White Raven: russisch-ukrainischer Krieg im Film (2)

Es gibt eine Art Subgenre des Kriegsfilms, das sich um die Figur des "Snipers" dreht.

Martin Lichtmesz

Martin Lichtmesz ist freier Publizist und Übersetzer.

Sie bie­tet die Mög­lich­keit, den Krieg, der im wesent­li­chen ein “Kol­lek­ti­v­e­reig­nis” ist, zu per­so­na­li­sie­ren, dem ein­zel­nen Sol­da­ten ein indi­vi­du­el­les Gesicht zu geben.

Kino- und pro­pa­gan­da­wirk­sam ist auch sei­ne Pro­fes­si­on, die ihn vom Durch­schnitt­sin­fan­te­ris­ten abhebt: Der Scharf­schüt­ze ist der Exper­te für schwie­ri­ge Auf­trä­ge, der küh­le und küh­ne Kön­ner und Pro­fi, was ihm eine gera­de­zu mythi­sche Aura ver­leiht, ähn­lich den Jagd­flie­gern des Ers­ten und Zwei­ten Weltkriegs.

„Coo­le Kil­ler“ tau­chen im Kino als Hel­den, Schur­ken oder mora­li­sche Grau­zo­nen­be­woh­ner auf. Kaum eine Figur bie­tet sol­che fil­mi­schen Mög­lich­kei­ten, sich in die Haut eines Men­schen zu ver­set­zen, der gezielt töten muß, wie der Sniper.

Der Blick durch das Fern­rohr des Prä­zi­si­ons­ge­wehrs, mit dem Faden­kreuz auf dem Kopf oder der Brust eines leben­den Ziels, taucht spä­tes­tens seit Fritz Langs „Man Hunt“ aus dem Jahr 1941, in dem die Haupt­fi­gur Hit­ler per­sön­lich ins Visier nimmt (und dann doch nicht abdrückt), in so gut wie jedem Film auf, in dem ein Scharf­schüt­ze eine grö­ße­re Rol­le spielt.

Bei aller noto­ri­schen Fas­zi­na­ti­on des Kino­pu­bli­kums für die har­ten Män­ner mit der Waf­fe stellt sich mit­un­ter auch bei Zuschau­ern, die noch imstan­de sind, Sol­da­ten und Mör­der zu unter­schei­den, ein gewis­ses Gefühl des Unbe­ha­gens ein, wenn der Sni­per bei der „Arbeit“ gezeigt wird, die immer­hin dar­in besteht, aus dem Hin­ter­halt gezielt ein­zel­ne, nichts­ah­nen­de Men­schen abzu­knal­len. Das unter­schei­det sich sowohl von dem Kampf, in dem Mann gegen Mann steht, als auch von der anony­men Mas­sen­tö­tung etwa durch Bombenabwürfe.

Des­halb hat­ten Scharf­schüt­zen vor dem zwei­ten Welt­krieg auf­grund bestimm­ter mili­tä­ri­scher Ehren­vor­stel­lun­gen, etwa unter bri­ti­schen oder deut­schen Mili­tärs, kei­nen beson­ders guten Ruf. Sie gal­ten als “hin­ter­häl­ti­ge Hecken­schüt­zen”. Die Rote Armee kann­te die­se Hem­mun­gen nicht, und setz­te die Sni­per effek­tiv gegen die deut­schen Inva­so­ren ein, was die­se wie­der­um zwang, ihre Posi­ti­on gegen­über die­ser Art von Kriegs­füh­rung zu überdenken.

Wenn die abzu­schie­ßen­den Fein­de “Nazis” sind, erüb­rigt sich die Recht­fer­ti­gung im Film meis­tens. “Nazis” kann man getrost abknal­len. In der ukrai­nisch-rus­si­schen Co-Pro­duk­ti­on “Red Sni­per” (2015), die ich im ers­ten Teil erwähnt habe, wird Ljud­mil­la Paw­lit­schen­ko von Ele­a­n­or Roo­se­velt gefragt, wie vie­le Men­schen sie denn schon getö­tet habe. Die­se ant­wor­tet kühl: “Kei­ne Men­schen. Faschis­ten. Dreihundertneun.”

Auch auf der ande­ren Sei­te der Front gab es wah­re Vir­tuo­sen, die der Roten Armee schwe­re Ver­lus­te zufüg­ten. Der Fin­ne Simo Häy­hä töte­te im Win­ter­krieg zwi­schen 500 und 700 sowje­ti­sche Sol­da­ten, mehr als irgend­ein ande­rer Scharf­schüt­ze in irgend­ei­nem ande­ren Krieg. Als erfolg­reichs­te Schüt­zen der Wehr­macht gel­ten Mat­thä­us Het­zen­au­er (345 bestä­tig­te Abschüs­se) und Sepp Aller­ber­ger (257 Abschüs­se), die bei­de hoch­de­ko­riert den Krieg überlebten.

Da sie der unter­le­ge­nen, “bösen” Par­tei ange­hör­ten, wird es wohl nie­mals heroi­sche Fil­me nach dem Mus­ter der sowje­tisch-rus­si­schen Pro­duk­tio­nen über sie geben.

In einem Focus-Arti­kel von 2014 fand ich fol­gen­de Darstellung:

Der Rus­se liegt etwa 90 Meter ent­fernt. Doch Aller­ber­ger zögert, sein Herz­schlag rast, sei­ne Waf­fe zit­tert. Auch ihn befal­len die ethi­schen Beden­ken vor dem ers­ten Schuss. “Wor­auf war­test du?”, ruft ein Kame­rad. “Gib’s ihm!” Aller­ber­ger drückt ab. Er trifft den Geg­ner genau zwi­schen die Augen. So lässt es sich in Büchern nach­le­sen. (…) Wäh­rend des Krie­ges fühl­te sich Aller­ber­ger aber nicht immer als Held. Vie­le jun­ge Offi­zie­re hät­ten ihn als “wider­li­chen Kil­ler” betrach­tet, und ver­wei­ger­ten ihm die Bestä­ti­gung für Tötun­gen, wenn er sie für sei­ne Buch­füh­rung brauch­te, heißt es.

