Hundert Jahre, hundert Romane – 1946 bis 1989

Hier ist Teil 2 der Liste der hundert Romane aus hundert Jahren - zusammengestellt und kommentiert von Erik Lehnert, Ellen Kositza und Götz Kubitschek. Alle Bücher sind für Ihre Bestellung hier in einem Bücherschrank zusammengefaßt - geordnet aufsteigend nach Jahrgangsempfehlung.

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Nach­krieg, DDR und BRD – 1946 bis 1989

1946 Eli­sa­beth Lang­gäs­ser: Das unaus­lösch­li­che Sie­gelhier bestel­len

Magi­scher Rea­lis­mus, expe­ri­men­tell, kein Buch für neben­bei, aber eines für Leser, die dem gehei­men Orden der Gro­ßen Leser bei­tre­ten möch­ten. Lang­gäs­ser schrieb das Werk wäh­rend der NS-Zeit. Es han­delt von einem Juden, der sich tau­fen läßt und dadurch ein unaus­lösch­li­ches Sie­gel auf­ge­prägt bekommt, das ihm fort­an unzer­stör­bar und heil­sam auf­ge­prägt ist. (GK)

1947 Her­mann Kasack: Die Stadt hin­ter dem Strom

Eben­falls magisch, aber vol­ler Grau­en: Der Keil­schrift­for­scher Lind­hoff wird in die Stadt hin­ter dem Strom beru­fen, um eine Chro­nik zu füh­ren. Als er auf sei­ne ver­stor­be­ne Ver­lob­te trifft, weiß er: Dies ist eine Toten­stadt, und er, der sie besu­chen durf­te, soll bei den Leben­den von ihr berich­ten und einen Aus­tausch stif­ten. Zurück kehrt Lind­hoff aber in eine vom Krieg ver­wüs­te­te, eben­so tote Stadt. Die eine kann der ande­ren nichts mehr erzäh­len. (GK)

1948 Ger­hard Nebel: Bei den nörd­li­chen Hesperiden

Nach­dem Nebel mit der Erzäh­lung „Auf dem Flie­ger­horst“ gewis­se Selbst­zu­schrei­bun­gen der Luft­waf­fe per­si­fliert hat­te, wur­de er 1941 aus Paris, wo er zum Kreis um Ernst Jün­ger gehör­te, ver­bannt und muß­te auf einer Kanal­in­sel Dienst tun. Nebel begann ein Tage­buch zu füh­ren, das er als die ein­zi­ge dem Tota­li­ta­ris­mus ent­spre­chen­de Lite­ra­tur­gat­tung kul­ti­vier­te. (EL)

1949 Erhart Käst­ner: Das Zelt­buch von Tumi­lathier bestel­len

Käst­ner war auf einer grie­chi­schen Insel in bri­ti­sche Gefan­gen­schaft gera­ten und saß für fast zwei Jah­re in einem Zelt­la­ger in der Wüs­te Tumi­lat am Roten Meer fest. Sei­ne Auf­zeich­nun­gen sind ein Doku­ment der Gelas­sen­heit und der Lebens­schu­le in extre­mer Lage. Und sie sind eine Typen­schu­le: War­um stand der eine das bes­ser durch als der ande­re? (GK)

1950 Gott­fried Benn: Dop­pel­le­ben

Benn, der wich­tigs­te Lyri­ker der Zwi­schen­kriegs­zeit und der frü­hen Bun­des­re­pu­blik, hat­te sich 1933 weit aus dem Fens­ter gelehnt, sich aber bald in die Inne­re Emi­gra­ti­on zurück­ge­zo­gen. In die­sem Band stellt er sei­nen auto­bio­gra­phi­schen Essay „Lebens­weg eines Intel­lek­tua­lis­ten“ (1934) einer Refle­xi­on über sei­ne Lage in den fol­gen­den Jah­ren gegen­über. Nach der Lek­tü­re weiß man mehr und läßt die Fin­ger von Schuld­zu­wei­sun­gen. (EL)

1951 Ernst von Salo­mon: Der Fra­ge­bo­genhier bestel­len

Für die Ame­ri­ka­ner begann die Umer­zie­hung der Deut­schen nach 1945 mit einer Bestands­auf­nah­me. Ein Fra­ge­bo­gen, in dem jeder über sei­ne Ver­gan­gen­heit Aus­kunft geben muß­te, soll­te über die wei­te­re Ver­wen­dung der Befrag­ten ent­schei­den. Ernst Jün­ger wei­ger­te sich, Salo­mon nahm den Auf­ruf zur Gewis­sens­for­schung wört­lich und mach­te dar­aus einen der ers­ten gro­ßen Best­sel­ler der Bun­des­re­pu­blik. Herr­lich iro­nisch nimmt er die Amis auf den Arm und erzählt die Geschich­te Deutsch­lands im zwei­ten Drei­ßig­jäh­ri­gen Krieg. (EL)Nasses Brot

1952 Richard Hase­mann: Nas­ses Brothier bestel­len

Es gibt vie­le Roma­ne aus der Kriegs­ge­fan­gen­schaft, aber die­ser ist erschüt­ternd. War­um? Weil in ihm die Spra­che auf die­sel­be Wei­se “zurückstirbt” wie die mensch­li­che Regung, die Kame­rad­schaft, das Ver­trau­en auf den ande­ren und die Hoff­nung. Von uns wie­der­ent­deckt, lei­der schon ver­grif­fen. (GK)

1953 Wolf­gang Koep­pen: Das Treib­haus - hier bestel­len

Der Roman ist das Mit­tel­stück der „Tri­lo­gie des Schei­terns“, mit der Koep­pen zu einem der frü­hen Skan­dal­au­toren der Bun­des­re­pu­blik wur­de. Selbst der heu­ti­ge Leser ahnt noch, war­um das Buch damals die Gemü­ter erreg­te. Das Treib­haus ist die Stadt Bonn, genau­er das Regie­rungs­vier­tel, in dem sich Oppor­tu­nis­ten gegen­sei­tig etwas vor­spie­len. Die Haupt­fi­gur, durch Exil und psy­chi­sche Ver­an­la­gung ein Außen­sei­ter unter den Abge­ord­ne­ten, nimmt sich schließ­lich das Leben. (EL)

1954 Hans Hell­mut Kirst: 0815

Der drei­tei­li­ge Roman ist ein Lob­lied auf den anstän­di­gen deut­schen Sol­da­ten des Zwei­ten Welt­kriegs, egal wel­cher Dienst­grad­grup­pe, der sich mit Schlau­heit und Über­le­bens­wil­len den Nach­stel­lun­gen der Vor­ge­setz­ten und des Fein­des erweh­ren kann. Der Roman und die wenig spä­ter erfolg­te Ver­fil­mung, zu der Salo­mon das Dreh­buch schrieb, kamen recht­zei­tig zur Wie­der­be­waff­nung. Geho­be­ne Unter­hal­tungs­li­te­ra­tur, die bis heu­te ihren Platz behaup­ten konn­te. (EL)

1955 Gerd Gai­ser: Das Schiff im Berg

Die Geschich­te einer Land­schaft, eines Bergs anhand von Epi­so­den – zuerst Erd­zeit­al­ter, Fau­na, Flo­ra, ohne den Men­schen, dann mit ihm, zuletzt von ihm zuviel. Ein Meis­ter­werk in Spra­che und Zugriff – nur noch anti­qua­risch erhält­lich. (GK)

1956 Hei­mi­to von Dode­rer: Die Dämo­nenhier bestel­len

Ein Mam­mut­werk. Dode­rer, die­ser Stil­gott, hat­te den zie­gel­stein­schwe­ren Roman (Nach der Chro­nik des Sek­ti­ons­ra­tes Gey­ren­hoff, so der Unter­ti­tel) in den Drei­ßi­ger­jah­ren als “Thea­trum Judai­cum” kon­zi­piert. Fer­tig­ge­stellt hat­te er das Buch erst zwan­zig Jah­re spä­ter – lan­ge nach sei­ner Abkehr vom NS und als er sich längst dem Katho­li­zis­mus zuge­wandt hat­te. Ein Wien-Pan­op­ti­kum, was für eine blen­den­de Beob­ach­tungs­ga­be! “In Öster­reich sind übri­gens Leu­te, die kei­ner­lei staat­li­che oder städ­ti­sche Bezü­ge, Pen­sio­nen, Ren­ten oder ähn­li­ches genie­ßen, sehr sel­ten und gel­ten auch als min­der­wer­tig.” (EK)

