In den sozialen Medien schmücken vorwiegend sogenannte “Liberal-Konservative” ihre Profile mit Israelfahnen, posten markige Neocon-Zitate und empören sich darüber, daß die öffentlich-rechtlichen Medien so unverschämt sind, auch nur die leisteste Mitschuld Israels an der Eskalation zu insinuieren.
Das höchste der Gefühle kommt schließlich auf, wenn die unvermeidlichen Pro-Palästina-Demos stattfinden, und man angesichts der dort üblichen Folkore einmal mehr dem Establishment und den Multikultis den “Antisemitismus” ihrer importierten Goldstücke unter die Nase reiben kann.
Wenn die große Trumpfkarte ausgespielt wird, kriechen inzwischen auch die traditionell pro-palästinensischen Linken rasch zu Kreuze (so geschehen mit dem Medienliebling “Fridays for Future”). Auch Teile der linken Presse wie die taz spielen das Desinformations- und Vernebelungsspiel mit, und behaupten, daß es bei den Protesten gar “nicht um Israel geht”.
Dieses Empörungsritual über den “importierten Antisemitismus” (genauer gesagt: die Israelfeindlichkeit von arabischen Einwanderern) hat indes längst seinen Biß verloren. Es lenkt davon ab, daß die Einwanderung von Arabern und anderen Muslimen nach Deutschland in erster Linie ein Problem für Deutschland und die Deutschen ist, nicht für Israel, für die Israelis oder gar die Juden in ihrer Gesamtheit.
Man könnte das Ritual hunderte Male wiederholen: Es hat keinerlei Einfluß auf die bundesdeutsche Einwanderungspolitik, nicht zuletzt durch die Weigerung der maßgeblichen jüdischen Funktionäre (etwa im Zentralrat der Juden) und Intellektuellen, diesen Wind tatsächlich in Richtung Einwanderungskritik zu ventilieren. Lieber leitet man ihn um, um gegen die AfD Stimmung zu machen, die ihrerseits ebenso verbissen wie vergeblich darum bemüht ist, ihre pro-israelische und pro-jüdische Haltung zu beweisen.
Gewiß sind die anti-israelischen Demos auch dem Establishment peinlich, aber es hat inzwischen eine Reframings-Routine zu seinen Gunsten entwickelt (Merkel: “Judenhaß ist gegen das Grundgesetz”). Dies mündet jedes Mal in einen öden Wettbewerb aller Beteiligten, wer denn nun am vehementesten den “Antisemitismus” verdammt. So entsteht eine Menge heiße Luft, die weder in Gaza noch in Berlin-Neukölln irgendein Problem löst.
Die Lage in Gaza habe ich im ersten Teil dieses Beitrags besprochen, aber was für ein Problem hat Neukölln?
Laut diesem taz-Artikel von 2018 leben in Berlin bis zu 40,000 Palästinenser, in ganz Deutschland bis zu 200,000, eine Zahl, die womöglich viel größer ist, da sie der Spiegel bereits vor fast 20 Jahren nannte (und schon damals wurden auf Palästinenserdemos Synagogen mit Steinen beworfen). Viele von ihnen sind staatenlos, viele stammen aus Gaza, viele kamen im Zuge der Bürgerkriege in Syrien (seit 2012), Jordanien (1970–71) oder im Libanon (1975–90) nach Deutschland.
Am 13. Mai antwortete “Don Alphonso”, das konservative Feigenblatt der Welt, auf den Tweet eines pro-palästinensischen Aktivisten, der sich an die beiden Linksparteiler Moritz Wittler und Ahmed Abed richtete:
since you represent us in the municipality. I demand you to raise the flag of Palestine out of Neukoln Rathaus to show solidarity. Neokolln biggest migrants minority is the #Palestinians #GazaUnderAttack
Da Sie uns in der Gemeinde vertreten, fordere ich Sie auf, auf dem Rathaus Neuköllns die Flagge Palästinas zu hissen, um Solidarität zu zeigen. Neuköllns größte Migrantenminderheit sind Palästinenser.