Außer­halb des mili­tä­ri­schen Kon­texts betrach­tet waren Paw­lit­schen­ko, Häy­hä, Het­zen­au­er (alle­samt “ein­fa­che Men­schen aus dem Volk”) Mas­sen­mör­der. Man kann ihnen frei­lich kei­nen ernst­haf­ten mora­li­schen Vor­wurf machen, sofern man nicht radi­ka­ler Pazi­fist ist. Sie haben auch vie­le Leben geret­tet, indem sie ihr Vater­land und ihre Kame­ra­den ver­tei­digt haben. Von kei­nem von ihnen ist über­lie­fert, daß er Gewis­sens­bis­se gehabt hätte.

Was sie taten, war nüch­tern betrach­tet nun ein­mal der “Job” von Sol­da­ten. “Der Krie­ger soll erobern und ver­nich­ten”, for­mu­lier­te Hans Domizlaff lapi­dar in sei­nem Bre­vier für Könige.

Nobler und auch film­dra­ma­tur­gisch ergie­bi­ger erscheint das Hand­werk der Scharf­schüt­zen, wenn sie einen Zwei­kampf gegen einen eben­bür­ti­gen Geg­ner antre­ten. So kom­pri­mier­te Jean-Jac­ques Annaud in „Duell – Ene­my at the Gates“ (2001) den deutsch-sowje­ti­schen Krieg zu einem auf­re­gen­den Duell zwi­schen zwei Pro­fis vor dem Hin­ter­grund der Schlacht von Stalingrad.

Die­ser Film basiert auf dem Leben eines wei­te­ren legen­dä­ren sowje­ti­schen Scharf­schüt­zen, Was­si­li Sai­zew (265 Abschüs­se). Ed Har­ris spielt sei­nen fik­ti­ven deut­schen Her­aus­for­de­rer Major König (ver­mut­lich eine Erfin­dung der Sowjet­pro­pa­gan­da) als schweig­sa­me, eisi­ge Figur mit einem über­mensch­lich schar­fen Auge und uner­schüt­ter­li­chen Ner­ven, der in den Kampf wie zu einem Ritu­al schreitet.

Das Kunst­stück, ame­ri­ka­ni­schen Patrio­tis­mus zu affir­mie­ren, ohne in Pro­pa­gan­da abzu­glei­ten, ist Clint East­wood des öfte­ren gelun­gen, so auch mit “Ame­ri­can Sni­per” (2014). Die­ser basiert auf der Auto­bio­gra­phie des Sol­da­ten Chris Kyle (1974–2013), der mit über 160 bestä­tig­ten Abschüs­sen als der erfolg­reichs­te Scharf­schüt­ze der US-Armee gilt.

Der Film hat kaum begon­nen, als Kyle dabei gezeigt wird, wie er im Irak zuerst eine Frau und dann einen klei­nen Jun­gen tötet, die bei­de in selbst­mör­de­ri­scher Atten­tat­ab­sicht mit einer Gra­na­te auf eine Grup­pe ame­ri­ka­ni­scher Sol­da­ten zulau­fen. Der Abschuß ist eben­so gerecht­fer­tigt, wie die Situa­ti­on für den Schüt­zen dau­er­haft trau­ma­ti­sie­rend ist. Auch die Tötung von Men­schen ist ein Opfer, das er sel­ber bringt.

Wie in “Flags of our Fathers” zeigt East­wood die abgrün­di­gen Sei­ten des Kriegs­hand­werks und die Schal­heit der pro­pa­gan­dis­ti­schen Aus­wer­tung, ohne den Hel­den­sta­tus von Kyle in Fra­ge zu stel­len. Er wird als ein­fa­cher, aber auf­rich­ti­ger und beschei­de­ner Cha­rak­ter gezeigt, dem hoh­le Phra­sen zuwi­der sind, des­sen Sicht auf die ame­ri­ka­ni­schen Kriegs­ein­sät­ze aller­dings auch von einer gewis­sen Nai­vi­tät geprägt ist.

Als er “9/11” live im Fern­se­hen ver­folgt, packt ihn die Wut und der Wil­le, sein Hei­mat­land zu ver­tei­di­gen und zu rächen. In einer Welt aus Scha­fen und Wöl­fen möch­te er weder Opfer noch Übel­tä­ter wer­den. Statt­des­sen betrach­tet er es als sei­ne Bestim­mung, ein „Hüte­hund“ zu sein, der die Scha­fe vor den Wöl­fen schützt.

Auch er bekommt zwei extra­va­gan­te „Wöl­fe“ gegen­über­ge­stellt: den fik­ti­ven Al-Qai­da-Ter­ro­ris­ten „Der Schläch­ter“ und einen eben­bür­ti­gen Scharf­schüt­zen namens Mus­ta­fa, der eine ähn­li­che Rol­le erfüllt wie Major König in „Duell“. Die Lein­wand­ver­si­on Chris Kyl­es erle­digt ihn mit einem unwahr­schein­li­chen Schuß aus wei­tes­ter Ent­fer­nung. Und wie in „Duell“ wird die „Legen­de“ des Scharf­schüt­zen weni­ger in der Anzahl sei­ner Abschüs­se begrün­det, als in sei­nem meis­ter­haf­ten Kön­nen, das der Abwehr der „Wöl­fe“ dient.

Kom­men wir nun mit all dem im Hin­ter­kopf zu dem ukrai­ni­schen Film “Sni­per – White Raven” (“Der wei­ße Rabe”), der die Wand­lung eines Pazi­fis­ten in einen heroi­schen Kil­ler dar­stellt. Struk­tu­rell ähnelt er dem Film “Der schwar­ze Rabe” von 2019, den ich im ers­ten Teil die­ses Bei­trags bespro­chen haben. Die ähn­li­che Titel­ge­bung ist womög­lich mit Absicht geschehen.

Der Film beginnt im Don­bass im Jahr 2014: Der ukrai­ni­sche Mathe­ma­tik­leh­rer Myko­la und sei­ne Frau Nast­ja sind ein jun­ges Hip­pie-Pär­chen, das glück­lich in einer Art Hob­bit-Erd­häus­chen in der Step­pe wohnt. Er ist lang­haa­rig, bär­tig und mit einem fran­si­gen Schlab­ber­woll­pul­li beklei­det, sie trägt hell­blon­de Zöp­fe unter einem spit­zen­be­setz­ten wei­ßen Kopf­tuch und wal­len­de hell­brau­ne Kleider.

