanon, vor den Toren Israels, ohnehin schon eingenommen hatte. Das Israel dann seine Interessen wahrt, dürfte mithin nachvollziehbar sein. Das israelische Engagement in Syrien ist auch stets gegen den Iran gerichtet und hat bislang noch nie die russischen Truppen betroffen. Im Gegenteil, Israel und Russland pflegen nach wie vor solide bis gute Beziehungen. Wie man Israel, welches ja erst recht spät und nur punktuell und dann auch noch sehr geringfügig in Syrien mitgemischt hat, überhaupt in irgendeiner Form einen Verursachungsbeitrag für die Flüchtlinge aus Syrien zuweisen kann, ist für mich inhaltlich nicht nachvollziehbar.

Die Analyse schwächelt m.M.n. auch an der zu geringen Gewichtung der Rolle des Irans, der alles andere als ein prinzipiell friedliches oder gar nur auf Wahrung der eigenen, auf das eigene Territorium beschränkten Interessen, gerichtetes Spiel spielt. Die "islamische Revolution" der Schiiten des Irans hat - wie so viele Revolutionen - den Anspruch nicht nur das eigene Land zu erfassen (dann könnte es einem ja in der Tat mehr oder weniger egal sein), sondern mindestens eben alle schiitischen Moslems und stellt damit eine (aber naturgemäß gerade eben nur EINE von MEHREREN!) der Quellen für die permanente Unruhe im nahen und mittleren Osten dar.

Was gleichfalls nicht differenziert im Artikel dargestellt wird, ist die Rolle außenpolitischer Einordnungen im Verhältnis zur Innenpolitik. Hier ist vereinfachend und realistischerweise darauf hinzuweisen, dass die Haltung der AfD zu Israel sicher nicht die Politik Israels auch nur um ein Jota zu beeinflussen mag (man könnte auch das Bild vom berühmten Sack Reis in China bemühen), aber den Luxus, sich bspw. eine dezidiert "antizionistische" oder gar pro-palästinensische Haltung leisten zu können, wie es auf Seiten von Links bis Grün bis teilweise zur Merkel-Administration gemacht werden kann, kann sich eine rechts-konservative Partei in Deutschland, die unter Dauer-Nazi-Beschuss steht, schlicht nicht erlauben. Hier wäre dann eher die Stilfrage zu stellen, ob man dieses Spielfeld dann überhaupt intensiver bespielen muss. Aus meiner persönlichen Sicht würde ich sagen, ja, man darf es bespielen, aber nicht intensiv und es sollte kein Schwerpunkt sein oder gar Thema von echten Kampagnen. Aber ggf. wird ein solches, teilweises "Bespielen" des Themas auch von den Leuten, die ohnehin eher gegen USA und Israel eingestellt sind, besonders sensibel wahrgenommen und aufgrund dieser Sensibilität dann auch in eine nicht richtige Verhältnismäßigkeit zu den übrigen Feldern der Politik, die die eigentlichen Schwerpunkte der AfD nach wie vor darstellen, gesetzt. Hier kann ich nur raten.

Im Übrigen schaffen andere Länder es auch, ihre Grenzen zu schützen, Asylverfahren zügig und ohne große Zuwendungen an die Migranten zu erledigen, ohne deshalb sich gegen die USA oder Israel richten zu müssen. Hier sei an die Visegrad-Staaten erinnert (allesamt pro USA).

Man greift also ein kleines bisschen zu kurz, wenn man auf die teilweise Verantwortlichen des Unfriedens im nahen Osten verweist und dabei die primär Verantwortlichen für das Scheitern der eigenen Grenzsicherung und Asyl- und Migrationspolitik - wenn auch unbeabsichtigt - aus der Verantwortung nimmt. Auch hier schneidet sich das Außenpolitische wieder mit dem Innenpolitischen. Die Administration Merkel kann keinen Gramm Entlastung dadurch bekommen, weil andere im nahen Osten Unfrieden stiften oder gestiftet haben. Diese Umstände könnten allenfalls im Rahmen einer hypothetischen Strafzumessung, wenn sich die Merkel-Administration denn jemals gerichtlich verantworten müsste (ich glaube nicht daran), Berücksichtigung finden, ändern aber nichts an der historisch einmaligen Schuld, unser Land über Jahre einer ungeregelten Migration, die gegen bereits bestandenes und bestehendes Recht verstoßen hat und verstößt, auszusetzen. An diesem Grundsatzversagen ändert es auch nichts, wenn man darüber philosophiert, wer denn die Migranten einstmals in Bewegung gesetzt hat. Diese Frage wäre aber dann wichtig, wenn man es einmal wagen würde, den in Frage kommenden Ländern die Kosten für die hier aufgenommen Flüchtlinge in Rechnung zu stellen.

Homeland

11. Februar 2020 12:15

Besten Dank für diese auch im Detail nachvollziehbaren Einsortierungen. Ich betrachte diese als zum Teil unverwirklichte, ggf. durchaus erstrebenenswerte Zielmarken, die, und darum ging es, eine Diskussion über die Wege dorthin eröffnen sollte. Grundlegend erscheint die Frage, inwieweit Deutschland Bündnisse braucht, auflösen und/oder eingehen sollte. Vielleicht kann Lichtmesz dazu eine Meinung vortragen.

Ein gebuertiger Hesse

11. Februar 2020 12:20

Und jetzt, nach diesem Grundsatztext, möchte man sich wünschen, daß Meuthen, Bystron und von Storch auf die Bühne treten und konkret, ohne rhetorisches Ausweichen, auf die fünf Punkte antworten. Bevor dann erneut Kubitschek das Wort erhält. Es wäre die Diskussion des Jahres! Aber wie es eben so geht: Leute, die ansonsten ständig den Dialog einfordern, sind bei diesem essentiellen Thema vielleicht nicht unbedingt greifbar.

ALD

11. Februar 2020 12:20

Ich würde gerne Thesen aus einem bewußt auch türkischen Blickwinkel ergänzen und lade ein zur Diskussion:

1. Es gibt keine gemeinsame sunnitische Agenda. Saudi-Arabien und die Türkei sind geopolitische und ideologische Kontrahenten, um nicht zu sagen Feinde. Hingegen ist die Ursache für die unnatürliche und wider aller geopolitischen Gesetzmäßigkeiten erfolgte Distanz der Türkei zum Iran nur durch die wiederum unnatürliche West-/ Natoeinbindung der Türkei erfolgt. Die historischen kulturell-ethnischen Beziehungen zwischen dem Iran und der Türkei verhalten sich ähnlich wie die zwischen Deutschland und Frankreich. Nur, daß es seit dem Kasr-i-Shirin-Abkommen von 1639 keine nennenswerten Grenzauseinandersetzungen zwischen beiden Staaten bzw. ihren Vorgängern gab. Das iranische Staatsoberhaupt Khamenei beispielsweise ist ein ethnischer Türke. So auch der Generalstabschef der iranischen Armee, Mohammad Bagheri.

2. Richtig ist, daß Saudi-Arabien durch defacto amerikanische Ölmilliarden massiv fundamentalistische Moscheen und Vereine auf der ganzen Welt finanziert, vor allem in Europa. Falsch ist, daß die Türkei dies in dieser Form tut (Ausnahme sind die Finanzierung von Restaurierungen osmanischer Kulturgüter auf dem Balkan bei gleichzeitiger massiver Aufstockung des Budgets zur Restaurierung christlich-orthodoxer Kulturgüter in der Türkei unter der AKP-Regierung). Die Türkei hat bisher hauptsächlich nur Imame nach Deutschland geschickt und vergütet, da in Deutschland schlichtweg keine ausgebildet werden/wurden. Was die Finanzierung türkischer Moscheen betrifft, lief es in den vergangenen Jahrzehnten sogar exakt andersherum: jeder türkische Gastarbeiter/Migrant weiß, wie religiöse türkische Vereine an Flughäfen, in Vereinen, in Moscheen usw. Spenden bei den türkischen Gastarbeitern sammelten, unzwar für Moscheebauprojekte IN DER TÜRKEI. Der türkische Verein Ditib hat im Übrigen 150.000 Mitglieder in Deutschland. Wenn jedes Mitglied nur 3 Euro/Monat spenden würde, ließe sich, ohne auch nur einen Cent aus der Türkei zu erhalten, quasi jeden Monat eine neue Moschee in Deutschland bauen, was ich ausdrücklich NICHT begrüßen würde!

3. Richtig ist, daß die Türkei als Vasall us-amerikanischer und v.a. israelischer geostrategischer Interessen an der Destabilisierung Syriens mitgewirkt hatte. Mittlerweile verfolgt die Türkei allerdings eine souveräne Syrienpolitik im eigenen nationalen Interesse und gegen die Interessen der USA und Israel. Das ist Fakt. Vergessen sollte man zudem nicht, daß die Bevölkerung Syriens von 23 Millionen vor dem Krieg auf nunmehr ca. 12 Millionen geschrumpft ist. Ein massives Versagen und Verbrechen gegen die eigene Bevölkerung vonseiten der syrischen Regierung ist unbestreitbar.
Erdogan indes spielt mit osmanischer Symbolik und Rhetorik, aber Fakt ist auch; weder aus seiner konkreten Politik, noch aus dem AKP-Parteiprogramm lässt sich auch nur im entfernsten eine staatspolitische Agenda ableiten, die als "Wiederaufrichten des Osmanischen Reichs" bezeichnet werden könnte. Dies ist nichts weiter als durch das leider oft poserhafte Auftreten Erdogans begünstigte antitürkische Propaganda. In Wirklichkeit läuft es, wenn auch mit gelegentlichen Rückschritten (wie just in diesen Tagen), mittel- bis langfristig auf eine enge wirtschaftliche, kulturelle und politische Kooperation der Türkei mit den Nachbarn, insbesondere mit dem Iran, Aserbaidschan und Irak (später einmal auch Syrien) hinaus, bei der die Türkei natürlich eine führende Rolle einnehmen wird, aber sicher nicht als militärische Ordnungsmacht. Alles andere ist heiße Luft.
Erdogan ist heute für die Türkei das, was Höcke Morgen für Deutschland sein will. Nichts anderes.

