Den Rückmeldungen nach scheinen unsere stundenlangen Gespräche in Schwarz-Weiß zumindest bei der einschlägig interessierten Zielgruppe gut anzukommen. Meine Rolle darin ist, Martins üblichen professionellen Präsentationsmodus zu sabotieren und ihn auf eher mäandernde Plauderpfade zu locken.
Die “Melange” gibt es in zwei Variationen: Einmal als Ritt durch tagespolitische Themen, und zum zweiten als Eintauchen in ein spezielles Thema. Dieses ergibt sich meistens spontan, nach ein bißchen Herumtasten, ohne Vorbereitung: So haben wir uns einmal über die metaphysischen Implikationen der Dinosaurier unterhalten, und in der vorletzten Folge über den Themenkomplex “Incels” und Partnerwahl.
Mitte Mai trafen wir uns wieder, um gleich zwei Folgen hintereinander aufzuzeichnen. Beide sind exklusiv für die Mitglieder von MSLive+ einsehbar (hier anmelden). Die Juni-Folge (Nr. 15) ist die weitaus anspruchsvollere, denn darin unterhalten wir uns über “Magie und Technologie”.
Über das Thema “Magie” habe ich in den letzten Monaten viel nachgedacht und gelesen. Das Bedeutungsfeld, das sich hier auftut, ist mindestens so weit gefaßt und so subjektiv auslegbar wie das von “Liebe”, “Kunst” oder “Gott”.
“Magie” hat nicht unbedingt mit übernatürlichen Kräften oder Fähigkeiten zu tun. Die “Verzauberung” durch (künstliche oder natürliche) Schönheit, Schauspiele und Poesie gehört hier ebenso hinein wie die “Verhexung” durch Worte, Symbole, Bilder, dramatische Rituale und symbolische Handlungen, wie sie in Werbung, Psy-Ops und Propaganda verwendet werden. “Magie” verweist ebenso auf Täuschungen und Illusionen wie auf Wunder und Wünsche.
Die berühmte Definition von Aleister Crowley lautet: “Magick is the science and art of causing change to occur in conformity with the Will.
Magie ist die Kunst und Wissenschaft, Veränderung im Einklang mit dem Willen hervorzurufen.
Demzufolge wäre ein magischer Akt auch ohne “okkulte” Mittel möglich. Tatsächlich fährt Crowley in seinem Buch Magick in Theory and Practice (1929) verblüffenderweise fort:
Every intentional act is a Magical Act. – Jede absichtsvolle Handlung ist eine magische Handlung.
Hierfür nennt er ein Beispiel: Sein Wille ist, die Welt mit bestimmten Tatsachen bekannt zu machen, über die er Bescheid weiß. Zu diesem Zweck benutzt er “magische Waffen” – Feder, Tinte, Papier, schreibt “Anrufungen” (incantations) – die Sätze seines Buches, und ruft “Geister” zu Hilfe – Drucker, Verleger, Buchverkäufer, die ihm helfen, seine Botschaft zu verbreiten. Komposition, Publikation und Distribution des Buches sind mithin ein Akt der “Magick” (wie er zu buchstabieren beliebte) gemäß seinem Willen (Magie wäre dann aber auch eine Art Technik).
Ich finde diesen Ansatz sehr reizvoll. Er eröffnet Möglichkeiten zu einer Art künstlerischen Romantisierung oder Ritualisierung des Alltags. Und ich habe gewiß ein Interesse daran, mit meinen Worten Änderungen in der Welt oder zumindest im Bewußtsein meiner Leser hervorzurufen.
Allerdings hat Crowley hier (wohl mit Absicht) etwas Verwirrung gestiftet, denn es bedarf schließlich irgendeiner Abgrenzung zwischen magischen und nicht-magischen Akten, wenn der Begriff nicht völlig uferlos werden soll. Und wenn angestrebte “Veränderung” auf eine Wunscherfüllung abzielt, wie so häufig der Fall, dann sind natürliche Mittel oft “einfacher” und effektiver als “übernatürliche”.
Meine persönliche bevorzugte Auffassung von Magie, ist, sie als Kunst, oder genauer gesagt umgekehrt: Kunst als eine Form der Magie zu begreifen.