Bei­de sind radi­ka­le Umwelt­schüt­zer. Myko­la fährt jeden Tag eine grö­ße­re Stre­cke mit dem Fahr­rad in die Stadt Hor­liv­ka (Oblast Donetsk), an die Schu­le, an der er unter­rich­tet. Vor sei­nem Häus­chen hat das Paar ein aus wei­ßen Stei­nen gebau­tes Sym­bol pla­ziert, das an das Frie­dens­zei­chen erin­nert. Spä­ter wird Nast­ja erklä­ren, daß das Zei­chen den Fuß­ab­druck eines legend­haf­ten wei­ßen Raben dar­stellt, der mit sei­nem Flü­gel­schlag “die Welt aus der Fins­ter­nis” erschaf­fen hat. Um sie frucht­bar zu machen, muß­te er sein ursprüng­lich wei­ßes Gefie­der opfern.

In die­se Idyl­le bricht nun zuneh­mend die rus­si­sche Aggres­si­on, uner­bitt­lich, nuan­cen­los, unmensch­lich. Der Film hält sich nicht lan­ge damit auf, die Ursa­chen des Kriegs zu behan­deln. Er scheint aus­ge­bro­chen zu sein, weil die Rus­sen ohne irgend­ei­nen erkenn­ba­ren Grund “böse” gewor­den sind.

Der ers­te Rus­se, der im Film auf­taucht, ist ein auf­säs­si­ger Schü­ler Myko­las namens Iwan, kon­tras­tiert mit einem “guten” Schü­ler mit dem typisch ukrai­ni­schen Namen Taras, den er mit Papier­kü­gel­chen durch ein Blas­rohr beschießt, ziel­ge­nau, wie ein Scharf­schüt­ze. Er stellt gegen­über dem Leh­rer und den Schü­lern eine arro­gan­te, blan­ke Aggres­si­vi­tät zur Schau. Am Ende der Stun­de bedroht er Myko­la: “Du bist ein Fremd­ling hier, verschwinde!”

Als nächs­tes taucht eine her­ab­las­sen­de rus­si­sche Fern­seh­re­por­te­rin auf, die dem lie­bens­wer­ten alter­na­ti­ven Lebens­stil der Hip­pies mit unver­hoh­le­ner Ver­ach­tung begeg­net. Anschlie­ßend bret­tert ein Last­wa­gen mit rus­si­schen Sol­da­ten rück­sichts­los über die mit einem wacke­li­gen Draht­zaun ver­sperr­te rus­sisch-ukrai­ni­sche Grenze.

In die­sem Film sind also die Rus­sen die Inva­so­ren und die Ukrai­ner die Ver­tei­di­ger, wäh­rend in den rus­si­schen Pro­pa­gan­da­fil­men “Opol­chenoch­ka” (2019) und “Solnt­se­py­ok” (2021), die eben­falls in der Ost­ukrai­ne spie­len (sie­he den ers­ten Teil die­ses Bei­trags), genau das gegen­tei­li­ge Bild gezeich­net wird.

Die gro­ben, unge­schlach­ten Ker­le, die sich als Sepa­ra­tis­ten tar­nen, fal­len über das süße Pär­chen her, zün­den das Hob­bit­häus­chen an, ver­prü­geln den Mann, ver­ge­wal­ti­gen (was nur ange­deu­tet, nicht voll­stän­dig gezeigt wird) sei­ne Frau und töten sie, als sie einen der wei­ßen Stei­ne ergreift und auf ihre Pei­ni­ger wirft. Myko­la muß sei­ne Frau eigen­hän­dig begraben.

Der trau­ma­ti­sier­te Hip­pie mit dem Jesus-Look wird durch den Schock von sei­nem Pazi­fis­mus geheilt. Er kennt nur mehr einen Gedan­ken: “Wir müs­sen sie aus unse­ren Land ver­ja­gen.” Sei­ne Haa­re und sein Bart wer­den kür­zer. Er stählt sei­nen Kör­per. Er lernt, in Rekord­zeit sei­ne Waf­fe aus­ein­an­der­zu­neh­men und wie­der zusam­men­zu­bau­en. Sei­ne mathe­ma­ti­schen Kennt­nis­se hel­fen ihm bei der Berech­nung von Ent­fer­nun­gen. Er wird nun zum “wei­ßen Raben”, der sei­ne unschul­di­gen Federn opfert, um die Welt zu ret­ten (“wei­ßer Rabe” bezeich­net im Rus­si­schen auch einen unge­wöhn­li­chen, sel­te­nen Charakter).

Myko­la stellt sich nun in den Dienst der ukrai­ni­schen Armee und unter­wirft sich einer har­ten Mili­tär­aus­bil­dung à la “Full Metal Jacket”. Anders als im Film von Stan­ley Kubrick wird die­se jedoch ohne einen kri­ti­schen Unter­ton dar­ge­stellt, son­dern als packen­de, vor­bild­li­che Ertüch­ti­gung, der sich Myko­la und sei­ne Kame­ra­den mit beses­se­ner Inbrunst hingeben.

Der Rest des Films zeigt ihn beim Ein­satz in eher lose anein­an­der­ge­reih­ten Epi­so­den. Eines Tages bekommt er auch sei­nen ehe­ma­li­gen Schü­ler Ivan, der zum Sol­da­ten gewor­den ist, vor die Flin­te und drückt ab. Auch die Pei­ni­ger sei­ner Frau ern­ten, was sie gesät haben.

Gegen Ende des Films taucht auch ein Gegen­spie­ler auf rus­si­scher Sei­te auf, den Myko­la in einem wag­hal­si­gen Ein­satz unschäd­lich macht. Aller­dings nicht mit der Schuß­waf­fe, son­dern eigen­hän­dig mit einem Mes­ser, das er ihm in den Hals rammt. Das Blut des Rus­sen bespritzt eine Engels­fi­gur aus Holz, die Myko­las Frau geschnitzt hat und die die­ser stets bei sich trägt, ein Sym­bol für das Schö­ne, Wah­re, Gute, Hei­li­ge, das es mit Waf­fen­ge­walt zu ver­tei­di­gen gilt.

“White Raven” endet mit einer melan­cho­li­schen Note: Myko­la besucht das Grab sei­ner Frau, das mit einem schlich­ten Kreuz aus Holz­zwei­gen gekenn­zeich­net ist, nahe der Rui­nen sei­nes Erd­häus­chens. Der Him­mel ist grau und finster.

