Weltliteratur – Hundert Romane – 1976 bis 2025

Hier ist der 2. Teil der Liste großer Werke der Weltliteratur, die unsere Redaktion (und angehängte Teile) zusammengetragen hat, um die SPIEGEL-Liste zu korrigieren. Studieren Sie, was Ellen Kositza (EK), Götz Kubitschek (GK), Erik Lehnert (EL) und Wiggo Mann (WM) ausfindig gemacht, gelesen und kurz kommentiert haben. Nicht alle Bücher sind noch zu haben. Dort, wo wir liefern können, führt ein Link zu Antaios.

(Teil 1 mit den Romanen von 1925 bis 1975 ist bereits erschienen - hier finden Sie ihn.)

1976 – Sascha Soko­low: Die Schu­le der Dummen

Die­ser Bericht eines namen­lo­sen Son­der­schü­lers und sei­nes ima­gi­nier­ten Dop­pel­gän­gers ist ein sprach­li­ches Wun­der­werk – sowje­ti­scher All­tag und irr­wit­zi­ge Ima­gi­na­tio­nen in einer Dat­schen­sied­lung. Der Roman erschien erst­mals in einem rus­si­schen Exil­ver­lag in den USA. Soko­low (*1943) emi­grier­te nach Öster­reich, dann in die USA. Angeb­lich schreibt er noch, ver­öf­fent­licht aber schon seit eini­ger Zeit nicht mehr. (WM)

1977 – John le Car­ré: Eine Art Heldhier bestel­len

Kom­ple­xer Spio­na­ge­ro­man. Kal­ter Krieg. Der Roman behan­delt Loya­li­tät, Ver­rat und die mora­li­schen Impli­ka­tio­nen von Spio­na­ge. Prot­ago­nist Jer­ry Wes­ter­by ist ein tra­gi­scher Held, der zwi­schen Pflicht und per­sön­li­chen Idea­len hin- und her­ge­ris­sen ist. (EK)

1978 – John Irving: Die Welt nach Garp

1979 – V.S. Nai­paul: An der Bie­gung des gro­ßen Flusses

1980 – Umber­to Eco: Der Name der Rose

Die in einer Bene­dik­ti­ner­ab­tei am Anfang des 14. Jahr­hun­derts spie­len­de Geschich­te ist der ers­te Roman Umber­to Ecos (1932–2016). Die Auf­klä­rung eini­ger Todes­fäl­le spielt vor dem Hin­ter­grund der zeit­ge­nös­si­schen Debat­ten um die Ver­derbt­heit der Kir­che. Gleich­zei­tig gibt es eine Ein­füh­rung in die Erkennt­nis­theo­rie und vie­le gelehr­te Anspie­lun­gen. (EL)

1981 – Tschin­gis Ait­ma­tow: Ein Tag län­ger als das Leben

In einer klei­nen Bahn­sta­ti­on in der Step­pe ist ein Arbei­ter gestor­ben, und der grei­se Edi­ge will ihm nach alter Sit­te die letz­te Ehre erwei­sen. Wäh­rend sich die Trau­er­ka­ra­wa­ne auf den Weg macht, star­ten in der Nähe meh­re­re Rake­ten. Ein Zwi­schen­fall droht bei­de Super­mäch­te in den alten Kon­flikt zu trei­ben, der in der glo­ba­len Zer­stö­rung endet. Ait­ma­tow erzählt vom klei­nen Leben im gro­ßen, denn bei­de sind eine Welt. Er ver­mag dies in Bil­dern zu tun, die man nicht mehr ver­gißt und die der einer gren­zen­lo­sen Land­mas­se aus­ge­setz­ten See­le gül­ti­ge Wor­te geben. (GK)

1982 – Gerald Mur­nane: Die Ebe­nen

1983 – Bri­an Moo­re: Die Far­be des Blutes

1984 – Milan Kun­de­ra: Die uner­träg­li­che Leich­tig­keit des Seins

Die Geschich­te der Lie­be zwi­schen dem Chir­ur­gen und Ero­to­ma­nen Tomas und der Kell­ne­rin Tere­sa, die einer­seits die Nie­der­schla­gung des Pra­ger Früh­lings und deren Fol­gen the­ma­ti­siert (samt Flucht und Rück­kehr in die Tsche­cho­slo­wa­kei), ande­rer­seits um Nietz­sches „Ewi­ge Wie­der­kehr“ kreist. Intel­li­gent und ele­gant geschrie­ben – Kun­de­ras (1929–2023) bekann­tes­ter und erfolg­reichs­ter Roman; 1988 erfolg­te eine Ver­fil­mung, die aller­dings etwas sen­ti­men­tal aus­fiel und nicht ans Buch her­an­reicht. (WM)

1985 – Don deL­il­lo: Wei­ßes Rau­schenhier bestel­len

1986 – Ágo­ta Kris­tóf: Das gro­ße Hefthier bestel­len

Las ich mit sech­zehn, war eine der ers­ten Emp­feh­lun­gen eines Buch­händ­lers mei­ner Hei­mat­stadt: Zwei Kna­ben von unbe­ding­tem Über­le­bens­wil­len agie­ren kalt, berech­nend, wie nackt. Sie sind in einem kom­mu­nis­ti­schen Land aus­ge­setzt und pla­nen ihre Flucht. Sie ord­nen dem Schritt in die Frei­heit alles unter – jede Gefühls­re­gung, jeden mensch­li­chen Impuls. Die spra­che ist knapp, hart, wesent­lich. Ich begriff damals: Das ist moder­ne Lite­ra­tur. (GK)

1987 – Andrej Pla­to­now: Die Bau­gru­behier bestel­len

Pla­to­now (1899–1951) schrieb die­sen kur­zen Roman bereits im Jahr 1930. Der Autor war aber zuvor, nach weni­gen Ver­öf­fent­li­chun­gen, in Ungna­de gefal­len, so daß die Bau­gru­be erst in der Zeit der Pere­stroi­ka erschei­nen konn­te. Der Text beschreibt, wie sich die Men­schen, dif­fus beseelt von der kom­mu­nis­ti­schen Uto­pie, ent­we­der zu Tode arbei­ten oder ande­re Men­schen der Ver­nich­tung zufüh­ren. Uto­pie und Tota­li­ta­ris­mus über­tra­gen sich hier direkt in die Spra­che, die mit merk­wür­di­gen Bil­dern arbei­tet, die mit Par­tei­lo­sun­gen und ver­que­rer Logik durch­setzt ist. Die­ser Welt nimmt man es wie selbst­ver­ständ­lich ab, daß plötz­lich ein Bär an Amboß und Esse steht und das Eisen schmie­det. Ein Meis­ter­werk der rus­si­schen, genau­er: sowje­ti­schen Lite­ra­tur. (WM)