4. Gegenthese: Der wichtigste Kooperationspartner Deutschlands im mittleren Osten/Westasien ist die Republik Türkei. Wer das nicht begreift, wird sich noch öfter den Vorwurf der Naivität und des Eingelulltwordenseins gefallen lassen müssen. Letztlich ließe sich mit einer Nation, die über eine über 2000-jährige staatspolitische und diplomatische Historie verfügt und seit 150-Jahren beste Beziehungen zur Deutschen Nation pflegt, über alles vernünftig und auf Augenhöhe verhandeln. Auch über eine geordnete Remigration von türkischen Volksgenossen in ihre ursprüngliche Heimat. Feindseligkeit und Arroganz waren nie ein gutes Mittel im Umgang mit Türken. Fragen Sie die Engländer.

Maiordomus

11. Februar 2020 12:22

@Kubitschek. Eine stringente Argumentation eines Autors, der, was bei Schreibenden vielleicht nur ausnahmsweise vorkommt, politisch und strategisch denken kann. Es gibt jedoch einen dogmatischen Hintergrund, der ausserhalb der deutschen Rechten in Deutschland nun mal nicht akzeptiert wird: Ihre quasi axiomatische Überzeugung, dass die Ersetzung mangelnden deutschen Nachwuchses (von "Fachkräften" reden nur Phraseologen oder Satiriker) durch Einwanderung aus dem besagten Raum nicht im deutschen Interesse liege. Wenn man diese Ihre Ausgangsbasis nicht teilt, sondern von der entsprechenden kulturellen "Bereicherung" (für den Sozialstaat ist es eher keine) überzeugt ist oder gemäss Schäuble in nicht gerade intelligenter Umkehr des Nationalsozialismus gegen die innergermanische "Inzucht" ankämpfen will, kann man diese Analyse natürlich nicht unterschreiben. Die nüchternen politisch professionellen Erörterungen von Kubitschek, im Vergleich zu denen ein Fernsehpolitologe, der Merkel gestern "liberal" nannte, auf dem Mars lebt, muss trotzdem nicht schon in jedem Punkt ausgereift sein. Sie beruht aber unzweifelhaft auf einer politisch rationalen Grundlage, einschliesslich eines durchaus ungetarnten weltanschaulichen Hintergrundes. Derselbe wird aber zur Garantie eines Diskurs- und Frageverbotes in der Öffentlichkeit bar von Hintergrundwissen über Totalitarismus als "Nazi" eingeschätzt. Es ergibt sich aber wissenschaftlich-politologisch in keiner Weise der Eindruck , dass dieser Artikel nicht im Sinn nüchterner politischer Vernunft geschrieben wäre. Solche Argumentationen, das zentrale Denken Kubitscheks und anderer in einem zentralen Punkt treffend, als "antidemokratisch" einzuschätzen und dem Geiste und Buchstaben des Grundgesetzes zuwider, lässt sich wohl weder mit historischen noch soziologischen noch juristischen Gründen als zutreffend ausweisen. Eine solche Analyse, aus der man natürlich im Rahmen von Wahlen unterschiedliche Konsequenzen ziehen könnte, unterbinden oder wenigstens als legitimen Standpunkt als Teil des demokratischen Spektrums zu verleugnen, erschiene wohl eher als demokratiefeindlich, verfassungsfeindlich und im tatsächlichen Sinne extremistisch.

PS. So in der Art der "Krebsgeschwür"-Argumentation betr. Werte-Union innerhalb der CDU usw. Maximilian Krah hat übrigens den Nachweis erbracht, dass Erdogans Forderung nach Rückgängigmachung einer Wahl wegen tatsächlicher Unregelmässigkeiten mehr Hand und Fuss hatte als die entsprechende Aussage Merkels. Auch scheint mir der Rücktritt infolge Gratulation nun mal nicht im bloss analogen Sinn eine klar stalinistische Massnahme zu sein. Noch etwas: wegen ihrer zum Teil vernünftigen Auffassungen, die im Rahmen des Kommunismus jederzeit möglich sind, haben einige Querfrontillusionisten vergessen, dass Sarah Wagenknecht selbstverständlich eine bekennende Kommunistin ist, die ihre Haltung nie in Frage gestellt hat Dies schliesst im Hinblick auf zustimmungsfähige Resultate in keiner Weise aus, dass Kommunisten im Einzelfall bzw. bei einer speziellen Konstellation wie alle anderen Parlamentsmitglieder zu vernünftigen Parlamentsentscheidungen oder überhaupt zu vernünftiger Politik beitragen können. Schliesslich war in Ungarn auch Imre Nagy, einer der Freiheitshelden von 1956, lebenslang Kommunist, 1958 von Stalinisten hingerichtet als Nationalkommunist.

Benjamin Kaiser

11. Februar 2020 12:43

Sinnvoll vielleicht auch, sich gedanklich von der in Deutschland verbreiteten Gleichsetzung Israel = Judentum freizumachen. Weder die zionistische Bewegung, noch später der Staat Israel waren jemals Stellvertreter aller Juden, auch wenn gerne aus strategischen Gründen der Anschein erweckt wurde.

Die Kritik an der israelischen Innen- als auch Außenpolitik ist unter Juden immens. Ein interessanter Artikel zum Israel-Patriotismus der Antideutschen in Deutschland findet sich in der Zeitschrift Haaretz:

“I met Thomas, an ardent young German, more than a decade ago at a radical-left demonstration in Berlin protesting the commemorative celebrations of the anniversary of Germany’s reunification. […] Thomas explained: “I am anti-nationalist and I hate every flag, other than the Israeli flag, because Israel is the answer to fascism.”

https://www.haaretz.com/world-news/.premium-germany-s-pro-israel-left-has-a-new-target-in-the-crosshairs-jews-1.8438634

Eindrücklich wird hier beschrieben, wer sich aus welchen Gründen zum Spielball welcher Interessen machen lässt.

Andreas Walter

11. Februar 2020 12:46

Das ist leider richtig. Es werden aber auch noch andere Sicherheitsaspekt den Deutschen nicht zugestanden, die für Länder wie Israel, die VSA und noch einige mehr selbstverständlich sind. Themen, die darum alle auf die aussen- wie auch sicherheitspolitische Agenda einer wirklich deutschen Regierung gehören.

Der_Juergen

11. Februar 2020 12:53

Ich finde diesen Artikel sachlich und überzeugend. Hinzugefügt hätte ich an Kubitscheks Stelle noch, dass es eines deutschen Patrioten unwürdig ist, sich bei einem Staat anzubiedern, der für jede nationale Regung in Deutschland nur wüste Schmähungen übrig hat.

Dies heisst nicht, dass sich eine patriotisch-oppositionelle Kraft wie die AFD "antizionistisch" oder "propalästinensisch" gebärden müsste; in diesem Punkt gebe ich @RMH recht. Sie sollte einfach eine Politik der Neutralität befolgen. Gegen den Iran zu hetzen und den Mord an General Soleimani zu bejubeln, wie es gewisse AFD-Politiker und Leute von PI tun (immerhin durfte Kewil bei PI eine alternative Meinung ausdrücken), kann nur Verachtung hervorrufen.

Andreas Walter

11. Februar 2020 13:03

@RMH

Da sind Sie nicht ganz auf dem Stand der Dinge. Der Konflikt begann mit Folgendem, lange Zeit vollkommen unbemerkt von der Öffentlichkeit:

https://en.wikipedia.org/wiki/Operation_Outside_the_Box

Israel hat 2018 zugegeben, den Angriff durchgeführt zu haben, hatte 2004 angeblich erstmals geheimdienstliche Information darüber erhalten.

