Ich stehe seit einigen Jahren in Verbindung mit Martin Barkhoff, der seit langem schon in Peking lebt und dort in der Waldorflehrerausbildung tätig ist. Uns verbindet, in Anthroposophenkreisen nicht mehr wohlgelitten zu sein, die Zeit der “Denkverbote” fordert ihre Tribute. Barkhoff las Sellners Beitrag, Lichtmesz’ Kommentar und Kaisers Rezension.
Das traditionale Konzept des “Tianxia” ebnet nicht spornstreichs Chinas politische Weltmachtbahn, sondern sollte zunächst geisteswissenschaftlich eingeordnet werden. Mir fiel ein Vergleich dazu ein: “Tianxia” rein geostrategisch zu lesen wäre so, als verstünde man eine Neuorientierung an Augustinus’ Gottesstaat als Geheimplan zur Errichtung eines christlichen Imperiums. Barkhoff richtet den folgenden Brief an Martin Sellner:
Lieber Herr Sellner,
Dank für den vorgelegten und den angekündigten Beitrag!
Produktiv und langfristig kann man Gesellschaft nur gestalten, wenn man die Gestaltung aus der Welt, aus dem Sein, aus dem ordo hervorwachsen lassen kann. Tragfähiges Leben wächst aus der Wirklichkeit hervor, nicht aus der Politik. Die Nur-Politischen irren orientierungslos in einer solchen Umbruchszeit wie der unseren herum.
Was man da braucht, dafür fehlen heute die geeigneten Worte. Die muß man erst wieder schaffen. Solange muß man es wohl paradox fassen, wie Sie es tun: Zhao vertrete eine “kosmische Universalität”, die Sie dann aber als “nichtuniversalistische kosmische Ebene” charakterisieren. Mir gefällt das Paradox. Die platt-westliche “Universalität’ ist nämlich abstrakt, homogen, eigenschaftslos: wie die Nacht, in der alle Katzen grau sind. In Zhaos Universalität geht ein Licht auf und dadurch wird der Kosmos eigenschaftsreich, farbig, wesenhaft und wesensvielfältig. Der Kosmos ist in sich Eines und ein Vieles zugleich und: er will (als Eben-nicht-Subjekt) das Vielfältige. Das ist auch der Kosmos Goethes, wie er ihn in seinem Zwischenruf (“Parabase”, 1820) beschreibt:
Freudig war vor vielen Jahren,
Eifrig so der Geist bestrebt,
Zu erforschen, zu erfahren,
Wie Natur im Schaffen lebt.
Und es ist das ewig Eine,
Das sich vielfach offenbart.
Klein das Große, groß das Kleine,
Alles nach der eignen Art.
Immer wechselnd, fest sich haltend,
Nah und fern und fern und nah;
So gestaltend, umgestaltend -
Zum Erstaunen bin ich da.
Dieser Kosmos geht uns als Abendländer verdammt viel an. Ganz ihrer Meinung. Denn: Aus dem wirklichen Kosmos heraus läßt sich Lebenswertes gestalten. Abstrakte Universen kann sich jeder leicht zusammenschustern, darin leben kann man nicht. Erobern wir uns also den Anschluß an die “nichtuniversalistische (nicht-graue) kosmische Ebene” zurück! Auch Caroline Sommerfeld und ich haben einen größeren Beitrag dazu in Vorbereitung.
Natürlich ist Zhao in der Diagnose besser als in der Therapie. Und daß Zhao dann viel in die Zhou-Dynastie reinprojiziert, wie Kaiser richtig schreibt, geschenkt! Ich doziere hier in Peking vor meinen Waldorflehrer-Studenten viel darüber, wie man wirklich in die Zeit vor Kong Dze hineinkommt (z.B. die Zhou-Dynasie), von der doch der moderne Chinese zunächst einmal un-vor-stell-bar weit entfernt ist.
Allein Zhaos Bemühung finde ich bereits interessant genug. Die Suche nach dem Eigenen und das Gefühl, man habe es verloren und könne es nicht wiederfinden und das tiefe Leid darüber ist hier in China überall zu spüren, oft wie Verzweiflung. Diesem riesigen Mangelgefühl ein bißchen Linderung zu geben, das versucht Zhao, so gut er kann. Zu dem Eigenen gehört nämlich auch die eigene Natur‑, die eigene Kosmosbeziehung. Die wurde uns von den Gestell-Leuten nämlich auch weggenommen. Jetzt soll diese Gestell-Natur, dieser Gestell-Kosmos unsere “Heimat” sein. Schön dumm, wer sich das antun läßt.
Daß solcher Kampf um das Eigene auch für die Unterstützung eines chinesischen Imperialismus genutzt werden kann … wieder geschenkt! Ist dieses Totschlagargument nicht ähnlich herz- und geistlos wie jedem Autor, der sich die deutsche Vergangenheit wiedererobern will, Nazi-Imperialismus zu unterstellen? Erst einmal verstehen; das zu schnelle Aburteilen einfach mal den Ignoranten überlassen. Man kann ja sogar etwas aus Kissingers Chinabüchern lernen.
Mit ganz herzlichem Gruß aus Peking
Ihr Martin Barkhoff
Franz Bettinger
Warum glaubt Martin Barkhoff, die westliche Universalität sei abstrakt (und deshalb halb so wild)? Ich sehe leider sehr Konkretes: Globale Player, Kontrolle, globale Verschwörer, einen Plan, globale Planspiele, globale Zensur, den globalen Polizeistaat von Australien bis Anchorage. Masken, Gauner, golbale Geldpolitik, Satelliten wie am Faden gezogen, G5, Reisebeschränkungen, alles global und alles sehr konkret.