Diese Frage stellte sich mir (erneut) vor zwei Monaten bei der Lektüre von Caroline Sommerfelds Artikel “Kein NPC sein”, verfaßt anläßlich der damals in Österreich eingeführten “FFP2-Maskenpflicht”, die nun auch in Deutschland gilt.
Medizinisch und epidemiologisch sinnlos (wenn nicht gar kontraproduktiv), ästhetisch inakzeptabel, menschlich entwürdigend, war die Verpflichtung, sich diesen toxischen Kunststoffkübel (passenderweise “made in China”) über Mund und Nase zu ziehen, ein deutlicher Schritt zu noch mehr Gleichschaltung, Konsenseinforderung und Bekenntniszwang.
Die Uniformität der Masken impliziert auch eine Uniformität der Gesinnung, die nach außen hin signalisiert werden soll. Viele, die nicht von der Schutzwirkung oder der Notwendigkeit der “Corona-Maske” überzeugt sind, erblicken in ihr eine Art Geßler-Hut, ein Sentiment, das ich durchaus teile.
Und wie viele andere sehe ich in den autoritären Regierungsmaßnahmen nicht bloß Inkompetenz, Verblendung oder Machtgier am Werk. Wir werden vielmehr systematisch dazu gezwungen, im Reich der Lüge zu leben (freilich nicht erst seit gestern), was Arnold Gehlen als Kennzeichen des Teuflischen identifizierte.
Hier steht also nicht nur unsere persönliche Freiheit, sondern auch unsere innere Integrität auf dem Spiel, wobei unsere Selbstachtung, unser Stolz und unser Gewissen gleichermaßen herausgefordert werden. Wie also sollen wir auf die Zumutungen, die uns auferlegt werden, reagieren?
In Sommerfelds Text stolperte ich über einen Absatz, der mir außerordentlich mißfiel:
Die normopathische Eigendynamik, die neue Makarenko-Erwachsenformatierung, ist auf Dauer – zunächst: so lange ausprobieren, wie es noch geht – nicht durch “Maskenverweigerung” (Wie weit soll diese gehen bei polizeilich kontrolliertem Zwang und hohen Bußgeldern?) aufzuhalten. Sie ist es schon gar nicht durch reservatio mentalis (ein innerlich unter der Maske vor sich hin gemurmeltes “Eigentlich-mach-ich-das-alles-ja-nicht-Mit”). Und wie weit die vielen “Maskenlos-durch-die-Stadt”-Demos dieser Tage uns tragen werden, steht in den Sternen.
Die Eigendynamik ist am ehesten aufzuhalten durch entschiedenes und bewußtes Annehmen dieser Form der Unterdrückung.
“Mißfallen” wäre indes viel zu milde ausgedrückt. Man kann mich kaum schroffer gegen den Strich meiner inneren Überzeugungen und Werte bürsten als wie mit diesem letzten Satz, der in mir vehemente allergische Abwehrreaktionen auslöste.
Ich denke vielmehr so:
Erstens nimmt man “Unterdrückung” nur dann an, wenn man die Pistole an die Brust gesetzt bekommt, und in diesem Moment sind Formulierungen wie “entschieden und bewußt” nur mehr lächerliche mentale Schmuckgirlanden, um sich das eigene Scheitern und die Ohnmacht ein wenig erträglicher zu machen.
Zweitens sehe ich nicht, daß mit der “FFP2-Maskenpflicht” schon ein Punkt erreicht gewesen wäre, an dem man derart dramatische Bäder im Defaitismus nehmen müßte. Sie ist eine Zumutung und Verschärfung, aber noch nicht das Ende der Welt. Noch wiegt die “Unterdrückung” nicht derart schwer, daß man schon alle Waffen strecken müßte.