1988 – Doris Les­sing: Das fünf­te Kindhier bestel­len

Ein kon­ser­va­ti­ves Paar im Eng­land der 1960er Jah­re hat vier Kin­der. Sie füh­ren ein har­mo­ni­sches Leben, bis Har­riet mit dem fünf­ten Kind schwan­ger wird. Des­sen Ver­hal­ten zer­stört die Har­mo­nie, führt zu Iso­la­ti­on und Kon­flik­ten und zwingt die Eltern, sich mit Schuld, Ableh­nung und gesell­schaft­li­chem Druck aus­ein­an­der­zu­set­zen. Eine Geschich­te über die Gren­zen von Lie­be und die dunk­len Sei­ten der Mut­ter­schaft. (EK)

1989 – Kazuo Ishi­gu­ro: Was vom Tage übrig­bliebhier bestel­len

Ein But­ler erin­nert sich an die gro­ße Zeit, als auf dem Anwe­sen, auf dem er dien­te, auf gro­ßen Kon­fe­ren­zen Poli­tik gemacht wur­de. Sein Lord enga­gier­te sich für eine fried­li­che Koexis­tenz mit dem natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Deutsch­land, und wur­de von der Geschich­te wider­legt. Kazuo Ishi­gu­ro (geb. 1954) ver­webt die­se Hand­lung mit der Fra­ge, wie weit jemand hin­ter sei­nen Dienst zurück­tre­ten kann, ohne an sei­ner See­le Scha­den zu neh­men. (EL)

1990 – César Aira: Gespens­ter

Der Argen­ti­ni­er César Aira (*1949) galt lan­ge als Geheim­tip und lite­ra­ri­scher Außen­sei­ter. Seit Jahr­zehn­ten ver­öf­fent­licht er Kurz­ro­ma­ne mit einem Umfang von 80 bis 120 Sei­ten. Gespens­ter ist einer davon: Eine Sil­ves­ter­fei­er auf einer Bau­stel­le in Bue­nos Aires führt Fami­li­en und Bau­ar­bei­ter zusam­men, wäh­rend der Ort von zahl­rei­chen Gespens­tern bevöl­kert wird. Magisch-rea­lis­tisch? Auf jeden Fall airaesk! (WM)

1991 – Bret Eas­ton Ellis: Ame­ri­can Psychohier bestel­len

Ein gro­ßer (ver­mut­lich sati­ri­scher) Roman, der in Deutsch­land eini­ge Jah­re auf dem Index stand. New York, Ende der 1980er: Das Leben des 26jährigen Wall­street-Yup­pies Patrick Bate­man besteht aus Kör­per­op­ti­mie­rung, Kon­sum, Sex, Ober­flä­che; sei­ne Kol­le­gen und Freun­de erschei­nen aus­tausch­bar. Gleich­zei­tig ist er ein Seri­en­kil­ler und Sadist, des­sen abscheu­li­che Taten aufs Genau­es­te beschrie­ben wer­den (eben­so wie Luxus­ar­ti­kel und Pop­kul­tur). Ein Por­trät der abso­lu­ten Lee­re des Spät­ka­pi­ta­lis­mus? Oder ein­fach eine inten­si­ve Dar­stel­lung eines Psy­cho­pa­then, einer nar­ziß­ti­schen Per­sön­lich­keits­stö­rung? In Sachen Hyper­rea­lis­mus der Mar­ken- und Kon­sum­welt war die­ses Buch stil­prä­gend für die soge­nann­te Pop­li­te­ra­tur auch hier­zu­lan­de – und ein gro­ßes Vor­bild für Michel Hou­el­le­becq, an das die­ser lite­ra­risch aber nie her­an­rei­chen konn­te. (WM)

1992 – Javier Marí­as: Mein Herz so weiß hier bestellen

1993 – Irvi­ne Welsh: Train­spot­tinghier bestel­len

1994 – Albert Camus: Der ers­te Mensch hier bestellen

Camus‘ per­sön­lichs­tes Buch und auch sein schöns­tes, mit stark auto­bio­gra­phi­schen Bezü­gen: Kind­heit und Jugend des Prot­ago­nis­ten Jac­ques in Alge­ri­en. Das unvoll­ende­te Manu­skript wur­de nach dem töd­li­chen Auto­un­fall am 4. Janu­ar 1960 in Camus’ Map­pe gefun­den und erschien erst über drei­ßig Jah­re spä­ter. (WM)

1995 – José Sara­ma­go:  Die Stadt der Blinden

1996 – David Fos­ter Wal­lace: Unend­li­cher Spaßhier bestel­len

1997 – Phil­ip Roth: Ame­ri­ka­ni­sches Idyll – hier bestel­len

Der ers­te Teil der Ame­ri­ka-Tri­lo­gie von Phil­ip Roth (1933–2018) zeigt nicht nur, daß man sei­nem Schick­sal nicht ent­flie­hen kann, son­dern auch, daß der Libe­ra­lis­mus die Höl­le auf Erden bereit­hält. Sey­mour Levov, Sohn jüdi­scher Ein­wan­de­rer, muß zuse­hen, wie sei­ne Toch­ter, sei­nen Erfolg und sei­ne Anpas­sung ver­ach­tend, zur Ter­ro­ris­tin wird. (EL)

1998 – Anto­nio Lobo Antu­nes: Mein Name ist Legion

1999 – J.M. Coet­zee: Schan­dehier bestel­len

David, ein geschass­ter Lite­ra­tur­pro­fes­sor (er hat­te ein Ver­hält­nis mit einer Stu­den­tin), zieht zu sei­ner les­bi­schen Toch­ter Lucy aufs Land, wo die­se eine klei­ne Farm betreibt. Dort wer­den die bei­den von einer Grup­pe schwar­zer Män­ner bru­tal über­fal­len, Lucy wird ver­ge­wal­tigt. Coet­zee (*1940) beschreibt hier in sei­ner ein­fa­chen und kla­ren Spra­che den Zustand des Post-Apart­heid-Süd­afri­kas, die Kon­flik­te zwi­schen Wei­ßen und Schwar­zen, Män­nern und Frau­en, Men­schen und Tie­ren. Und läßt sei­nen Prot­ago­nis­ten eine Art Ret­tung fin­den. Ein gro­ßer, erschüt­tern­der Roman. (WM)