Lotta Vorbeck

11. Februar 2020 13:37

@Waldgaenger aus Schwaben - 11. Februar 2020 - 11:23 AM

"... Es gibt fürwahr zur Zeit wichtigere Dinge zu diskutieren in Deutschland."

~~~~~~~~~~~

Als da wären?

Maiordomus

11. Februar 2020 13:42

@RMH. Ihr Beitrag zeigt auf, dass die Stärke des Artikels von @Kubitschek in der grundsätzlichen Auslegeordnung im Sinne eines Primats der Politik liegt: eher im Bereich der Schachbrettregeln als dass von einer im Detail korrekten und optimalen Strategie in der laufenden Schachpartie gesprochen werden könnte. (Ich verwende Kubitscheks treffende Ausdrucksweise in seinem deutschlandweit beachteten Artikel über die Wahl in Thüringen.) Als noch unausgereift können, wie @RMH (Irrtümer vorbehalten) mit Recht moniert, da und dort die Einschätzungen der einzelnen Schachfiguren im Nahen Osten gelten. So zum Beispiel die Sache mit dem Verhältnis Israels zu den Assads. Hier müssten, angesichts der vertrackt komplizierten und vielfach wechselnden Lage in der dortigen Weltgegend, genauere und ausführlichere Erörterungen nachfolgen. Lesen bringt manchmal mehr als Reisen. So hat Immanuel Kant 1789/90 von Königsberg aus besser verstanden, was damals in Paris ablief als die meisten in Frankreichs Hauptstadt handelnden Protagonisten des Weltgeistes, welche, ohne dass sie es hätten verstehen oder auch nur ahnen können, und selbst als Befürworter der Revolution tausendfach dann und wann um einen Kopf kürzer gemacht wurden. Weil sie nun mal nicht wussten und also erst recht nicht realisierten, was in einer Revolution abläuft, erging es auch mindestens hundert Zentralkomiteemitgliedern aus dem Umfeld Lenins ähnlich. Ihre Illusionen endeten im Genickschuss, wie diejenigen SA-Männer, die sich am 30. Juni 1934 mit den Worten "Heil Hitler!" von Bruderkugeln ins Jenseits befördern liessen. In der welthistorisch weniger dramatischen deutschen Parteienlandschaft gehe ich davon aus, dass jede Menge Kader, Mitglieder und Wähler der CDU ihrerseits kaum oder gewiss nicht ausreichend verstehen, diese ganz besonders nicht, was derzeit in ihrem Lande abläuft. (Ausnahmen findet man allerdings bei einigen wenigen in Thüringen, die sich unerschrocken genug ganz unten beim zwar verwirrten Wahlkörper herumhören.)

@imagine. Sie waren neulich beleidigt bei der Frage, auf welche Weise Sie allenfalls konkret im Geistigen oder gar im politischen Alltag, auch im Kleinen, etwas bewegen könnten oder bewegt haben. Eine solche Frage kann eigentlich für niemanden beleidigend sein. @Kubitschek scheint mir ein Beispiel dafür zu sein, wie jeder an seiner Stelle die ihm mögliche politische Verantwortung realisiert, selbst wenn vielleicht nicht sehr viele auf einen wie ihn hören. Seine kritisierbaren und hier kritisierten (er heisst nicht Merkel), aber in die Tiefe gehenden Analysen sind substanzieller als dreimal täglich in der Art der rechten youbube- und sonstigen "Analytiker" als entweder plump altmodische oder dann bubenhafte Agitatoren den eigenen Senf zur Sache zu geben. Noch dazu sind viele dieser Video-Apostel erst noch miserable Rhetoriker wie der "äh"-Stammler und notorische Schwätzer, der sich "Digitaler Chronist" schimpft, leider auch der brave Privatinvestor Gärtner, der vorerst mal ein paar Minuten erklärt, warum er sein Video nicht schon vor ein paar Stunden der Menschheit vermittelt habe, bei aller Bravheit ein hauptberuflicher Langweiler. Wenn Carsten und Tim gemeinsam ihr ungepflegtes Übergewicht präsentieren und einander gesprächsweise auf die Schulter klopfen, kann nur noch von Realsatire die Rede sein. Ein begabter und sicher intelligenter Rhetoriker mit Ansätzen zu politischem Instinkt bleibt Sellner, der aber gerade in letzter Zeit dem Kubitschek-Motto "Meyn Geduld hat ursach" durch häufige und aufgeregte Auftritte und den immer wieder nämlichen empörten Wortschatz hinter seinen Möglichkeiten zurückblieb. Sich zum Beispiel, wie Broder, nur einmal wöchentlich zu äussern (was immer noch genügend mittelmässige Wortmeldungen generiert), sollte schon deswegen genügen, weil man als jüngeres Talent unbedingt noch, und zwar der Sache zuliebe, an seinem "metapolitischen" Selbstaufbau unbedingt noch arbeiten muss. Dies gilt zumal dann, wenn man dieses Wort täglich im Munde führt. Der Durchschnittswähler, an den man ja über das "eigene Lager" hinaus appelliert, wird diesen etwas wichtigtuerisch in die Welt hinausposaunten Begriff in der Regel nicht verstehen. Was Thüringen betrifft, hatte jedoch der wirklich begabte Politiker Herbert Kickl einen noch starken Auftritt. Auf den ersten Blick denkt man: Was mischt der sich in deutsche Angelegenheiten ein? In Wirklichkeit ist die effektivste Folge der schwarzgrünen Koalition in seinem Land in der Tat eine drohende Ausgrenzung der Rechten, wie es diese in den letzten 30 Jahren wohl noch nie gab. Dies realisiert Kickl, und darum geht ihn und sein Lager dieser Konflikt zutiefst was an.

Lotta Vorbeck

11. Februar 2020 13:46

@MaxMueller - 11. Februar 2020 - 11:55 AM

"... Das Problem ist dass Deutschland für Geopolitik noch nie auch nur den Hauch eines Talents hatte und somit immer Spielball bleibt."

~~~~~~~~~~~~

"Bismarck, der fließend Englisch und Französisch sprach, lernte auch bald Russisch hinzu. Wegen seines Witzes und seiner Schlagfertigkeit öffneten sich ihm als amüsantem Unterhalter bald Tür und Tor bis in die höchsten Kreise. Auch den Zaren hatte er durch sein offenes Wesen bald für sich gewonnen. Alexander II. zeichnete Bismarck betont vor den anderen Vertretern der 39 Staaten des Deutschen Bundes aus, und Bismarck fühlte sich wohl in der warmherzigen Gastfreundschaft der Russen, obwohl er schon damals bei der jüngeren Generation eine gewisse Abneigung gegen Deutschland feststellen musste.

...

In den drei Jahren seines Petersburger Aufenthalts lernte Bismarck Land und Leute kennen. Er verstand es, Beziehungen anzuknüpfen, die ihm später als preußischer Ministerpräsident und deutscher Reichskanzler so nützlich werden sollten. "Er lebte mit den Russen," schreibt Leo Sievers, "und lernte mit den Russen zu denken und sie zu verstehen." Am 24. Mai 1862 holte König Wilhelm Bismarck aus Petersburg zurück und ernannte ihn zum Gesandten in Paris. Dort verbrachte er nur vier Monate, bis ihn der König am 24. September zum Staatsminister ernannte. Damit hatte er die Ausgangsbasis gewonnen, um aus dem preußischen Kernland den Jahrhunderte alten Traum der Deutschen zu verwirklichen: Die Schaffung eines einigen und starken, in der Welt geachteten deutschen Reiches. Es war nicht die von den Streitern der Freiheitskriege ersehnte großdeutsche Lösung. Aber in Anbetracht der vielen damals zu Österreich gehörenden Fremdvölker wäre dem Realpolitiker die Erfüllung dieses Wunsches unmöglich gewesen."

Quelle: http://www.lexikus.de/bibliothek/Deutsche-helfen-Russland-bauen/Teil-14-Bismarck-und-sein-Verhaeltnis-zu-Russland

marcus

11. Februar 2020 13:59

Sehr geehrter Herr Kubitschek,
danke für den präzisen Artikel.

"Israel ist ein bis an die Zähne bewaffneter, wehrhafter, kriegserfahrener Staat.."
Eben. Wäre das nicht so, würde dieser Staat und das zugehörige Volk heute wohl nicht mehr existieren.

"...hinter dem mit den USA die stärkste Militärmacht der Welt steht."

Im Ernstfall wurde auch Israel von den USA im Regen stehen gelassen. Die USA haben weder 48 noch 67 noch 73 für Israel aktiv in einen Krieg eingegriffen obwohl der Judenstaat jedesmal mit dem Rücken zur Wand stand. Sämtliche Gebietsabtretungen Israels an die palästinensische Araber fanden unter US-amerikanischer Vermittlung statt.

Israel kann sich bis heute nur auf sich selber verlassen. Was "israelhysterische Deutsche" (wer ist damit eigentlich gemeint?) deutsche Außenpolitiker, Kanzler, Journalisten und sonst noch wer über israelische Sicherheitspolitik äußern, interessiert in Jerusalem niemanden auch nur einen feuchten Kehricht. Und das ist auch gut so!

Israel letztendlich eine Mitverantwortung dafür zu geben, dass die relative Freiheit der Christen unter Assad jetzt nicht mehr existiert halte ich für fatal. Verantwortlich für die tragische Lage der Christen im Nahen Osten ist der Islam. Und zwar schon seit Jahrhunderten.

Bezüglich des Verhältnisses Israel - Assad stimme ich RMH voll zu.

@ Benjamin Kaiser
Die Haaretz ist so etwas wie die israelische SZ oder FR und eine von knapp 17 (lt.Wikipedia) Tageszeitungen dort. In Deutschland wird sie wegen ihrer Likud-kritischen Haltung gerne zitiert und wohl auch weil sie auf Englisch erscheint.
Ich weiß nicht ob diese Stimme und das durchgeknallte Zitat eines politisch unreifen Jugendlichen wirklich relevant sind.

Beste Grüße
marcus

Adler und Drache

11. Februar 2020 14:07

Die Sache hat einen Haken: Aus dieser Perspektive würde Israel eine Politik unterstützen, die europäische Juden massiv gefährdet. Ist diese Annahme sinnvoll? Sie ließe sich m.E. nur durch eine der folgenden beiden Annahmen erklären:
1. Israel sind die europäischen Juden egal.
2. Man nimmt die Gefährdung europäischer Juden in Kauf, weil man auf ihre Einwanderung nach Israel hofft.
Oder wie ließe es sich sonst erklären?

