Und mehr: Sie müßten politische Sympathien für die Rechte hegen. Da statt evolutionären Veränderungen nur revolutionäre eine Rettung der desaströsen Situation in der Bildung erhoffen lassen, ist kein anderes Korrektiv als ein rechtes denkbar.
Im Idealfall: An entwicklungspsychologisch entscheidender Stelle sind Lehrer mit dem Einüben von Denken und Sprache befaßt und ermöglichen den Zugang zur Welt. Sie begeisterten und weckten das Staunen, öffneten der sich entwickelnden Persönlichkeit Fenster, gaben Orientierung, halfen bei Positionierungen, sorgten mit ihrem Vorbild für Haltung und Charakterbildung. Wir alle wurden einst von besonderen Lehrerpersönlichkeiten inspiriert.
An sich wären Pädagogen in der Wählerschaft der AfD zu erwarten, weil sie mit den enormen Defiziten in Bildung und Erziehung direkt konfrontiert sind. Sie wissen um die immensen Bestandsverluste, bleiben aber bislang bestenfalls apolitisch oder sind dem spießig-linksgrünen Milieu verhaftet. Dafür gibt es Gründe:
Nach wie vor sind Lehrer system- und staatsnah. Oder klarer: Sie werden auf abgesichertem Arbeitsplatz eigens systemnah gehalten und mit vergleichsweise hohen Gehältern korrumpiert. Trotz der Zwangsvereinnahmung durch die Ganztagsschule verfügen sie dank großzügiger Ferienregelungen immer noch über komfortable Freizeitmöglichkeiten. Beides, Gehalt und Freiraum, haben sie absolut nötig und verdient.
Der enorme Krankenstand von Lehrern, im Durchschnitt acht Wochen pro Jahr, also mehr als eine Sommerferienlänge zusätzlicher Auszeit, ist vom Verschleiß im Streß des Schulbetriebes verursacht. Außenstehende vermögen sich den in seiner besonderen Spezifik nicht vorzustellen. Man muß fit sein, solche Anforderungen auszuhalten. Aber die überalterte Lehrerschaft ist ebensowenig fit wie die ihr nachrückenden Kollegen mit ihren Unverträglichkeiten und Sensibilitäten.
Unterricht verlangt Leidenschaft. Wer vor der Tafel steht, muß auf Puls sein, anregen und Interesse binden können; er muß Entertainer sein und durchaus etwas bewundert werden, schon weil er mit zahlreichen Ablenkungsmöglichkeiten konkurriert. Aber die Erregungsamplituden von Lehrern verlaufen im Dienst nach Pflicht meist flach.
Alle gesellschaftlichen Probleme potenzieren sich im Schulhaus. Lehrer sollen, so wird erwartet, hineingetragene Konflikte ausgleichen, was kaum möglich ist, mindestens aber damit zurechtkommen. Sie sind von der ihnen abverlangten Rettung der Gesellschaft im Experimentierfeld Schule nachvollziehbar überfordert, durchaus physisch, insbesondere neurologisch. Hinzu kommen die überbordende Bürokratie und Dokumentationspflicht, insbesondere zur Rechtfertigung der völlig verfehlten Inklusionskampagne, sowie die schwierige Kommunikation mit den Eltern, die von Lehrern den umfassenden Bildungs- und Erziehungsservice erwarten, den ihnen die Kultusministerien politisch vollmundig versprechen.
Ohne die guten Gehälter ergriffen noch weniger einen so auszehrenden Beruf. Der innere Streß erhöht sich in dem Maße, in dem Lehrer die Lebenslügen des Systems sogar zu glauben bereit sind und sich in der Pflicht sehen, die Träume vom neuen Menschen erfüllen zu müssen.
Mit ihrer finanziell guten Ausstattung bleiben Lehrer meist kritiklos dem System verhaftet. Mindestens wissen sie sich vom Staat verläßlich getragen. Zu viele stagnieren in einer ausgewachsenen Infantilität und verharren in einem naiv-praxisfernen Welt- und Menschenbild, das politisch verordnet und gläubig verinnerlicht wurde. Die Schule haben sie selbst nur kurzfristig für ein Studium verlassen und kehren als gealterte Schüler sogleich wieder dorthin zurück. Diese „Heimkehr“ stellt einen biographischen Sonderfall dar, weil die fortdauernde Verhaftung mit dem mittlerweile durchpolitisierten Kinderort Schule eine erwachsene Distanz zum Betrieb erschwert.