2000 – Zadie Smith: Zäh­ne zei­genhier bestel­len

Das Leben zwei­er Fami­li­en im mul­ti­kul­tu­rel­len Lon­don des spä­ten 20. Jahr­hun­derts: Im Zen­trum ste­hen der Bri­te Archie und der Ben­ga­le Samad, letz­te­rer in arran­gier­ter Ehe lebend. Smith, eine schwar­ze Autorin, behan­delt The­men wie Ras­sis­mus, Migra­ti­on und Iden­ti­tät mit einer Mischung aus Humor und Schär­fe, ohne sich um poli­ti­sche Kor­rekt­heit zu sche­ren. (EK)

2001 – Ian McE­wan: Abbit­tehier bestel­len

1935 in Eng­land: Die 13-jäh­ri­ge Brio­ny miß­ver­steht eine von ihr beob­ach­te­te Begeg­nung zwi­schen ihrer älte­ren Schwes­ter Ceci­lia und Rob­bie, dem Sohn der Haus­häl­te­rin, als Ver­ge­wal­ti­gung. Sie beschul­digt Rob­bie, getrie­ben von ihrer kind­li­chen Per­spek­ti­ve und Eifer­sucht. Rob­bie wird ver­haf­tet. Die Schuld ver­folgt Brio­ny jahr­zehn­te­lang. (EK)

2002 Jef­frey Euge­n­i­des: Midd­le­sex – hier bestel­len

Üppi­ge, über­wäl­ti­gen­de Geschich­te, über drei Gene­ra­tio­nen erzählt. Von Türkei/Griechenland über die USA bis nach Ber­lin, wo Cal, gebo­ren als Mäd­chen, schließ­lich als Mann lebt. Nein, kei­ne Trans­se­xu­el­len-Geschich­te! Men­schen wie Cal nann­te man frü­her Herm­aphro­di­ten, heu­te spricht man von Inter­se­xu­el­len. Euge­n­i­des ver­webt die Idee eines “gene­ti­schen Schick­sals” mit der Fra­ge, wie viel Kon­trol­le wir über unser Leben haben. (EK)

2003 – DBC Pierre: Jesus von Texas

Raben­schwar­ze Gesell­schafts­sa­ti­re: Nach einem Schul-Amok­lauf sei­nes Freun­des Jesus gerät der Prot­ago­nist Ver­non Gre­go­ry Litt­le in die Fän­ge von Medi­en, Poli­zei und miss­traui­scher Nach­bar­schaft. (WM)

2004 – Rober­to Bol­a­no: 2666 – hier bestel­len

2005 – Györ­gy Dra­gomán: Der wei­ße König

1986, Rumä­ni­en unter Ceau­ses­cu: Aus der Per­spek­ti­ve eines elf­jäh­ri­gen Jun­gen, des­sen Vater vom Geheim­dienst abge­holt wur­de, erfolgt eine inten­si­ve, erschüt­tern­de Schil­de­rung der Schi­ka­nen, der Ent­mensch­li­chung und der Bru­ta­li­tät im All­tag einer kom­mu­nis­ti­schen Dik­ta­tur. Györ­gy Dra­gomán (*1973) lebt heu­te in Buda­pest und wuchs bis zu sei­nem 15. Lebens­jahr als Teil der unga­ri­schen Min­der­heit in Rumä­ni­en auf. (WM)

2006 – Cor­mac McCar­thy: Die Stra­ße – hier bestel­len

2007 – Denis John­son: Ein gera­der Rauch

Das Opus magnum von Denis John­son (1949–2017) und der bes­te, gewal­tigs­te Roman über den Viet­nam­krieg. Anhand der Lebens­we­ge ein­fa­cher GIs, eines Spe­zia­lis­ten für PsyOp-Aktio­nen, einer Kran­ken­schwes­ter usw. taucht man in die Wir­ren die­ses Krie­ges ein. Letzt­lich geht es hier um alles, ums Gan­ze: Wahr­heit, Lüge, Gott. „Alle wer­den erlöst“, so lau­ten die abschlie­ßen­den Wor­te die­ses 870 Sei­ten star­ken Buches. (WM)

2008 – Sofi Oksa­nen: Fege­feu­er hier bestellen

Est­land, 1992, kurz nach der Wie­der­erlan­gung der Unab­hän­gig­keit mit Rück­blen­den in die Zeit der sowje­ti­schen Besat­zung. Ali­ide lebt zurück­ge­zo­gen auf dem Land und fin­det in ihrem Gar­ten eine jun­ge, ver­ängs­tig­te Frau auf. Trotz Miß­trau­ens nimmt sie Zara auf. Zara ist auf der Flucht vor rus­si­schen Zuhäl­tern, die sie in die Pro­sti­tu­ti­on gezwun­gen haben. Spä­ter stellt sich her­aus: Zara ist kei­ne Frem­de… (EK)

2009 – Varu­jan Vos­ga­ni­an: Buch des Flüsterns

Der berühm­tes­te Roman über das Mar­ty­ri­um der Arme­ni­er unter den Jung­tür­ken im Aus­gang des I. Welt­kriegs ist Die vier­zig Tage des Musa Dag von Franz Wer­fel. Aus mei­ner Sicht steht aber Vos­ga­ni­ans Werk Wer­fels in nichts nach. Der Name ver­rät die­sen rumä­ni­schen Autor als Abkömm­ling arme­ni­scher Flücht­lin­ge, und wäh­rend man in den arme­ni­schen Hin­ter­hö­fen den Kaf­fee auf über­kom­me­ne Wei­se mahlt, wird auch das gro­ße Rad der Geschich­te gedreht, nach rück­wärts, wird die Kno­chen­müh­le erin­nert, wird der Erzähl­tep­pich geknüpft, den so nur der Bal­kan knüp­fen kann. Ich war gebannt von die­sem Werk. (GK)