Lotta Vorbeck

11. Februar 2020 14:08

@RMH - 11. Februar 2020 - 12:08 PM

"... Das Israel dann seine Interessen wahrt, dürfte mithin nachvollziehbar sein. Das israelische Engagement in Syrien ist auch stets gegen den Iran gerichtet und hat bislang noch nie die russischen Truppen betroffen. ..."

~~~

Ach ja? - Ganz gewiß werter @RMH, so man denn über den Verlust einer IL 20, wobei 14 russische Soldaten zu Tode kamen, großzügig hinweg zu sehen vermag:

Russland zu Israel: "Sie sind für den Abschuss der IL-20 und den Tod der Crew verantwortlich"

18.09.2018 • 10:00 Uhr

Ein Flugzeug vom Typ Iljuschin-20 mit 14 Soldaten an Bord verschwand während eines Angriffs von vier israelischen Jets auf die syrische Provinz Latakia vom Radar. Alle Insassen sollen tot sein. Das russische Verteidigungsministerium sieht Israel in der Verantwortung.
Die Fluglotsen der Hmeimim Airbase "verloren Kontakt" zum Flugzeug am Montagabend, während eines Angriffs von israelischen F-16-Kampfjets auf Latakia, sagte der MOD. Das Flugzeug befand sich 35 Kilometer vor der syrischen Küste, als es verschwand. Russisches Radar hat am Abend des 17. Septembers auch Raketenstarts einer französischen Fregatte im Mittelmeer registriert. Zum Zeitpunkt des Verschwindens des Flugzeugs befanden sich insgesamt 14 Personen an Bord. Eine Such- und Rettungsmission ist im Gange.

Von Seiten des russischen Militärs heißt es, eine israelische F-16 habe die russische Militärmaschine als Deckung genutzt. Dadurch kam es zum Abschuss der IL-20 durch eine syrische S-200-Boden-Luft-Rakete.

Moskau behält sich das Recht vor, entsprechend zu reagieren:

Wir betrachten diese provokativen Aktionen Israels als feindselig. Fünfzehn russische Militärangehörige sind wegen der unverantwortlichen Aktionen des israelischen Militärs gestorben. Das widerspricht gänzlich dem Geist der russisch-israelischen Partnerschaft. Wir behalten uns das Recht auf eine angemessene Antwort vor.

Quelle: https://deutsch.rt.com/international/76208-nach-militaerflugzeugabsturz-russisches-verteidigungsministerium-macht/

RMH

11. Februar 2020 15:12

@Lotta Vorbeck,

diesen Vorfall hatte ich nicht auf dem Schirm, beim recht schnellen Schreiben meines ersten Beitrages, aber er ändert nichts an der von mir vertretenen These, dass es stabile und z.T. gute Beziehungen zwischen Israel und Russland gibt, was ja sogar in der von Ihnen zitierten russischen Quelle bestätigt wird, in der ausdrücklich von einer russisch-israelischen "Partnerschaft" (!) gesprochen wird. Seitdem ist über ein Jahr vergangen und ich denke, die Abstimmung zwischen Russland und Israel, was Syrien angeht, läuft auf guten Kanälen, da brauchen wir uns hier sicher nicht die Köpfe zu zerbrechen, denn da sind 2 Profis am Werk.

@Andreas Walter,

was hat dieser Vorfall mit dem syrischen Bürgerkrieg, der die Flüchtlingsströme aus diesem Land auslöste, zu tun?

Israel hat hier den Aufbau atomarer Kapazitäten zerschlagen, so wie es das bereits 1981 im Irak getan hat (ohne das dies zu einem Krieg zwischen den Ländern führte, geschweige denn zu Flüchtlingsströmen) und wie es das ohne den internationalen Druck (insbesondere durch die USA!) sowie den über Jahre hinweg bestandenen militärischen Unwägbarkeiten wohl auch schon längstens im Iran gemacht hätte.

Es ist aus heutiger Sicht müssig, darüber zu spekulieren, ob ein Angriff Israels vor dem Atomabkommen mit dem Iran in den Jahren 2015/16 nicht evtl. sogar besser gewesen wäre. Ich vermute, viele Falken in Israel sehen sich angesichts der derzeitigen Lage darin bestätigt, dass es aus Sicht Israels besser gewesen wäre, schon sehr früh die atomaren Anlagen im Iran auszuschalten und dem Druck der USA (Obama Administration!) stand zu halten.

Augustinus

11. Februar 2020 15:35

Natürlich ist es unangenehm, wenn man durch Stolpersteine, ständig auf seine Schuld aufmerksam gemacht wird. Problematisch finde ich es, wenn man als Reaktion auf den Schuldkult in einen Gegen-Schuldkult abdriftet, wenn man beispielsweise in der Israel-Kritik überzieht.

Die Palästinenser-Affinität und der Multikulturalismus der Linken (teilweise auch der Rechten) basiert auf dem ganz simplen Psycho-Mechanismus der Schuldkompensation.

Der YouTuber Hyperion hat zu diesem Thema aus Migrantensicht ein interessantes Video gemacht:

https://www.youtube.com/watch?v=FJfJoMHuVPc&t=258s

Allerdings teile ich Hyperions Standpunkt nicht, weil bekanntlich auch Adoptivkinder die Eigenschaften ihrer Eltern übernehmen. Allein die Verwendung der Deutschen Sprache (auch innerlich - in Gedanken und Träumen) verbindet ihn mit den Deutschen Vorfahren.

Maiordomus

11. Februar 2020 15:40

@Lotta Vorbeck. Ja, Bismarck war auf diesem Gebiet, dem Geostrategischen, ein Gigant. Vernünftige Innenpolitik und vernünftige Weltpolitik müssten, wie Kubitschek oben intelligent ausführt, in einem Zusammenhang stehen. Wie weit ist dies Bismarck gelungen? Es dürfte, auch zur Einschätzung Merkels, hier einen kleinen Exkurs wert sein.

Wenig bekannt ist, dass Bismarck, bei klaren Ungeschicklichkeiten im innenpolitischen Umgang mit den Sozialisten und den Römisch-Katholischen, als Kolonialpolitiker und in seiner Einstellung zu den christlichen Missionen sich gegenüber den fortschrittlichen Überlegungen etwa des Missionstheoretikers Pater Andres Amrhein, (Benediktiner von Beuron und St. Ottilien) aufgeschlossen zeigte. (Selber schrieb ich im Herbst 1968 eine historische Seminararbeit über Bismarck)

Innenpolitisch hat Bismarck aber sicher nicht alles richtig gemacht. Dabei muss man anerkennen: sowohl der Kulturkampf wie auch die Abwehr des Sozialismus hatten aus der Zeit heraus ihre historische Berechtigung, und zwar im Sinne einer Steuerung des Fortschritts durch vernünftige Massnahmen wie Virchows Krankenversicherung sowie dringend notwendige Änderungen im Bereich der von der katholischen Kirche bekämpften Änderung der zivilrechtlichen Gesetzgebung. Im Umgang mit der einschlägigen Opposition fehlte aber dem Staatsmann, ähnlich heute Merkel, aber die Klugheit gepaart mit Fingerspitzengefühl, was er auf dem internationalen Parkett - ohne es den realexistierenden Feinden Deutschlands recht machen zu wollen - noch und noch unter Beweis gestellt hat. Aussenpolitisch ist Merkel aber wohl alles andere als ein Bismarck, nur in dessen innenpolitischen Fehlern scheint sie nunmehr endlich "Ebenbürtigkeit" anzustreben, wenn sie nicht demnächst abgelöst wird.

Nun aber noch mal zu Bismarcks und der von deutschen Missionsbenediktinern in seinem Geiste betriebenen Afrikapolitik:

In Sachen Kulturkampf bleibt die Geschichte von Pater Andreas Amrhein vom Kloster Beuron, dem genialen Strategen der deutschen Afrika-Mission, in seiner Beziehung zu Bismarck ein Positiv-Punkt auch für den Kanzler. Amrheins Missionskonzept soll demselben gefallen haben. Der Pater stünde dafür sowohl in den Geschichtsbüchern wie auch im Heiligenkalender, hätte er nicht eine bei seinem Projekt mitarbeitende Priorin geschwängert. C'est la vie, sagt der Franzose.

Realpolitiker und Kulturkämpfer Bismarck war, und Pater Amrhein dachte sogar ähnlich, im Ernst der nicht falschen Meinung, dass religiös Eifrige bis Übereifrige sich am besten in die Kultur-Arbeit von Deutsch-Ostafrika einbringen sollten, und zwar mit kolonisatorischer Bildungs- und Ausbildungsarbeit. Das Konzept von Pater Andreas Amrhein, in Afrika nach dem Vorbild der frühmittelalterlichen Klöster nicht mit Pfarreien, sondern mit klösterlichen Kulturzentren einschliesslich Ausbildungsstätten für Handwerk und Bildung zu arbeiten, war ganz im Geiste von Bismarck. Grossartig auch der Kirchenbau der Missionare in Ostafrika, zum Beispiel mit Kirchturm-Uhren, was für Pater Amrhein und später noch für den Missionsbischof Gallus Steiger (ersetzte nach dem 1. Weltkrieg als Schweizer auf Wunsch der Engländer einen Deutschen) ein bedeutendes zivilisatorisches Anliegen war. Gemäss Max Weber war das Zeitbewusstsein, vgl. die einstige deutsche Pünktlichkeit, einer der wichtigsten Kulturfaktoren des ursprünglich monastischen, später protestantischen Christentums. Eine Erziehung zu westlicher Zivilisation, unentbehrlich für die Organisation von Menschenmassen im Sinne einer Welt, die gemäss Ernst Jünger von "Arbeitern" bevölkert wird. (Natürlich hätte man die Afrikaner auch "auf den Bäumen" belassen können, was die entsprechende Bevölkerungsvermehrung zumindest unter den Bedingungen des 19. Jahrhunderts verhindert hätte. So blieb es aber nun mal nicht.) Die christliche Mission bleibt, im westlichen Sinn, bis zum heutigen Tag, für Afrika nun mal eine die Verhältnisse modernisierende Kulturleistung, die nur Geschichtsanalphabeten in Frage stellen können. Missbräuche und Schweinereien, von Christentumskritikern mit Recht kritisiert, hin oder her. Wie auch immer, Bismarck hätte seine ihm für deutsche Politiker hinderlichen katholischen Kulturkämpfer am liebsten in Afrika sinnvoll eingesetzt. Für die Sozialisten und Anarchisten hatte er aber leider nicht gerade die passende Idee, wiewohl deren noch häufige Auswanderung nach Amerika ihm nicht ungelegen kann. Einer von diesen war ja der berühmte Anarchist Johann Most, einer der wichtigsten Theoretiker des Terrorismus, den diese richtig als "Propaganda durch die Tat" realisierte, also auf politologisch hohem Niveau. Es handelte sich für Most um die Erstellung "einer Speerspitze des Weltgeistes, gefüllt mit Sprengstoff". Dies kann man u.a. bei Gerd-Klaus Kaltenbrunners Herderbuch über die Geschichte des Terrorismus nachlesen. Zurück zu Bismarck: Er hatte es nicht leicht, und mit den Sozialisten und Katholen mehr Probleme als mit Politikern und Diplomaten auf internationalem Parkett.

A propos Pater Amhrein, auch Erfinder und Heiligenbildgrafiker: Für die Arbeit in klösterlichen Kulturzentren als Mittelpunkte der Kolonisation plädierte er für Doppel-Klöster, weil für eine umfassende Bildungs- und Caritas- und Spitalarbeit (im Sinne der früheren Johanniter), die Mitarbeit von Frauen unentbehrlich war. Dabei waren nun aber Vorkommnisse wie die Schwängerung der Priorin nun mal nicht auszuschliessen. Bedauerlicherweise konnte diese keineswegs kriminelle Geschichte nicht unter dem Deckel gehalten werde. Pater Amrhein starb dann zurückgezogen Ende der Zwanzigerjahre im Kloster Beuron. Für Historiker, welche die Missions- und Kolonialgeschichte vorurteilsfrei analysieren können, sind seine Verdienste eher höher zu veranschlagen als diejenige von St. Mutter Teresa, deren geistliche und karitative Karriere klar stärker auf einen Platz im Himmel ausgerichtet war.

Maiordomus

11. Februar 2020 17:04

@Korr. Johann Most, einer der wichtigsten Theoretiker des Terrorismus, d e n d i e s er (nämlich John Most) richtig als "Propaganda durch die Tat" realisierte. Für "Meta-Politiker": Es scheint mir keine Kleinigkeit, sich mit der Geistes- und Philosophiegeschichte des Terrors auseinanderzusetzen. Darüber haben sich Hegel, Bakunin, Marx, Lenin und eben als eigentlicher Klassiker der nach Amerika ausgewanderte Deutsche Johann Most ausgelassen. Die Begriffsschöpfung "Propaganda durch die Tat" darf man als grandiose, leider völlig zutreffende Formulierung anerkennen, bei allem Abscheu vor dem Terror. Als am 21. Februar 1970, also vor genau 50 Jahren, eine Coronado der Swissair durch eine von Palästinensern in die Tat umgesetzte Bombe (mit Höhenmesser) im Kanton Aargau an den Boden geholt wurde (Denkmal in Würenlingen), bekannten sich in Beirut drei (!) konkurrierende Organisationen zu der Tat, ja sogar sie erklärten "die Verantwortung dafür" (!!!) übernehmen zu wollen. Das Wichtigste am Terrorismus, ist, wie Hermann Lübbe in seinem Aufsatz "Freiheit und Terror" ausführte, ist das gute Gewissen, dass man, gemäss Himmlers wohl kaum zu toppender Aussage, auch im Angesicht von tausenden von Toten "anständig" blieb, weil man es nicht für sich, sondern "für die Sache" machte, eigentlich das, was wir "nach Kant alle sollten". Deswegen artikulierte im Zusammenhang mit dem "terreur" der französischen Revolution Kant das berühmte Wort von der "Traurigkeit angesichts böser Taten, welche die Menschen mit guter Meinung begehen". Hier kommt auch Kants Ethik gewissermassen an ihr Limit. Heute sind die primären Motivationen für ein terroristisches gutes Gewissen die Religion einerseits, im Verständnis des Dschihad, und der Antifaschismus andererseits, mehr und mehr wohl auch die Berufung, die Welt vor dem "Klimatod" zu retten.

Der Terrorakt vor 50 Jahren nahm mir damals für längere Zeit eine vier Jahre zuvor nach einer Palästinareise noch dank Direktgesprächen angeeignete Empathie für die Palästinenser, deren politische Vertreter mir nunmehr völlig unmöglich vorkamen. Die Parteinahme für Israel blieb in der Schweiz, eigentlich bis heute, Standard. Ein durchaus vernünftiger Politiker in dieser Sache war der Basler Ständerat der sozialdemokratischen Partei, Carl Miville, Sohn eines kommunistischen Nationalrates. Bald hundertjährig, ist der kluge Mann, auch Kenner der Basler Stadtmundart, noch am Leben. Er galt vor 20 bis 30 Jahren bei politischen Gegnern als "islamophob".

Lotta Vorbeck

11. Februar 2020 17:57

@RMH - 11. Februar 2020 - 03:12 PM

"... diesen Vorfall hatte ich nicht auf dem Schirm, beim recht schnellen Schreiben meines ersten Beitrages, aber er ändert nichts an der von mir vertretenen These, dass es stabile und z.T. gute Beziehungen zwischen Israel und Russland gibt,
...

da brauchen wir uns hier sicher nicht die Köpfe zu zerbrechen, denn da sind 2 Profis am Werk."