Die Möglichkeiten der Sabotage sind zu diesem Zeitpunkt noch lange nicht ausgeschöpft, es bedarf dazu nur eines gewissen Mutes: Man kann die Maske “unvollständig” tragen, man kann sie mit schwarzen Kreuzen oder Sprüchen als Zeichen der Ablehnung bemalen, man kann sie gänzlich verweigern oder als Kompromiß weiterhin mit einem Schlauchschal oder ähnlichem herumrennen. Und wenn man Geldstrafen aufgebrummt bekommt, kann man sie anfechten und den Gerichten Arbeit geben.
Ich kenne Menschen, die all dies getan haben, die sich hartnäckig mit Charme und Chuzpe durchschlagen und verweigern, und noch keiner hat bislang eine Geldstrafe kassiert. Es kann in den öffentlichen Verkehrsmitteln immer wieder zu unangenehmen Konfrontationen mit Security-Personal oder hysterischen Fahrgästen kommen, aber in der Regel sind die Maskenverweigerer oder ‑saboteure den meisten Menschen egal.
Und was nun die “Maskenlos-durch-die-Stadt”-Demos angeht, so standen sie zu dem Zeitpunkt, als Sommerfeld diese Zeilen schrieb, noch ganz am Anfang und haben seither eine erhebliche Wirkung und Zugkraft entfaltet, tausenden Menschen Mut gemacht, ihnen befreiende Erlebnisse verschafft sowie der Regierung erheblichen Streß bereitet. Ist das nichts wert?
Völlig schleierhaft ist mir außerdem, wie man denn eine “Eigendynamik aufhalten” soll, indem man “die Unterdrückung entschieden und bewußt annimmt”, bei gleichzeitiger Verwerfung der “reservatio mentalis”. Das wäre de facto nur Abfinden und Nachgeben bei gleichzeitigem Verzicht auf insgeheimes Zähneknirschen, um nicht noch unnötig Energien in ohnmächtigen Groll zu investieren. Damit hätte man aber dem Regime letztendlich einen Gefallen getan, sich widerstandslos gefügt, das Feld geräumt und rein gar nichts “aufgehalten”.
Sommerfeld nahm dieses Einwände zwar vorweg:
Was soll das heißen, außer sich zu fügen und nach langem Herumdiskutieren am Ende doch brav FFP2 zu tragen? Kann man überhaupt einen Unterschied zwischen bewußtem Annehmen und Gezwungensein ausmachen? Ich glaube, daß man das sehr wohl kann.
Die Antwort, wie man das denn “kann”, fällt allerdings äußerst vage und unbefriedigend aus. Sommerfeld gibt kein konkretes Beispiel, wie ein Widerstand in ihrem Sinne aussehen und vor allem in welchem Handeln er sich niederschlagen soll. Ich zumindest verstehe nicht, worauf sie hier eigentlich hinaus will.
Gewiß spielen hier auch unsere unterschiedlichen Temperamente eine Rolle. Jeder hat seine eigenen Strategien, mit der Ohnmacht fertig zu werden. Selbst wenn man einer Übermacht gegenübersteht und rational nur geringe Chancen sieht, ihrem Zugriff entgehen zu können, so entspricht es für mich der Sünde der Verzweiflung, den Triumph dieser Übermacht im Geiste vorwegzunehmen, lange, bevor er tatsächlich eingetreten ist, und sich entsprechend zu verhalten.
Wir können niemals wissen, wie sich das Rad des Schicksals dreht. Die Geschichte ist voller Beispiele von überraschenden Wenden, von jäh zusammenstürzenden Reichen und fallenden Herrschern, von Rechnungen, die ohne den Wirt gemacht wurden und eines Tages einkassiert werden.
Ebensowenig können wir wissen, welche Früchte unser Widerstand langfristig austragen wird, welche Saat für zukünftige Ernten unser Opfer streuen kann. Das Ausharren am verlorenen Posten ist allerdings ein alter Sport vor allem für Männer, und womöglich für viele Frauen unverständlich.