Die letz­te Sze­ne zeigt ihn in Win­ter­tarn­be­klei­dung in Schüt­zen­po­si­ti­on in einer schnee­be­deck­ten Land­schaft beim Laden sei­nes Geweh­res. Er flüs­tert ein Gebet:

Füh­re mei­ne Hand, Herr, auf daß sie alle Fein­de in die­sem Land vernichte.

Dann feu­ert er einen Schuß ab. Schnitt: Der höl­zer­ne Engel sei­ner Frau, den er immer noch bei sich trägt. Die düs­te­re, schick­sals­schwe­re Sze­ne­rie sug­ge­riert, daß der Kampf noch auf unbe­stimm­te Zeit wei­ter­ge­hen und sehr hart wer­den wird. Wohl­ge­merkt, noch befin­den wir uns im Krieg in der Ost­ukrai­ne vor der rus­si­schen Inva­si­on im Jahr 2022. (Der Dar­stel­ler Myko­las, Aldos­hyn Pav­lo, ist übri­gens inzwi­schen tat­säch­lich Sol­dat geworden.)

Hand­werk­lich und optisch ist “White Raven” ein pro­fes­sio­nell gemach­ter Film, “sty­lish” und den­noch detail­iert rea­lis­tisch. Über wei­te Stre­cken wirkt er wie ein “Rekru­tie­rungs­film”, was aller­dings nicht ganz zu sei­nem betont “künst­le­ri­schen” Lack paßt.

Ein rus­si­scher Bekann­ter, der in Ros­tow lebt, schrieb mir, daß der Film ver­mut­lich eher als Export­ar­ti­kel für den Wes­ten als für das hei­mi­sche ukrai­ni­sche Publi­kum gedacht sei. Dazu pas­se, daß der Held und sei­ne Frau Umwelt­schüt­zer sei­en, was im Wes­ten beson­ders gut ankäme.

Ob das zutrifft, kann ich nicht beur­tei­len. Auf­fäl­lig ist jeden­falls, wie unver­hoh­len das Töten des Fein­des in die­sem Film glo­rif­ziert und als gute, gerecht­fer­tig­te, not­wen­di­ge Tat dar­ge­stellt wird. Dar­über­hin­aus ist der Krieg ein Action­aben­teu­er vor tra­gi­schem Hin­ter­grund, in dem sich Män­ner behaup­ten müs­sen und zu ihrer Bestim­mung fin­den. Sol­che Töne wagen west­li­che Fil­me schon lan­ge nicht mehr anzuschlagen.

Was nun die “wah­ren Bege­ben­hei­ten” angeht, auf denen “White Raven” angeb­lich beruht, so wur­de offen­bar eine Men­ge dazu­er­fun­den, auch wenn der “ech­te” Myko­la Voronin als Co-Dreh­buch­au­tor fir­miert, um “Authen­ti­zi­tät” zu signalisieren.

In die­sem Bericht über ihn vom 11. Novem­ber 2014 (BBC Ukrai­ne, Ori­gi­nal hier) ist weder von einer ermor­de­ten und ver­ge­wal­tig­ten schwan­ge­ren Ehe­frau die Rede, noch wird der Spitz­na­me “Wei­ßer Rabe” erwähnt. Bei­des ist offen­bar frei erfun­den (Rabe heißt auf ukrai­nisch Ворон, “voron”).  Voronin wird auch nicht als Pro­fi-Scharf­schüt­ze vor­ge­stellt, son­dern als Fall­schirm­jä­ger der Frei­wil­li­gen­trup­pe “Cyborgs”, die 2014–15 den Flug­ha­fen von Donetsk ver­tei­dig­te, wor­über 2017 ein eige­ner heroi­scher Film gedreht wurde.

Dem­nach hat­te Voronin, der aus dem süd­ukrai­ni­schen Cher­son stammt, 2004 den Krebs über­stan­den und schloß sich der “oran­ge­nen Revo­lu­ti­on” an, einem Vor­läu­fer das Euro­mai­dan. Danach wid­me­te er sich der kon­se­quen­ten Aus­ge­stal­tung sei­nes “alter­na­ti­ven” Lebens­stils. Zu die­sem Zeit­punkt war er Anhän­ger der Idee einer Ver­ei­ni­gung von Ruß­land und der Ukrai­ne. Als der Euro­mai­dan 2013 begann, war er zunächst nach eige­ner Aus­kunft “drei Tage lang Sepa­ra­tist”, ehe er vom pro-rus­si­schen ins pro-ukrai­ni­sche Lager wechselte.

Die Bekeh­rung erfolg­te wäh­rend eines pro-ukrai­ni­schen Tref­fens in Donetsk:

“Dort bete­ten die Men­schen, alle reli­giö­sen Kon­fes­sio­nen stan­den bei­sam­men, es gab Men­schen mit Kin­dern, Müt­ter. Für mich war klar, für wen ich wei­ter­hin ein­tre­ten muss.”

“Wenn ihr nach Ruß­land wollt – nehmt eure Sachen und fahrt nach Ruß­land. Ruß­land ist groß, es gibt viel Land. Ich selbst woll­te ein­mal in Ruß­land leben. Ich habe mit mei­ner Frau acht wun­der­ba­re Mona­te im Altai-Gebir­ge gelebt.”

Ein gewalt­sa­mes Ereig­nis wird erwähnt: Sepa­ra­tis­ten ent­führ­ten und miß­han­del­ten einen 17jährigen Freund aus Hor­liv­ka (in einer spä­te­ren Ver­si­on der Geschich­te wur­de die­ser sogar getö­tet). Voronin gab sei­nen Pazi­fis­mus auf und schloß sich dem “Don­bas Batail­lon” an. Der Arti­kel zitiert ihn so:

“Ich habe nie Freu­de am Töten gehabt. Der Krieg stinkt. Vom Krieg wird dir schlecht, jedes Mal. Aber ich sehe kei­ne ande­re Mög­lich­keit, die­sen Dreck zu stop­pen, der von Ruß­land aus auf die Ukrai­ne zusteuert.”

Der Krieg habe ihn gelehrt, was Patrio­tis­mus bedeutet:

“Der Krieg hat mich die Ein­heit mit mei­nem Land gelehrt, und vor allem, was das Wort ‘mein Land’ bedeu­tet. Ich begann zu spü­ren, daß ich ein ukrai­ni­sches Hei­mat­land habe. Das ist eine der wert­volls­ten Lek­tio­nen mei­nes Lebens.”