Wie der Schriftsteller und Comic-Autor Alan Moore (Watchmen, From Hell) bemerkte, wären aus dieser Perspektive Dichtung, Malerei, Musik, Skulptur und so weiter buchstäblich Magie:
Kunst ist, wie Magie, die Wissenschaft von der Manipulation von Symbolen, Wörtern oder Bildern, um im Bewußtsein eine Veränderung hervorzurufen.
Magie wäre dann in erster Linie ein Bewußtseinszustand, insbesondere einer, der sich vom trivialen Alltagsbewußtsein abhebt und es “aufzubrechen” vermag. Die “Veränderung”, von der Crowley in seiner berühmten Definition spricht, wäre dann vor allem, wie Moore sagt, eine Veränderung im Bewußtsein, sei es das eigene, sei es das von anderen Menschen.
Dieser Gedanke bringt uns rasch zu Novalis, der in seinen romantischen Fragmenten ebenfalls Magie mit Wissenschaft und Kunst in Verbindung setzt. Und auch er betont das Element des Willens:
Magie ist die Kunst, die Sinnenwelt willkührlich zu gebrauchen.
Seine Formel von der Romantisierung der Welt lautet:
Indem ich dem Gemeinen einen hohen Sinn, dem Gewöhnlichen ein geheimnisvolles Ansehn, dem Bekannten die Würde des Unbekannten, dem Endlichen einen unendlichen Schein gebe, so romantisiere ich es.
Der Dichter hat hier eine aktive Rolle inne (das meint “willkührlich”) – durch einen Bewußtseinsakt (der eben auch ein dichterischer sein kann) verzaubert er die Welt.
Eine Variante dieses Gedankens geht davon aus, daß es in erster Linie unsere getrübte Wahrnehmung ist, die uns blind macht für den Zauber der Welt. So formulierte der visionäre Dichter William Blake:
If the doors of perception were cleansed every thing would appear to man as it is, Infinite. For man has closed himself up, till he sees all things thro’ narrow chinks of his cavern.
Die “Reinungen” dieser “Pforten der Wahrnehmung” kann wiederum auf unterschiedliche Weise geschehen: durch Dichtung und Kunst, durch Fasten und Beten, durch Yoga- und Atemübungen, auch durch die Einnahme von bewußtsverändernden Substanzen. All dies spielte und spielt in der magischen Praxis der Jahrtausende eine große Rolle.
Und schließlich fällt mir hierzu noch der Beginn von David Jones’ Dichtung Anathemata ein (ich bin vor vielen Jahren auf sie durch einen Hinweis von Botho Strauß gestossen), der ein prähistorisches (?) Ritual schildert, das in eine lateinische Messe überblendet:
We already and first of all discern him making this thing other. His groping syntax, if we attend, already shapes: ADSCRIPTAM, RATAM, RATIONABILEM.… and by pre-application and for them, under modes and patterns altogether theirs, the holy and venerable hands lift up an efficacious sign.
Sofort und zu allererst erkennen wir, daß er dieses Ding anders macht. Schon formt sich, wenn wir aufmerken, seine tastende Syntax: ADSCRIPTAM, RATAM, RATIONABILEM [Wandlungsbitte der tridentinischen Messe: “… ein gültiges, rechtes, Dir wohlgefälliges Opfer…” ]… und im voraus und für sie, in Strukturen und Formen, die ganz die ihren sind, erheben die heiligen und ehrwürdigen Hände ein wirksames Zeichen. (Deutsch von Cordelia Spaemann)
“Er” könnte ein Priester sein, in dessen Händen sich die Hostie in den Leib Christi verwandelt (ein Akt der “weißen” Magie?); aber auch ein Künstler oder ein Schamane, der einen Gegenstand vorfindet und ihn “anders” macht (eine Veränderung hervorruft): Er schnitzt eine Figur aus einem Stück Holz oder dem Knochen oder Zahn eines Tieres oder schleift sie aus einen Stein; Zweige übereinandergelegt formen ein Kreuz oder eine Rune; Felsbrocken werden in einem Kreis angeordnet und erzeugen ein imaginäres Feld, das den heiligen vom profanen Raum trennt und ihn mit Energie und Atmosphäre auflädt.