~~~

+++ Ja, @RHM, auch wenn speziell wir beide hier auf SiN nur höchst selten einer Meinung sind, deswegen müssen wir uns wahrlich nicht an die Gurgel gehen.

Der im syrischen Luftraum durch eine türkische Raketenbatterie erfolgte Abschuß eines russischen Kampfflugzeuges und der anschließende, durch türkeihörige Milizionäre verübte Lynchmord an dem russischen Piloten*, dem es gelungen war, sein getroffenes Flugzeug per Schleudersitz zu verlassen, hatte bisher keine (für uns sichtbaren) Konsequenzen. Die Türkei bekam unlängst gar noch neuestes Flugzeugabwehrgerät "Сделано в Pоссии" geliefert.

Trotz der beim Abschuß der IL 20 zu Tode gekommenen russischen Soldaten, zelebriert W.W.Putin eine "Partnerschaft" mit dem Bibi Netanjahu. Gleichzeitig paktiert Israel auf dem syrischen Kriegsschauplatz ziemlich unverhohlen mit den Feinden Russlands.

Ja, hier wird auf dem "Big-Chess-Board" [Peter Scholl-Latour] eine Partie geopolitisches Schach gespielt.
Ja, es sitzen sich Profis am Schachbrett gegenüber.
So wie sich W.W.Putin in dieser Partie bisher geschlagen hat, dürfen wir nahezu sicher sein, daß sowohl dem Bibi als auch dem Recep Tayyip zu gegebener Zeit eine erst noch zu fakturierende, in Moskau zu begleichende Rechnung präsentiert werden wird.

+++ @RHM: "... in der ausdrücklich von einer russisch-israelischen "Partnerschaft" (!) gesprochen wird. ..."

Über "Sputnik" oder "RT" in deutscher Sprache, oder über die die vom Kreml direkt betriebenen Netzseiten hat man in russischer und englischer Sprache Zugang zu den, sei es auf der großen mehrstündigen Jahrespressekonferenz oder zu anderen Anlässen, wie zuletzt die Eröffnung der Eisenbahnverbindung auf die Krim gehaltenen Reden, respektive den fragenden Journalisten gegebenen Antworten des Präsidenten der Russischen Föderation. Achten Sie bei solcher Gelegenheit doch bitte mal dezidiert darauf, wen Putin als "Partner" oder "unsere Partner" zu bezeichnen pflegt.

* siehe auch "Sonntagsheld (48) – Für die Jungs."
von Till-Lucas Wessels
veröffentlicht am 11. Februar 2018
https://sezession.de/58183/sonntagsheld-48-fuer-die-jungs

Andreas Walter

11. Februar 2020 18:13

@RMH

Der "syrische" Bürgerkrieg ist in etwa so "syrisch" wie der Bürgerkrieg in der Ukraine "ukrainisch" ist. Auch diese fromme Vorstellung sollten Sie daher aufgeben. Oder wer hat auch alle "Revolutionen" in den anderen arabischen Ländern ausgelöst? Wer mischt und mauschelt daher immer mit, von Hongkong bis Venezuela?

https://youtu.be/ZiY5FBI_5D8

Der Vergleich mit Bismarck anderer hier im Forum ist daher leider auch sinnlos, wenn man nicht den Rest dazu sieht. Das Deutsche Reich war für manche Kreise damals genauso auch nur ein Wirtschaftsprojekt wie heute die EU.

Maiordomus

11. Februar 2020 18:56

@Sellner. Siehe noch die obige Kritik, 13.42 Uhr, an den zum Teil hilflosen, zumal rhetorisch und im Auftreten schwachen rechten youtuber mit bescheidener politischer Substanz. Dass Sie, Sellner, eine andere Liga sind, zumal als politischer Rhetoriker, haben Sie heute mit dem Ramelow-Video, das keineswegs zum Beispiel auf den nächsten Montag verschoben werden konnte, gezeigt. Das m u s s t e in der Tat bekannt gemacht werden.

Wobei selbstverständlich in Russland die militärische, nicht die politische Stalin-Verehrung noch immer Zivilreligion ist, auch das muss man analysieren können, gehen Sie nur an einen beliebigen Kiosk selbst in der Weltstadt St. Petersburg.