2018 tour­te er offen­bar durch Kana­da, um Wer­bung für die ukrai­ni­sche Sache zu machen. Im Zuge die­ser Tour ent­stand die­ses Inter­view für das exil­ukrai­ni­sche Medi­um “Ste­phan Ban­de­ra Forum TV”, in dem er flie­ßend ein pas­sa­bles Eng­lisch spricht und als “Ukrai­ni­an Army Sni­per” vor­ge­stellt wird.

Er erzählt dar­in, daß ihn Gräu­el­ta­ten der Rus­sen in der Ukrai­ne zum Krie­ger­tum bekehrt hät­ten, spricht aber mit kei­nem Wort davon, daß sei­ne eige­ne Frau deren Opfer gewor­den sei. Getarnt als Sepa­ra­tist habe er zunächst als Spi­on für den SBU (Inlands­ge­heim­dienst der Ukrai­ne) und den Rech­ten Sek­tor gearbeitet.

Er leug­net, daß es eine erzwun­ge­ne sprach­li­che “Ukrai­ni­sie­rung” der Rus­sen gege­ben habe, bedau­ert aber im sel­ben Atem­zug, daß eine sol­che nach der Staats­grün­dung 1991 nicht kon­se­quent lan­des­weit durch­ge­führt wur­de. Des wei­te­ren beklagt er, daß es auf der Krim und in der Oblast Donetsk mehr rus­si­sche als ukrai­ni­sche Schu­len gege­ben habe. Der Grund sei der Irr­glau­be gewe­sen, daß Ruß­land “ein guter Freund” sei.

Er bestrei­tet vehe­ment, daß Ame­ri­ka oder “Juden mit Geld” den Krieg ent­facht hät­ten und schiebt Ruß­land die allei­ni­ge Schuld zu. In der Ost­ukrai­ne habe er weder Ame­ri­ka­ner noch Juden gese­hen, aber zuhauf rus­si­sche Sol­da­ten, die gefol­tert, gemor­det und ver­ge­wal­tigt hät­ten. Er äußert außer­dem die Ansicht, daß der Krieg für die Ukrai­ne bereits gewon­nen sei, da die ukrai­ni­sche Armee bes­ser aus­ge­rüs­tet und orga­ni­siert sei als die russische.

Offen­bar hat er zu die­ser Zeit auch einen Gedicht­band veröffentlicht.

Im April 2019 begeg­net er uns erneut, auf eher uner­war­te­te Wei­se. Voronin trat in den Hun­ger­streik, um eine öffent­li­che Ent­schul­di­gung des dama­li­gen Prä­si­dent­schafts­kan­di­da­ten Selen­skji für despek­tier­li­che Äuße­run­gen zu erzwingen:

Voronin ist der Mann, der ver­langt, daß sich der ukrai­ni­sche Prä­si­dent­schafts­kan­di­dat Wolo­dym­yr Selen­s­kij für sei­ne Belei­di­gun­gen der Hel­den des Euro­mai­dan, der Himm­li­schen Hun­dert­schaft [getö­tet von Sni­pern! ML], der Gläu­bi­gen der ortho­do­xen Kir­che der Ukrai­ne und für Wit­ze über das Tomos [Doku­ment zur Aner­ken­nung der Ortho­do­xen Kir­che der Ukrai­ne], entschuldigt.

Voronin äußer­te damals:

Es macht mir Sor­gen, daß Wolo­dym­yr Selen­skyj unser Prä­si­dent wer­den könn­te. Ich sehe eine gra­vie­ren­de Gefähr­dung der Sta­bi­li­tät unse­res Staa­tes auf uns zukom­men. Erns­te, kom­ple­xe Trans­for­ma­tio­nen, derer wir bedür­fen, wer­den nicht gelin­gen. Es wer­den sehr schlech­te Zei­ten auf unser Land zukom­men. Des­halb habe ich dar­über nach­ge­dacht, was ich dage­gen tun könn­te. Ich beschloß, daß ich der Ukrai­ne zulie­be in den Hun­ger­streik tre­ten könnte.

Die Fern­seh­se­rie, in der Selen­skyj in der Rol­le des Prä­si­den­ten der Ukrai­ne auf­ge­tre­ten ist, wur­de in sei­nen Augen “ganz offen­sicht­lich” gedreht, um “das Volk zu gehirn­wa­schen” und zur Wahl des Schau­spie­lers zu mani­pu­lie­ren. Er bekräf­tigt erneut sei­ne Hin­ga­be an die ukrai­ni­sche Nation:

Ich hof­fe, daß wir gewin­nen wer­den. Wir brau­chen einen Sieg. Einen ukrai­ni­schen Sieg. Die ukrai­ni­sche Spra­che. Die ukrai­ni­sche Kul­tur. Nicht die “rus­si­sche Welt”.

Auch in die­sem Arti­kel wird nicht erwähnt, daß er ein Sni­per ist: Nach eige­ner Aus­kunft dien­te er als Fall­schirm­jä­ger und anschlie­ßend im 73. Naval Cen­ter of Spe­cial Ope­ra­ti­ons, also offen­bar in einer Mari­ne-Ein­heit (dort könn­te er frei­lich als Scharf­schüt­ze tätig gewe­sen sein).

Was wei­ter­hin geschah, was Voronin inzwi­schen tut (oder ob er über­haupt noch lebt), und wie er heu­te über Selen­s­kij denkt, konn­te ich nicht her­aus­fin­den. Sowohl sei­ne Insta­gram- als auch sei­ne Twit­ter-Sei­te geben kei­ner­lei per­sön­li­che Infor­ma­tio­nen preis. Eben­so­we­nig sein You­tube-Kanal, auf dem seit März 2020 nichts mehr ver­öf­fent­licht wur­de. In die­sem Video demons­triert er, wie man sich vor Viren schützt, in die­sem und eini­gen ande­ren sieht man ihn mit einem Scharf­schüt­zen­ge­wehr posieren.

Das wären also die Fak­ten und der Film über Myko­la Voronin. Wie zu erwar­ten, gibt es etli­che Dis­kre­pan­zen zwi­schen dem rea­len Men­schen und der zu Pro­pa­gan­da­zwe­cken geglät­te­ten Film­fi­gur, auch wenn zumin­dest eine star­ke “inne­re”, psy­cho­lo­gi­sche Über­ein­stim­mung zu erken­nen ist. Auf­fäl­lig ist, daß der rea­le Myko­la sich wesent­lich natio­na­lis­ti­scher gebähr­det als sein Filmpedant.