1957 Max Frisch: Homo faberhier bestel­len

Las man in der Schu­le und ana­ly­sier­te, wie der Homo faber, der Inge­nieur, der einen Flug­zeug­ab­sturz über­leb­te, unter dem Ein­fluß und aus Lie­be zur jun­gen Sabeth sei­ne Spra­che vom logi­schen ins poe­ti­sche wan­del­te. Spä­ter las man noch ein­mal, nicht mehr ana­ly­tisch: Es ist ein­fach ein Meis­ter­werk. (GK)

1958 Ernst Jün­ger: Jah­re der Okkupation

Noch­mal Jün­ger, der bereits 1949 mit den Strah­lun­gen ein Tage­buch der Kriegs­zeit vor­leg­te, das für Furo­re sorg­te. Die Jah­re der Okku­pa­ti­on schlie­ßen direkt dar­an an und stel­len schon im Titel die Befrei­ung in Fra­ge. Jün­ger reflek­tiert viel über die Fra­ge, was der Welt­geist uns mit der Nie­der­la­ge Deutsch­lands sagen will, er sam­melt Nach­rich­ten der über­all hin ver­streu­ten Freun­de und ver­tei­digt die Kon­ser­va­ti­ve Revo­lu­ti­on. (EL)

1959 Wolf von Nie­bel­schütz: Die Kin­der der Fins­ter­nishier bestel­len

Er war Por­ten­ser, also Schü­ler auf der berühm­ten Lan­des­schu­le Pfor­ta bei Naum­burg. Arbei­te­te als Redak­teur und Autor, schrieb nicht viel Pro­sa, aber eben die­ses Werk. Wer ein­tau­chen will ins Mit­tel­al­ter, muß zu die­sem ganz groß­ar­ti­gen Roman grei­fen, in dem die Rit­ter und Knap­pen ver­lie­ren, sie­gen, ankom­men, frie­ren, schwit­zen, in der Mes­se lun­gern, hart üben, Unfug trei­ben, ewig stolz und ewig ver­zagt sind und auf so der­be Art um die Wei­ber her­um­schar­wen­zeln, daß man sich denkt: klar, was auch sonst, und: die kön­nen sich ja weh­ren, und zwar so rich­tig. Sat­te Spra­che, pral­les Leben. (GK)

1960 Die­ter Noll: Die Aben­teu­er des Wer­ner Holt - hier bestel­len

Auch wenn das Buch in DDR-Schu­len Pflicht­lek­tü­re und sein Autor sich gern von der SED in die Pflicht neh­men ließ, ist es in wei­ten Tei­len ein authen­ti­sches Zeug­nis des Schick­sals der Flak­hel­fer­ge­ne­ra­ti­on. Bis heu­te hat es sei­ne Fans, nicht zuletzt, weil Noll mit der Per­son des Gil­bert Wolz­ow unfrei­wil­lig ein rech­tes Idol geschaf­fen hat. (EL)

1961 Fried­rich Georg Jün­ger: Kreuz­we­ge. Erzählungen

Der „klei­ne Jün­ger“ war ein mise­ra­bler Roman­cier, aber ein gro­ßer Erzäh­ler. „Die Pfau­en“, „Schwar­ze Mal­ven“, „Urlaub“, „Hah­nen­kamm“: Die Stim­mung ist stets schwer, hin­zu­neh­men, an einem Ende ange­langt. Muß man mögen, ich mags sehr. (GK)

1962 James Krüss: Timm Tha­ler oder Das ver­kauf­te Lachenhier bestel­len

Der gebür­ti­ge Hel­go­län­der James Krüss (1926–1997), übri­gens ein spä­tes (April 1944) NSDAP-Mit­glied, hat zahl­rei­che groß­ar­ti­ge Kin­der- und Jugend­bü­cher ver­faßt. Die Geschich­te von Timm Tha­ler und sei­nem ver­kauf­ten Lachen ist iko­nisch und hat den Wert einer moder­nen Legen­de! Die Geschich­te spielt in den 1920er Jah­ren. Timm hat die­ses ein­zig­ar­ti­ge, von Her­zen kom­men­de Lachen, obwohl er aus pre­kä­ren Ver­hält­nis­sen stammt und eigent­lich wenig zu lachen hät­te. Teuf­li­sche Kräf­te wol­len ihm die­se Gro­ße Gesund­heit abkau­fen. Er läßt sich zunächst dar­auf ein – aber er wird es sich zurück­ho­len… (EK)

1963 Mar­len Haus­ho­fer: Die Wandhier bestel­len

Frau Haus­ho­fer (1920–1970) wur­de erst in jün­ge­rer Zeit wie­der­ent­deckt und als femi­nis­ti­sche Schrift­stel­le­rin gefei­ert und abge­hef­tet. Das hat sie nicht ver­dient! Eine Frau reist für ein Wochen­en­de in den Wald. Sie kann dann dem Wald nicht ent­kom­men, weil zwi­schen ihr und drau­ßen eine Wand gewach­sen ist. Übri­gens stark ver­filmt. (EK)

1964 Johan­nes Bobrow­ski: Levins Müh­lehier bestel­len

Der Lyri­ker Bobrow­ski (1917–1965) fängt in die­sem Roman noch ein­mal die undurch­sich­ti­ge Welt des Ostens, in die­sem Fall West­preu­ßens ein. Vor dem Hin­ter­grund ver­schie­de­ner Völ­ker, Spra­chen und Reli­gio­nen erzählt Bobrow­ski eine ein­fa­che Geschich­te vom Streit zwei­er Müh­len­be­sit­zer, bei­de auf ihre Art Ori­gi­na­le. (EL)

1965 Hans J. Sten­zel: Erleb­nis­se eines Drückebergers

Der Kari­ka­tu­rist Sten­zel, der 1967/68 mit sei­nen Zeich­nun­gen den Unmut der West­ber­li­ner Stu­den­ten auf sich zog, hat mit sei­nem ein­zi­gen Roman einen deut­schen Sol­da­ten Schwe­jk geschaf­fen. Der Sani­täts­sol­dat Blu­me ver­ab­scheut das Sol­dat­sein, schafft es aber, sich mit dem schar­fen Ver­stand des Ber­li­ners, der sich dumm­stellt, allen brenz­li­gen Situa­tio­nen zu ent­kom­men. Auf der Sta­ti­on für Geschlechts­krank­hei­ten, mit­ten im besetz­ten Ruß­land, läuft er zu Hoch­form auf. (EL)

1966 Joa­chim Fer­n­au: Dis­teln für Hagenhier bestel­len

Wohl der bes­te Fer­n­au: Die Nach­er­zäh­lung des deut­schen Mythos schlecht­hin, des Nibe­lun­gen­lieds, aber mit einem ganz eige­nen Zun­gen­schlag: Hagen ist der eigent­li­che Held, der staats­tra­gen­de Ent­sa­ger, der Baum, die Säu­le, der­je­ni­ge, der tut, was getan wer­den muß, ohne lan­ges Gere­de und ohne Aus­flucht. Lesen: zuerst das Lied selbst, dann die­se Deu­tung. (GK)

1967 war lite­ra­risch zumin­dest in Deutsch­land ein trü­bes Jahr, zu dem auch dem Spie­gel nichts ein­fällt. Es ist nichts Nen­nens­wer­tes erschie­nen, wenn man ein­mal von Ernst Jün­gers Sub­ti­len Jag­den absieht. Aber drei­mal Jün­ger wäre dann doch etwas viel.

