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Nachkrieg, DDR und BRD – 1946 bis 1989
1946 Elisabeth Langgässer: Das unauslöschliche Siegel – hier bestellen
Magischer Realismus, experimentell, kein Buch für nebenbei, aber eines für Leser, die dem geheimen Orden der Großen Leser beitreten möchten. Langgässer schrieb das Werk während der NS-Zeit. Es handelt von einem Juden, der sich taufen läßt und dadurch ein unauslöschliches Siegel aufgeprägt bekommt, das ihm fortan unzerstörbar und heilsam aufgeprägt ist. (GK)
1947 Hermann Kasack: Die Stadt hinter dem Strom
Ebenfalls magisch, aber voller Grauen: Der Keilschriftforscher Lindhoff wird in die Stadt hinter dem Strom berufen, um eine Chronik zu führen. Als er auf seine verstorbene Verlobte trifft, weiß er: Dies ist eine Totenstadt, und er, der sie besuchen durfte, soll bei den Lebenden von ihr berichten und einen Austausch stiften. Zurück kehrt Lindhoff aber in eine vom Krieg verwüstete, ebenso tote Stadt. Die eine kann der anderen nichts mehr erzählen. (GK)
1948 Gerhard Nebel: Bei den nördlichen Hesperiden
Nachdem Nebel mit der Erzählung „Auf dem Fliegerhorst“ gewisse Selbstzuschreibungen der Luftwaffe persifliert hatte, wurde er 1941 aus Paris, wo er zum Kreis um Ernst Jünger gehörte, verbannt und mußte auf einer Kanalinsel Dienst tun. Nebel begann ein Tagebuch zu führen, das er als die einzige dem Totalitarismus entsprechende Literaturgattung kultivierte. (EL)
1949 Erhart Kästner: Das Zeltbuch von Tumilat – hier bestellen
Kästner war auf einer griechischen Insel in britische Gefangenschaft geraten und saß für fast zwei Jahre in einem Zeltlager in der Wüste Tumilat am Roten Meer fest. Seine Aufzeichnungen sind ein Dokument der Gelassenheit und der Lebensschule in extremer Lage. Und sie sind eine Typenschule: Warum stand der eine das besser durch als der andere? (GK)
1950 Gottfried Benn: Doppelleben
Benn, der wichtigste Lyriker der Zwischenkriegszeit und der frühen Bundesrepublik, hatte sich 1933 weit aus dem Fenster gelehnt, sich aber bald in die Innere Emigration zurückgezogen. In diesem Band stellt er seinen autobiographischen Essay „Lebensweg eines Intellektualisten“ (1934) einer Reflexion über seine Lage in den folgenden Jahren gegenüber. Nach der Lektüre weiß man mehr und läßt die Finger von Schuldzuweisungen. (EL)
1951 Ernst von Salomon: Der Fragebogen – hier bestellen
Für die Amerikaner begann die Umerziehung der Deutschen nach 1945 mit einer Bestandsaufnahme. Ein Fragebogen, in dem jeder über seine Vergangenheit Auskunft geben mußte, sollte über die weitere Verwendung der Befragten entscheiden. Ernst Jünger weigerte sich, Salomon nahm den Aufruf zur Gewissensforschung wörtlich und machte daraus einen der ersten großen Bestseller der Bundesrepublik. Herrlich ironisch nimmt er die Amis auf den Arm und erzählt die Geschichte Deutschlands im zweiten Dreißigjährigen Krieg. (EL)
1952 Richard Hasemann: Nasses Brot – hier bestellen
Es gibt viele Romane aus der Kriegsgefangenschaft, aber dieser ist erschütternd. Warum? Weil in ihm die Sprache auf dieselbe Weise “zurückstirbt” wie die menschliche Regung, die Kameradschaft, das Vertrauen auf den anderen und die Hoffnung. Von uns wiederentdeckt, leider schon vergriffen. (GK)
1953 Wolfgang Koeppen: Das Treibhaus - hier bestellen
Der Roman ist das Mittelstück der „Trilogie des Scheiterns“, mit der Koeppen zu einem der frühen Skandalautoren der Bundesrepublik wurde. Selbst der heutige Leser ahnt noch, warum das Buch damals die Gemüter erregte. Das Treibhaus ist die Stadt Bonn, genauer das Regierungsviertel, in dem sich Opportunisten gegenseitig etwas vorspielen. Die Hauptfigur, durch Exil und psychische Veranlagung ein Außenseiter unter den Abgeordneten, nimmt sich schließlich das Leben. (EL)