Wichtig ist, daß das Zeichen, das er auf diese Weise erschafft, “wirksam” (efficacious) ist, daß es tatsächlich das Irdische mit dem Überirdischen, das Sichtbare mit dem Unsichtbaren verbindet. Es ist von Bedeutung, daß die Hände das Zeichen erheben (“lift up”), nach oben verweisen. Auch die Geste ist Teil der magischen Handlung, die eine Veränderung im Bewußtsein des Ausführenden (und der etwaigen Anwesenden) sowie im Gewebe der Wirklichkeit hervorruft.
(Das sind alles Gründe, warum ich denke, daß man wahre Kunst nicht “auf Knopfdruck” machen kann. Es müssen reale Hände und Stoffe im Spiel sein.)
Aber nun zurück zu Martins und meiner “Melange”. Ausgangspunkt unsereres Gesprächs war der Spot “Crush” von Apple, den ich hier analysiert habe: Ein Sammelsurium an Gegenständen, die audio-visuelle menschliche Kreativität symbolisieren, wird brachial von einer Stahlpresse zusammengedrückt und mit einem “Puff” in ein mirakulös schlankes, kleines iPhone “verwandelt”, das “digital” alles kann, was diese Gegenstände können.
Das erinnerte mich an das dritte “Gesetz” von Arthur C. Clarke (des Autors der literarischen Vorlage zu Kubricks Odysee im Weltraum, in dem einem Rudel prähistorischer Affenmenschen ein avant la lettre und avant la chose smartphone-ähnliches Gebilde erscheint, das einen evolutionären “Sprung” auslöst; ein Affenmensch findet daraufhin einen Knochen vor und verändert ihn zu einer Waffe):
Jede hinreichend fortschrittliche Technologie ist von Magie nicht zu unterscheiden.
Auch bei Herbert Fritsche (1911–1960), einem okkulten Autor und Schüler Gustav Meyrinks, der unter anderem mit Ernst Klett, Gerhard Nebel und Hans Blüher befreundet war, fand ich eine Definition, die Magie und Technik miteinander verknüpft:
Magie ist das vom Menschen gewollte und gekonnte Verändern der Welt, ihrer Geschöpfe und Abläufe. Somit entspricht sie der Technik, nur daß diese sich physischer, die Magie aber okkulter Mittel bedient.
Sie öffne im Gegensatz zur weltabgewandten Mystik “Einbruchspforten, durch die Metaphysisches gelenkt und weltwirksam wird.” Auch Crowleys Beispiel vom Schreiben und Drucken eines Buches verweist auf Techniken, mit denen “Metaphysisches” (der Inhalt des Buches) kommunziert und “wirksam” wird. Er verwischt jedoch die Grenzen zwischen Magie und Technik, indem er den Willen (und nicht die Mittel) ins Zentrum seiner Definition stellt.
Martin Sellner verwies mich diesbezüglich auf ein konträres Zitat von Julius Evola aus seinen “magischen”, esoterischen Schriften der späten zwanziger Jahre (nachzulesen in dem vergriffenen, antiquarisch ziemlich teuren Band Magie als Wissenschaft vom Ich).
Evola spricht darin die “kindliche” Auffassung von Magie an, mittels derer man “per Zauberstab” oder auch über “mysteriöse Formeln oder geheime Zeichen” wie im Märchen “von selbst und ganz automatisch diesen oder jenen Effekt hervorbringen kann”. “Magisches” in diesem Sinn sei jedoch, wenn überhaupt
… nur in der modernen Technik möglich ist, nicht aber in der Welt der wahren Magie: Die Macht, einen ganzen Felsen in die Luft zu sprengen, indem man bloß den Druckknopf eines Schalters betätigt, oder ganz einfach die Macht, Feuer aufflammen zu lassen, indem man ein Zündholz reibt, ist im Grunde genommen von genau dieser Art: Hier bin ich, und dort entsteht der Effekt, auf automatische, “magische” Weise, hervorgebracht von einer Kraft, die nicht die meinige ist und die mir völlig unverständlich und fremd bleibt, wie gut ich auch ihre Wirkungsweise oder besser gesagt ihre Gewohnheiten kenne.
Das ist eine Art von Magie, die keinem “Magus” vorbehalten ist, sondern die jeder Mensch anwenden kann, auch wenn nicht jeder weiß, wie man die Wunderapparate baut, die diese Wirkungen erzielen.