1968 Sieg­fried Lenz: Deutsch­stun­dehier bestel­len

Lite­ra­ri­sche Ver­gan­gen­heits­be­wäl­ti­gung par excel­lence. Wer ver­ste­hen will, wie Lite­ra­tur dem Zeit­geist zum Durch­bruch ver­hel­fen kann, soll­te die Deutsch­stun­de lesen. Die Iro­nie der Geschich­te: Die Geis­ter, die Lenz rief, mach­ten ihm spä­ter selbst den Pro­zeß und sahen in sei­ner Dar­stel­lung des Malers Emil Nol­de eine unstatt­haf­te Ver­harm­lo­sung. (EL)

1969 Jurek Becker: Jakob der Lügner

1970 Tho­mas Bern­hard: Das Kalk­werkhier bestel­len

War­um über­haupt etwas von Tho­mas Bern­hard? Nun, man muß etwas von ihm gele­sen haben, wenigs­tens etwas. Das Kalk­werk eig­net sich, denn es ist der kras­se Bern­hard, der sezie­ren­de: Ein Wis­sen­schaft­ler zieht sich in ein altes Kalk­werk zurück, um end­lich eine Stu­die über das Gehör zu schrei­ben. Er miß­braucht für sei­ne Ver­su­che sei­ne gelähm­te Frau, liest ihr Nova­lis vor, wenn sie spurt, und wenn nicht, etwas, das sie nicht mag. Wenn man Bern­hard liest, ver­fes­tigt sich der Ein­druck, daß man im Leben kaum vor­an­kom­men kann. Das ist schon eine gute Lek­ti­on! (GK)

1971 Otfried Preuß­ler: Kra­bat – hier bestel­len

Die­se Geschich­te von der Müh­le im Kosel­bruch, den Ver­lo­ckun­gen und dem Preis der Magie und dem Sieg der Lie­be und des Lichts über das Böse und die Dun­kel­heit – das ist Otfried Preuß­lers Meis­ter­stück. Die Ver­fil­mung ist schlecht, man muß lesen, gera­de als Erwach­se­ner noch ein­mal. (GK)

1972 Peter Bamm: Eines Men­schen Zeit

Peter Bamm (eigent­lich Curt Emm­rich) war Sol­dat, Arzt und Jour­na­list, eine Viel­fach­be­ga­bung, die schon bei sei­nem ers­ten Best­sel­ler Die unsicht­ba­re Flag­ge spür­bar war, in dem er die ethisch intak­te Hal­tung des deut­schen Sani­täts­we­sens im Zwei­ten Welt­krieg schil­dert. Sei­ne Auto­bio­gra­phie geht nicht nur weit über die­se Zeit hin­aus, son­dern zeigt den Autor auch als Phi­lo­so­phen im bes­ten Sin­ne. (EL)

1973 Franz Füh­mann: 22 Tage oder die Hälf­te des Lebens

Franz Füh­mann (1922–1984), sich mit 14 Jah­ren selbst als „Faschist“ titu­lie­rend, spä­ter SA-Mann, noch spä­ter über­zeug­ter Sta­li­nist und am Ende doch geläu­tert, ist einer mei­ner Liebs­ten. Die­ses jähe Spiel zwi­schen Ver­nunft und Lei­den­schaft! Aber immer „gut“ sein wol­lend! Die­ser Tage­buch-Bericht über eine Ungarn-Rei­se gehört zum Sub­tils­ten, was die DDR-Lite­ra­tur her­vor­brach­te. (EK)

1974 Arno Sur­min­ski: Jokeh­nen oder Wie lan­ge fährt man von Ost­preu­ßen nach Deutsch­land – hier bestel­len

Der Roman wur­de erst mit eini­ger Ver­zö­ge­rung zum Erfolg, hat sich aber seit­her als gül­ti­ge Dar­stel­lung Ost­preu­ßens in der Zeit der drei­ßi­ger und vier­zi­ger Jah­re eta­bliert. Aus der Sicht eines Her­an­wach­sen­den wer­den die gesell­schaft­li­chen und poli­ti­schen Ver­än­de­run­gen geschil­dert, die schließ­lich in den apo­ka­lyp­ti­schen Erfah­run­gen der Erobe­rung durch die Sowjets mün­den. Das Buch ist nicht zuletzt des­halb so ergrei­fend, weil Sur­min­skis Eltern nach Ruß­land ver­schleppt wur­den und der klei­ne Arno nur durch glück­li­che Umstän­de nicht das Schick­sal der Wolfs­kin­der tei­len muß­te. (EL)

1975 Horst Bie­nek: Die ers­te Polka

Ers­ter Band der Tetra­lo­gie Glei­witz. Eine ober­schle­si­sche Chro­nik in vier Roma­nen. Erzählt wird die Geschich­te der Fami­lie Piontek in der Grenz­stadt Glei­witz am Vor­abend des Zwei­ten Welt­kriegs.  Die „müden, erns­ten erlo­sche­nen Gesich­ter“ der Men­schen sehen „ganz anders aus als 1914, als der Kriegs­aus­bruch ein gro­ßes Fest für alle gewe­sen ist.“ (EK)

1976 Rei­ner Kun­ze: Die wun­der­ba­ren Jah­re - hier bestel­len

1977 Fritz Zorn: Marshier bestel­len

1978 Wal­ter Kem­pow­ski: Aus gro­ßer Zeithier bestel­len

Die Deut­sche Chro­nik Kem­pow­skis umfaßt neun Roma­ne, von denen Tadel­lö­ser und Wolff (1971) der ers­te und bekann­tes­te ist. Aus gro­ßer Zeit ist, wenn auch spä­ter erschie­nen, chro­no­lo­gisch der ers­te Band der Rei­he. Er spielt vor und wäh­rend des Ers­ten Welt­kriegs und zeich­net ein ganz ande­res Bild als Hein­rich Manns Der Unter­tan. (EL)

1979 Micha­el Ende: Die unend­li­che Geschich­tehier bestel­len

Das bes­te, tief­grün­digs­te Jugend­buch in deut­scher Spra­che. Über­bor­den­de Phan­ta­sie ohne bil­li­ge Effek­te. See­len­aus­lo­tung, Tap­fer­keit, Selbst­er­kennt­nis und lan­ge Wege – und vor allem der Kampf gegen das Nichts. Vor dem inne­ren Nichts ste­hen so vie­le jun­ge Men­schen – aber jeder hat auch den Keim einer gan­zen Welt in der Hand. (GK)

1980 Wil­li Fähr­mann: Der lan­ge Weg des Lukas B.

Eine Zim­mer­manns­bri­ga­de ver­läßt Ost­preu­ßen, um in der Neu­en Welt, in Ame­ri­ka, Geld zu ver­die­nen und das Elend zuhau­se zu mil­dern. Lukas Bien­mann ist dabei, Lehr­ling noch, aber bald ein voll­wer­ti­ger Gesel­le. Man lan­det an, ver­dingt sich, man­che blei­ben, man­che keh­ren zurück – so ging es tau­sen­den. Ein Stück deut­scher Geschich­te für Leser ab 14. (GK)

1981 Botho Strauß: Paa­re, Pas­san­tenhier bestel­len

Für manch einen redu­ziert sich das Werk von Strauß auf einen ein­zi­gen Essay, dabei hat der Autor sei­ner Kul­tur­kri­tik schon viel frü­her lite­ra­ri­schen Aus­druck ver­lie­hen. Hier geht es um das See­len­le­ben der BRD, um Ober­fläch­lich­keit und Hedo­nis­mus, um Unver­bind­lich­keit und feh­len­den Ernst. Wie unab­sicht­lich beob­ach­tet und notiert, ent­steht ein Kalei­do­skop der geschichts­lo­sen Jah­re. (EL)

1982 Hel­mut H. Schulz: Dame in Weißhier bestel­len

Eine Frau erklärt sich: Wie war das unter der natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Herr­schaft, wie gut konn­te man leben, wann ging es berg­ab, wie durch­stand man den End­kampf in Ber­lin? In der DDR erst­mals erschie­nen, es muß­te auf die­se Lis­te: Der Autor ver­mach­te unse­rem Ver­lag kurz vor sei­nem Tod die Rech­te an die­sem Roman und dem Nach­fol­ge­band. (GK)

1983 Sten Nadol­ny: Die Ent­de­ckung der Lang­sam­keithier bestel­len

Nadol­ny zeich­net den bri­ti­schen For­scher und See­of­fi­zier John Frank­lin als Cha­rak­ter lang­sa­mer Gründ­lich­keit, der dadurch den Fort­schritt und die damit ver­bun­de­ne Hek­tik kon­ter­ka­rier­te und beharr­lich an sein Ziel gelang­te. Der Buch­ti­tel wur­de zur ste­hen­den Wen­dung. Eines der Bücher, deren Qua­li­tät außer­halb jeder Dis­kus­si­on steht. (GK)

1984 Gün­ter de Bruyn: Neue Herr­lich­keithier bestel­len

Die Abnei­gung de Bruyns gegen den SED-Staat war 1984 bereits so offen­sicht­lich, daß der Roman zunächst nur im Wes­ten erschei­nen konn­te. Da er Auf­se­hen erreg­te, erschien er noch im glei­chen Jahr auch in der DDR. Es geht um einen ver­wöhn­ten Jüng­ling der DDR-Nomen­kla­tu­ra, der in einem Dich­ter­heim (Schloß Wie­pers­dorf) mit der Wirk­lich­keit kon­fron­tiert wird und sei­ne Dop­pel­mo­ral nicht able­gen kann – die DDR im Brenn­glas, geschil­dert von ihrem bes­ten Erzäh­ler. (EL)