Von Wien nach Dresden reisen wäre Übereifer eines Missionars. Es ist für Sie als Österreicher, wo Kickl, wie ich ebenfalls oben ausgeführt habe, eine sehr gefährliche Situation heraufdämmern sieht, wohl nicht das Wichtigste, dass Sie in Sachsen der Pegida unter die Arme greifen müssen. Sie hätten vor der eigenen Haustür genug zu tun, eine quasi international rechte Demonstration mit unvermeidlich damit verbundenem Übereifer, bringt nichts. Auch muss man sich über die Situation in Münster in Westfalen, die von einem AfD-Mann auf ausgezeichnete Art dokumentiert wurde, beileibe mehr Sorgen machen. Höcke, das hat er bewiesen, weiss sich selber zu helfen, und am meisten hilft es ihm, wenn er sich im eigenen Bundesland mit besonnenem Auftreten mehr Glaubwürdigkeit zu verschaffen versteht. Dies muss er nun gerade in dieser Situation beweisen, wofür ihm die Solidarität der österreichischen und sonstigen auswärtigen Rechten nichts hilft. Und natürlich muss sich ein jeder fragen, was er in der Vergangenheit falsch gemacht hat, vgl. den offenen Stalinverehrer Ramelow, mit Jahreszahl 2012. Das lässt sich mit der Mussoliniflasche eines jungen Mädchens ohne politisches Gewicht fürwahr nicht vergleichen! Es wäre wohl besser, statt an diese Demo zu reisen, endlich etwas Einkehr zu halten, vielleicht sogar mit langfristig und nachhaltig belehrender Lektüre.

Lumi

11. Februar 2020 19:13

Hallo @Maiordomus, ich will auf Ihren Beitrag vom 10. Februar um 12:29 in den "Notizen zur Wahl in Thüringen (2)" antworten; da dort Badeschluß ist, hoffe ich hier weiterplanschen zu dürfen. Es geht dort um ernsthafte wissenschaftliche Diskussionen und eine Haltung, "wie sie eines Akademikers oberhalb der Dummheitsschwelle würdig sein sollte." Paßt ja vielleicht.

Ich bin zwar auch Akademiker, aber ich bilde mir nichts darauf ein und habe häufig festgestellt, daß viele Mitglieder gerade dieser Kaste halsstarrig unterhalb der genannten Schwelle verharren … weil sie sich zu sehr mit Dünkel und Prestige beladen und sich an obrigkeitliche Erwartungen ketten, weswegen dann geistige Klimmzüge und klares Denken nicht mehr möglich sind.

Ich war mal auf einer Veranstaltung mit dem Historiker Ernst Nolte. Seine Bücher hatte ich nicht gelesen, aber er hat ja an dem Abend einige seiner Ideen ausgeführt. Natürlich ging es um die jüngere deutsche Geschichte. Er entwickelte Gedanken, wie mir schien, geschichtsphilosophischer Natur. Also was bedeutet die Geschichte, was ist der tiefere Sinn dahinter? Ich fand es teilweise inspirierend, aber auch sehr abgehoben. Denn was, wenn die Geschichte, auf der sein philosophischer Turm steht, gar nicht so stattgefunden hat? Kippt der ganze inspirierte Turm dann nicht um?

Komischerweise scheiden sich an dieser Frage die Geister. Für mich ist die Hinfälligkeit des Turmes völlig klar. Aber manche Leute finden den Turm so bedeutsam, daß es sie nicht stört, wenn er gar kein Fundament hat. In der Natur wird so eine Sache eindeutig entschieden. Der Turm kippt um, keine Gnade. Aber im Kopf (auf Papier, in Bild und Ton und Film) ist vieles möglich.

Am Ende konnte man Bücher signieren lassen. Wie alle durch waren, bin ich hin und hab Ernst Nolte gefragt, ob er denn nicht von dem und dem Autor dies und jenes Buch zum großen Thema gelesen habe, und was er dazu meine. Zu meiner Überraschung kannte er die Autoren und Bücher nicht. Naja, meinte ich, da wird nicht diese bestimmte Geschichte gedeutet, sondern ihre Tatsächlichkeit in Frage gestellt. Da kommen also Sachen auf den Prüfstand und fallen einfach durch. Nein, entfuhr es ihm, aber nein, das wäre ja ganz unvorstellbar, ganz ausgeschlossen!

Ich hab nichts gegen Türme an sich, aber das Fundament muß stimmen. Und das tut es oft nicht. Da ja manche Türme gleicher als andere sind und nicht statisch geprüft werden dürfen, gebe ich einfach das sehr aktuelle Beispiel des billionenschweren Turmes vom menschengemachten Klimawandel durch Kohlendioxid. Keinerlei Fundament vorhanden - alles Mumpitz, alles Schwindel, alles Lug und Trug.

Offenbar bin ich ein Fundamentalist. Jedenfalls interessiert mich eigentlich und in erster Linie immer nur die Wahrheit. Aspekte wie das intellektuelle Niveau oder das geistige Format oder akademische Ernsthaftigkeit sind für mich dabei kein Ersatz.

Nach meiner Überlegung und Überzeugung ist der Verzicht auf die Wahrheit auch die Ursache der Misere in der BRD. Falsche Geschichte, falsche Erziehung, falsche Gedanken, falsche Menschen.

Ich habe aber keine Vorbehalte gegenüber irgendwelchen rechtskonservativen oder rechtsintellektuellen oder sonstwie rechten Ansichten - im Gegenteil, find ich erst mal gut! Der unrechte Rest ist ja fast immer Murks oder Mumpitz.

Solution

11. Februar 2020 19:16

Volle Zustimmung, Herr Kubitschek.

Nemo Obligatur

11. Februar 2020 19:30

Sofern Sie sich nicht im diplomatischen Dienst bewerben wollen, betreten Sie dieses Minenfeld ohne Not. Abgesehen von der Auschwitz-Thematik, an der auf mindestens drei weitere Generationen keine deutsche Regierung vorbeikommen wird, ob sie es will oder nicht, hat Ihre Argumentation zwei weitere Schwachpunkte.

In dem Satz "Ist man aber deutscher Patriot (...), dann kann man Israel nicht bedingungslos unterstützen." kann man "Israel" durch jeden beliebigen anderen Staat ersetzen. Selbstredend auch durch Syrien, Iran oder USA.

Rußland, Assad und der Iran sind keine deutschen Verbündeten in der Region. Sie haben jeder ihr eigenes Interesse, legitim oder nicht. Sie können aber schon deshalb keine Verbündeten sein, weil Deutschland dort kein Geschäft zu besorgen hat. Unser Öl kommt nicht aus dem Iran, mit Syrien hatten und haben wir keine intensiven Handelsbeziehungen. Syrien destabilisiert zudem seit 50 Jahren den Libanon, der deswegen eine sprudelnde Quelle für Flüchtlinge Richtung Deutschland ist (ich sage nur "Miri-Clan"). Rußland ist ein Fall für sich. Deutschland ist immer gut gefahren, wenn es zu Rußland gute Beziehungen hatte. Aber das hat mit Europa zu tun, nicht mit dem Mittleren Osten.

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@ Waldgaenger aus Schwaben
11. Februar 2020 11:23

Ich stimme Ihnen, wie fast immer, unbedingt zu.

Lumi

11. Februar 2020 20:03

Vernünftige realpolitische Thesen für Deutschland, wie ich finde. Hinsichtlich der vierten These vom wehrhaften und kriegserfahrenen Israel sollte man allerdings bedenken, daß sie 2006 bei der versuchten Eroberung des südlichen Libanons bis zum Litani recht amtlich auf die Nase gefallen sind. Besteht ihre Wehrhaftigkeit nicht hauptsächlich darin, wehrlose Zivilisten, nämlich die rechtmäßigen Bewohner des Landes, technisch hochgerüstet zu drangsalieren und zu bombardieren? Einen triftigen Grund dafür, sie dabei zu unterstützen, vermag ich nicht zu erkennen. Selbst ein amoralischer Opportunist müßte doch für sich selbst dabei einen Vorteil herausholen wollen. Wo ist dieser Vorteil? Ich sehe ihn nirgends.

@RMH - "Israel hatte mit Assad vor dem Beginn des Bürgerkrieges …" - Bei den Begriffen geht es doch immer schon los. Der Krieg in Syrien ist kein Bürgerkrieg, sondern von außen geplant. Israel wurde nicht "auf den Plan gerufen", sondern gehört fest zur kriegführenden anglozionistischen Allianz, ist (unter anderem) der Vorposten des angelsächsischen Imperialismus in Nahost. Djihadisten wurden in israelischen Krankenhäusern behandelt. Sie werden von der aziamerikanischen und israelischen Luftwaffe unterstützt. ISIS ist sozusagen die Fremdenlegion der USA. Mit dem Islam hat das ganze praktisch nichts zu tun, sondern mit Armut und Drogen. Die Islamisten, die Ghaddafi ermordeten, riefen zwar "Allahu Akhbar", sprachen aber ansonsten spanisch, vielleicht Todesschwadronen aus Mittelamerika, wie die Contras in den 80ern in Nicaragua, also gedungene Mörder.

Es wird viel zu wenig verstanden, welche Vorteile man machtpolitisch aus dysfunktionalen Gesellschaften ziehen kann, wenn man der Hegemon ist und die Ströme junger Männer selber kanalisieren kann, wie es einem beliebt. Warum sollte Uncle Sam ein Interesse an der Stabilisierung Afghanistans haben, wo das Land doch einen steten Strom an Menschenmaterial für terroristische ("djihadistische") Unternehmungen generiert? In Syrien sind Söldner aus über 100 Ländern gegen Asssd angetreten. Wer organisiert das wohl?

Nehmen wir dazu noch die Einnahmen aus dem Drogengeschäft und wir sehen, wie fett Afghanistan auf der Seite der Aktiva von Uncle Sam steht. Und übrigens stehen wir als "Exportweltmeister" (= Verschenkweltmeister) natürlich ebenso dort.