Evola grenzt dies vom “wahren” magischen Akt ab, der
vom Standpunkt der inneren Erfahrung genau das Gegenteil eines Wunders im vorstehenden Sinne [ist], das heisst eines unverständlichen und Verwunderung erregenden Phänomens. Denn er entsteht aus einem Zustand absoluter Klarheit-Erkenntnis und ist von der Erfahrung einer unmittelbaren, realen Ursache-Wirkungskette sowie der Kraft, die direkt in die Wirkung mündet, nicht zu trennen. Diese Wirkung wird in Abhängigkeit von Ursachen realisiert, und die Ursache ist eins mit dem Zustand eines vervollkommneten Lebens und seinen Höhepunkten.
Es ist hier nicht der Platz, näher auf Evolas Auffassung von “Magie” einzugehen. Es geht nicht um die Kontaktaufnahme mit dämonischen Wesenheiten und ihre anschließende Indienstnahme, wie sie zur selben Zeit etwa Crowley versuchte, sondern um die Initiation in einen anderen, souveränen, mit der absoluten Transzendenz verbundenen Seinszustand, der das Selbst “alchemistisch” verwandeln und potentiell unsterblich machen soll. Diverse durch diesen Prozeß “okkulte” Fähigkeiten (wie Hellsehen, Telepathie…) wären dann nur ein “Nebeneffekt” dieser Transformation des Seins.
H. T. Hakl faßt es in seinem Vorwort zu Evolas Die hermetische Tradition so zusammen:
Das Ziel dieses Systems [der Alchemie im besonderen und Hermetik im allgemeinen], ist die Erfaßbar- und Erfahrbarmachung eines beseelten, “heiligen” Organismus, voll von lebendigen Kräften, wo alles wunderbar miteinander verwoben und miteinander verbunden ist und kommuniziert. Der Mensch steht in der Mitte, da er als Makrokosmos in Analogie den gesamten Makrokosmos enthält: wie oben, so unten – nach dem Worte der “Smaragdenen Tafel”.
“In der Welt der Technik” spielt das Sein des Menschen, der sie anwendet (etwa mit seinem Smartphone spielt), keine Rolle, und darum könne man auch nicht von einer “wahren” Handlung sprechen, fährt Evola fort:
… nämlich einer Handlung, die direkt vom Selbst ausgeht und sich in der Ordnung der wirklichen Ursachen behauptet. Da sie absolut mechanisch und anorganisch ist und daher keine Beziehung zum Wesen des Selbst hat, stellt die Welt der Technik das Gegenteil von allem dar, was den Charakter einer wirklichen Macht haben kann, die aus der Überlegenheit geschaffen oder von Überlegenheit gekennzeichnet ist, die unmitteilbar, unveräußerlich, spirituell ist.
Wir müssen anerkennen, daß der heutige Mensch trotz seiner Kenntnis der Phänomene und obwohl er von zahllosen teuflischen Maschinen umgeben ist, elender und verlorener ist als je zuvor. Geistig ist er ein schlimmerer Barbar als jene, die er mit diesem Namen zu bezeichnen sich anmaßt; er wird immer mehr konditioniert statt selber zu konditionieren, und wird so einem Wechselspiel irrationaler Kräfte ausgesetzt, die das Trugbild seiner ausschließlich materiellen Macht und Dinge in Luft auflösen.
Wenn Evola von “teuflischen” Maschinen spricht, dann könnte man sich die moderne Technik als eine Art “schwarze Magie” vorstellen, die weitaus effektiver “zaubern” kann als die Hexen und Zauberer vergangener Zeiten. Mit ihrer Hilfe kann der Mensch – und zwar “demokratisch” jeder Mensch – fliegen, audiovisuelle Aufzeichnungen der Wirklichkeit erschaffen, und mit Menschen am anderen Ende der Welt kommunizieren.
Entgegengesetzt zu Evolas Auffassung bemerkte der populäre Modeguru “Sadhguru” in einer Rede über okkulte Fähigkeiten, daß zwischen einem telepathischen “Gespräch” und einem Gespräch über Mobiltelefon (“The smartest thing about most people is their phone”) wenig Unterschied bestehe:
Technologie unterscheidet sich nicht sehr vom Okkulten. Man benutzt verschiedene Materialen, aber eigentlich handelt es sich um dieselbe Sache. Als es noch keine Technologie gab, war das Okkulte extrem relevant. Aber heute geht die Bedeutung des Okkulten zurück, während die Technologie fortschreitet. (…) Die moderne Technologie macht das Okkulte obsolet.
