urteilte Björn Höcke am Morgen nach der erfolgreichen Wahl des neuen AfD-Bundesvorstands über das Ergebnis vom Parteitagssamstag im sächsischen Riesa.
Jedoch sollte der gute Eindruck vom Samstag durch hitzig geführte Debatten, die zum einen am Antrag, die alternative Gewerkschaft Zentrum Automobil von der Unvereinbarkeitsliste der Partei zu nehmen, und zum anderen an einer Resolution zur Europäischen Union entbrannte, getrübt werden.
Die AfD bleibt sich treu, oder wie es mancher positiv zu fassen suchte: So sehen nun einmal demokratische Parteitage aus, die nicht im vorhinein konzertiert in Hinterzimmern ausgeklüngelt werden.
Das neue Mitglied des Bundesvorstands Carlo Clemens, JA-Vorsitzender und Landtagsabgeordneter in NRW, kommt im Gespräch, das ich mit ihm für den Podcast des Bürgernetzwerks Ein Prozent, die Lagebesprechung, führte, zu einem ausgewogenen Urteil.
Immerhin läßt sich aus Riesa mitnehmen, daß der neue Bundesvorstand steht und zum ersten Mal zumindest nach außen den Eindruck vermittelt, daß keine der innerparteilichen Strömungen in ihm überrepräsentiert ist.
Außerdem kann Benedikt Kaiser sich glücklich schätzen, daß sein neuester kaplaken Die Partei und ihr Vorfeld mit der Thematisierung der »Causa Zentrum« zur rechten Zeit am rechten Ort erschien oder vielleicht sogar auf fruchtbaren Boden fiel und die Entscheidung des Parteitages, die Gewerkschaft von der Unvereinbarkeitsliste zu streichen, positiv beeinflußte.
Wer das lesenswerte Bändchen noch nicht sein Eigen nennt, kann es direkt hier bestellen und herausfinden, was es mit dem Tumult um eine kleine alternative Gewerkschaft aus Baden-Württemberg auf sich hat.
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Ein Lebenszeichen aus dem Netzwerk Wissenschaftsfreiheit, wenn auch nur ein indirektes: Ulrike Ackermann, Professorin für Politikwissenschaft und Mitglied in ebenjenem Netzwerk hat ihr neues Buch, Die neue Schweigespirale, veröffentlicht.
Der Name ist Programm: Die 172 Seiten drehen sich um verengende Meinungskorridore, die Lust am »Canceln« und eine vom »freiesten Deutschland aller Zeiten« für sich verbuchte Meinungsfreiheit, an der de facto seit Jahrzehnten Raubbau betrieben wird.
Für den Sezession-Leser ist das alles nicht neu. Seit der Gründung des Instituts für Staatspolitik und der ersten Sezession-Ausgabe waren die realen Machtverhältnisse im »herrschaftsfreien« bundesrepublikanischen Diskurs stets Thema gewesen. Aber der Schuh drückt mittlerweile so stark, daß auch Persönlichkeiten wie Ackermann dagegen anschreiben.
Sezession-Literaturredakteurin Ellen Kositza nimmt es gelassen und freut sich ob der breiten Rezeption, die das Thema nun in der Öffentlichkeit erfährt:
Die neue Schweigespirale erhalten Sie wie immer direkt hier, bei Antaios, dem größten konservativen Versandbuchhandel.
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Andreas Malm, Programm-Manager für das Master-Studium Humanokölogie an der Universität Lund und selbstbezeichneter »Marxist«, genoß in letzter Zeit viel Aufmerksamkeit. Bevor aus dem Bundestagsbüro von Beatrix von Storch eine Anzeige an Luisa Neubauer ging, war zuerst Malm beziehungsweise der Spiegel für einen dort veröffentlichten Malm-Artikel an der Reihe gewesen.
Was die konservativen, gesetzestreuen Gemüter nun genau die letzten Tage und Wochen derart erregte, spürt Martin Lichtmesz hier auf Sezession im Netz mit seiner Artikelreihe »Ökoterrorismus« nach und stößt dabei vor allem auf »Widerständler«, deren »Widerstand« eine systemaffirmierende Funktion erfüllt:
Indem sie »radikalisieren«, was im öffentlichen »Diskurs« ohnehin Konsens ist, geben sie den Herrschenden die Möglichkeit, sich selbst als »gemäßigt«, »vernünftig« und jeglichem Extremismus abhold zu präsentieren (eine ähnliche Rolle spielen die Zero-Covid-Apostel oder die antirassistischen Ultras).