Im nächs­ten Teil wer­de ich zum Ver­gleich den pro-rus­si­schen ser­bi­schen Scharf­schüt­zen Dejan Berić und sei­ne Dar­stel­lung in dem Doku­men­tar­film “A Sniper’s War” (2018) untersuchen.

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Martin Lichtmesz

Martin Lichtmesz ist freier Publizist und Übersetzer.

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Kommentare (17)

Niekisch

14. Dezember 2022 19:24

"Von keinem von ihnen ist überliefert, daß er Gewissensbisse gehabt hätte."

Alleine schon aus diesem Grunde sollte für diese Leute keine Energie verschwendet werden. Welcher Mensch kann überhaupt einem anderen Menschen zwischen die Augen schießen?

RMH

14. Dezember 2022 20:25

@niekisch,

auch bei Ernst Jünger finden wir Schilderungen, in denen vom Gebrauch der "Fernrohrbüchse" berichtet wird. Dort wird aber noch kein spezifischer, neudeutsch, "Hype" darum gemacht, es war vielmehr nur eines von vielen Werkzeugen, mit denen das Handwerk des Kriegers ausgeübt wurde.

tearjerker

15. Dezember 2022 00:54

Weitaus interessanter als die Fiktion in Form von Propagandafilmen ist die Realität auf dem Gefechtsfeld in der Ukraine, die für Alle zugänglich über das Netz abrufbar ist. Das Arbeitsprinzip des Scharfschützen ist inzwischen auf jedes Kaliber ausgeweitet worden. Ziele werden mit Satelliten oder Drohnen jeder Groesse genau markiert und die Artillerie innnerhalb oder ausserhalb des Gefechtsfeldes bekämpft die Ziele damit gegebenenfalls über hunderte Kilometer punktgenau. Infanterie steht unter diesen Umständen massiv unter Druck und es sieht bisher nicht so aus, als würde wenigstens eine der Konfliktparteien darauf reagieren, indem man Routinen zur Bekämpfung der Aufklärungsmittel an der Front entwickelt hat. Das ähnelt tatsächlich dem Treiben der deutschen Truppen, die sich bis Sommer 44 nicht mal auf eine militärische Auszeichnung für den erfolgreichen Scharfschützen einigen konnten (Abschüsse mussten formal durch Beobachter bestätigt werden und das will umgesetzt sein), während die Sowjets von Anfang an ganze Einheiten mit entsprechendem Schwerpunkt und grosser Wirkung bildeten.

Laurenz

15. Dezember 2022 01:15

@Niekisch

Naivität?

Im normalen Stellungskrieg sieht man maximal die Augen des Ziels. Diese Arabischen Intellektuellen hier sehen das halt anders. https://youtu.be/Xl0sDJ6jVKc

Dieser glückhafte US Soldat hatte wohl eine gute schußsichere Weste an.  https://youtu.be/JcmC4Nw2X_8 ähnlich auch hier https://youtu.be/eT6tDDWDJtI

Diese Westen zwingen Schützen erst recht auf den Kopf zu zielen.

Der erfolgreichste Schütze aller Zeiten war kein Scharfschütze, viel mehr nach diametralem Hollywood riechend, war es der Bauerssohn Hein Severloh, der mit seiner MG42 & 2 Standardkarabinern quasi alleine einen Strand gegen us amerikanische Landungstruppen am Omaha Beach verteidigte. Und natürlich, Niekisch, handelt es sich bei jenen, die einen Krieg führen müssen um arme Kerle.  https://de.wikipedia.org/wiki/Heinrich_Severloh  hier die Doku dazu  https://youtu.be/iqFGIAidxEE Das kranke Denken des katholischen Priesters & früheren Soldaten, David Silva, er hätte Severloh etwas zu verzeihen, zeigt eine gewisse Naivität, die auch Severloh eigen ist. Trotz dieser Schicksale hat sich bis heute nichts verändert.

Kurativ

15. Dezember 2022 01:59

Weder "Rechts" und "Links", noch "Patriot" oder "Pazifist" sind die relevanten wirksame Kategorien aktueller Ereignisse. Relevant ist, ob ein Staat souverän ist oder eine Rolle als Marionette der großen Zentren (USA, Russland, China) übernommen hat. Das ganze mediale Theater in den beschriebenen Filmen ist einzuordnen in das übliche Kriegsgetöse der Medien. Kinofilme sind nichts weiteres als Tagesschau oder die ganze Lügenpresse am Zeitungsständer. Scharfschützen sind Mittel jedes Krieges. In den Anfangszeiten des ersten Weltkrieges sind viele Deutsche durch englische Schützen getötet worden. Weil diese zunächst beim Schießen gut ausgebildet worden sind. Wo sollen da die Grenzen sein? Wer Scharfschützen nicht mag, sollte Kriege verhindern versuchen. Und er sollte verhindern, dass man zum Stellvertreterkrieg oder Stellvertreterkriegsunterstützer durch die USA gezwungen wird.

Gustav

15. Dezember 2022 09:44

Die zwei entscheidenden Schritte im Scharfschützenwesen war die Entwicklung des gezogenen Laufs und die Aufstellung der Jägereinheiten in den deutschen Ländern. Die mit Büchsen ausgerüsteten deutschen Jäger - und Schützenbataillone aus dem 17. Jahrhundert wurden überwiegend aus freiwilligen Förstern und Jägern rekrutiert.

Die erste bekannte Jägereinheit wurde 1631 von Wilhelm V. (Hessen-Kassel)  aufgestellt, die bereits die Aufgaben heutiger Scharfschützen hatte. Der Hauptauftrag der Jägertruppe war es den Feind aufzuklären und mit gezieltem Schuss ausgewählte und weit entfernte Ziele (vor allem Offiziere und Kanoniere) zu bekämpfen und dadurch den Gegner zu schwächen.

1641 bestimmte Maximilian I. von Bayern eigens einen fürstlichen Oberstjägermeister, der bei der Musterung der Soldaten die Jäger und Förster in Jägereinheiten zusammenfasste.

Mit der Aufstellung von speziellen Jägertruppen folgten 1674 Brandenburg und 1744 Preußen.

