Martin Sellners Beitrag zur Strategie der “Sezession” hat mich angeregt, drei große Fragen herbeizuschleppen: Was ist das Politische? Was ist die Wirklichkeit? Was ist die “Neue Weltordnung”?
Selbstverständlich sind über diese Begriffe Regalmeter Literatur verfaßt worden, ich kann also an dieser Stelle nur gezielt einige Bedeutungsaspekte heranziehen, um Sellners Grundansatz zu hinterfragen.
1. Was ist das Politische? Politik ist die Vermehrung der eigenen Macht mit allen dazu geeigneten Mitteln. Dieser Zweck heiligt die Mittel, die zu seiner Erreichung strategisch sinnvoll sind. In der Position der Ohnmacht muß es folglich dem politisch Handelnden darum gehen, mehr Macht zu erringen. Er kennt keine sittlichen Kriterien zu Unterscheidung von erlaubten und unerlaubten Mitteln, eine Einschränkung wird ihm nur von außen durch die Staatsform und die in ihr herrschenden Gesetze vorgegeben. Innerhalb des Politischen gibt es keinen Einwand gegen das Machtprinzip, im Gegenteil, es ist sein ureigener “Code” (Niklas Luhmann). Ein politischer Akteur muß diesem Prinzip folgen. Macht hat allerdings eine Eigenschaft, die jeden ihr Verschriebenen sittlich gefährdet: sie korrumpiert, indem sie seine niederen Triebe aktiviert. Der Traum von mehr Macht schlummert im Ohnmächtigen und wächst proportional zu seiner Ohnmacht bis ins Utopische. Für einen politischen Denker ist alles am Maß des strategischen Vorteils zu messen, sodaß – nach dem alten linken Spruch – auch “das Private politisch ist”. Fundamentalismus ist dem Luhmannschüler und Systemtheoretiker Rudolf Stichweh zufolge dadurch gekennzeichnet, daß ein soziales Teilsystem sein Prinzip über die ihm nebengeordneten übrigen Teilsysteme der Gesellschaft setzt. Aus einem “politischen Fundamentalismus” heraus erscheint dann die “Selbstrettung” des einzelnen Menschen (seine Wirksamkeit im Nahbereich, seine Rückbesinnung auf Tugenden, Glaube etc.) als “Defaitismus” und “Verlierenwollen” – weil er nicht unmittelbar die politische Macht einer bestimmten Gruppierung vergrößern will oder sich sogar entschieden gegen das Machtprinzip richtet.
2. Was ist Wirklichkeit? Martin Sellner mißversteht meinen Ansatz, denn ich will weder an einer privaten “Arche Noah” bauen noch einen Rückzug in gated communities propagieren, auch egoistische Wohllebe auf Kosten zukünftiger Generationen liegt mir fern. Mittendrinstehen in der Wirklichkeit will ich, und diese so annehmen, wie sie ist.
Rechte Sammlungsgebiete im Osten sind in meinen Augen eine größerangelegte Spielart des safe space. Es ist justament ein Rückzug aus der Wirklichkeit, dort einen Teil des Lebens in Sicherheit vor der Multikultigesellschaft verbringen zu wollen, seine Kinder von dieser fernzuhalten, und, das ist das entscheidende Problem: seine eigenen Kräfte ebenfalls herrauszuziehen aus der Wirklichkeit. Was verstehe ich unter “Wirklichkeit” in diesem Zusammenhang? Die Wirklichkeit ist da, wo ich wirken kann.
Das Unterscheidungskriterium zwischen der Wirklichkeit und dem Rückzug aus derselben liegt dort, wo ich entweder eine Aufgabe ergreife oder meinen Trieben nachgebe. Der Machttrieb zieht den einzelnen aus der Wirklichkeit in den Osten, insofern er alles darauf anlegt, wenigstens in einem kleineren Terrain seine Macht zu erhalten. Der Sehnsuchtstrieb zieht den einzelnen aus der Wirklichkeit in die Utopie, weil er dort unter sich sein zu können und nicht mehr kämpfen zu müssen glaubt.
Aktivistische Einsätze im feindlichen Terrain sind nicht wirklichkeitsgemäß, da sie nur dazu dienen, die Utopie von der eines Tages doch noch möglichen Rückeroberung zu füttern. In der Wirklichkeit zu wirken setzt gerade voraus, daß man dort nicht heimisch, nicht einverstanden, nicht aufgehoben ist. Wirklichkeit ist “widrige Weltgegebenheit” (Nikolai Berdjajew). Ihre Aufgabe ist es, mich zur Wahrnehmung meiner Aufgaben zu zwingen, und dazu muß sie immer noch widriger werden.