Ist die Kreation von interaktiven KI-Traumfrauen und Pornobildern nach Wunschzettel eine Art von “Magie”? Sind die Benutzer solcher Programme moderne, etwas weniger idealgesonnene Pygmalions?
In “Melange” #13 sprach Martin Sellner über hypothetische “Roboterbordelle” und künftige Möglichkeiten extravaganter sexueller Erlebnisse über 3D-Brillen und neuronale Stimulationen, eine Vision, die William S. Burroughs schon in den frühen achtziger Jahren vor Augen hatte (Report from the Bunker, 1981):
Wenn wir die Möglichkeit der elektronischen Gehirnstimulation in Betracht ziehen, könnten wir nach Belieben einen Inkubus oder Sukkubus unserer Wahl erschaffen, was zur Entwicklung eines Elektronischen Bordells führen würde, in dem jeder ohne die Last des physischen Körpers befriedigt werden könnte.
Goethes Mephisto lockte Faust mit einer virtuellen nackten Dame:
Was seh ich? Welch ein himmlisch Bild
Zeigt sich in diesem Zauberspiegel!
O Liebe, leihe mir den schnellsten deiner Flügel,
Und führe mich in ihr Gefild!
Dem Publikum verriet Mephisto seinen Trick:
Du siehst, mit diesem Trank im Leibe, bald Helenen in jedem Weibe.
Die Figur des “Faust”, besonders in der Darstellung durch Goethe, verknüpft Wissenschaft mit Magie; als “Philosophie, Juristerey, Medizin und leider auch Theologie” nicht mehr reichen, greift der verwegene Doktor zu einem Grimoire, um Geister zu beschwören, die ihm helfen sollen, zu verstehen, “was die Welt im Inneren zusammenhält”. Der “Erdgeist”, der erscheint, weist den vermessenen, sich ihm ebenbürtig dünkenden Erdenwurm jedoch schroff zurück:
Du gleichst dem Geist, den du begreifst – nicht mir!
Auch andere, historische Meister der okkulten Künste waren zugleich Wissenschaftler und Universalgelehrte: Agrippa von Nettesheim, Albertus Magnus, John Dee oder Paracelsus. Sind nun moderne Technik und Medizin eine Magie, die “funktioniert”, im Gegensatz zum Aberglauben früherer Zeitalter, dem auch die gebildetsten Männer ihrer Zeit erlagen, weil sie es noch nicht besser wußten?
Wenn das ursprüngliche Ziel der Magie war, der natürlichen und übernatürlichen Welt seinen Willen aufzuzwingen, um sie zu beherrschen, war sie dann einfach nur eine primitive und abergläubische Frühform der Wissenschaft? Beruhen ihre vermeintlichen Wirkungen vollständig auf Einbildung und Selbst- und Fremdtäuschung?
John Symonds, Autor der ersten großen Crowley-Biographie nach dessen Tod im Jahr 1947, soll gesagt haben: “The only trouble with magic is, it doesn’t work.” Er schien auch zu glauben, daß Crowley keine “tatsächlichen” magischen Kräfte besaß, sondern lediglich ein manipulatives, blenderisches Charisma und die Fähigkeit, sich durch Drogen, Sex und phantasievolle Rituale mit gezielten, extremen Tabubrüchen in höhere Bewußtseinssphären und Rauschzustände zu schocken.
Ich für meinen Teil glaube daran, daß Magie “funktioniert”. Auf welche Weise sie das tut, und warum ich das glaube, werde ich im nächstes Teil schildern.
Franz Bettinger
"Magie ist die Kunst und Wissenschaft, Veränderung im Einklang mit dem Willen hervorzurufen." Selten so gelacht! Ich habe soeben im Einklang mit meinem Willen, zwei Stücke Holz in die Ofenglut gelegt. Für Magie halte ich die Veränderung des anschließend auflodernden Feuers allerdings nicht.
ML: Das ist ja der Punkt.