Don Alphonso kommentierte:
Wumm! Don Alphonso hat somit direkt auf das Schlagwort vom “Großen Austausch” (grand remplacement) angespielt, was lautes Gekläffe seitens der üblichen Wadenbeißer zur Folge hatte.
Von diesem Punkt aus können wir den größeren Kontext des demographischen Problems im Nahen Osten sehen. Ein Aspekt ist, daß nicht nur Israels ethnokultureller Nationalcharakter und staatliche Struktur dadurch bedroht sind, daß die Mehrheitsbevölkerung rapide wachsenden Minderheiten gegenübersteht: Dieses Problem betrifft praktisch sämtliche westeuropäischen Nationen, am akutesten wohl Frankreich.
Der Unterschied zu Israel ist, daß Macron dieses Problem nicht direkt als ethnokulturelle Frage ansprechen kann, sondern auf der Ebene staatsbürgerlicher “Werte” argumentieren muß.
Darum ergänzte Martin Sellner Don Alphonsos Tweet mit den zutreffenden Worten: “Die Demographie zerstört die Demokratie. Der Große Austausch führt zur ethnischen Wahl.”
Das ist auch in den Vereinigten Staaten nicht anders. Der konservative Fernsehmoderator Tucker Carlson sprach das Thema im April dieses Jahres an, zwar nicht so ehrlich, wie es nötig wäre, aber so direkt, wie es im Mainstream gerade noch erlaubt ist.
In einem Gespräch mit Mark Steyn äußerte er, daß die Demokratische Partei nur deshalb so versessen auf Einwanderung ist, weil sie hofft, dadurch kräftig Wahlstimmen zu importieren:
Mir ist klar, daß die Linken und all die kleinen Torwächter auf Twitter buchstäblich hysterisch werden, wenn man den Begriff “Austausch” [replacement] verwendet, wenn man andeutet, daß die Demokratische Partei versucht, die aktuelle Wählerschaft durch neue, gefügigere Wähler aus der Dritten Welt zu ersetzen. Aber sie werden nur deshalb so hysterisch, weil eben genau das passiert! Sprechen wir es aus. Es ist wahr. (…) Wenn man die Bevölkerung verändert, dann schwächt man die politische Macht der Menschen, die hier leben. Jedesmal, wenn neue Wähler importiert werden, werde ich, als der aktuelle Wähler, enteignet. Klar, alle Welt möchte daraus ein Rassenthema machen. Oh, der, Sie wissen schon, “Austausch der Weißen”[white replacement] ? Nein, nein, es ist eine Frage des Wahlrechts!
Die Wahrheit ist jedoch, daß es sich hier in der Tat (auch) um ein Rassenthema handelt, und so wurde Carlson trotz seiner Beteuerungen der Propagierung von “white supremacy” bezichtigt, unter anderem von der Anti Defamation League, einer äußerst mächtigen Wachhundorganisation (die übrigens Kritiker Israels schon seit seiner Staatsgründung als “Antisemiten” brandmarkt).
Ihr Chef, Jonathan Greenblatt, anwortete mit giftiger Diffamierung und forderte die Absetzung Carlsons als Moderator von Fox News:
Die “Austausch-Theorie” ist eine Doktrin der weißen Suprematisten, die besagt, daß die weiße Rasse durch eine steigende Flut von Nicht-Weißen in Gefahr ist. Sie ist antisemitisch, rassistisch und toxisch. Sie hat die Ideologie der Massenmörder von El Paso, Christchurch und Pittsburgh geformt.