2010 – Wla­di­mir Sor­okin: Der Schnee­sturmhier bestel­len

Ein Land­arzt macht sich mit einem Pfer­de­schlit­ten auf in ein ent­le­ge­nes Dorf – er soll dort die Bewoh­ner gegen eine rät­sel­haf­te Krank­heit imp­fen. Ein Schnee­sturm läßt die Fahrt zu einem Wag­nis wer­den … Was wie ein klas­si­scher rus­si­scher Text aus dem 19. oder dem frü­hen 20. Jahr­hun­dert daher­kommt, ent­puppt sich als aber­wit­zi­ge Visi­on eines zukünf­ti­gen Russ­lands, einer zukünf­ti­gen Welt. Sor­okin (*1955) ver­steht es hier auf ganz beson­de­re Wei­se, Schön­heit und Absur­di­tät zu einem phan­tas­ti­schen Plot zu ver­knüp­fen. (WM)

2011 – Davi­de Lon­go: Der auf­rech­te Mann

Eine Dys­to­pie. Lon­go, der für groß­ar­ti­ge Kri­mi­nal­ro­ma­ne bekannt ist, schil­dert  den Zusam­men­bruch der Ord­nung und das per­ver­se Faust­recht zuge­kiff­ter, schwer bewaff­ne­ter, grau­sa­mer Jugend­ban­den. Der Mann, der einer die­ser Ban­den in die Hän­de fällt, wird in Käfi­gen gehal­ten wie ein Tier. Aber eines Tages ermannt er sich und stellt sei­ne Pei­ni­ger. Beklem­mend, stark. (GK)

2012 – Tom Wol­fe: Back to Blood

Schau­platz der Hand­lung ist Miami. Dro­gen, Kri­mi­na­li­tät, Mul­ti­kul­tur. Alle wol­len sie durch­kom­men, die Auto­chtho­nen, die Kuba­ner, die Kreo­len mit ihrer „75-IQ-Analpha­be­ten-Spra­che“. Was für ein schar­fer, wil­der Roman. Kein Wun­der, daß der ame­ri­ka­ni­sche Titel bei der Über­set­zung ins Deut­sche ame­ri­ka­nisch blieb. (EK)

Law­rence Osbor­ne –  Denen man ver­gibthier bestel­len

Kin­der­lo­ses bri­ti­sches Ehe­paar reist per Auto zur Fete eines Schwu­len­paars in die marok­ka­ni­sche Wüs­te. Dabei über­fährt der Mann einen jun­gen Ein­hei­mi­schen. Den Leich­nam lädt man in den Kof­fer­raum; der Vor­fall tan­giert die völ­lern­de, sau­fen­de, kok­sen­de, kif­fen­de Par­ty­ge­mein­de nur peri­pher. Bald klopft der Vater des Unfall­op­fers an… Groß­ar­ti­ger Autor. (EK)

2013 – Phil­ipp Mey­er: Der ers­te Sohn – hier bestel­len

2014 – Javier Cer­cas: Der fal­sche Über­le­ben­dehier bestel­len

Enric Mar­co hat furcht­ba­re Din­ge im KZ Flos­sen­bürg erlebt. Grau­en­haf­te Details! Mar­cos viel­hun­dert­mal (von ihm selbst) erzähl­te Lebens­ge­schich­te, hier von dem preis­ge­krön­ten Roman­au­tor Javier Cer­cas als »Roman ohne Fik­ti­on« auf­ge­schrie­ben, hat einen Makel: Sie ist eine glat­te Lüge! (EK)

2015 Michel Hou­el­le­becq: Unter­wer­funghier bestel­len

In Frank­reich setzt sich der gemä­ßigt isla­mi­sche Prä­si­dent­schafts­kan­di­dat gegen sei­nen rech­ten Kon­kur­ren­ten durch, gestützt von Stim­men der lin­ken Mit­te. Sein Reform­pro­gramm trifft auf eine deka­den­te Gesell­schaft, die kei­ne Gegen­wehr mehr leis­tet. Viel­mehr wech­selt ein Teil der Män­ner auf die Sei­te des kla­ren Geschlech­ter­ver­hält­nis­ses: Vom Femi­nis­mus hat man näm­lich längst die Nase voll. – Sel­ten lan­de­te ein Buch so punkt­ge­nau: Hou­el­le­becq leg­te sei­nen Roman vor, als das Demons­tra­ti­ons­bünd­nis PEGIDA auf sei­nen Höhe­punkt zusteu­er­te, die AfD sich auf­schwang und die Gren­zen von hun­dert­tau­sen­den Ille­ga­len über­rannt wur­den, die über­wie­gend aus isla­mi­schen Län­dern stamm­ten. (GK)

2016 J. D. Van­ce: Hill­bil­ly-Ele­giehier bestel­len

Der Vize­prä­si­dent der USA stammt aus ein­fa­chen Ver­hält­nis­sen und singt in die­sem Buch, das weit vor sei­ner stei­len Kar­rie­re ent­stand, ein Lob­lied auf den Fleiß, die Armee, die har­te Schu­le des Lebens und die Chan­ce, die sich in Ame­ri­ka dem­je­ni­gen bie­tet, der sie zu ergrei­fen weiß. Die Hill­bil­ly-Ele­gie ist mehr als eine lite­ra­ri­sche Auto­bio­gra­phie – sie ist das scho­nungs­lo­se Doku­ment einer Her­kunft, aus der die aller­meis­ten nicht her­aus­fin­den. (GK)

2017 – Geor­ge Saun­ders: Lin­coln im Bar­dohier bestel­len

2018 – R.O. Kwon: Die Brand­stif­terhier bestel­len

2019 – Damir Ovci­na: Zwei Jah­re Nachthier bestel­len

Wer kann mit dem Begriff des “näh­ren­den Lesens” etwas anfan­gen? Ver­mut­lich nie­mand, er ist nicht ein­ge­führt. Ich ver­wen­de ihn jetzt, um zu erklä­ren, war­um ich zu man­chen Büchern oft grei­fe, um Stel­len zu lesen und mich an ihnen zu laben. Ovci­nas Zwei Jah­re Nacht erzählt in einem sehr beson­de­ren Ton eine grau­en­haf­te Geschich­te: ein jun­ger Bos­ni­er läuft nur noch ein­mal rasch in ein ande­res Vier­tel Sara­je­wos, um Din­ge zu holen. Als er zurück­will, ist die Stadt geteilt, und zwei Jah­re Nacht begin­nen. Er über­lebt, und die Sei­ten, die das Schar­nier des Romans bil­den, lese ich alle drei Mona­te. (GK)