1985 Patrick Süs­kind: Das Par­fümhier bestel­len

Wenn Leu­te sich unter­hiel­ten, ob sie wahr­neh­mungs­mä­ßig der „visu­el­le“ oder der „audi­tive“ Typus sei­en (also mehr über´s Sehen oder Hören auf­neh­men), war ich stets die drit­te Frak­ti­on, die olfak­to­ri­sche, die „Rie­che­rin“. Schon des­halb ist die­ser Roman für mich eine Offen­ba­rung. Ich las ihn so gern, aber ich roch ihn auch zur Nei­ge! 18. Jahr­hun­dert: Der Wai­sen­jun­ge Jean-Bap­tis­te Gre­nouil­le hat einen außer­ge­wöhn­li­chen Sinn für Gerü­che – er wird Meis­ter­par­fü­meur. Doch sei­ne Beses­sen­heit, den per­fek­ten Duft zu kre­ieren, führt ihn auf einen dunk­len Pfad, der in Mord und Wahn­sinn mün­det. Über 20 Mil­lio­nen ver­kauf­te Exem­pla­re und zu Recht Schul­lek­tü­re! (EK)

1986 Horst Stern: Mann aus Apu­li­enhier bestel­len

Man denkt als Anhän­ger der ghi­bel­li­ni­schen Sei­te und Kai­ser Fried­richs II. lan­ge, daß die Bio­gra­phie, also das Lebens­bild, das Ernst Kan­to­ro­wicz als Geor­ge-Schü­ler ver­faßt hat, das Maß aller Din­ge sei. Aber das stimmt nicht. Horst Stern öff­net Türen: Sein Roman ist in Ich-Form abge­faßt und fühlt sich in den Kai­ser ein. Es gibt nicht vie­le his­to­ri­sche Roma­ne von die­ser Qua­li­tät. (GK)

1987 Joa­chim Lott­mann: Mai, Juni, Juli

Den Ter­mi­nus „Pop­li­te­ra­tur“ gab es damals noch nicht. Aber DAS war Pop­li­te­ra­tur. Man war 1987 bereits „poli­tisch kor­rekt“, ohne daß es die­sen Begriff gege­ben hät­te. Lott­mann, der heu­te ein küh­ler Alter ist, hat bereits damals nicht mit­ge­macht. Eine wun­der­schön wabern­de Lek­tü­re. (EK)

1988 Chris­toph Rans­mayr: Die letz­te Welthier bestel­len

„Kei­nem bleibt sei­ne Gestalt“ lau­tet der Kern­satz die­ses post­mo­der­nen Romans. Er ist die denk­bar frei­es­te und luzi­des­te Adap­ti­on des Ovid-Stoffs und sei­ner Meta­mor­pho­sen – auch sprach­lich ein Genie­streich. So kann man mit Über­lie­fe­rung ver­fah­ren – wenn man es kann. Unbe­ding­te Emp­feh­lung! (GK)

1989 Edgar Hil­sen­rath: Das Mär­chen vom letz­ten Gedan­ken - hier bestel­len

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Kommentare (50)

Licht des Vaterlandes

19. November 2024 14:37

Gute Zusammenstellung. Ich finde, Erich Maria Remarque hätte es verdient gehabt, dass einer seiner großartigen Romane gelistet worden wäre - vor oder nach 1945. Er schaffte, was vielen anderen großen deutschen Autoren verwehrt blieb: mit anspruchsvoller Literatur sogar  Hollywood zu erreichen. Auswahl gäbe es genug.

RMH

19. November 2024 15:00

"Nachkrieg, DDR und BRD – 1946 bis 1989"
Klugschiss dazu: Und Schweiz und Österreich. Am besten einfach: deutsche Literatur.
PS: Danke, dass es Thomas Bernhard auch auf die Liste geschafft hat (mein Einstiegstipp für Bernhard, für alle, die noch nichts von ihm gelesen haben sollten: Sein eher spätes Werk "Alte Meister". Und zum Thema 1967 war ein trübes Jahr: Da erschien u.a. "Verstörung" von T. Bernhard. Ein Titel, dem der Inhalt des Buches gerecht wird. Gut, an Sonnenschein kann man wenig beim Lesen dieses Buches denken, wünscht ihn sich aber bei der Lektüre. Daher: 1967 - doch trübe?).

Liselotte

19. November 2024 17:43

Homo Faber, wirklich? Es graust mir immer noch von meiner Schullektüre, fand das entsetzlich fad, langweilig und blutleer. Genauso abstoßend wie die rechteckigen Bürobauten der 60er Jahre.

H. M. Richter

19. November 2024 17:57

Danke. Vieles freut; ganz weniges ist zweifelhaft. Auf jeden Fall eine Schatzkiste …  //
Ein Vorschlag: Aus dem Kommentariat heraus darf jeder – vielleicht drei … – zusätzliche Vorschläge machen, die schlußendlich in einer gemeinsamen Übersicht nochmals zusammen veröffentlicht werden. //
Da fange ich gerne mit einer Ergänzung zum Jahre 1977 an: Erich Loest, Es geht seinen Gang oder Mühen in unserer Ebene. //
Nicht so sehr wegen der literarischen Qualität als vielmehr wegen der seinerzeitigen enormen Wirkung im Lande, zumindest im halben.

ABC

19. November 2024 19:39

Bei Kirst kann ich nicht zustimmen, in 0815 schiebt der Nationalsozialist Kirst die Schuld von sich weg auf den preußischen Barras. Das war natürlich ein attraktives Modell.
Bei dem Urteil über Gilbert Wolzow kann ich auch nicht zustimmen. Für eine verlorene Sache sterben nötigt Achtung ab. Aus Prinzip Andere für eine verloren Sache in den Tod zwingen, ist Folge von Nihilismus und innerer Haltlosigkeit.

Kriemhild

19. November 2024 21:08

Nach einigen Gläsern Rotwein stelle ich fest: die deutsche Geschichte endete 1945. Alles, was danach kam, ist nur eine Nachgeburt, ein Ausläufer ins Nichts. Ein paar Jahrzehnte lang fiel das nicht so auf, weil noch Menschen/Autoren aus Deutschlands weltgeschichtlicher Zeit vorhanden waren. Diese sind nun weggestorben. Die Liste tut mit jedem Jahr, das wir über 1945 hinausgehen, nur noch stärker weh. Es wäre ratsam, über 1989 nicht hinauszugehen, um sich eine noch größere Pein und Peinlichkeit zu ersparen. Andererseits: wir müssen uns ja alle weiterhin wichtig nehmen und dürfen uns nicht eingestehen, dass wir längst den Nullpunkt erreicht haben. So will es die menschliche Natur. Darauf einen Dujardin!   

ofeliaa

19. November 2024 21:53

Jetzt kenne ich mehr der Bücher und finde, es ist eine tolle Liste. Timm Thaler erinnert mich daran, dass wir unsere Kinderkassetten in jedes Radio im Haus stecken durften (wie nett eigtl.) und dass ich diese für mich gruselige Geschichte in der Küche hörte, und meiner Mutter erklärte, warum es schlecht sei, sein Lachen zu verkaufen. Lustig, denn im weiteren Verlauf habe ich mein Lachen allzu oft verkauft. Zeigt mir, dass jedes Buch ein Juwel sein kann und man eine Liste führen sollte, was man aus jedem mitnehmen konnte  - sonst verlieren sich die Eindrücke. Die Deutschstunde hatte ich in einem Laden gesehen und war wohl gerade "reich", denn ich habe es mir einfach gekauft. Kann sagen, es war interessant. Krabat habe ich mehrmals gelesen und geliebt! Die Unendliche Geschichte hat mich jahrelang beschäftigt, dachte man dürfe nie aufhören Geschichten zu erfinden, sonst verschwinde Fantasia. Auch sagen mir heute die Leute, dass das was ich vorhabe (hat nichts mit Politik zu tun), doch sehr schwer sei. Ich denke dann daran, dass die Literatur, die ich als Kind las, mir stets vermittelte: In Jedem schlummert unendliches Potential. Diese Geschichten verleihen mir noch heute Kraft. Im Übrigen ebenso, und vor allem, die christlichen Geschichten und deswegen würde ich meinen Kindern nichts davon je vorenthalten, sondern sie würden genauso aufwachsen. Umfangen von all den Erzählungen. Danke für die Liste und es werden GK`s Empfehlungen sein, die ich als erstes lese.

Hartwig aus LG8

19. November 2024 22:33

@ RMH
Dank an Sie, dass Sie eine Lanze für Thomas Bernhard brechen. Er ist in meinem Rechten Freundeskreis verfemt. Ich habe viele seiner Bücher gelesen; sie haben mich ... tja, wie sagt man ... berührt. Kunst offenbart sich eben nicht durch ideologische Übereinstimmung, sondern durch ... etwas ganz anderes. 