1954 Hans Hellmut Kirst: 0815
Der dreiteilige Roman ist ein Loblied auf den anständigen deutschen Soldaten des Zweiten Weltkriegs, egal welcher Dienstgradgruppe, der sich mit Schlauheit und Überlebenswillen den Nachstellungen der Vorgesetzten und des Feindes erwehren kann. Der Roman und die wenig später erfolgte Verfilmung, zu der Salomon das Drehbuch schrieb, kamen rechtzeitig zur Wiederbewaffnung. Gehobene Unterhaltungsliteratur, die bis heute ihren Platz behaupten konnte. (EL)
1955 Gerd Gaiser: Das Schiff im Berg
Die Geschichte einer Landschaft, eines Bergs anhand von Episoden – zuerst Erdzeitalter, Fauna, Flora, ohne den Menschen, dann mit ihm, zuletzt von ihm zuviel. Ein Meisterwerk in Sprache und Zugriff – nur noch antiquarisch erhältlich. (GK)
1956 Heimito von Doderer: Die Dämonen – hier bestellen
Ein Mammutwerk. Doderer, dieser Stilgott, hatte den ziegelsteinschweren Roman (Nach der Chronik des Sektionsrates Geyrenhoff, so der Untertitel) in den Dreißigerjahren als “Theatrum Judaicum” konzipiert. Fertiggestellt hatte er das Buch erst zwanzig Jahre später – lange nach seiner Abkehr vom NS und als er sich längst dem Katholizismus zugewandt hatte. Ein Wien-Panoptikum, was für eine blendende Beobachtungsgabe! “In Österreich sind übrigens Leute, die keinerlei staatliche oder städtische Bezüge, Pensionen, Renten oder ähnliches genießen, sehr selten und gelten auch als minderwertig.” (EK)
1957 Max Frisch: Homo faber – hier bestellen
Las man in der Schule und analysierte, wie der Homo faber, der Ingenieur, der einen Flugzeugabsturz überlebte, unter dem Einfluß und aus Liebe zur jungen Sabeth seine Sprache vom logischen ins poetische wandelte. Später las man noch einmal, nicht mehr analytisch: Es ist einfach ein Meisterwerk. (GK)
1958 Ernst Jünger: Jahre der Okkupation
Nochmal Jünger, der bereits 1949 mit den Strahlungen ein Tagebuch der Kriegszeit vorlegte, das für Furore sorgte. Die Jahre der Okkupation schließen direkt daran an und stellen schon im Titel die Befreiung in Frage. Jünger reflektiert viel über die Frage, was der Weltgeist uns mit der Niederlage Deutschlands sagen will, er sammelt Nachrichten der überall hin verstreuten Freunde und verteidigt die Konservative Revolution. (EL)
1959 Wolf von Niebelschütz: Die Kinder der Finsternis – hier bestellen
Er war Portenser, also Schüler auf der berühmten Landesschule Pforta bei Naumburg. Arbeitete als Redakteur und Autor, schrieb nicht viel Prosa, aber eben dieses Werk. Wer eintauchen will ins Mittelalter, muß zu diesem ganz großartigen Roman greifen, in dem die Ritter und Knappen verlieren, siegen, ankommen, frieren, schwitzen, in der Messe lungern, hart üben, Unfug treiben, ewig stolz und ewig verzagt sind und auf so derbe Art um die Weiber herumscharwenzeln, daß man sich denkt: klar, was auch sonst, und: die können sich ja wehren, und zwar so richtig. Satte Sprache, pralles Leben. (GK)
1960 Dieter Noll: Die Abenteuer des Werner Holt - hier bestellen
Auch wenn das Buch in DDR-Schulen Pflichtlektüre und sein Autor sich gern von der SED in die Pflicht nehmen ließ, ist es in weiten Teilen ein authentisches Zeugnis des Schicksals der Flakhelfergeneration. Bis heute hat es seine Fans, nicht zuletzt, weil Noll mit der Person des Gilbert Wolzow unfreiwillig ein rechtes Idol geschaffen hat. (EL)
1961 Friedrich Georg Jünger: Kreuzwege. Erzählungen
