Sogar so gut, daß man eher noch bei dröhnender Stille hellhörig wird als beim ewig gleichen Hintergrundrauschen der wirtschaftlichen Hiobsbotschaften und der eilfertigen Prostratio vor dem innen- wie außenpolitischen Fremden.
Dröhnende Stille wie nach einem Bombeneinschlag, könnte man als billige Überleitung formulieren. Das regelrecht infernalisch kreischende Schweigen (ungefähr so) im Angesicht des Enthüllungsartikels »How America Took Out the Nord Stream Pipeline« von Investigativlegende Seymour Hersh nun wirkt tatsächlich in beide Richtungen wie eine Reaktivpanzerung, um beim Motiv zu bleiben.
Daß ausgerechnet die orthodox marxistische junge Welt zeitig zugeschlagen und eine autorisierte deutschsprachige Übersetzung des Hersh-Artikels veröffentlicht hat, kann man nur mit Augenrollen zur Kenntnis nehmen: Hier hat sich die trotz der zunehmenden Marktverengung noch gut aufgestellte konservative Presselandschaft – von der rechten gar nicht sprechen – lehrbuchmäßig die Butter vom Brot nehmen lassen.
Um einmal von guten Absichten auszugehen und nicht etwa transatlantische Voreingenommenheit zu vermuten, die es gewiß auch nicht zu knapp gegeben haben wird und die sich insbesondere in Leserkommentaren bereits wieder lästig niederschlagen. (Immerhin kann man sich eine hausgemachte deutsche Textfassung vom Kollegen Sellner vorlesen lassen, wenn man im mehr oder weniger eigenen Beritt bleiben möchte. Auch die Jott Eff hat sich mittlerweile von der Verwertbarkeit des Themas überzeugen lassen.)
Vom besagten erwartbaren Gemäkel ist mir eine “Beurteilung” besonders aufgefallen, weil sie den paradigmatischen Nichtumgang mit dem Ganzen ideal zusammenfaßt:
Es gibt halt noch keine einzige tatsächliche Quelle, Ein Journalist mit Altersdemenz, der eine einzige Quelle hat, die natürlich Anonym bleibt und das ganze auf einem obskuren Blog verbreitet, ist kein stichhaltiger Beweis. (Kommentar im Telegram-Kanal des Jungeuropa Verlags; Fehler im Original)
Selbst nach Abzug des internetüblichen schriftlichen Maulheldentums verblüfft doch, daß das Denken in “renommierten” vs. “obskuren” Medien nicht einmal nach Migrationskrise(n) und COVID-Getöse endlich ein Ende gefunden hat. Abgesehen davon ist Substack – wie hier vorgestellt – derzeit die Plattform für unabhängige Publizistik und wird es wohl bleiben, bis es letztlich an Google o.ä. verkauft wird.
In altklugen Bewertungen wie dem obigen schlägt sich indes vor allem ein Problem der Haltung nieder. Den Weltläuften und der Wertschöpfung aus denselben (was die Medien eben tun) gegenüber hat sich nicht erst, aber insbesondere seit dem Frühjahr 2020 ein Nihilismus herausgebildet, den es ohne das Internet nicht gäbe:
Seit die erste Hälfte des Sprüchleins “Von nichts eine Ahnung, aber zu allem eine Meinung” digital kompensierbar ist, jeder sich jederzeit in wenigen Minuten die zum Auftrumpfen benötigte Halbbildung anlesen kann und es für unangenehme Erkenntnisse immer auch die passende Gegenansicht und Beschwichtigung gibt, ist Berichterstattung als solche praktisch wertlos geworden. (Dies werde ich noch anderswo weiter ausarbeiten.)
Dazu kann man sich in letzter Instanz nur noch mit Verweigerung in Beziehung setzen: Daß ausnahmslos alles eine Lüge sei und die Wahrheit sich gerade dadurch auszeichne, daß sie nicht berichtet werde, ist vom neckischen Mem – “Everyone’s a fed, everything’s a psyop” – zu einer veritablen Weltanschauung geworden. Und die US-Dienste wären nicht sie selbst, würden sie diese wortwörtlich virale Paranoia nicht auch noch zur Eigenwerbung verwenden.