Franz Bettinger

19. November 2024 23:24

Das Beste von Fernau ist für mich „Halleluja, die Geschichte der USA“, und das Beste von Houellebecq ist „Platform“. „Das Parfum“, klar! Nur warum mich dieses Buch faszinierte, weiß ich nicht. Vielleicht weil ich einen Faible für Außenseiter habe? Das Besondere: Täter wie Opfer tun einem gleichermaßen leid. 

Ein gebuertiger Hesse

20. November 2024 07:47

Bravo, bravo. Diese kurzen Charakterisierungen der Romane sind wunderbar.

RMH

20. November 2024 08:18

In dieser Nachkriegsliste sind ein paar Werke, die ich unter das Thema der Bewältigungsliteratur fassen würde. Was man an Salomons langatmigem (& dabei irgendwie nölend-heulendem) "Fragebogen" überragend finden kann, ist mir ein Rätsel, wobei ich das Buch nicht im Sinne eines entweder oder als schlecht bezeichnen würde, es ist gut, aber für ein Buch, quasi des Jahres, würde es bei mir eben nicht langen, ebenso geht es mir mit Kirst & Noll. Diese ganzen nachträglichen Kriegsschilderungen sind allesamt nicht einmal ansatzweise so gut, wie die aus der Zeit selber (wobei ich hier mich nicht sklavisch an 1945 fest machen würde). Dass man Holt für 1960 an die Spitze setzt ist klares Ausgleichsangebot an die DDR Bürger, da man zuvor den Kirst mit auf die Liste nahm (wer hats denn wirklich gelesen? Die meisten kennen doch nur den Film). Für mich haben beide auf so einer Liste nichts zu suchen (dann schon eher der "Fragebogen"). Das der Spiegel offenbar für 1960 (habe die genaue Liste nicht, nur second hand), "Kaff oder Mare Crisium" von Arno Schmidt setzt, ist rein literarisch betrachtet m.M.n. stimmiger. Aber bei links- rechts Listen geht es ja oft mehr um Inhalte & Stoßrichtigungen von Literatur, als um deren Qualität (wobei Arno Schmidt beim Spiegel vermutlich auch nur als Alibi auftaucht, da er als links von Reemtsma vereinnahmt & eingeordnet wurde. Das für den Hausgebrauch noch lesbare "Kaff" spricht auch dafür).

Franz Bettinger

20. November 2024 09:36

@Ofeliaa schreibt, dass jedes Buch ein Juwel sein kann & man eine Liste führen sollte, was man aus jedem mitnehmen konnte, sonst verlieren sich die Eindrücke.“ Richtig. Nicht nur eine Liste sollte man machen; man sollte Bücher, ja sein eigenes Leben, und darin vor allem das Besondere und Abenteuerliche in Worte fassen, resümieren, niederschreiben und diese Selbst-Erzählungen dann anderen weiter erzählen und dies in immer besseren Varianten, bis man selbst ein Buch geworden ist, ein guter Erzähler und Unterhalter, witzig, schlagfertig, kenntnisreich. Danke für Ihren Kommentar! 

t.gygax

20. November 2024 09:37

Ein paar Vorschläge auf überwachsenen und unbekannten Pfaden, weitab vom Hauptstrom entfernt.....
1958: Gerd Gaiser     Schlussball
1963: Manfred Hausmann    Kleiner Stern im dunklen Strom
1966: Anatol Textor   Doppelpunkt
1985: Franz Schönhuber  Macht
Alles nur noch antiquarisch erhältlich, frei nach Günther Maschke: "der einzige Ort der Freiheit ist heute der Kopierladen und das Antiquariat.......".

Laurenz

20. November 2024 09:40

@Licht des Vaterlandes ... Stimme Ihnen zu. Remarque mag ich auch. Habe die Kriegstraumata 2er Großväter & die meines Vaters als Junge geerbt. Was soll da noch zersetzend sein? Remarque vermittelt eher einen inneren Frieden im gelesenen Krieg, der einen angesichts des Geschehens beruhigt.@Ofeliaa ... was haben Sie denn für Ihr Lachen erhalten, wenn man fragen darf? Das, was auch Timm erhalten hatte? Gewinnen Sie auch jede Wette?@GK ... Ich hatte Preußlers Krabat heiß & innig geliebt, zig mal gelesen, auch noch mal in späteren Jahren & mußte (später) feststellen, Preußler hatte mindestens 2x, wenn nicht öfter, gelogen & kann daher Ihrer projizierten Einschätzung nicht folgen. 1. Das Mädchen, daß aus Liebe sein Leben riskiert, gibt es nicht, das ist wider die weibliche Natur. Preußler nutzt hier nur die Sehnsucht junger Männer nach solcher Liebe aus, im Grunde die völlig falsche Therapie. Preußler ist als Lügner der Quasi-Teufel. Homosexualität hülfe hier auch nicht weiter, was klar wird, wenn man Oscar Wilde liest. 2. Woher wollte Preußler wissen, was der Preis der Magie ist? Hat dieser oder jener Glaube, auch eine gefährliche Magie über die Ratio hinaus, nicht viel mehr jungen Männern das Leben gekostet?

Ingelore

20. November 2024 10:37

"Die Wand" ist auch eines meiner unvergesslichem Bücher ,ein ungewöhnliches Phänomen, nämlich eine undurchdringliche , unsichtbare Wand um ein Territorium in einem Wald wurde langsam zur Selbstverständlichkeit ,mit der eine Frau zu leben hatte. .Diese unsichtbare Grenze  änderten jedoch völlig die Prioritäten und Lebensprinzipien einer dort allein  lebenden Frau mit Ihren Tieren. Ich würde auch noch das Buch ,das siebte Kreuz ,vorschlagen  , es geht darin  um die Verfolgung in der NS Zeit , sieben Schicksale von Juden , die sich verstecken mussten  , teilweise kam Hilfe ,nur einer konnte sich vor der Vernichtung retten .Es ist ein sehr bewegendes Buch mit anschaulich dargestellten tiefen inneren Kriesen , schwierigen  Überlebenskämpfen , glücklichen und unglücklichen Fügungen ,Verrat und Verfolgung , Hoffnung und Verzweiflung und eine anschauliche Beschreibung der bedrückenden  Atmosphäre in dieser Zeit, geschrieben  von Hanna Segers

H. M. Richter

20. November 2024 11:12

Nachdem kürzlich die von mir hier in einem anderen Strang erzählte Geschichte von einem Wirt, der meinte, ein von einem ehemaligen Gast, der nicht mehr in seinen Biergarten kommt, gekaufte Porsche sei eigentlich sein Porsche, weil das dafür ausgegebene Geld ja sonst im Wirtshaus gelandet wäre, nicht als das genommen wurde, was es war, nämlich als Scherz und damit auch der gar nicht so notwendige Hinweis an mich verbunden wurde, daß der Verlag mit angeschlossenem Buchversand in Schnellroda keine familiäre Häuserfinanzierung abwerfe, sind mir verkaufsfördernde Hinweise noch wichtiger als zuvor. //
Hier also Ergänzung zwei von drei - 1979: Hans-Jürgen Dreier, Die Spaltung.
Zugegebenermaßen ein Geheimtipp, aber ein sehr lohnender. //
Für das Fest im nächsten Jahr wünsche ich mir schon jetzt eine offene Liste, in die auch Verfasser von Novellen – wie der Meister des Fachs Hartmut Lange – oder Lyriker u.a. wie André Schinkel genannt werden könnten, denn obwohl beide überragend sind, sind es ihre Verkaufszahlen leider nicht.

Hesperiolus

20. November 2024 11:33

@ Gracchus – gegenüber der „Strudlhofstiege“ bevorzuge ich eindeutig die „Dämonen“, stilistisch; herrliche, fließend elaborierte, dabei gradezu filmisch einsaugende Sprache, und vor allem kompositorisch. Genial! Hatte grade auch die „Tangenten“ zur Hand. Ein mühelohnendes Schatzbuch. Ungelesen noch die „Merowinger“, so wie ich auch von Manns „Erwähltem“ bisher Ausnahmeabstand gehalten habe. Zu Mann und Hesse, erinnere ich in den erfreulicherweise angeführten, antiquarisch ungekürzt zu lesenden Kriegstagebüchern von Nebel kräftige Stellen. 
 