Der „kleine Jünger“ war ein miserabler Romancier, aber ein großer Erzähler. „Die Pfauen“, „Schwarze Malven“, „Urlaub“, „Hahnenkamm“: Die Stimmung ist stets schwer, hinzunehmen, an einem Ende angelangt. Muß man mögen, ich mags sehr. (GK)
1962 James Krüss: Timm Thaler oder Das verkaufte Lachen – hier bestellen
Der gebürtige Helgoländer James Krüss (1926–1997), übrigens ein spätes (April 1944) NSDAP-Mitglied, hat zahlreiche großartige Kinder- und Jugendbücher verfaßt. Die Geschichte von Timm Thaler und seinem verkauften Lachen ist ikonisch und hat den Wert einer modernen Legende! Die Geschichte spielt in den 1920er Jahren. Timm hat dieses einzigartige, von Herzen kommende Lachen, obwohl er aus prekären Verhältnissen stammt und eigentlich wenig zu lachen hätte. Teuflische Kräfte wollen ihm diese Große Gesundheit abkaufen. Er läßt sich zunächst darauf ein – aber er wird es sich zurückholen… (EK)
1963 Marlen Haushofer: Die Wand – hier bestellen
Frau Haushofer (1920–1970) wurde erst in jüngerer Zeit wiederentdeckt und als feministische Schriftstellerin gefeiert und abgeheftet. Das hat sie nicht verdient! Eine Frau reist für ein Wochenende in den Wald. Sie kann dann dem Wald nicht entkommen, weil zwischen ihr und draußen eine Wand gewachsen ist. Übrigens stark verfilmt. (EK)
1964 Johannes Bobrowski: Levins Mühle – hier bestellen
Der Lyriker Bobrowski (1917–1965) fängt in diesem Roman noch einmal die undurchsichtige Welt des Ostens, in diesem Fall Westpreußens ein. Vor dem Hintergrund verschiedener Völker, Sprachen und Religionen erzählt Bobrowski eine einfache Geschichte vom Streit zweier Mühlenbesitzer, beide auf ihre Art Originale. (EL)
1965 Hans J. Stenzel: Erlebnisse eines Drückebergers
Der Karikaturist Stenzel, der 1967/68 mit seinen Zeichnungen den Unmut der Westberliner Studenten auf sich zog, hat mit seinem einzigen Roman einen deutschen Soldaten Schwejk geschaffen. Der Sanitätssoldat Blume verabscheut das Soldatsein, schafft es aber, sich mit dem scharfen Verstand des Berliners, der sich dummstellt, allen brenzligen Situationen zu entkommen. Auf der Station für Geschlechtskrankheiten, mitten im besetzten Rußland, läuft er zu Hochform auf. (EL)
1966 Joachim Fernau: Disteln für Hagen – hier bestellen
Wohl der beste Fernau: Die Nacherzählung des deutschen Mythos schlechthin, des Nibelungenlieds, aber mit einem ganz eigenen Zungenschlag: Hagen ist der eigentliche Held, der staatstragende Entsager, der Baum, die Säule, derjenige, der tut, was getan werden muß, ohne langes Gerede und ohne Ausflucht. Lesen: zuerst das Lied selbst, dann diese Deutung. (GK)
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1967 war literarisch zumindest in Deutschland ein trübes Jahr, zu dem auch dem Spiegel nichts einfällt. Es ist nichts Nennenswertes erschienen, wenn man einmal von Ernst Jüngers Subtilen Jagden absieht. Aber dreimal Jünger wäre dann doch etwas viel.
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1968 Siegfried Lenz: Deutschstunde – hier bestellen
Literarische Vergangenheitsbewältigung par excellence. Wer verstehen will, wie Literatur dem Zeitgeist zum Durchbruch verhelfen kann, sollte die Deutschstunde lesen. Die Ironie der Geschichte: Die Geister, die Lenz rief, machten ihm später selbst den Prozeß und sahen in seiner Darstellung des Malers Emil Nolde eine unstatthafte Verharmlosung. (EL)
1969 Jurek Becker: Jakob der Lügner
1970 Thomas Bernhard: Das Kalkwerk – hier bestellen