Gemeinsam mit den Kindern verbleiben die Lehrer in einer hermetischen Welt und folgen meist artig allen Richtlinien und Erlassen der Behörden. Da sie hauptsächlich mit Schülern befaßt bleiben, sind sie naturgemäß von vornherein die Überlegenen und Dominierenden. Man reift jedoch nur in der Auseinandersetzung mit gleichfalls qualifizierten Erwachsenen.
Davon finden sich in den Kollegien nicht allzu viele. Die wenigen kritischen Geister und die eigenwilligen Käuze können oder wollen im System nicht reüssieren; sie bleiben auf ihre Nischen angewiesen. Für junge Individualisten sind genau sie die richtigen Partner. Aber interessante Lehrer, echte Typen, bleiben letztlich so selten wie interessante Schüler. Für beide ist die Schule ein schwieriger Ort, weil sie, politisch so vorgezeichnet, auf den betreuten Durchschnitt und das Richtmaß geringstmöglichen Niveaus ausgerichtet wird.
In mangelnder Abständigkeit haben die meisten Kollegen über Jahrzehnte das Bildungsdesaster sehenden Auges mit verursacht; sie sind mitverantwortlich dafür, daß das System bei zunehmender Verrechtlichung und Quantifizierung die Schüler immer weniger qualifizierte. Die Defizite sind im Sprachlichen ebenso enorm und mittlerweile irreversibel wie im MINT-Bereich. Nahezu alle Tests weisen das aus – allerdings mit der fatalen Folge, daß die sogenannte Bildungsforschung weiter und weiter genau jene Didaktik und Methodik fordert, die gerade in die Krise hineinführten.
Schule und Schulpolitik bleiben Gefangene einer politisch generierten Illusion. Um dies aber weiter zu rechtfertigen, wurden allerlei Trostbegriffe generiert. „Kompetenzentwicklung“ ist einer davon, „Methodenkompetenz“ ein anderer – beide hörbar leer. Manchen Lehrern ist das bewußt. Ihren Frieden damit haben sie nicht zuletzt deswegen gemacht, weil Gruppen- und Frei- sowie Wochenplanarbeit ihnen Phasen relativer Erholung sichern. Kenntnisse sichernden Frontal- oder mindestens lehrerzentrierten Unterricht halten sie nicht durch. Außerhalb der öden Versammlungen bespricht man sich offen darüber; zu einer schöpferischen Widerständigkeit fehlt jedoch der Mumm.
Die Gewerkschaft „Erziehung und Wissenschaft“ leistet zu einer notwendigen Generalrevison gar nichts; sie spricht sozialdemokratisch das nach, was links geprägte Kultusministerien verkünden, und betreibt im übrigen reine Klientelpolitik. Wachsen die Gehälter nicht schnell genug, wird mit dem Ruf nach Gerechtigkeit gestreikt.
Ebenso wie die Linke fordert die Lehrergewerkschaft stereotyp immerfort mehr Mittel und bessere Ausstattungen; inhaltliche Beiträge leistet sie lediglich im Sinne der Verfestigung des bestehenden Dilemmas und ist mitverantwortlich dafür, daß linke Vereine an den Schulen politische Agitation betreiben. Alle Corona-Verbote und ‑blockaden trug die GEW bereitwillig mit, rief nach noch mehr Geldern und Hilfen und warnt vor der dringlichst erforderten Schulöffnung.
Nicht wenige Lehrer wissen um die Lebenslügen der Bildungspolitik, die echten Profis leiden daran, aber sie finden sich mit dem Desaster ab, um als Gehaltsempfänger ihr vergleichsweise luxuriöses Privatleben zu finanzieren und Kredite abzuzahlen. Diese Mentalität ist dem gesamten öffentlichen Dienst in seiner staatssozialistischen Gewöhnung eigen: Anpassung für Wohlstand.