Merkel - wenig mehr als eine Marionette. Eurokrise, Olivenländer, EZB, Klimawahn, Asylweltmeister, Bundeswehrdesaster - nun wird auch noch die deutsche Automobilwirtschaft abgebaut - alles durch die CDU von Angela Merkel.

deutscheridentitaerer

11. Februar 2020 20:18

Der Artikel bringt auf den Punkt, was mir offensichtlich erscheint. Ich könnte nicht verstehen, wenn sich jemand als rechts bezeichnet und den dortigen Punkten widerspräche. Und tatsächlich findet er ja zumindest hier bei den beiden Lagern Zustimmung.

Ich widerspreche nur dem Nebenpunkt, dass es nachvollziehbar sei, als Deutscher israelischer Patriot zu sein. Man kann sicherlich als Deutscher daran scheitern, ein angemessenes Verhältnis zu den Naziverbrechen zu finden, das sehen wir ja jeden Tag. Das macht einen aber nicht zu einem israelischen Patrioten, sondern zu einer pathologischen Figur.

Benno

11. Februar 2020 21:10

@Adler und Drache

Der israelische Staat ist quasi eine Insel in einem arabisch/islamischen Meer. Fürchteten die sich so immens vor Moslems, wie das gemeinhin angenommen wird, hätten sie ihren Staat wohl kaum da gegründet, wo sie ihn gegründet haben.

So lange Juden in Europa grossmehrheitlich für muslimische Einwanderung sind, warum sollte da der Staat Israel denn die Auswanderung jugendlichen Geburtenüberschusses aus seiner direkten Nachbarschaft als Bedrohung für europäische Juden betrachten?

limes

11. Februar 2020 21:15

Gut, die deutsch-israelischen Beziehungen kann man einmal zum Thema machen. Doch warum nach der geballten Dröhnung Ende Januar nun schon wieder? Fortsetzung folgt aus der »aus der Feder von Martin Lichtmesz«. Das wirkt auf mich alles andere als entspannt. Warum diese überdimensionierte Sorge um die rechte Außenpolitik Israel gegenüber?

»Wenn wir nun davon ausgehen, daß Deutschland ebenfalls ein souveräner Staat sein sollte, müßte unser Land diese Souveränität dadurch zeigen und dafür einsetzen, daß es im Interesse des deutschen Volkes handelt.«

Wer sollte das bezweifeln? Wenn jedoch auf diesen Irrealis der Gegenwart direkt eine Forderung an die Außenpolitik folgt, dann wird die Realität - die große Not - vollkommen ausgeblendet, in der unser Vaterland sich befindet. Diese große Not ist vor allem ein Produkt der Innenpolitik, des Rechtsbruchs von oben und des Versagens deutscher Institutionen wie Medien, Kirchen und Gewerkschaften.

Abgesehen vom Zugeständnis, dass »von keinem anderen Staat [ein] auch nur annähernd so komfortabel geschnürtes Fürsorge-Paket« für Migranten geschnürt wurde, wird in Kubitscheks Text das Flüchtlingsnarrativ der Globalisten unkritisch übernommen. Das migrationsfördernde internationale Netzwerk nichtstaatlicher Akteure wird von Kubitschek vollkommen ausgeblendet, ebenso die weit fortgeschrittenen Bemühungen von EU und UN um legale Massenmigration.

Neben Pullfaktoren wie dem Fürsorgepaket gab es bei der Mutter aller Flüchtlingskrisen 2015 auch noch Push-Faktoren, für die die deutsche Regierung mitverantwortlich ist: Der Flüchtlingskrise vom Herbst 2015 ging nämlich eine dramatische Kürzung der Beiträge verschiedener Nationen an das Welternährungsprogramm (WFP) voraus, die einem Bericht von Telepolis zufolge dazu führte, dass das WFP die Lebensmittelversorgung für an die zwei Millionen syrischer Flüchtlinge einstellen musste. Dabei erwiesen sich gerade solche Staaten als geizig, die sich in der Folgezeit als besonders flüchtlingsaffin erwiesen sollten: Deutschland halbierte laut Telepolis in der kritischen Zeit seine Zuwendungen an das WFP, der Vatikan gab gar nichts … * Ein Schelm, wer Böses dabei denkt?

* https://www.heise.de/tp/features/EU-Staaten-hatten-2015-fast-durchweg-Hilfen-fuer-syrische-Fluechtlinge-gekuerzt-3375668.html

Am Schluss von Kubitscheks Text ist die Rede von bedingungsloser Unterstützung israelischer Außenpolitik. Bitte »Butter bei die Fische«! Wer fordert das? Hört sich jedenfalls ein wenig nach »bedingungslose Kapitulation« an.

Nemesis

11. Februar 2020 21:47

Logische Schlußfolgerungen, die einem - normalerweise - der gesunde Menschenverstand nahelegen. Normalerweise.
Das setzt aber voraus, daß man (und wenn auch zunächst nur ungefähr) weiß, wer oder was man ist. Und was nicht.

Dabei sind zwei Extrempositionen lethal:
1. Sich künstlich zu überhöhen (Nationalismus).
2. Sich auf Null setzen zu lassen (oder einen negativen Wert).
Darum geht es. Und um nichts anderes.

Nur wer weiß, was er in sich hat - oder eben auch nicht - kann dem Anderen im nötigen Respekt begegnen. Und vice versa.
Alles Andere führt zu einer Schieflage.
Auch am Gegenüber entwickelt sich das Selbst.
Wenn man es zuläßt.

@Maiordormus
„Für Historiker, welche die Missions- und Kolonialgeschichte vorurteilsfrei analysieren können, sind seine Verdienste eher höher zu veranschlagen als diejenige von St. Mutter Teresa, deren geistliche und karitative Karriere klar stärker auf einen Platz im Himmel ausgerichtet war.“

Eine selbstlose Aufgabe kann das Selbst auch extrem erhöhen.
Ich unterstelle es nicht.
Sie reden mir nur zu leicht vom Himmel.
Von welchem Himmel reden Sie?

Gast auf Erden

11. Februar 2020 21:51

Erst einmal von mir: Chapeau @RMH. Sie fassen in meinen Augen die Problematik und Vielschichtigkeit der Problematik und Themen fast auf den Punkt zusammen. Es sind Themenbereiche, die GK miteinander verknüpft, die vielleicht doch zu Kategoriefehlern führen. Wenn Israel militärisch handelt, wie es handelt, löst es doch (was der Text ja impliziert) keine von Jerusalem bewusst initiierten Invasionsströme von Fachkräften nach Buxtehude aus. Und wenn ich als Deutscher Christ und Patriot bin, dann erwarte ich die Wiederkunft des HErrn auf dem Ölberg, so dass mir doch ein klein wenig auch jüdischer Patriotismus zugestanden sei, und unsere "besonderen Beziehungen" wg. Geschichte und so hat uns Nemo Obligatur ja sehr schön vor Augen gemalt. Im übrigen finde ich Broders Humor an dieser Stelle sehr befreiend: wenn Berlin sich Jerusalem anschlösse, hätten wir weit mehr davon als umgekehrt. Aber vielleicht agiert GK auch nur als eine Art agent provocateur. Ein paar Steinchen ins Wasser schmeißen, und dann gucken, was wird. Warum denn nicht?

micfra

11. Februar 2020 21:51

@Ein gebuertiger Hesse

>Und jetzt, nach diesem Grundsatztext,
>möchte man sich wünschen, daß Meuthen, >Bystron und von Storch auf die Bühne treten >und konkret, ohne rhetorisches Ausweichen,
>auf die fünf Punkte antworten.

Das ist ein politisch naiver Wunsch. Götz Kubitschek schreibt hier als rechter Theoretiker. Die anderen genannten sind Politiker. Abgesehen davon, dass diese sich sicher nicht im gleichen Lager verorten, auch wenn der eine oder andere mal zu Gast auf der Burg war.

Bin mir auch nicht sicher, ob die AfD sich jetzt dazu öffentlich äußern oder das zum Gegenstand ihrer Politik machen sollte.

-micfra

Maiordomus

11. Februar 2020 22:43

Zur Kritik an Sellner. Es geht wohl nicht um die Förderung von Höcke, der es nach seinem die Lage verändernden Coup nun zum Teil selber in der Hand hat, wie es mit ihm in Thüringen und in Deutschland weiter geht. Dass es Sellner aber gelingen würde, das zwischen ihm und der Partei, der er sich nahe stehend sieht, auch gegenüber einem Politiker vom Format eines Kickl, das Misstrauen zu schliessen, würde es fürwahr lohnen, sich vom Aktivisten zu einem stärker besonnenen Mann mit politischem Gewicht zu wandeln, und zwar dort, wo er lebt. Immerhin wird er gelegentlich von Fellner eingeladen, aber ich fürchte fast, mehr zu Unterhaltungszwecken, und nicht um politisch ernst genommen zu werden.

eike

12. Februar 2020 01:13

Wie immer, wenn die Hälfte der Fakten ausgeblendet werden muß, kommt ein schiefes Ergebnis heraus.

Obligatorischer Startpunkt für eine Analyse mit dem anspruchsvollen Titel "Deutschland und Israel" ist die Balfour-Deklaration, in der England versprach, die Isrealgründung in Palestina zuzulassen, wenn im Gegenzug jüdische Organisationen den Eintritt der USA in den Krieg bewerkstelligen.

In einen Krieg, in dem die USA nichts zu suchen hatten und der ohne sie 1916/17 mit allgemeinem Patt beendet worden wäre und nicht Millionen von Toten später in Versailles.

In Versailles, wo die Organisationen derer, die zuvor in Deutschland vor slawischen Pogromen Zuflucht gefunden hatten, eine höchst unrühmliche Rolle spielten.

In diesem Forum bedarf es wohl keiner Verweise zu diesem Thema, das in kompakter Form z.B. von Benjamin Freedman, einem Insider der Wilsonregierung, abgehandelt wurde.