2020 Szc­ze­pan Twar­doch: Demuthier bestel­len

2021 – Aye­let Gun­dar-Gos­hen: Wo der Wolf lau­erthier bestel­len

Fami­lie Schus­ter ist aus Isra­el nach Kali­for­ni­en gezo­gen. Die Illu­si­on von Sicher­heit zer­bricht, als sich ein Anschlag auf die Syn­ago­ge und der mys­te­riö­se Tod eines schwar­zen Mit­schü­lers des Soh­nes ereig­nen. Gun­dar-Gos­hen ist stets eine klu­ge Autorin mit psy­cho­lo­gi­schem Tief­blick, die jen­seits jeg­li­cher poli­ti­schen Kor­rekt­heit schreibt. (EK)

2022 – Andrea Tom­pa: Omer­tà – hier bestel­len

Mein Hang zu Sie­ben­bür­gen ließ mich zu die­ser Schwar­te grei­fen. Vier Kapi­tel, vier Blick­win­kel auf den sel­ben Land­strich bei Klausenburg/Cluj Napo­ca, erzählt von vier Per­so­nen: einer ein­fa­chen Land­ar­bei­te­rin, einem Rosen­züch­ter, einer Halb­wai­se und einer Non­ne. Sie alle leben im sta­li­nis­ti­schen Rumä­ni­en, aber als Ungarn, sie alle haben zurecht­zu­kom­men, haben ihr Leben zu ent­wi­ckeln. Man­ches glückt, man­ches ist unmög­lich, das Schick­sal setzt enge Gren­zen, und die Non­ne lei­det stell­ver­tre­tend für alle. Beein­dru­ckend: wie man vier so unter­schied­li­che Erzähl­sti­le her­vor­zau­bern kann. Wirk­lich ein Wäl­zer – aber jede Sei­te lohnt sich. (GK)

2023 – T.C. Boyle: Blue Ski­eshier bestel­len

Wir haben hier eine typi­sche US-ame­ri­ka­ni­sche Fami­lie der obe­ren Mit­tel­schicht. Die Eltern und Sohn Coo­per (Mut­ter und Sohn: unheim­lich woke) leben in Kali­for­ni­en. Toch­ter Cat mit ihrem Mann (einem »Bacardí«-Botschafter) in Flo­ri­da. Cat möch­te Influen­ce­rin wer­den. Ihr Mar­ken­zei­chen soll sein: die Frau mit der Schlan­ge als Sto­la! Und die Tiger­py­thons, die sie erwirbt, sind echt ein Hin­gu­cker! Es wird kata­stro­phal enden. (EK)

2024 – Alfon­so Goi­zu­eta : La sang­re del padre

2025 – Yangs­ze Choo: The Fox Wife

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Kommentare (41)

Le Chasseur

15. April 2025 14:21

Von Houellebecq hätte ich "Ausweitung der Kampfzone" ausgewählt.
Und von Eco hat mir "Das Foucaultsche Pendel" auch sehr gut gefallen.

RMH

15. April 2025 14:31

"1978 – John Irving: Die Welt nach Garp"
Ach Du Sch ...! Da fällt einem glatt die Kaffeetasse aus der Hand. Wer hat denn das auf die Liste gesetzt?
Das einzige, was man aus dem Buch lernen kann ist, was viele der sog. "creative writing" Kurse, die an US-Colleges gegeben werden, anstellen können, denn ich bin mir fast sicher, dass dieses Buch als Musterbeispiel in solchen Kursen dient, diente, dienen kann. Es sind Charaktere, wie aus dem Charakter-Karteikasten, die plotmäßig aufgefächert werden und abgespult werden. Klischee drischt Klischee, Konstruktion folgt auf Konstruktion, Boomer-Humor inklusive. Schlicht und ergreifend: Unterirdisch. Das das Buch inhaltlich links ist, stört hingegen weniger, versucht es doch auch manche linke, prä-woke Marotte ein klitze-kleines bisschen auf den Arm zu nehmen. Wirkt aber eben im Ergebnis ziemlich gekünstelt & damit nicht wirklich lustig (evtl. wars für die Boomer, für die das Buch geschrieben wurde, lustig w.k.).
PS: Die Kurse für "creative writing", oft unter Professoreneinsatz, ist eine der wenigen Angelegenheiten der US-Kultur, die es nicht so recht zu uns rüber geschafft haben (klar gibts solche Kurse auch bei uns, aber sie sind weit entfernt von dem, was sie in USA darstellen).

H. M. Richter

15. April 2025 14:52

1981 – Tschingis Aitmatow: Ein Tag länger als das Leben
 
Notwendige Ergänzung dazu: In der DDR nahezu zeitgleich als "Der Tag zieht den Jahrhundertweg" in der kongenialen Übersezung von Charlotte Kossuth bei Volk und Welt erschienen.

Gracchus

15. April 2025 20:26

Ich muss gestehen, von einigen Sachen, die auf der Liste gelandet sind, bin ich positiv überrascht. Beginnend mit Sokolov (habe ich bisher allerdings erst reingelesen). Dann Murnane: Die Ebenen - das ist so eigen, so versponnen. Insbesondere WM spricht meine Vorlieben an: Coetzee (der Murnane hochhält). halte ich für einen der besten lebenden Autoren, Schande für eins seiner Meisterwerke. Denis Johnson (hätte Jesus' Son genommen) Bolano (2666 musste ich nach dem x-ten Frauenmord abbrechen). Platonow - Baugrube: kaum erträglich, aber was für eine wahnsinnige Sprache, auch Dshan ist zu empfehlen. Von Aitmatow ist mir Der Junge und das Meer stark in Erinnerung, obwohl vor 30 Jahren gelesen, dazu die nach Aragon schönste Liebesgeschichte der Welt: Dshamilja.

Der Gehenkte

15. April 2025 20:32

Im Großen und Ganzen eine ausgewogene Liste. Einiges noch nie gehört, also wenigstens mal googeln: Murnane, Moore, Aira, Antunes, Eugenides, Pierre, Longo, Cercas und das meiste ab 2017. Ging mir in der Spiegel-Liste aber ähnlich. 
Fehlplatzierungen und Überschätzungen ganz klar Irving, Roth, McEwan, le Carre
Besonders gefreut über, also Zustimmung: Eco, Aitmatow, Platonow, Ishiguro, Ellis, Javier Márias, Sorokin (da aber Ljod-Trilogie)
Notiert sind: Tompa, Twardoch, Vosganian, Dragomán.
Dank! 