Umlautkombinat

20. November 2024 12:39

@Laurenz, Preussler hat nicht "gelogen", wie kommen Sie denn auf den Trichter? Das Krabat-Motiv ist viel aelter, gehoert zum sorbischen Sagenkreis und ist in den wesentlichen Punkten vorgegeben. Da ist Preussler noch sehr buchstaeblich dran. Wenn Sie ein Beispiel fuer eine viel staerker verfremdete, aber in anderer Hinsicht interessantere Bearbeitung des Stoffes lesen wollen, dann greifen Sie mal zu Jurij Brezan: "Krabat und die Verwandlung der Welt". Oder lesen Sie die Sagen selbst. Krabat, Pumphut, was auch immer.

Le Chasseur

20. November 2024 13:32

@Franz Bettinger"Das Beste von Fernau ist für mich „Halleluja, die Geschichte der USA“"
Zustimmung. Die Lektüre dieses Buches als ganz junger Mann war mein politisches Erweckungserlebnis. Auf den letzten Seiten formulierte Fernau genau das, was ich auch empfand: "Was wollen wir bewahren? Unser Vaterland? Was ist das? Die Erde? Der Acker? Die Städte? Die Fabriken? Die Banken? Die Atommeiler? Die Supermärkte? Die Partei-Silos? Was ist des Deutschen Vaterland? Wo ist es hingekommen? Es war doch einmal da, wo ist es nur geblieben? Was war es denn? Ach, meine verratenen Freunde, ich glaube, es war unsere Seele. Die ist es, die sie zerstört haben."
Nachdem ich diese Zeilen gelesen hatte, standen mir Tränen der Wut in den Augen. Es war der 10. September 2001.
 
 

Laurenz

20. November 2024 14:11

@Umlautkombinat @L. ... Habe nix gegen Sorbische Legenden, Märchen, Erzählungen. Als Vertreter der ethnischen Sichtweisen Helmut Schröckes gibt es für mich auch keine Slawen im ethnischen Sinne. Das, was die Liebe einer Julia (zu Romeo) bis in den Tod angeht, ist nur ein literarischer Trick von Autoren, von denen Preußler sicher nicht mal der hundertste oder tausendste ist. Literatur, Märchen haben aber nichts mit der Realität zu tun. Die Liebe, die Männer als Kind oder Knabe zuerst von Frauen erfahren, ist in der Regel die Liebe der Mutter oder Großmutter. Die kann tatsächlich bedingungslos bis in den Tod gehen, kann wohlgemerkt. Man hat aber nur eine Mutter & 2 Großmütter. Diese Verbindung hat mit anderen Frauen, die einem im Leben begegnen, nichts gemein. Es ist also ein Trugschluß, anzunehmen, daß Frauen, die einem Zuneigung entgegenbringen, so handeln würden, wie Mutter oder Großmutter abseits der Körperlichkeit. Die Basis einer ehelichen oder eheähnlichen Partnerschaft, basiert in unserem kulturellen Verständnis darauf, daß sich im Falle des Falles der Mann opfert, nicht umgekehrt.

Hesperiolus

20. November 2024 14:37

Zum literarischen Katholizismus, mir weit zurückliegende Lektüre, aus der ich bildkräftige danteske Höllenschilderungen erinnere, 1946 posthum erschienen: Franz Werfels „Stern der Ungeborenen“. Gibt einen Wikipedia Artikel zu dem mit übrigens ganz netter Zitatstelle. - Von Nebel die ersten beiden Bänder der diaristischen Trilogie, In dem dritten tritt der eigenartige Prosastil des Verfasser etwas zurück, derart ich ihn zunächst für überarbeitet hielt.

RMH

20. November 2024 14:42

Ungelesen noch die „Merowinger“, so wie ich auch von Manns „Erwähltem“ bisher Ausnahmeabstand gehalten habe.
@Hesperiolus,
lassen sie den "Merowinger" einfach stehen. War (leider) das erste, was ich von Doderer gelesen habe und hat ihn mir beinahe vermiest (die gleichzeitig gekaufte "Strudlhofstiege" blieb danach lange unangetastet). "Die Erwählten" hingegen wird fast etwas unterschätzt (mag ich mehr als den "Krull"). Kann man auf einer langen Auto- oder Bahnfahrt auch sehr gut in der von Gert Westphal (hat sehr viel von Mann eingelesen) vorgetragenen Hörbuch-Fassung anhören.

Carsten Lucke

20. November 2024 15:04

@ RMH
Dank dafür, daß wenigstens Sie hier Arno Schmidt anführen ! Wie kann der denn in einer solchen Liste außen vorbleiben ?! ( Daß er im "Spiegel" auftaucht, hat wahrscheinlich weniger mit Reemtsma als mit Augstein zu tun, dessen Lieblingsschriftsteller er war. )
Bin gespannt, ob im 3.Teil wenigstens Wolfgang Hilbig Ehre zuteil wird.

Umlautkombinat

20. November 2024 15:24

@Laurenz, nehmen Sie doch nicht immer Ihr eigenes bisschen Lebenserfahrung zum Massstab fuer alle Anderen. Da helfen auch keine Versuche von Generalisierung durch ganz schwache pseudologische Ketten, bestehend aus unbelegten Aussagen, die angeblich vorgeben wer sich wie verhaelt. Wenn es Sie aber beruhigt, es gibt auch Varianten des Krabatstoffs, in dem die Mutter die Rolle der Geliebten einnimmt und ihren Jungen unter den Raben herausfinden muss. 
 
Aber es gibt eben auch anderes. Einen Schrifsteller wegen seiner Art der Auswahl der Luege zu zeihen - das sagt mehr ueber Sie und ihre Enttaeuschungen als ihn. Eine gute Frau ist eine gute Frau. Nicht haeufig, aber moeglich. Aber das gilt auch fuer Maenner.

Licht des Vaterlandes

20. November 2024 17:34

@Laurenz / 20. November 2024 09:40:
Ich bedanke mich, Sie haben die Wirkung Remarques sehr schön beschrieben.

FraAimerich

20. November 2024 17:35

Möchte für 1988 noch "kamalatta" von Christian Geißler ins Rennen schicken, im Untertitel ausgewiesen als "romantisches fragment". Es handelt sich um ein literarisch verdichtetes Stück Zeitgeschichte aus der Endphase des "bewaffneten antiimperialistischen Kampfes" in der BRD. Ein NDR-Journalist wird in den geplanten Anschlag eines Kommandos der RAF auf ein NATO-Hauptquartier in Bad Tölz verwickelt und riskiert für die Genossen Kopf & Kragen - und seine Familie. Wie tickt er, was treibt ihn an - was charakterisiert die "seelische Befindlichkeit", den "inneren Handlungsort" der nach der gescheiterten "Herbst-Offensive" und den Toten von Stammheim politisch "verstummten" linksradikalen (Sympathisanten-)Szene...
 
Man stelle sich das alles nicht als Kolportage vor, sondern literarisch durchaus anspruchsvoll, teils fordernd und in gebrochener Sprache. Der Titel deutet es an, indem er den "Silbendreher" Hölderlins aufgreift, der auf Kalamata bzw. den Beginn des griechischen Freiheitskampfes gegen die Türken verweist.
 
Mit dem für die Romantik zentralen Motiv des Verstummens werden auch wir es noch verstärkt zu tun bekommen. Sei es, um angesichts der zerfallenden Außenwelt die Flucht in die Erhabenheit der "inneren Welt" zu etablieren und das "Lied in allen Dingen" zu erlauschen, sei es, um die Kraft zu erlangen, die gewohnten, zum Scheitern verurteilten Argumentatiosmuster und Widerstandsrituale doch noch zu durchbrechen. (Man vergleiche hierzu das Einbandmotiv der EA.)

Ix Ypsilon

20. November 2024 17:41

Für das Jahr 1956 würde ich empfehlen:Das steinerne Herz von Arno Schmidt.
Es war der erste Roman nach dem Krieg, dessen Handlung in beiden Deutschlands spielt und in dem Ost- wie Westdeutschland gleich kritisch dargestellt werden.
Und das Buch ist, wie praktisch alles von Arno Schmidt, unbeschreiblich witzig und geistreich.

H. M. Richter

20. November 2024 18:23

@Laurenz
Ihr Satz, Literatur, Märchen haben aber nichts mit der Realität zu tun, sorgt bestimmt nicht nur bei mir für ebenso entsetztes wie ungläubiges Kopfschütteln.
Ich mußte, ohne daß es einen direkten Zusammenhang mit Ihrer Kindheit geben muß, an einen Ausspruch Herders denken: »Ein Kind, dem nie Märchen erzählt worden sind, wird ein Stück Feld in seinem Gemüt vorfinden, das in späteren Jahren nicht mehr angebaut werden kann.«

Raeuspern

20. November 2024 19:30

@Umlautkombinat Ich finde Laurenz hat einen Punkt. Für mich ist die Kantorka auch eine patriarchale Fantasie, die mich meine Jugend genauso leiden lassen hat. Das Wort Lüge ist nur schade, dadurch wird die Erkenntnis zur Verbitterung.  Ich mag Pumphut, denn jede Macht findet ihren Meister.
Die Bücher und ebenso die Empfehlungen des Kommentariats machen neugierig. Danke.