Warum überhaupt etwas von Thomas Bernhard? Nun, man muß etwas von ihm gelesen haben, wenigstens etwas. Das Kalkwerk eignet sich, denn es ist der krasse Bernhard, der sezierende: Ein Wissenschaftler zieht sich in ein altes Kalkwerk zurück, um endlich eine Studie über das Gehör zu schreiben. Er mißbraucht für seine Versuche seine gelähmte Frau, liest ihr Novalis vor, wenn sie spurt, und wenn nicht, etwas, das sie nicht mag. Wenn man Bernhard liest, verfestigt sich der Eindruck, daß man im Leben kaum vorankommen kann. Das ist schon eine gute Lektion! (GK)
1971 Otfried Preußler: Krabat – hier bestellen
Diese Geschichte von der Mühle im Koselbruch, den Verlockungen und dem Preis der Magie und dem Sieg der Liebe und des Lichts über das Böse und die Dunkelheit – das ist Otfried Preußlers Meisterstück. Die Verfilmung ist schlecht, man muß lesen, gerade als Erwachsener noch einmal. (GK)
1972 Peter Bamm: Eines Menschen Zeit
Peter Bamm (eigentlich Curt Emmrich) war Soldat, Arzt und Journalist, eine Vielfachbegabung, die schon bei seinem ersten Bestseller Die unsichtbare Flagge spürbar war, in dem er die ethisch intakte Haltung des deutschen Sanitätswesens im Zweiten Weltkrieg schildert. Seine Autobiographie geht nicht nur weit über diese Zeit hinaus, sondern zeigt den Autor auch als Philosophen im besten Sinne. (EL)
1973 Franz Fühmann: 22 Tage oder die Hälfte des Lebens
Franz Fühmann (1922–1984), sich mit 14 Jahren selbst als „Faschist“ titulierend, später SA-Mann, noch später überzeugter Stalinist und am Ende doch geläutert, ist einer meiner Liebsten. Dieses jähe Spiel zwischen Vernunft und Leidenschaft! Aber immer „gut“ sein wollend! Dieser Tagebuch-Bericht über eine Ungarn-Reise gehört zum Subtilsten, was die DDR-Literatur hervorbrachte. (EK)
1974 Arno Surminski: Jokehnen oder Wie lange fährt man von Ostpreußen nach Deutschland – hier bestellen
Der Roman wurde erst mit einiger Verzögerung zum Erfolg, hat sich aber seither als gültige Darstellung Ostpreußens in der Zeit der dreißiger und vierziger Jahre etabliert. Aus der Sicht eines Heranwachsenden werden die gesellschaftlichen und politischen Veränderungen geschildert, die schließlich in den apokalyptischen Erfahrungen der Eroberung durch die Sowjets münden. Das Buch ist nicht zuletzt deshalb so ergreifend, weil Surminskis Eltern nach Rußland verschleppt wurden und der kleine Arno nur durch glückliche Umstände nicht das Schicksal der Wolfskinder teilen mußte. (EL)
1975 Horst Bienek: Die erste Polka
Erster Band der Tetralogie Gleiwitz. Eine oberschlesische Chronik in vier Romanen. Erzählt wird die Geschichte der Familie Piontek in der Grenzstadt Gleiwitz am Vorabend des Zweiten Weltkriegs. Die „müden, ernsten erloschenen Gesichter“ der Menschen sehen „ganz anders aus als 1914, als der Kriegsausbruch ein großes Fest für alle gewesen ist.“ (EK)
1976 Reiner Kunze: Die wunderbaren Jahre - hier bestellen
1977 Fritz Zorn: Mars – hier bestellen
1978 Walter Kempowski: Aus großer Zeit – hier bestellen
Die Deutsche Chronik Kempowskis umfaßt neun Romane, von denen Tadellöser und Wolff (1971) der erste und bekannteste ist. Aus großer Zeit ist, wenn auch später erschienen, chronologisch der erste Band der Reihe. Er spielt vor und während des Ersten Weltkriegs und zeichnet ein ganz anderes Bild als Heinrich Manns Der Untertan. (EL)
1979 Michael Ende: Die unendliche Geschichte – hier bestellen
Das beste, tiefgründigste Jugendbuch in deutscher Sprache. Überbordende Phantasie ohne billige Effekte. Seelenauslotung, Tapferkeit, Selbsterkenntnis und lange Wege – und vor allem der Kampf gegen das Nichts. Vor dem inneren Nichts stehen so viele junge Menschen – aber jeder hat auch den Keim einer ganzen Welt in der Hand. (GK)