Carlson konterte, indem er der ADL einen Spiegel vorhielt und ihr Doppelmoral vorwarf. Denn in Bezug auf Israel hatte die ADL auf ihrer Netzseite geschrieben:
Durch die historisch hohen Geburtenraten der Palästinenser und einen möglichen Zustrom palästinensischer Flüchtlinge und ihrer Nachkommen, die jetzt auf der ganzen Welt leben, wären die Juden in einem binationalen Staat schnell in der Minderheit, was jedem Anschein von gleicher Repräsentation und gleichem Schutz ein Ende setzen würde. In dieser Situation wäre die jüdische Bevölkerung politisch – und potentiell auch physisch – verwundbar. Es ist unvernünftig und unrealistisch, von der jüdischen Bevölkerung zu erwarten, daß der Staat Israel freiwillig seine eigene souveräne Existenz und nationale Identität untergräbt und dort zu einer verletzlichen Minderheit, wo einmal sein eigenes Territorium war.
Dies ist eine völlig schlüssige und faktenbasierte Argumentation, ungeachtet der Tatsache, daß auch die Palästinenser durch Einwanderung in ihr Land “zu einer verletzlichen Minderheit, wo einmal ihr eigenes Territorium war” geworden sind.
Es gibt jedoch keinen Grund, warum es nur Israel erlaubt sein sollte, eine mehrheitsorientierte Bevölkerungs- und Einwanderungspolitik zum Schutze seiner “souveränen Existenz und nationalen Identität” zu betreiben. Daß der Angriff der ADL auf Carlson auch in den Augen vieler Juden zu weit gegangen war, bezeugt die nicht unerhebliche Unterstützung, die er daraufhin von jüdischer Seite bekam.
Das Thema der Doppelmoral bringt uns nun zurück nach Deutschland.Wie ich eingangs bemerkte, vernebelt die rein affektiv geführte Scheindebatte um “Antisemitismus” und “Judenhaß” wesentliche Sachverhalte, sowohl in Bezug auf Deutschland als auch auf Israel. Für manche scheint die Anwesenheit von Hunderttausenden von Arabern und anderen Muslimen in Deutschland erst dann zum Problem zu werden, wenn sich diese israelfeindlich oder “antisemitisch” äußern und betätigen. Deren Einwanderung wurde jedoch von etlichen jüdischen Funktionären und Intellektuellen enthusiastisch begrüßt.
Mehr dazu im nächsten Teil.
RMH
Aus rein zionistischer (nicht jüdischer) Sicht ist Antisemitismus in Europa - so lange er nur als Drohkulisse und Wut-Demos daherkommt - kein Problem, da er Motivation für europäische Juden sein kann, jetzt doch endlich auch nach Israel auszuwandern. Von daher ist Widerstand gegen den sog. "importierten Antisemitismus" nur von jüdischen Kreisen zu erwarten, die hier in Europa bleiben wollen. Gut ausgedrückt wird dies u.a. durch die Gruppe "Juden in der AfD".
Der Begriff "virtue signalling" für pro-israelisches Kundtun, u.a. auch in der AfD, ist nun aber auch wieder so ein Totschlag-Argument und trägt den Kern der Unfairness, da er das linke Narrativ, die machen nur Mimikri, in Wahrheit sind es Rassisten und Antisemiten, ein Stück weit fördert. Ihn in diesem Zusammenhang gerade hier auf Seiten einer Sezession zu verwenden, geht in die Richtung Foulspiel. Das hat auch rein gar nichts mehr mit einer redlichen Aufforderung "macht Euch mal ehrlich" zu tun.
Gänzlich ausgeblendet wird dabei, dass das Pro-Zionistische und Pro-Israelische in rechtskonservativen Kreisen, die eher nicht katholischer Art sind sondern protestantisch-evangelistischer Art, oft aus Glaubensüberzeugungen herrührt. Dort nimmt man die Juden als Gottes Volk nach wie vor ernst und steht schon aus Glaubensgründen immer (und wenn es um Glaubensthemen geht, damit auch unkritisch) streng an der Seite Israels. In der AfD sind solche Kreise gut vertreten - deutlich besser als katholische Traditionalisten.