FraAimerich

15. April 2025 20:35

Danke für die Erinnerung an Aitmatow, kolossales Buch, großes vielschichtiges Leseerlebnis, das nach Jahrzehnten zu wiederholen ich mir soeben vorgenommen habe.
Ecos "Rose" ist bürgerliche Hoch-, das "Pendel" kultige Popkultur. "Der Friedhof in Prag" erfreut sich keiner allzugroßen Beliebtheit, ist aber fein durchkonstruiert und in der Schilderung des "Protokollanten" von erstaunlicher Bösartigkeit. Ihm wird an Skrupellosigkeit und Gemeinheit so ziemlich alles angedichtet, was Wald-und-Wiesen-Antisemiten gemeinhin den Objekten ihrer Leidenschaft anzuheften trachten. Die diesbezüglich letztdenkbare Pointe hat sich Eco dann aber natürlich doch verkniffen. 

Gracchus

15. April 2025 20:42

Was auffällt: ausser Houellebecq zähle ich keine Franzosen: Simenon? Simon? Bove? Duras? Modiano? Queneau? 
Auch, fällt mir ein, aber für 1925 - 1976: was ist mit Witold Gombrowicz?! Ebenso seinen "Antipoden" Borges (gut, Fiktionen und Das Aleph sind Erzählbände, aber muss man gelesen haben).
Frage an Foristen: was hält man von: Mircea Carterescu? Und zurück zur deutschen Auswahl: Hermann Broch?

Le Chasseur

15. April 2025 21:04

@FraAimerich
"Wenn ich von all meinen Romanen nur einen retten könnte, würde ich das "Foucaultsche Pendel" retten und nicht den "Namen der Rose". Der Roman gefällt mir besser, er ist reifer. Doch das ist ein Schicksal, das viele Schriftsteller teilen." -Umberto Eco
 

Gracchus

15. April 2025 21:10

A propos Franzosen: Julien Green - Leviathan, Adrienne Mesurat, Moira, Treibgut, Jeder Mensch in seiner Nacht!
Weitere Ergänzungen:
Bruno Schulz: Die Zimtläden
Gaito Gasdanow: Das Phantom des Alexander Wolf 
Florjan Lipus: Bostjans Flug
 

Speng

15. April 2025 23:53

Einerseits fühle ich mich ja etwas unterqualifiziert, um diese Liste angemessen kommentieren zu können. Andererseits würde ich doch gerne noch ein paar Dinge loswerden. Also auf, zu den Nörgeleien eines Laien:
Coetzee lässt in SCHANDE "seinen Protagonisten[eben nicht] eine Art Rettung finden." Das Ende könnte man eher als verlogen und geheuchelt interpretieren. Was ja auch eine Art Schande ist. Hätte ja das spenglerianische WAITING FOR THE BARBARIANS bevorzugt.
Habe nach dem ersten Teil schon befürchtet, dass Doppelnennungen von Autoren nicht zugelassen werden. Es freut mich also, dass McCarthy hier nochmals vorbeischaut. Auch nichts gegen THE ROAD, aber es ist kein BLOOD MERIDIAN.
Schön, dass Tom Wolfe nicht vergessen wurde. THE BONFIRE und RADICAL CHIC hätte ich aber fast noch lieber vertreten gesehen.
Da es auch einige Kult- und Genrebücher auf die Liste geschafft haben, welche kongenial verfilmt wurden (mit denen ich nicht gerechnet habe), möchte ich noch eine Lanze für Chuck Palahniuks FIGHT CLUB brechen. Unglaublich starkes Erstlingswerk, bei dem die Autorenhandschrift bereits voll entwickelt war, den Zeitgeist der 90er wohl gut einfängt und ein wahnsinnig fesselndes Generationenportrait hinbekommt. Das Niveau hat er danach nur noch selten erreicht, und auch sei gesagt, dass dies einer der wenigen Fälle ist, bei den der Film das Buch übertrifft.
 

Olmo

16. April 2025 11:19

Das Foucaultsche Pendel hat mir auch sehr gut gefallen. Wie Diotalevi seine Krebserkrankung deutet, hat mich sehr zum nachdenken über Identität und die Beliebigkeit der Moderne angeregt. 
Ich hätte Orhan Pamuk mit Rot ist mein Name auf die Liste gesetzt. Ein großartiges Buch.  Intressante Perspektiven:"ich glaube, Stil oder jede Sache, die eine Illustration von anderen Unterscheidet, ist ein Fehler, nicht etwa Ausdruck von Persönlichkeit, wie manche rühmend behaupten." S.136, Fischer 2001. Ein alter Meister (Buchillustrator) blendet sich selbst mit einer Nadel, um den Frevel der neuen Zeit nicht sehen zu müssen und in der Dunkelheit Allah näher zu sein. Die Osmanen in Konflikt mit der Moderne. 

Laurenz

16. April 2025 12:23

Bin fast stolz, habe immerhin 2 der angeführten Bücher gelesen. Allerdings mußte ich, so als literarisches Weichei, "American Psycho" entweder mit einem Kotzeimer neben dem Sofa, oder gleich auf dem Abort lesen, mir wurde regelmäßig schlecht. Der Konsum dieses Buches ging an meine Grenzen & bedeutet quasi geistigen Masochismus. Gesund ist das Buch nicht. Es gibt auch von Le Monde die 100 wichtigsten Bücher des 20. Jahrhunderts. "Der Name der Rose" steht dort auf Platz 14, sagt die Google-KI. Eco meinte aber irgendwie, sich schützen zu müssen & arbeitete mit dem Bibel-Effekt. Viele haben Ecos Bücher zwar im Schrank stehen, aber nicht gelesen. Als ich das Buch vor 30 oder 35 Jahren las, mußte ich nach 30 Seiten nochmals von vorne beginnen & die Namen all der Sektierer-Gruppen, ähnlich, wie hier in der Liste, aufzuschreiben & Erinnerungshilfen zu formulieren. Die Recherche zu diesem Buch, pro forma ein Roman, ist die eigentliche intellektuelle Leistung Ecos. Erst, wer die ca. ersten 100 Seiten überwunden hat, kommt zur filmischen Geschichte. Mir war auch klar, daß EL dieses Buch auf die Liste setzte.