Gerade dort, wo Deutschland besonders krank ist, wo es dekadent, totalitär, häßlich und verderbt ist, wo unsere Kinder am meisten gefährdet sind, liegen die größten Aufgaben. Es handelt sich meiner Ansicht nach um Heilungsaufgaben. Wir müssen viel eher Arzt als Feldherr sein.
3. Was ist die “Neue Weltordnung”? In seinem kaplaken aus dem Jahre 2016 beschreibt Manfred Kleine-Hartlage das Spezifikum einer von globalistischen Eliten projektierten und offen kommunizierten “Neuen Weltordnung” als Ineinandergreifen von Machtmechanismen zur Zerstörung der Völker, der Familie und der Religion. Inzwischen dürften noch einige weitere zu destruierende Bereiche hinzugekommen sein, die beispielsweise im bunten Logo der “Agenda 2030” von WEF und UNO alle unter einen Hut gebracht werden.
Der Hut heißt: digitale Kontrolle und Gleichschaltung der Weltbevölkerung. Es handelt sich hierbei bereits um unsere Wirklichkeit, und zwar nicht erst, seidem uns “Corona” keinen Zweifel mehr an der realen Umsetzbarkeit solcher “Zukunftspläne” läßt. Daß eine so geartete “Neue Weltordnung” Sellners Strategie einer Gebietshoheit der Rechten in irgendeiner Form zuließe, halte ich für völlig ausgeschlossen. Sein Vergleich mit Separatisten und Volksgruppen ist an der Stelle irreführend, wo wir nicht davon ausgehen dürfen, daß derselbe Feind, der das deutsche Volk auslöschen will im Rahmen einer globalen Migrationsagenda, uns Asyl im eigenen Land gewährt, wenn wir nur energisch genug auf unsere “Minderheitenrechte” pochen. Gene Sharps regime change funktioniert als astroturfing, das von denselben Eliten zugelassen werden muß, die identitärer Widerstand bekämpft, wie ich bereits hier kritisch eingewandt hatte.
Kurz und bündig: Wenn alle Menschen auf diesem Globus fürderhin geimpft, gechipt, digitalisiert und mit elektronischen Bezugsscheinen auf Nahrung, Energie, Wohnraum und Fahrzeuge versorgt werden, ist eine “Sezession” ebenso müßig wie das von Sellner als falsche Strategie beschriebene Auswandern. Wir Deutschen bleiben nirgendwo verschont, weder im Privatleben, noch auf dem Lande, noch im Osten, noch in der Fremde – unser äußeres Schicksal dürfte für die nächsten Jahrzehnte besiegelt sein. Ob wir, noch kürzer und noch bündiger, durch Gen-Experimente oder durch Umvolkung dezimiert werden, bleibt sich gleich. Wenn das so ist, dann ist es tunlich, die eigenen Macht- und Sehnsuchtstriebe, die uns schwächen statt stärken, zu bekämpfen.
Denn Stärke werden wir brauchen. Der Riß, der unser Volk spaltet, wird tiefer werden. Auch das “rechte Lager” wird sich nicht auf eine ideologische Linie bringen lassen und “einem gemeinsamen Plan folgen” (Sellner). Schon anhand der gegenwärtigen Zerreißprobe, die die “Impfung” mit sich bringt, ist dies augenfällig. Es trennen sich jetzt schon die, die nicht in einer “Coronadiktatur” leben wollen von denen, die nicht in einer “Multikulti-BRD” leben wollen.
Der Riß, so meine These, muß tiefer werden und darf auch nicht durch eine politische “Sammlungsbewegung” beschwichtigt werden, denn er muß gerade uns Deutsche an den Nullpunkt der Machtlosigkeit führen. Ich habe ein neues kaplaken-Büchlein geschrieben, das den Titel Versuch über den Riß trägt und meine Überlegungen zur Selbstrettung weiterführt.
Gustav Grambauer
"Und er hat zu mir gesagt: Laß dir an meiner Gnade genügen; denn meine Kraft ist in den Schwachen mächtig. Darum will ich mich am allerliebsten rühmen meiner Schwachheit, auf daß die Kraft Christi bei mir wohne." - Kor. 12 / 19
(Die härtesten Kommunisten jedenfalls hatten das dahinterliegende Prinzip sehr gut verstanden und für ihren Kampf genutzt.)
- G. G.