Die völlig indoktrinierte Kultusbürokratie ist nicht bereit, jenen wenigen pädagogischen Praktikern zuzuhören, die ihr Ziel – konservativ – in der Sicherung von basalen Bildungsbeständen und in der Erziehung zur Leistungsbereitschaft sehen. Sie läßt die belastbareren und kenntnisreicheren Kollegen an der Basis weiterarbeiten, längerfristige Krankschreibungen einkalkulierend, während die schwächeren und gescheiterten aber im Apparat aufsteigen, so daß die Büros der Ämter, Ministerien und der sogenannten Institute für Qualitätsentwicklung von schulflüchtigen Lehrern besetzt sind. Die folgen den Phrasen und Floskeln einer „Bildungsforschung“, die politisch phantasiert.
Wichtiger als Substanz ist am Gymnasium das richtige Bekenntnis, während nichtgymnasiale Schulen mittlerweile eher sozialpädagogisch orientiert arbeiten als noch elementare Fähigkeiten einzuüben, die für fähige Facharbeiter und Handwerker unerläßlich wären. „Weltoffenheit“ ist längst wichtiger als der Strahlensatz, das Beherrschen binomischer Formeln und die Elektrizitätslehre.
Jüngere Lehrer sind indessen selbst im verwachsenen System großgeworden. Als Absolventen dann nachzureifen fällt insbesondere in der schulischen Tätigkeit schwer. Abgesehen von wenigen Idealisten – mit meist fragwürdigen Idealen – entscheiden sich eher die schwächeren Abiturienten für ein Lehramtsstudium. Deshalb sind Mathematik und Naturwissenschaften Mangelfächer. Mittlerweile haben selbst Deutschlehrer gravierende Schwierigkeiten mit Rechtschreibung und Grammatik, von literaturgeschichtlicher Bildung ganz zu schweigen. Beides ist ihnen in ihrer eigenen Schulzeit nicht solide vermittelt worden.
Seit Jahrzehnten kennt das schriftliche Abitur im Fach Deutsch keine Fehlerquoten mehr. Lesebücher sind schon lange abgeschafft. Deutschlehrer kann nun wirklich jeder werden. Niemand spricht es aus, aber: Lehrerabsolventen wissen mittlerweile selbst zu wenig, als dass sie fachunterrichtlich aus reichem Fundus schöpfen könnten. Sie wuchsen mit dem “exemplarischen Prinzip” des Unterrichts auf; ihnen fehlen der große Überblick und das Vermögen, übergreifende Zusammenhänge zu zeigen.
Allgemeinwissen gilt schon lange als überschätzt, statt Inhalten werden “Methoden” erlernt. Es kann aber nur begeistern, wer etwas die Begeisterung Entzündendes anzubieten hat. Mag aber sein, daß Begeisterung mittlerweile unter Faschismusverdacht fällt.
Intelligenz ist in den Kollegien vor allem im mathematisch-naturwissenschaftlichen Bereich versammelt. Genau dort werden inhaltliche Anforderungen aber am stärksten reduziert, nachdem das Fach Deutsch schon seit etwa dreißig Jahren entwertet ist. Die gesellschaftswissenschaftlichen Fächer, tendenziell zusammengeschaltet, wandelten sich in Richtung eines Staatsbürgerkundeunterrichts, dem die Hauptaufmerksamkeit der Kultuspolitik gehört.
Eine im engeren Sinne geistige Tätigkeit ist der Lehrerberuf leider nicht mehr. Das war einmal. Er wirkt an einer politisch bestimmten Inszenierung mit, die im Referendariat eingeübt wird. Wer die Vorgaben der Studien- und Fachleiter einhält, schließt hervorragend ab. Er folgt so jener Orientierung, die ins Desaster führte und verstetigt es.
Ralph
Wieder ein ganz starker Artikel mit Tiefgang. Der Inhalt deckt sich zu großen Teilen mit meiner Meinung. Freue mich immer Beiträge von ihnen zu lesen. Weiter so.