RMH

16. April 2025 12:42

"... und auch sei gesagt, dass dies einer der wenigen Fälle ist, bei den der Film das Buch übertrifft."
@Speng, dem stimme ich zu. D. Fincher hat aber auch nie wieder sowas abgeliefert, wie diesen Film. Das zu meiner (positiven) Überraschung auch in der Liste auftauchende Buch "Trainspotting" von I. Welsh wurde m.M.n. auch sehr gut verfilmt, aber das sehr seltene Prädikat "besser als das Buch" bekommt der Film dennoch nicht (Unentschieden, Gleichstand).

Old Linkerhand

16. April 2025 19:03

@H.M.Richter Danke für den Hinweis. Den Aitmatow haben wir alle schon in der DDR gelesen. Daß im Westen der gleichen Roman mit anderen Titel erschienen ist, wusste ich nicht. Zu Schalamow im ersten Teil: @Laurenz Das sind 7, mehr oder weniger, dicke Bücher, das wollen Sie nicht lesen. Habe mich da durch gequält um mehr über das sowjetische GULag System zu erfahren. Es war genau so, wie ich es befürchtet hatte.
 

Le Chasseur

17. April 2025 10:15

@Laurenz
"Es gibt auch von Le Monde die 100 wichtigsten Bücher des 20. Jahrhunderts. "Der Name der Rose" steht dort auf Platz 14, sagt die Google-KI."
Wobei Eco "Das Foucaultsche Pendel" nach eigener Aussage als besser gelungen fand als "Der Name der Rose". Wer Eco mag, für den könnte evtl. auch "Lemprière's Wörterbuch" von Lawrence Norfolk etwas sein.

Laurenz

17. April 2025 11:30

@Old Linkerhand @L. ... Habe schon viel über Gulags gelesen, nicht wirklich ein Unterschied zu Gefangenen-Lagern für Angehörige der Wehrmacht (SS-Leute wurden meist sofort erschossen). Man hatte vor allem das eh nicht so riesige Bürgertum Rußlands eliminiert, eine einzige Katastrophe. Deswegen schrieb ich ja auch, daß irgendwann mal die Kapazitäten, Verbrechen auch literarisch zu ertragen, erschöpft sind. So einen kranken Scheiß, wie "American Psycho", dessen tatsächliche Existenz gar nicht in Abrede stellen will, brauche ich auch nicht noch einmal. Aber, es ist schon ein erzieherisches Mittel, um ein eigenes Gleichgewicht herzustellen, zu wissen, zu welchen Taten der Mensch in der Lage ist.

Gracchus

17. April 2025 12:59

GK spricht bei Zwei Jahre Nacht von nährendem Lesen und wer mit dem Begriff etwas anfangen könne. Interessant: In einem (schon älteren) Interview erklärt Jonathan Franzen seine Vorliebe zur deutschen Literatur, dass diese als nahrhaft empfunden habe. 

Adler und Drache

17. April 2025 16:10

@ Laurenz:
So einen kranken Scheiß, wie "American Psycho", dessen tatsächliche Existenz gar nicht in Abrede stellen will, brauche ich auch nicht noch einmal.
Amen.
 

Diogenes

17. April 2025 19:40

In keinem Regal von "uns" sollte "Der Graf von Monte Christo" von A. Dumas fehlen. Die Geschichte erinnert uns an das, was in Bösartigkeit zugefügt, eines Tages stärker als jedes Faust zurückschlagen kann: Der Wille. Und die Mittel um den Willen in die Tat umzusetzen gegen jene, die da bösen Sinnes sind. 
 
 

FraAimerich

17. April 2025 21:07

@Gracchus  -  "Orbitor" ist zernichtende Innen-Weltliteratur im eigentlichen Sinn, ein postmoderner gnostischer Fiebertraum von den Mysterien und Obsessionen des Menschen-Sohns. Man braucht freilich Zeit und Offenheit dafür. Dann kann die Trilogie in ihrer psychedelischen Dreifaltigkeit womöglich ein jahrzehntelanges soteriologisches Studium zur Menschlichkeit Gottes ersetzen - oder auslösen, je nachdem. Vielleicht setzt ein vollumfänglicher Genuß ein solches aber auch voraus.
 
@Le Chasseur  -  Daß Autoren häufig zu anderen Einschätzungen kommen als Kritik und Publikum, ist nicht zu bestreiten. Auf die notorische Insel würde auch ich eher das "Pendel" als die bildungsbürgerlich etwas überladene "Rose" mitnehmen. Auf der "Metaebene" sind sich beide Bücher ja sehr ähnlich. Eco geht aufklärerisch gegen "bedenkliche" Milieus vor. Mit Logenbrüdern und Verschwörungstheoretikern geht er dabei etwas nachsichtiger um; wohl auch, weil er mit solchen zum Teil recht freundschaftlichen Umgang pflegt. Und als wahre Sophia kann nur eine rassige Schönheit durchgehen, die mit Schambein und Hüften zu flippern versteht.

Laurenz

17. April 2025 22:54

@Diogenes ... was in Bösartigkeit zugefügt, eines Tages stärker als jedes Faust zurückschlagen kann ... Das ist nur im Buch oder Film so. Ihre Moral ist mir viel zu christlich polarisierend. Hätte Dumas oder ein anderer Autor, die Geschichte aus Sicht der Gegner Edmond Dantès' erzählt, sähe die Nummer ganz anders aus. Kann man es nicht dabei belassen, daß es Regeln für alle & Verbrechen, die bestraft werden müssen, gibt? Der Graf von Monte Christo ist nichts anderes als ein Europäischer Western. @Le Chasseur @L. ... Bei "Der Name der Rose" muß man nur (sorgfältig) lesen können, um das gesellschaftliche Ausmaß an totalitärem Bildungsmonopol im MA begreifen zu können. Um "Das Foucaultsche Pendel" zu erfassen, braucht man viel weitgehendere Vorkenntnisse. Das meinte ich mit u.a. eine Schutzfunktion, die Eco für Sich einbaute, obwohl Er sich öffentlich anders äußerte. Aber dann hätte Er tausende Fußnoten mehr einbauen müssen. Ich behaupte ohne Nachweis, daß "Das Foucaultsche Pendel" wesentlich weniger Leser besitzt, als Sie glauben. Insofern erachte ich es als es richtig von der Redaktion, das Buch nicht in der Liste zu implementiert zu haben.