Niekisch

15. Dezember 2022 11:00

"Wer Scharfschützen nicht mag, sollte Kriege verhindern versuchen. Und er sollte verhindern, dass man zum Stellvertreterkrieg oder Stellvertreterkriegsunterstützer durch die USA gezwungen wird."

@ Kurativ 1:59: Ja, genau und daran versuche ich seit meiner Musterung im Jahre 1967, bei der ein ungebügelter, verblichener und unformatiger schwarz - rot - gelber Lappen an der Wand hinter der Kommission hing, mitzuarbeiten. Ich befürchte allerdings, daß die des Schreckens entwöhnten Restdeutschen sich wiederum für fremde Interessen an fremden Fronten verheizen lassen. Wir sind doch schon im III. Weltkrieg, obwohl er derzeit noch im Hinterzimmer frontiert.

Niekisch

15. Dezember 2022 11:21

""Fernrohrbüchse""

@ RMH 14.12. 20:25: Eine noch fürchterlichere Waffe könnte der "Grabenkratzer" gewesen sein, ein Vorläufer der Maschinenpistole bzw. des Maschinengewehrs, das in den gegnerischen Graben eindringende oder hineinspringende Infanteristen benutzten, um gleich eine ganze Gruppe feindlicher Grabenkämpfer "zu erledigen".

Monika

15. Dezember 2022 11:31

Wer liebt sie nicht, diese besinnlichen Beiträge von Martin Lichtmesz in der Vorweihnachtszeit. Aber warum in die Filme schweifen, wenn das Böse so nah liegt. Z.Bsp. in der Nähe einer etwas heruntergekommenen Kreistadt, in der der  „Jahrhundertenor aus der Pfalz“ geboren wurde. Ja, es geht um die brutalen Polizistenmorde bei Kusel im Jan. 22. Der wegen zweifachen Mordes verurteilte Andreas S. soll „viel Wert auf Tradition und das Einhalten von Regeln gelegt haben,“ gar „ein guter Christ gewesen sein“, so ein Schulkamerad. Trotzdem tötete er mit Kopfschüssen, gezielt noch ein zweites Mal auf die am Boden liegende junge Polizeianwärterin, die noch lebte. Da freut man sich auf den „Sommer des Großinquisitors“ ( Helmut Lethen) um zu erfahren, warum „das Böse fasziniert“ ( d.i. Im Wortsinn: fesselt) . Ich warte auf die Besprechung, die in der Sueddeutschen schon im Oktober erfolgte und neugierig auf das Buch macht.

Kommentar Sommerfeld: Die Besprechung finden Sie im aktuellen Heft.

Laurenz

15. Dezember 2022 15:08

@Gustav

Danke für die historische Einordnung der Jäger-Einheiten. Die Briten führten erst mit/nach dem us amerikanischen Unabhängigkeitskrieg die Rifles-Regimenter ein, um den Ami-Trappern ein, die alle mit gezogenen Läufen jagten oder kämpften, Paroli bieten zu können. https://de.wikipedia.org/wiki/95th_Rifles

Die relativ kurze Baker-Rifle wurde für 40 oder 50 Jahre das Standard-Gewehr.  https://de.wikipedia.org/wiki/Baker_Rifle

Die Offiziere der Rifle-Regimenter führten auch ein moderneres Verhältnis von Offizier zur Mannschaft ein, weg vom Standesdünkel, was den Kampfwert drastisch erhöhte.

Für die moralischen Einlassungen von

@Niekisch

habe ich keinerlei Verständnis. Die Kugel eines Scharfschützen ist somit der humanste Tod, der einem im Krieg treffen kann. Kann zwar die pazifistischen Anwandlungen Niekischs verstehen, aber diese basieren auf Ignoranz der menschlichen Natur.

MARCEL

15. Dezember 2022 16:56

Interessante Recherche zum "Sitz im Leben" eines Kriegs(propaganda-)films!

(Nur zwei Glossen:

- Radovan Karadzic war ganz zu Beginn auch ein Linksgrüner, bevor er großserbischer Nationalist wurde

- Das Beten im Film ist wohl eine Anleihe vom dauer-psalmodierenden Sniper Jackson in "Der Soldat James Ryan")

Zur Gestalt des Snipers: Er ist in unserer Epoche vielleicht so etwas, wie die Kampfflieger im Ersten Weltkrieg, eine Art letzter "Adel" - wobei ein Kampfflieger damals weitaus mehr riskierte und selten mit dem Leben davonkam!

Sniper ist die technisierte Perversion des Ritterlichen einer durch-individualisierten, autistischen, spielsüchtigen Gesellschaft, Töten ohne Beziehung (ähnlich Drohnen-Piloten), aber mit größtmöglichen Terror.

Im sehenswerten Film über den serbischen Sniper Dejan Beric wird diese psychologische Abgründigkeit ("sieh nie in die Augen deines Ziels") beeindruckend dargestellt.

Generell: Zur tragischen Ironie der ukrainischen Verteidigung gehört es, dass dort die typische Alte Rechte ein Zweckbündnis mit dem "westlichen Regenbogen" eingegangen ist (siehe auch Lucien Cerise "Le suprémacisme blanc. Peuples autochtones et Great Reset")

 

dojon86

15. Dezember 2022 19:24

Ich habe Kriegsfilme schon vor 20 Jahren endgültig boykottiert. Sie sind, (wie Herr Lichtmesz eindrucksvoll dokumentiert) immer krasse Propaganda. Aber vor allem sind sie Gift für den Jugendlichen Geist. Wir alle wissen, wie sehr Jugendliche geneigt sind, Realität und Film zu verwechseln. Wie soll ein junger Mann, dem woke Lehrerinnen und pazifistische Eltern ein Softie Ideal empfehlen, der gleichzeitig spürt, dass seine jungen Mitschülerinnen sich gar nicht so sehr für Softies begeistern können, und dem gleichzeitig im Film Kriegshelden als Vorbilder gezeigt werden, nicht völlig verwirrt werden.

RMH

15. Dezember 2022 22:11

"Ich habe Kriegsfilme schon vor 20 Jahren endgültig boykottiert. Sie sind, (wie Herr Lichtmesz eindrucksvoll dokumentiert) immer krasse Propaganda."