1980 Willi Fährmann: Der lange Weg des Lukas B.
Eine Zimmermannsbrigade verläßt Ostpreußen, um in der Neuen Welt, in Amerika, Geld zu verdienen und das Elend zuhause zu mildern. Lukas Bienmann ist dabei, Lehrling noch, aber bald ein vollwertiger Geselle. Man landet an, verdingt sich, manche bleiben, manche kehren zurück – so ging es tausenden. Ein Stück deutscher Geschichte für Leser ab 14. (GK)
1981 Botho Strauß: Paare, Passanten – hier bestellen
Für manch einen reduziert sich das Werk von Strauß auf einen einzigen Essay, dabei hat der Autor seiner Kulturkritik schon viel früher literarischen Ausdruck verliehen. Hier geht es um das Seelenleben der BRD, um Oberflächlichkeit und Hedonismus, um Unverbindlichkeit und fehlenden Ernst. Wie unabsichtlich beobachtet und notiert, entsteht ein Kaleidoskop der geschichtslosen Jahre. (EL)
1982 Helmut H. Schulz: Dame in Weiß – hier bestellen
Eine Frau erklärt sich: Wie war das unter der nationalsozialistischen Herrschaft, wie gut konnte man leben, wann ging es bergab, wie durchstand man den Endkampf in Berlin? In der DDR erstmals erschienen, es mußte auf diese Liste: Der Autor vermachte unserem Verlag kurz vor seinem Tod die Rechte an diesem Roman und dem Nachfolgeband. (GK)
1983 Sten Nadolny: Die Entdeckung der Langsamkeit – hier bestellen
Nadolny zeichnet den britischen Forscher und Seeoffizier John Franklin als Charakter langsamer Gründlichkeit, der dadurch den Fortschritt und die damit verbundene Hektik konterkarierte und beharrlich an sein Ziel gelangte. Der Buchtitel wurde zur stehenden Wendung. Eines der Bücher, deren Qualität außerhalb jeder Diskussion steht. (GK)
1984 Günter de Bruyn: Neue Herrlichkeit – hier bestellen
Die Abneigung de Bruyns gegen den SED-Staat war 1984 bereits so offensichtlich, daß der Roman zunächst nur im Westen erscheinen konnte. Da er Aufsehen erregte, erschien er noch im gleichen Jahr auch in der DDR. Es geht um einen verwöhnten Jüngling der DDR-Nomenklatura, der in einem Dichterheim (Schloß Wiepersdorf) mit der Wirklichkeit konfrontiert wird und seine Doppelmoral nicht ablegen kann – die DDR im Brennglas, geschildert von ihrem besten Erzähler. (EL)
1985 Patrick Süskind: Das Parfüm – hier bestellen
Wenn Leute sich unterhielten, ob sie wahrnehmungsmäßig der „visuelle“ oder der „auditive“ Typus seien (also mehr über´s Sehen oder Hören aufnehmen), war ich stets die dritte Fraktion, die olfaktorische, die „Riecherin“. Schon deshalb ist dieser Roman für mich eine Offenbarung. Ich las ihn so gern, aber ich roch ihn auch zur Neige! 18. Jahrhundert: Der Waisenjunge Jean-Baptiste Grenouille hat einen außergewöhnlichen Sinn für Gerüche – er wird Meisterparfümeur. Doch seine Besessenheit, den perfekten Duft zu kreieren, führt ihn auf einen dunklen Pfad, der in Mord und Wahnsinn mündet. Über 20 Millionen verkaufte Exemplare und zu Recht Schullektüre! (EK)
1986 Horst Stern: Mann aus Apulien – hier bestellen
Man denkt als Anhänger der ghibellinischen Seite und Kaiser Friedrichs II. lange, daß die Biographie, also das Lebensbild, das Ernst Kantorowicz als George-Schüler verfaßt hat, das Maß aller Dinge sei. Aber das stimmt nicht. Horst Stern öffnet Türen: Sein Roman ist in Ich-Form abgefaßt und fühlt sich in den Kaiser ein. Es gibt nicht viele historische Romane von dieser Qualität. (GK)
1987 Joachim Lottmann: Mai, Juni, Juli
Den Terminus „Popliteratur“ gab es damals noch nicht. Aber DAS war Popliteratur. Man war 1987 bereits „politisch korrekt“, ohne daß es diesen Begriff gegeben hätte. Lottmann, der heute ein kühler Alter ist, hat bereits damals nicht mitgemacht. Eine wunderschön wabernde Lektüre. (EK)
1988 Christoph Ransmayr: Die letzte Welt – hier bestellen
„Keinem bleibt seine Gestalt“ lautet der Kernsatz dieses postmodernen Romans. Er ist die denkbar freieste und luzideste Adaption des Ovid-Stoffs und seiner Metamorphosen – auch sprachlich ein Geniestreich. So kann man mit Überlieferung verfahren – wenn man es kann. Unbedingte Empfehlung! (GK)
1989 Edgar Hilsenrath: Das Märchen vom letzten Gedanken - hier bestellen
Licht des Vaterlandes
Gute Zusammenstellung. Ich finde, Erich Maria Remarque hätte es verdient gehabt, dass einer seiner großartigen Romane gelistet worden wäre - vor oder nach 1945. Er schaffte, was vielen anderen großen deutschen Autoren verwehrt blieb: mit anspruchsvoller Literatur sogar Hollywood zu erreichen. Auswahl gäbe es genug.