Laurenz

20. November 2024 19:45

@H. M. Richter @L. ... Tja, mein Vater las mir regelmäßig alle Grimms Märchen vor. Als Kind war mein liebstes Märchen Daumesdick. Sie haben eben der Terminus "Märchen" nie verinnerlicht (Das gibt es nur im Märchen). Märchen sind teils Beschreibungen narzißtischer Verhältnisse (Heinz-Peter Röhr), teils systemische Aufstellungen (Rumpelstilzchen), teils magische Wahrnehmung realer Ereignisse, wie der Wolf & die 7 Geißlein. Da fragt man sich schon, über wenn Sie tatsächlich Ihren Kopf schütteln. Bin da fest überzeugt, Sie projizieren, getriggert durch die Wahrheit meiner Aussagen.

Diogenes

20. November 2024 19:54

Teil 1/2
@Le Chasseur
"Was ist des Deutschen Vaterland?" - Politische Initialzündung
 
Solch Frage nach dem Sinn in die Gemeinschaft gestellt beweist den Lebensschlag für Deutschland. -Erst wenn die Frage von ihrem jugendhaften, neugierigen Ursprunge her nicht mehr gestellt wird und sich stattdessen aus boshafter Fremdinjektion-"Ihr Deutschen seid die Bösen" des Nürnbergdiktats-1946 herleitet, ist des Deutschen Vaterland nicht mehr (denn wer sich als Deutscher selbst nicht liebt sondern verleugnet wird keine liebevolle, verherrlichende Antwort begreifen).

Diogenes

20. November 2024 19:54

Teil 2/2
 
Erneuerung aus dem Alten bedarf immer wieder des Neuerfahrens dessen woraus wir sind, woraus wir leben, um es zu ehren und stolz darin zu wandeln wie Millionen Deutsche vor uns und auch noch Millionen nach uns. Was wir heute in guter Absicht erfragen, erfahren und erschaffen ist Halt und Grund derer die nach uns kommen und die Frage nach der Wurzel stellen, sie erfahren wollen und schließlich gedeihlich Schöpfer Deutschlands werden. Die Antwort ist größer als eine geographische Landkarte klären, tiefer als jedes Buch, jedes ->Wort<- reichen könnte. Es liegt in jenem Reichtum der Herz und Geist des Deutschen berührt und von der Sehnsucht, dem Unternehmergeist, nach einem tiefen, weiten Land das zu erforschen und zu ergründen ist kommt. Ein sich Ausleben im Selbstverständlichen des Deutschen Art und Wesen; die Fahrt der Väter machen ist der Huld an die Nachkommenden. Und auch wenn das Land, der Körper, verletzt wird, so kann es genesen, wenn Ehre und Treue der Väter dem antideutschen Miasma der Selbstaufgabe Tür und Fenster zuschlagen!

Gracchus

20. November 2024 21:24

Schön, dass es auch Kinder- und Jugendbücher auf die Liste geschafft haben. Die genannten kann man auch als Erwachsener gern wiederlesen, insbesondere Die Unendliche Geschichte - da stimme ich GK zu, wogegen ich bei der Erhebung von Homo faber (auch ein Jugendbuch?) zum Meisterwerk Zweifel habe. Müsste es mal wiederlesen. Einiges von dem, was ich nicht kenne (zb Kasack), weckt spontan mein Interesse. Auf meiner Liste der Vermissten finden sich Leo Perutz wie auch Handke, der von Mitte der 70er - Ende 80er seine stärkste Phase hatte. Auch hätte ich Hermann statt oder neben Siegfried Lenz auf der Liste belassen. Wo wir bei Hermann sind: Warum nicht der Schweizer Hermann Burger? Und warum nicht die Schweizer Gerhard Meier oder Klaus Merz?

Gracchus

20. November 2024 21:30

@Hesperiolus: Fand "Die Dämonen", glaub ich, auch besser als die Strudlhofstiege. Letztere las ich aber zuerst - und war über Wochen total absorbiert, als lebte ich im damaligen Wien - wie läppisch mir die Gegenwart plötzlich erschien, nicht nur literarisch, sondern in allen Belangen. 

Gracchus

20. November 2024 21:40

Schwrierige Patientien: 
Thomas Bernhard: wo man hate speech lernen kann. Ich fürchte, durch die Lektüre des Kalkwerks habe ich mir meine erste Depression eingehandelt. Mich schüttelte am Ende die Erkenntnis: Alles, das ganze Leben kann also - vergeblich sein. In meiner (späten) Jugend habe ich Bernhard sehr viel gelesen. Heute finde ich kaum noch Zugang. Auch Alte Meister - @RHM -, von einem Bekannten als das komischste Buch empfohlen - ging mir nach 60 Seiten eher auf die Nerven.
Arno Schmidt: auch ein guter großer hater. Hat mich aber nie so richtig begeistert. Trotzdem würde ich seine Bedeutung nicht in Frage stellen.  

Hesperiolus

20. November 2024 22:50

@ Gracchus @ RMH – selbst „Dämonen“ vor ihrer “Rampe“ („Strudlhofstiege“) gelesen, von letzerer dazurück dann, unerwartet, leicht enttäuscht. Von Doderers Interieurbegehungen, seiner Architektursensibilität, den genius loci – Phänomenologien aber  hochbegeistert. - Schön, daß RMH Arno Schmidt erinnert hat, dessen Zürcher Kassette ich – spät - in Einem weg las.- Deren „Kühe in Halbtrauer“ (wunderbar) ich unwiederbringlich (weichherzig, sogar Zimelien verleihend) verlieh - Neben einer konstitutionell-reaktionären Grundsympathie zur Sezession erfreuen mich diese meta (polit) -literarischen Digressionen besonders. Dank!
 

Ausguck

20. November 2024 23:03

@ Le Chasseur: "...ich glaube, es war unsere Seele. Sie ist es, die sie zerstoert haben." Genauso ist es. Es gibt keine deutsche Seele mehr. Um diese deutsche Eigentuemlichkeit, dieses deutsche Bewusstsein wiederzufinden, empfehle ich auch Fernaus "Disteln fuer Hagen."

Laurenz

20. November 2024 23:35

@Umlautkombinat @L. ...  Für mentale Linke, wie Sie, gibt es keine gesellschaftlich kulturellen Normen & wenn es sie gibt, wollen Sie diese vernichten. Das wissen wir Rechte nur zu genau. Und es richtig, deswegen bin ich nichts anderes als ein Teil unserer Kultur, wie Preußler Selbst auch. Zu glauben, daß Preußler (oder gar Shakespeare) zu blöd gewesen sei, um über den falschen Sachverhalt in Seinem Buche nicht Bescheid zu wissen, führt in Ihrem Falle zur einer Art Grün kindlicher Arroganz. Mir zeigt es nur, daß Preußler Selbst eine Sehnsucht nach Frauen hatte, die es eben nur in der Literatur gibt, was die Wirklichkeit nicht anders macht. Es ist eben falsch, die Qualitäten von Frauen an der Mutter festzumachen, so, wie Sie das handhaben. Fragen Sie Väter. In der Frage nach Leben & Tod, kommen Väter erst nach Kindern & der Mutter selbst in den Augen der Mütter. So agieren Frauen, vollkommen natürlich.

RMH

21. November 2024 07:55

"Auch Alte Meister - @RHM -, von einem Bekannten als das komischste Buch empfohlen - ging mir nach 60 Seiten eher auf die Nerven."
@Gracchus, warum bei "Alte Meister" Komödie auf dem Einband steht, ist entweder wieder so eine Art ironischer Dreh von Bernhard selber oder von Leuten, die etwas, was nicht komisch ist, veralbern müssen oder als Humor betrachten, so wie Frauen gerne kichern, wenn sie etwas doch eher stark verunsichert. Bernhard ist eine einzige Verunsicherung, seine Tiraden gegen die "Infamie" (infam ist ja eines seiner Lieblingswörter) von diesem oder jeden etc. Das muss auf die Nerven gehen und soll es vermutlich auch. Ich lese Bernhard - zur Schonung der Nerven - auch schon seit einiger Zeit nicht mehr. War aber eine große Leseerfahrung und sprachlich sehr beeindruckend.
PS: Habe aufgrund meines durchaus vorhandenen Zuspruchs zur "Pop-Literatur" mir von Joachim Lottmann: "Mai, Juni, Juli"  (auf der Liste: 1987) gekauft und angefangen. Hoppla, das alles passiert also, wenn Menschen nur noch "Individuum" sind und meinen, sich ausdrücken, "verwirklichen" zu müssen. Werde weiter lesen, abschließendes Urteil: offen.