Es ist für mein Empfinden vielmehr ethische Pflicht, sich bis zur allerletzten Patrone zu wehren, so viel Sand ins Getriebe zu streuen, wie nur irgend möglich und seine eigene Haut so teuer zu verkaufen wir nur irgend möglich. Jeder Kieselstein, den man auf den heranrollenden Panzer wirft, zählt und hat seinen Wert, und sei es nur als Geste – was nicht heißt, dass es auch schlauere Strategien geben kann.
Das bedeutet freilich nicht, daß man seine Kräfte unnütz vergeuden soll oder blindlings den Helden spielen soll. Man sollte den Hügel, auf dem man fallen will, gut wählen. Gewiß wäre man gut beraten, abzuwägen, vorauszuplanen, strategisch zu denken, listig wie die Schlangen zu sein, zu tarnen und zu täuschen, und sich auch einmal zurückzuziehen, wo es die Klugheit gebietet. Mit anderen Worten gilt die ganze Palette der “Kunst des Krieges”, wie sie der antike chinesische Stratege Sunzi vor zweieinhalb Jahrtausenden mustergültig aufgezeichnet hat.
Ich denke, man kann ohne Übertreibung feststellen, daß wir uns in einem Krieg befinden, der vor allem mit psychologischen Waffen geführt wird. Das “Corona-Regime” fordert von uns ständig Zustimmung zu seinen Maßnahmen und “Wahrheitssystemen”, und wir müssen sie unter Androhung von Strafe mit Taten bekräftigen. Lippendienst genügt nicht: wir müssen “Abstand halten”, zu Hause bleiben, auf zwischenmenschliche Kontakte verzichten, Masken tragen, uns “testen” und eines Tages vermutlich impfen lassen.
Um dies zu erreichen, werden mannigfaltige Druck- und Manipulationsmittel aufgefahren: Man macht uns Angst, entweder vor dem Virus oder dem Büttel, man macht uns ein schlechtes Gewissen, indem man behauptet, wir würden das Leben unserer Mitmenschen gefährden und die Lockdownverlängerung zur Notwendigkeit machen, man droht uns mit sozialem oder ökonomischen Druck (Angst vor Ausgrenzung oder Verlust des Arbeitsplatzes), man verspricht uns auf der anderen Seite soziale Aufwertung, wenn wir mitmachen und uns aller Welt als verantwortungsvolle Mitbürger präsentieren.
Unsere Selbstachtung und unser Gewissen sind also ständig herausgefordert, und wir müssen uns ständig fragen, welchen Preis wir für unsere mangelnde Anpassung zu zahlen bereit sind.
Hier ein Auszug aus einer Rundmail, die Mitte März in meinem Freundeskreis herumging:
Liebe Freunde, ich höre gerade: In Deutschland sollen nun alle regelmäßig getestet werden. Ablehnen! Unbedingt den Test und die Impfung ablehnen! Denn JETZT ist noch Zeit dazu. Die Daumenschraube sitzt noch nicht fest. Die sind noch am Drehen. Widersteht! Also: Wer jetzt nicht Teste und Impfungen rigoros ablehnt – auch unter Inkaufnahme von Nachteilen – wird sich später wundern, was ihm noch alles auf die Nase gedrückt oder unter die Haut gepflanzt wird. Legt euch nicht selbst Fesseln an, indem ihr mitmacht. ES REICHT.
In der Tat ist nicht zu leugnen, daß unsere Gesellschaft längst ein “slippery slope” hinabrutscht, wie in diesem viralen Video von Hans-Jörg Karrenböck auf den Punkt gebracht.