@dj86, Das ist richtig - wie immer mag es auch Ausnahmen geben. Ich selber würde jetzt den einen oder anderen Klassiker nennen wollen, aber die sind dann auch allesamt älter als 20 Jahre. Die Filme mögen heute bessere Special-Effects haben, sind aber insgesamt eine Zumutung. Schon zu Teil 1 schrieb ich deshalb, dass M.L. für solche Rezensionen Extra-Honorar gebühren würde.

"Diese Westen zwingen Schützen erst recht auf den Kopf zu zielen."

@Laurenz,

es kommt schon auf die Platten an, die man in den Plattenträger einschiebt. In der Regel dürfte ein modernes Scharfschützenkaliber so etwas locker durchschlagen. In den Kopf schießt man nicht zwingend. Töten ist auch nicht immer erstes Kriegsziel, ein Verwundeter bindet vielmehr Kräfte im Hinterland als Tote. Die BW hat bspw. ihre bewährte UZI-MP abgeschafft und die HK MP7 angeschafft, deren Munition die meisten Schutzwesten durchschlagen kann. Die Schutzwesten sind das, was sie schon früher waren: Splitterschutz.

@Monika,

leider kann man heutzutage selbst den Berichten über solch "klare" Fälle, wie dem des Polizistenmordes durch den "Wilderer", nicht mehr blind glauben. Man sollte einmal das Urteil lesen, welche Gutachten jenseits der Aussagen der Snitch aka "Jagdkameraden" vorlagen und in die Urteilsbegründung eingeflossen sind.

Laurenz

16. Dezember 2022 06:43

@RMH @L. (1)

Ihre militärischen Einschätzungen teile ich in keiner Weise. Die sind in meinen Augen auch in keiner Weise realistisch.

Im späteren Häuserkampf des II. Weltkriegs, den man meist mit kleinkalibrigen Maschinenpistolen führte, hängten sich die deutschen Soldaten, teils mehrfach gefaltet Zeltplanen über, welche den Aufschlag gegnerischer Projektile abfederten.

Das teuerste in einem Krieg ist der ausgebildete Soldat, kein Verlust, wenn wir mal von schwerem Gerät absehen, ist größer. Mit ein Grund für den Verlust des II. Weltkriegs waren die vielen ausgebildeten Bomber-Piloten, die abgeschossen wurden & über England absprangen, also in Gefangenschaft gerieten. So schnell bildet man niemanden als Ersatz aus. Tote Gegner sind billiger als Kriegsgefangene. Die Scharfschützen-Ausbildung ist extrem aufwendig. Man muß Rekruten eine zeitlang schießen lassen, bis man die Talente findet. Danach können Sie noch von 1,5 Jahren Ausbildung ausgehen. Um einen ähnlichen Effekt zu erzielen, nutzt man heutzutage MANPADS. Da dauert die Ausbildung einen Tag.

Laurenz

16. Dezember 2022 06:44

@RMH @L. (2)

Jäger oder Rifles hatten immer den Befehl, erst die Offiziere auszuschalten, logisch oder? Die Ukrainer hatten sich nicht umsonst mit der Tötung einiger russischer Generale gebrüstet. Der Alte Fritz meinte: Meine Generals nehmen den Acheron im Galopp, um Seine Verwunderung zu verbergen. Hier ein berühmter Britischer Rifle-Soldat  https://en.wikipedia.org/wiki/Thomas_Plunket   der einen französischen General auf große Entfernung (ca. 550 m) erschoß.

@Dojon86 & RMH

Die Amis drehen den meisten Kriegsfilm-Schrott. Mit ein Grund ist, daß das Militär aus Gründen der Propaganda einen extrem großen Teil der horrenden Produktionskosten Hollywood abnimmt. Ein wesentliches Merkmal us amerikanischer Kriegsproduktionen ist die Perversion des militärischen Sachverhalts. Schauspiellegenden unternehmen den oft erfolgreichen Versuch, die Sache glaubwürdiger zu gestalten. Wenn Klaus Kinski Maximilian Schell erschießt, bekommen die Protagonisten menschliche Nähe.

Hajo Blaschke

16. Dezember 2022 10:39

MARCEL Radovan Karadzic ist Montenegriner. Er ist jugoslawischer Patriot, kein großserbischer Nationalist.

Im finnischen Winterkrieg 1939/40 haben finnische Scharfschützen zu allererst sowjetische Offiziere und Chauffeure der Fahrzeuge erschossen. Das hat zu kopflosen Handlungen der führungslosen Truppen geführt, die dadurch dann aufgerieben wurde. Im Ergebnis waren die Verluste der Rotarmisten fast zwanzig Mal so groß wie der Finnen.

RMH

16. Dezember 2022 12:35

@Laurenz,

zum x-ten mal: Bitte gewöhnen Sie sich ein Lesen der Beiträge an, bei dem sie die differenzierenden Formulierungen wie "nicht zwingend" oder "auch" etc. wahrnehmen. Ich habe keine schwarz- und weiß Thesen in den Raum gestellt. Dass man auch zum töten trotz Schutzplatten nicht mehr nur in den Kopf schießen muss, dass recherchieren Sie bitte mal selber (b.t.w. seit wann ist 9mm ein Kleinkaliber?). Im Übrigen darf man auf Ihre Einwände gerne mit dem alt-preußischen "Ham Se jedient?" antworten. Ich selber war zwar nur Wehrpflichtiger, aber wer seine Wehrpflicht mit offenen Augen und Ohren statt besoffen im Mannschaftsheim ableistete (gehörte aber auch dazu), konnte da sehr viel an Informationen und Kenntnissen mitnehmen, insbesondere im Bereich der Taktik. Wenn ich also davon schrieb, dass die Verwundung von Gegnern durchaus AUCH Ziel einer Waffenwirkung ist und der "Kill" nicht alles (ob und wann ein Verwundeter überhaupt jemals wieder wehrfähig wird, steht doch auf einem anderen Blatt - bis dahin bindet er massiv Kräfte, will versorgt sein, trägt Unruhe in die Heimat etc.), dann beruht das nicht auf meinem eigenen Mist sondern auf dem einer BW, die damals noch taktisch vollkommen in der Tradition der Wehrmacht, Reichswehr und kaiserlichen Armee stand (keine Ahnung, wo sie heute steht - evtl. gibts Hinweise, wer sich vor Betreten des dark rooms zuerst einzucremen hat, ZDV xy neu etc. - kleiner Scherz).

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