Laurenz

21. November 2024 09:38

@Diogenes @Le Chasseur ... wie Volker Pispers das mal in Worte faßte: Saddam sei der neue Hitler. Und Hitler ist bei den Amis Chefsache. Natürlich ist Hitler zu einer Art säkularer Bezeichnung für den Leibhaftigen mutiert. Aber man muß einfach nur ins Netz schauen. Das Netz hat den Schuldkult schön längst eingeholt, ja quasi vernichtet, die Offensichtlichkeit ad absurdum geführt. Auch ein Ricky Gervais ist zu blöd zu begreifen, daß er, als Vielvölkermörder, uns, den politischen Taschendieb, zur Geißel der Menschheit stilisiert. Es liegt nur an uns selbst, unsere volkscharakterlichen Mängel zu erkennen & aus dem Kulturbringer-Deutschland ein rechtes Neues Deutschland zu erschaffen.

Dieter Rose

21. November 2024 09:47

Vorschlag für 2011: Vorabend von Peter Kurzeck: atemlose Beschreibung einer Zeit, wer dabei war, findet selbst Erlebtes, Gefühltes, Gesehenes.

Laurenz

21. November 2024 10:24

@Frauenverklärer & Gracchus ... Preußler war ja die Tage wieder in den Schlagzeilen, wegen einer Schule, die den Namen Preußler nun verzockt hat. Halt dumm geboren & nix dazu gelernt. Wenn man dem Netz glauben mag, hat der Räuber Hotzenplotz fast die doppelte Auflage vom Krabat. https://de.wikipedia.org/wiki/Krabat_(Roman) & https://de.wikipedia.org/wiki/R%C3%A4uber_Hotzenplotz wie man der Hotzenplotz-Wiki entnehmen kann, hatten beide Bücher für Preußler miteinander zu tun, da der Krabat nur schwierig gelang. Der Hotzenplotz markierte für mich den Übergang vom Zuhörer zum quasi Zwangsvorleser, hat also am Ende meiner Prägephase mutmaßlich eine weit stärkere kulturelle Wirkung als der Krabat. Im Hotzenplotz kommt sehr wohl ein persönliches Weltbild zum Tagen mit HBs Großmutter & depperter Polizei mit Pickelhaube. Wenn man auf Preußlers persönlichen Kommentare zum Krabat zugreift, kann man feststellen, daß Er den falschen Glauben mit einer Täuschung bekämpfte.

Le Chasseur

21. November 2024 10:57

@Ausguck"Es gibt keine deutsche Seele mehr. Um diese deutsche Eigentuemlichkeit, dieses deutsche Bewusstsein wiederzufinden, empfehle ich auch Fernaus "Disteln fuer Hagen.""
Danke für den Tipp. "Disteln für Hagen" habe ich natürlich auch gelesen. Ist aber schon eine Weile her.

Andreas Stullkowski

21. November 2024 14:53

Eine schöne Auswahl.
Aber wie so oft stelle ich mit Verwunderung fest dass T. Mann's "Dr. Faustus" (1947) keine Erwähnung findet.
Nicht weniger bedeutend als Der Zauberberg (m.E. ist Faustus dass grössere Werk), und sehr viel "deutscher", sowhl was Inhalt als auch Sprache angeht.

brueckenbauer

21. November 2024 15:37

Wenn man Kinderbücher einbezieht, hätte ich mir Wilhelm Matthiessen gewünscht, am liebsten "Die alte Gasse" (1931). Und den Zweiten Weltkrieg hätte man auch aus der Sicht der Nonkombattanten berücksichtigen sollen, mein bevorzugtes Buch dazu ist Planner-Petelins "Gäste im Schloss" - Massenarmut und Besatzung sind schließlich die Probleme, die jede Generation neu wird bewältigen müssen.. Bei Gaiser wie den anderen sollte wohl nur ein einziges besonders geschätztes Buch genannt werden, anders kann ich mir das Fehlen von "Schlussball" wirklich nicht erklären (unvergesslich: "Er hat es gut mit uns gemeint. Bei den anderen kann man froh sein, wenn sie überhaupt etwas meinen.")

Umlautkombinat

21. November 2024 22:43

>  Für mentale Linke, wie Sie, gibt es keine gesellschaftlich kulturellen Normen & wenn es sie gibt, wollen Sie diese vernichten. Das wissen wir Rechte nur zu genau.
 
Wissen Sie @Laurenz, wenn ich Sie mir so ansehe, Ihr undiszipliniertes Denken, Ihr nicht Zuhoeren jedem gegenueber - von Verstehen des Gesagten muss man gar nicht reden - Ihre Uebersteigerung des Glaubens an die Wichtigkeit des Politischen und Militaerischen bei gleichzeitigem eigenen Dilettieren darin, dann erinnert mich das an einen Kunstmaler des letzten Jahrhunderts. Der war in meinen Augen entgegen der ueberwiegenden Meinung - nicht unbedingt hier auf diesem Brett - habituell recht weit links gelagert. Entgegen Ihren Selbstzuschreibungen moegen Sie sich schneller dort wiederfinden als Sie moechten und Ihr "Wir" wird ganz schnell ganz duenn.
 
Was mich selbst betrifft, bin ich mit Sicherheit nicht rechts, aber mit ebensolcher Sicherheit nicht links, Vernichtungsphantasien habe ich noch nicht gefunden, da wissen Sie wohl mehr. Das mag ueberfordern, ist aber nicht mein Problem ueber den Punkt hinaus, solche Anwuerfe dorthin zu befoerdern, wo sie hingehoeren.

H. M. Richter

22. November 2024 08:29

Sollte eine solche Liste wirklich auskommen können ohne die Nennung zumindest eines Werks von Uwe Johnson? Offensichtlich waren die Listenverfasser dieser Meinung. Man kann es, so möchte man meinen, mit der Abgrenzung zu den Vorschlägen eines ehemals großen deutschen Nachrichtenmagazins auch übertreiben. //
Gemäß meinem eigenen Vorschlag, daß aus dem Kommentariat jeweils drei Ergänzungsvorschläge erfolgen können, wähle ich somit als dritten gerne aus: Uwe Johnson, Jahrestage [1970 – 1983].

Hadriansson

22. November 2024 10:49

Das ist wirklich eine sehr interessante Liste! Viele Bücher werde ich mir sicher zu Gemüte führen. Vielen Dank für das Zusammenstellen. 
Im Jahre 1971 würde ich aber Golo Manns Wallenstein nominieren. Dieses Buch ist DAS erzählerische Meisterwerk wenn es um Biographien geht. Wallensteins Leben wird hier wie ein Roman erzählt, welcher den Leser in die Welt des 17. Jahrhunderts eintauchen lässt wie kein anderes. Nach dem Lesen fühlt man sich, als sei man selbst damals dabei gewesen. 
Übrigens freut es mich sehr, dass bei den Jahren vor 1945 die Sezession mit Stefan Zweig und Joseph Roth zwei wunderbare österreichische Vertreter nominiert hatte!

Gracchus

22. November 2024 13:16

@H.M. Richter: da schließe ich mich an, Uwe Johnsons Jahrestage gehören unbedingt auf die Liste. 
Ebenfalls Kurzeck und W. HILBIG - können beide noch kommen. 
Rainald Goetzens Irre und Fausers Rohstoff fand ich auch ganz gut, obgleich ich beide nicht zu meinen Lieblingen zähle. 

Simplicius Teutsch

22. November 2024 13:30

@Kriemhild, 19. November 2024 21:08: "Nach einigen Gläsern Rotwein stelle ich fest: die deutsche Geschichte endete 1945. Alles, was danach kam, ist nur eine Nachgeburt, ein Ausläufer ins Nichts."
 
Ja, da ist schon was dran, denke ich am helllichten Tag bei einer Tasse Kaffee. - Und die Linksgrünen laufen uns noch ein Stück weit voran ins Nichts. 
 
Am Stadtrand von München liegen heute knapp 5 cm Schnee. 
„Die Krähen schrei’n
Und ziehen schwirren Flugs zur Stadt:
Bald wird es schnei’n‚
Weh dem‚ der keine Heimat hat!“
(Friedrich Nietzsche)

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