Die tiefschürfende Frage, ob ein Deutscher "israelischer Patriot" sein könne, dürfte sich damit wohl erledigt haben.

Laurenz

12. Februar 2020 03:13

Wie gewohnt, kurz, prägnant und schlüssig. Es ist gegen die Argumentations-Kette GKs tatsächlich nichts einzuwenden. Ich kann diese auch für mich so vertreten.

Aber kann man das bei diesem Thema tatsächlich so kurz erklären? Irgendwie bleibt da ein mulmiges Gefühl, und ich habe ganz sicher keine Schuld-Komplexe, wie zB die des Bundespräsidenten. Der kann von mir aus gerne den Boden der Knesset mit seiner höchst eigenen präsidialen Zunge auswischen.

1. Der innere Widerspruch zwischen zionistischen Juden und der Diaspora bleibt in seiner ideologischen Existenz unauflösbar. Der Widerspruch ist nur mit militärischer Gewalt begründbar.

2. Israel besitzt vor Ort die militärische Option, wer auch immer dahinter stehen mag, ob die USA oder sonstwer. Dadurch bleibt jede völkerrechtliche Debatte, auch in der UNO, sinnentleert, Deppen-Theater.

3. Aus 2. ergibt sich, auch bei uns in Deutschland entbehrt eine Debatte um die Existenz Israels oder irgendwelcher territorialen Rechte von irgendwelchen Palästinensern jeglicher Grundlage. Ob sich Deutschland für eine 2-Staaten-Lösung oder für eine 1-Staat-Lösung mit oder ohne Palästinenser ausspricht, ändert so viel, wie, wenn man einen Ochs' ins Horn petzt oder in China das berühmte Faß Reiswein heimlich leer gesoffen wurde. Also nichts als mit dem hyper-gefährlichen CO2-Ausstoß in Berlin unsere Atem-Luft verpeßtet. Gesinnungs-Außenpolitik ist keine Außenpolitik und gibt uns bloß der Lächerlichkeit preis, isoliert uns gar wieder.

4. Solange unsere Geschichte ideologisch fest geschrieben ist, besteht keine legitime Möglichkeit außenpolitisch Einfluß auf fremde Staaten zu nehmen. Wodurch sollte sich heutige militärische Verantwortung Deutschlands im Ausland von der der nationalsozialistischen - unterscheiden? Genau, durch nichts.
Und solange dies so bleibt, müßten wir uns, im Gegensatz zur zeitgeistigen deutschen Politik, jeglicher fremder Interessenswahrung enthalten. Denn wie leicht könnte es sein, daß wir wieder auf der Seite der Schuldigen stünden. Dieses Risiko sollte unser Staat nie eingehen. Die billige Auschwitz-Keule Joschka Fischers für den Jugoslawien-Krieg zeigt direkt auf den Fakt, daß Fischer nicht die Eier hatte, nein zu sagen, was bedeutet hätte, sich nicht an der Brust Frau Albrights von getaner Schwerst-Arbeit ausruhen zu können.

@RMH ... bei Ihrem Beitrag zeigt sich der Mangel in der Kürze des Artikels. Solange wir rein deutsche Interessen debattieren, genügt er.

Verlassen wir deutsche Interessen, sondern debattieren geo-strategisch, historisch, haben Sie zu Recht von den Foristen Maiordomus, Andreas Walter, Lotta Vorbeck einen an die Backe geklatscht bekommen.

Um die Haltung des Irans einzuschätzen, bleibt es nicht aus, die Geschichte Persiens seit der Seldschucken-Eroberung zu betrachten, welche die islamische Komponente darstellt/begründet. Desweiteren sind es vor allem russische/sowjetische - und anglo-amerikanische Einflußnahmen/Invasionen/Regime-Wechsel, die das iranische Denken dominieren. Israel wird wohl direkt an der Seite dieser Großmächte gesehen. Einerseits ist die Wahrung des schiitischen Halbmonds nachvollziehbar, andererseits die beabsichtigte Zerstörung desgleichen durch den Westen. Auch ist das profitable, aber sonst dämliche Verhalten Israels während des Iran-Irak-Krieges nicht dazu geeignet, die Beziehungen beider Staaten zu verbessern. Auch die gelegentliche Ermordung iranischer (Atom-) Wissenschaftler, mag zwar kurzfristig in Israel entlastende Gefühle erzeugen, aber irgendein us amerikanischer Trottel mit dem üblichen Denken bis zu den nächsten Quartals-Zahlen wird in den nächsten 20 Jahren den Iranern die Bombe verkaufen, siehe Pakistan.

Aufgrund von Punkt 2 meiner Argumentation, ist die Stellvertreter-Aggression des Irans gegen Israel sinnlos, wird auch nicht durch die asymmetrische Salami-Taktik General Soleimanis besser.

Das Verhältnis Israels zu Rußland braucht keine sonderlichen Erklärungen. Einerseits haben viele russisch-jüdische Oligarchen einen israelischen Paß und andererseits ist Rußland eine Großmacht, die Israel, ohne eine reale Gegenschlags-Option, in 5 Minuten komplett in Schutt und Asche legen kann. Hier zeigt sich im Gegensatz zu uns, eine gewisse Intelligenz, sich mit einer solch mächtigen Großmacht gut zu stellen.
Der israelische F-16 Rotten-Kommodore, welcher die von @Lotta Vorbeck genannte Deckung eines russischen militärischen Passagier-Flugzeugs opportun nutzte, mag auf die nächste Beförderung noch etwas warten müssen. Denn russische Korvetten im Schwarzen Meer beherrschen strategisch die komplette Region, auch Israel. Das hat Putin dem Westen, den Türken und den Arabern ganz zu Beginn der russischen Intervention in Syrien demonstriert. Auch Flugzeugträger, ob der französische, ein britischer oder einer der us amerikanischen, bleiben doch nur leichte Übungsziele. Und jeder an der militärischen Option Interessierte mag darüber nachdenken, welche militärischen Optionen dem Westen bleiben? In meinen Augen keine, siehe Scholl-Latour.

Ein gebuertiger Hesse

12. Februar 2020 08:51

@ micfra

Schon klar, daß es nie einen öffentlichen Dialog zwischen den Israel-Groupies der AfD und Schnellroda über dieses Dynamit-Thema geben wird. Im vorgestellten Dialog-Fall aber müßten jene in ihrer Replik auf Kubitscheks Punkte die Karten auf den Tisch legen. Darum ginge es. Und das klärte die Sache vermutlich ein für allemal.

t.gygax

12. Februar 2020 09:13

@lumi
"Ich habe nichts gegen Türme an sich, aber das Fundament muss stimmen".
Meine volle Zustimmung zu diesem Satz. Wenn das Fundament gar nicht da ist, sondern einem nur durch das entsprechende Narrativ vorgegaukelt wird ( literarisch großartig bei H.C. Andersen "Des Kaisers neue Kleider"), dann ist es letztendlich sinnlos, sich mit der Bauweise des Turmes zu befassen.
Allerdings sind die Zeiten heute viele übler als der Schluss in Andersens Märchen. Das Kind, das die Wahrheit erkennt und benennt, würde heute sofort in eine bestimmte Form der Betreuung kommen, und erst dann wieder entlassen, wenn es wie ein braver Papagei nickend immer wieder laut vor sich hersagt:" ich habe gesündigt, der hatte ja wirklich Kleider an, oh meine Schuld, meine große Schuld, meine immerwährende und nie vergehende Schuld"
Ihr aktuelles Beispiel mit der Klimareligion ist eines der vielen Türme, die kein Fundament haben.

Wilhelmsmax

12. Februar 2020 09:46

@RMH

"Was gleichfalls nicht differenziert im Artikel dargestellt wird, ist die Rolle außenpolitischer Einordnungen im Verhältnis zur Innenpolitik. Hier ist vereinfachend und realistischerweise darauf hinzuweisen, dass die Haltung der AfD zu Israel sicher nicht die Politik Israels auch nur um ein Jota zu beeinflussen mag (man könnte auch das Bild vom berühmten Sack Reis in China bemühen), aber den Luxus, sich bspw. eine dezidiert "antizionistische" oder gar pro-palästinensische Haltung leisten zu können, wie es auf Seiten von Links bis Grün bis teilweise zur Merkel-Administration gemacht werden kann, kann sich eine rechts-konservative Partei in Deutschland, die unter Dauer-Nazi-Beschuss steht, schlicht nicht erlauben."

Da muss ich widersprechen. Sie MUSS es sich erlauben, WEIL sie unter dauerbeschuss steht, was soll denn bitte noch schlimmeres passieren? Bekommen Sie mit, welcher Shitstorm von ALLEN anderen Parteien tagtäglich abgefeuert wird? Was soll denn da noch Schlimmeres kommen? Also ran an die unbequemen Themen, noch schlimmer gehts eh nicht... Die AfD ist bundesweit die stärkste Opposition, wenn sich also Grüne, FDP und Linke dazu äußern, sollen die AfDler die Klappe halten? Wo ist denn hier die Logik?

Die AfD wurde von vielen gewählt, weil sie sich eben NICHT scheut, auch unbequeme Themen anzusprechen, wenn sie damit aufhört, verliert sie große Teile ihres Publikums.

RWDS

12. Februar 2020 10:20

Vielen Dank an Herrn Kubitschek und die Kommentatoren für die neuen Denkanstöße.

Nur eine Bemerkung zu den so genannten Flüchtlingsströmen, deren Ursache ich auf keinen Fall in den Zuständen der Herkunftsländer ausmache: Wer an der Grenze auf Invasoren schießt, dem kann es auch egal sein, wieso "geflüchtet" wird.

Götz Kubitschek

12. Februar 2020 10:22

ende der debatte. dank an alle, die sich beteiligt haben.

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