Das kann deprimieren, und um endlich als der Revoluzzer wahrgenommen zu werden, den man gerne darstellen würde, werden laut Lichtmesz nun radikalere Mittel zur Bekämpfung der »Klimakrise« propagiert.
Möglich – auch nicht abwegig – aber speziell im Fall Neubauer sollte man sich im Klaren darüber sein, daß man es bei ihr mit einem PR-Profi zu tun hat, für den das Sitzen am großen Tisch wichtiger als der Kampf gegen das System ist. Und so ist ihre »neckische« Aufforderung, »eine Pipeline in die Luft zu jagen«, auch zu verstehen. Wer das bierernst nimmt, beweist nur seine Politikunfähigkeit.
Überhaupt fehlt es den neuen »Öko-Radikalen« an Stringenz. Ted Kazcynski, der im Gegensatz zu Malm nicht nur um »Pipelines« herumlavierte, sondern mit Bomben die aus seiner radikal-ökologischen Weltsicht »Verantwortlichen« für das ökologische Desaster »zur Verantwortung zog« respektive tötete, verkörperte diese Haltung ferner über seine Lebensführung: Aussteigerleben in der Wildnis von Montana, die konsequente Abkehr vom System, das er bis heute verachtet.
Außerdem rührt diese Weltsicht nicht aus abstrakten Projektionen zu steigenden Durchschnittstemperaturen von ein paar Klimaprofessoren, sondern weil vor seiner Haustür die Erntemaschinen die Wälder rodeten.
Auf dem Rücken der Kehre 5 »Ökologie und Militanz«, die sich mit der Frage nach der Rechtmäßigkeit von ökologischem Widerstand bis zu seinen extremen Ausprägungen auseinandersetzt, und ob ein derartiger Widerstand auch von rechts kommen könnte, steht daher nicht von ungefähr das Kaczynski-Zitat, das das Leiden an der Naturzerstörung kanalisiert:
But what first motivated me wasn’t anything I read. I just got mad seeing the machines ripping up the woods.
Kaczynski steht für eine Konsequenz und ein zu-Ende-denken, das man beim »radikalen« Malm nicht findet. Denn während Malm davon überzeugt ist, »daß wir die Verfeuerung von fossilen Brennstoffen zum jetzigen Zeitpunkt ganz konkret als eine Form von Gewalt auffassen sollten, weil sie Menschen durch anhaltende Dürren, Hitzewellen, Stürme und Überflutungen die Lebensgrundlage raubt, wenn nicht gar ihr Leben«, ist Kaczynski sich vollkommen bewußt, daß seine ökologische Revolution den Hunger als alte menschliche Konstanz wiederbringen würde; daß die Dürre, der Sturm und die Flut wieder zu den biblischen Plagen werden, die sie vor der industriellen Revolution gewesen sind.
Für Kaczynski ist das ein Preis, der gezahlt werden muß, um sich von der Herrschaft der Technik zu befreien und die Natur vor dem Zusammenbruch zu bewahren, derweil Malm nicht die Ebene durchbrechen kann, die positiv-negativen Kopplungsprozesse des Industriesystems – Anstieg des Durchschnittsalters, medizinische Versorgung, »grüne Revolution« etc. auf der einen Seite und die Umweltverschmutzung auf der anderen Seite – als aufeinander bezogen zu erkennen, sondern in marxistische Schablonen preßt.
Ungeachtet dessen haben wir in der Kehre 5 gezeigt, daß ökologischer Widerstand, der über die Verbandsarbeit und die Flugblattaktion hinausgeht, seine Berechtigung hat, und daß dieser nicht automatisch links sein muß – die Gründerriege der radikalen Öko-Aktivisten von Earth First! aus den USA sind ein Beweis dafür.
Daher werden beim anstehenden Sommertreffen in Schnellroda vom 30.–31. Juli Martin Lichtmesz und ich darüber diskutieren, was es mit der ökologischen Militanz auf sich hat, wann sie ernst zu nehmen ist und wann nicht, und ob es einen rechten Zugang zu ihr gibt.
Also melden Sie sich an (Informationen zur Anmeldung hier). Wer dort thematisch vorgerüstet erscheinen möchte oder die Ausgabe ganz generell noch nicht bei sich im Regal stehen hat, der greift hier zur Kehre 5 »Ökologie und Militanz«.
Mitleser2
Schick: "Und so ist ihre »neckische« Aufforderung, »eine Pipeline in die Luft zu jagen«, auch zu verstehen. Wer das bierernst nimmt, beweist nur seine Politikunfähigkeit."
Auch hier wieder die falsche und unnötige Relativierung der Ökoterroristen. Versteh ich nicht. Diese rechte, sogenante Ökologie ist mir zuwider.