Ich bin angerufen worden. Ich habe Mails bekommen. Ich hatte Besuch. Jetzt weiß ich, wie es läuft. Stell dich nicht so an. Je schneller wir die Vorgaben der Regierung, der WHO und der Gesundheitsbehörden erfüllen, desto schneller sind wir raus aus der Sache. … Es ist doch nur eine Maske. Es sind doch nur drei Wochen. Es ist doch nur wegen der Krankenhäuser. Es ist doch nur kurz, dann machen alle Läden wieder auf. Es ist doch nur ein Test. Es ist doch nur eine App. Es ist doch nur, damit wir wissen, mit wem sie Kontakt hatten. Es ist doch nur eine vorübergehende Betriebsschließung. Es ist doch nur, um nachzuverfolgen, wo sie wann waren. Es ist doch nur, bis wir eine Impfung haben. Es sind doch nur ein paar Reiseunterlagen mehr. Es ist doch nur eine digitale Akte mit medizinischen Informationen. Es ist doch nur, bis alle geimpft sind. Es sind doch nur ein paar Nebenwirkungen. Es ist doch nur ein grüner Ausweis. Es ist doch nur ein Armband. Es ist doch nur fürs Reisen. Es ist doch nur für die Arbeit. Es ist doch nur, weil wir uns sonst von Ihnen trennen müssen. Es ist doch nur ein Chip. Es ist doch nur ein Heim. Es ist doch nur das Beste für die Kinder. Es ist doch nur, weil sie bei Ihnen nicht sicher sind…
Als mich eine Bekannte in einer sehr konkreten Situation um Rat fragte, fiel meine Antwort eher moderat aus: Meiner Ansicht nach lohnt es sich nicht, aufgrund von Testverweigerung seinen Job und damit seine Existenz zu riskieren. Das ist ein Opfer, das man sich lieber aufsparen sollte, bis es wirklich ums Eingemachte geht – etwa, wenn die Impfpflicht oder Schlimmeres dräut.
Das Problem mit den Testen ist vorrangig, daß man sich damit quasi zum Kollaborateur der laufenden Inszenierung macht, die großteils auf Massentests beruht: diese sollen einerseits die “Fallzahlen” oben halten oder nach oben drücken, andererseits dienen sie der Verhaltenskonditionierung und der Gewöhnung an ständige Gesundheits-“Screenings”. Nun muß man abwägen, welchen Schaden man als den größeren erachtet.
Hinzu kommt ein Dilemma, das auch Sommerfeld andeutet: Je mehr Menschen die Teilnahme an den “Corona”-Ritualen im Sinnes des obigen Aufrufes verweigern, umso mehr würden diese an Verbindlichkeit verlieren, und umso wirkungsloser wäre der Druck, den die Regierung auszuüben versucht. Nun ist es aber leider Tatsache, daß die Verweigerer in der Minderheit sind und es vermutlich auch nicht genug “U‑Boote” gibt, die sie ermutigen könnten, aus der Deckung zu gehen. Damit wird der Widerstands- und Verweigerungsakt zum Selbstzweck, zur Frage der persönlichen Integrität.
Das herrschende System wird zwar zunehmend totalitärer, aber der heutige Totalitarismus arbeitet mit vergleichsweise “humanen” und überwiegend gewaltfreien Mitteln, mit allen Raffinessen der Verhaltensbeeinflußung, der Propaganda und der Bewußtseinsmanipulation.
Was aber, wenn die Weigerung, den Geßler-Hut zu grüßen, einen viel höheren Preis als Geldstrafen, Jobverlust, soziale Ächtung mit sich bringt? Was, wenn uns stattdessen Folter und Tod angedroht wird? Und was, wenn sich unsere Verfolger nicht mit unserer äußeren Gefügigkeit zufrieden geben, wenn sie unsere innere Zustimmung verlangen und uns keine “mentalen Reservate” mehr gewähren wollen, wie die Peiniger und Umerzieher in Orwells 1984? Am Ende ist wohl jeder von uns schneller gefügig zu machen, als er selber wahrhaben will.
Darüber möchte ich im zweiten Teil dieses Beitrags nachdenken, und zwar anhand des Films Silence von Martin Scorsese – der sich auch sehr gut zu österlichen Meditationen eignet.
Loki
Ein sehr gelungener Artikel, vor allem bezüglich der Ausführungen zu Sommerfelds Einlassungen zur "Schutz" Maske. Ehrlich gesagt erinnerten mich diese stark an die Argumentation der Schlafschafe.