Die Kehrseite dieser unschönen Medaille ist indes jener Zynismus, der auf unserer Seite der Grenze des guten Geschmacks inzwischen wohl die meisten befallen hat. Wo sich rechte Reaktionen auf den Hersh-Text zeigen, sind sie nicht von Empörung oder auch nur Staunen angesichts des Ausmaßes geprägt, sondern schlicht von grimmiger – Zufriedenheit? Freude? Oder worauf läuft sie hinaus, diese “dissidente” Lust weniger am Siegen als vielmehr am Rechthaben?
Sicher, es war vom echten “Doppelwumms” am 26. September 2022 an die einzig sinnvolle Schlußfolgerung, hinter dem abrupten Nord-Stream-Ende die USA oder einen anderen NATO-Staat mit Unterstützung der USA zu vermuten. Übrigens waren es schon damals nicht zuletzt amerikanische Stimmen, die via Twitter etc. ihre russenhaßbesoffenen europäischen “Verbündeten” an die simple Frage Cui bono? erinnerten. Und daß die USA ebenso wie Israel weltweit ihre mittel- und unmittelbaren Interessen mit der gerade geboten scheinenden Dosis Gewalt durchsetzen, wird nicht nur allseits achselzuckend hingenommen, sondern längst in Serien wie 24 oder Fauda und selbst im piefigen Tatort geradezu romantisiert – ist ja schließlich zu unser aller Sicherheit, right?
Ebenso sicher war (und bleibt) aber auch, daß die Bundesrepublik samt ihrer Regierung, wer auch immer diese gerade stellt, niemals gegen ihre Essigmutter jenseits des Großen Teichs aufbegehren würde. Daß doch irgendwann einmal das Maß voll sein müsse, verkauft sich als Narrativ zwar noch immer blendend. Unsinn ist es trotzdem, und das wissen wir allerspätestens seit der NSA-Affäre. Auch schon wieder zehn Jahre her, hätten Sie’s gedacht?
Den Scoop Hershs außenpolitisch wirksam machen zu können, ist vollkommen ausgeschlossen. Für die Regierung, und für die Opposition erst recht. Die vergangenen Wochen mit der elenden Debatte um Leopard-Panzer haben wohl alle verbliebenen Zweifel daran zerstreut, daß auch Olaf Scholz als Bundeskanzler lediglich ein Tanzbär ist, der am Nasenring des militärisch-industriell-geheimdienstlich-medialen Komplexes durch die Weltmanege gezerrt wird. Wer sein Zaudern mit so etwas wie Heldenmut und Widerstand verwechselt hat, der trauert wohl immer noch Helmut Schmidt nach (der immerhin als seinerzeitiger SDS-Vorsitzender Schneid hatte).
Wenn dieses bundesbürgerliche Trauerspiel für uns als grundsätzliche Opposition einen Nutzen haben soll, dann kann dieser nur in Steilvorlagen für die dringend notwendige Medienkritik – im persönlichen Umfeld – bestehen. Daß die systemstützenden Medien der Republik von der grünen taz bis zur türkisroten FAZ, wo sie überhaupt berichteten, sich zu den üblichen Frechheiten hinreißen ließen (so stellte die Süddeutsche wortwörtlich zeitgleich mit ihrer verspäteten Pressemeldung zum Thema eine Abfertigung gegen Seymour Hersh selbst online) gegenüber einem Starjournalisten, der genau so lange gefeiert wurde, wie er Liberalen Munition gegen “konservative” Kriegstreiber lieferte, sollte zumindest mittel- bis ganz alten Zeitgenossen zu denken geben.
Wer jünger ist, den kann immerhin die Wut darüber, einmal mehr vom Altmedienapparat verachtet und für dumm verkauft zu werden, aus dem entpolitisierenden Sandwich zwischen Nihilismus und Zynismus heraussprengen. Tatsächlich eine “Mine, die lautlos explodiert”, im ursprünglichen Sinne.
MarkusMagnus
Vielleicht kann sich Deutschland mit Russlands Hilfe doch noch aus dem hybriden Vernichtungkrieg befreien der gegen unser Volk geführt wird. Die AFD macht im Moment gute Arbeit bezüglich NS2. Weiter so.