Olmo

18. April 2025 01:29

@Diogenes "Der Graf von Monte Christo"
Guter Hinweis. Ich habe gerade nur eine italienische Ausgabe zur Hand. Ich empfehle das Kapitel LII Tossicologia, (S.559, Einaudi 2014).

Diogenes

18. April 2025 11:29

@Olmo: In meiner deutschen Ausgabe heißt das Kapitel "Das Arbeitszimmer des Staatsanwalts" und beginnt auf Seite 553 und endet auf Seite 565 mit "Brot und Salz". Danke für die Empfehlung, ich komme vielleicht an anderer Stelle mal auf den Inhalt zurück. Ein bestimmtes Kapitel das mich beeindruckt hat kann ich Ihnen nicht auf die Schnelle aus dem Gedächtnis empfehlen (nur das Werk als Ganzes; meine "Essenz" daraus, was mir "Wichtig" schien), denn die Lektüre ist schon eine zunehmend-alternde Weile her. Für 932 Seiten braucht man (Lang)Weile und (Frei)Zeit in ausreichendem Maße.  

Diogenes

18. April 2025 11:30

@Olmo: Aber ich kann Ihnen an dieser Stelle einen kleinen Geheimtipp von mir geben: James Hilton - Der verlorene Horizont (irgendwas mit 200 Seiten). Ich fand den Gedanken darin immer faszinierend, aber auch nachvollziehbar (die Abschottung und Geheimhaltung des Ortes vor der Außenwelt). Wenn es über oder unter uns noch andere Völker im Verborgenen geben sollte (Theoretische Annahme von Außer- oder Inner-Irdische die kritisch/hinterfragend zur sog. "Mainstream"-Archäologie und deren Interpretationen/Deutungen ist), dann gibt es für diese keinen Grund mit einer "oberflächlichen" Welt in Kontakt zu treten die zum aller größten Teil aus nichtsnutzigen "Fressern/Hedonisten" und verblödeten "Degenerierten/Dekadenten" besteht die nicht über den eigenen Horizont hinaus kommen (Konsum->Vermehrung->Ausbeutung ohne gemeinschaftlichen Nachhaltigkeits- u. Gleichgewichtsgedanken führt in seiner Konsequenz immer zu Konflikten aufgrund seiner künstlich aufgeblähten Expansion). 
 
Aber ich will Sie nicht weiter mit meinen Gedanken belasten wie unser "rechtes" deutsches "Wir" aus dem Chaos des Diabolischen (Durcheinanderwerfen/Durcheinandermischen) zu seiner höheren Philosophie (wieder)findet, die sich überwiegend am "Freigeist" orientiert und weniger Gewicht auf die Zwänge (die Erschaffung des Moloch; systemische Ungeheuer/Maschinerien - der "Demiurg") legt, die wir uns selbst auferlegen und zum Entwicklungsstillstand verdammen.

Le Chasseur

18. April 2025 11:36

@Laurenz
"Ich behaupte ohne Nachweis, daß "Das Foucaultsche Pendel" wesentlich weniger Leser besitzt, als Sie glauben. Insofern erachte ich es als es richtig von der Redaktion, das Buch nicht in der Liste zu implementiert zu haben."
Ausschlaggebend ist doch, wenn ich das richtig verstanden habe, die literarische Qualität und nicht der kommerzielle Erfolg? Sie haben sicher recht, dass das "Pendel" weniger Leser gefunden hat als "Der Name der Rose". Was ja eigentlich ein weiterer Grund wäre, das "Pendel" auf die Liste zu setzen. ;-)

Gracchus

18. April 2025 16:17

@Fra Aimerich: Ihretwegen habe ich jetzt den Carterescu in meinen Reisekoffer gepackt, allerdings erstmal einen Erzählband ("Melancolia"). Brochs Tod des Vergil lässt mit denselben Worten beschreiben: "gnostischer Fiebertraum". Ein Abgesang auf l'art pour l'art, alle selbstzweckhafte Kunst. 

Laurenz

18. April 2025 19:11

@Le Chasseur @L. ... Haben Sie denn die Kabbala (& andere Werke) gelesen oder sich zumindest grundlegende Strukturen daraus erarbeitet? Falls nicht, haben Sie das Pendel auch nicht in seiner Gänze erfassen können. Ich schreibe ja nicht umsonst über fehlende Fußnoten. Eco war ja kein Idiot & hat deswegen in meinen Augen bewußt diese im notwendigen Ausmaß weggelassen. https://de.wikipedia.org/wiki/Kabbala Sie sehen schon an der komplexen Wikipedia, daß sich keiner sicher ist, das Buch in seiner Gänze verstanden zu haben. Gerade bei manchen bekannten Kritikern kann man die Unsicherheit geradezu greifen. Burgess forderte gar, dem Buch ein Register zuzufügen. https://de.wikipedia.org/wiki/Das_Foucaultsche_Pendel

Le Chasseur

18. April 2025 21:44

@Laurenz
"Haben Sie denn die Kabbala (& andere Werke) gelesen oder sich zumindest grundlegende Strukturen daraus erarbeitet?"
Nein.

RMH

19. April 2025 13:07

@Kabbala Lektüre,
fairerweise sollte man hierzu anmerken, dass man dazu schon hebräisch lesen und verstehen können sollte und auch Kenntnisse in Nummerolgie sowie der entsprechenden Zuordnungen von Buchstaben haben sollte (nicht ohne Grund ist das ein Gebiet, wo die Lehrmeister noch streng das Zepter in der Hand halten & für Autodidakten wenig Raum ist). Für die Lektüre von Eco mögen Kenntnisse aus diesem Gebiet nice to know sein, sind aber mitnichten Grundvoraussetzung dafür. Man darf den guten Italiener auch nicht überhöhen (ich fand seine Bücher sehr lesenswert, aber wie bei jedem "großen" Autor, traut sich am Ende der Lektor aus falsch verstandener Ehrfurcht vor dem "Meister" nicht mehr zu Kürzungen und Straffungen zu raten & so zieht es sich halt eben doch manchmal etwas arg selbstverliebt & manieristisch in den Werken Ecos hin). Unter dem Strich, meine Meinung: Eco steht vollkommen zu Recht auf dieser Liste & dass man "Der Name der Rose" gewählt hat, ist richtig, schmälert den Wert anderer Werke von Eco auch nicht. Es gibt in Internetforen oftmals so eine Art Dünkel, dass ein Buch auf einmal nicht mehr so viel Wert sei, wenn es überaus erfolgreich verfilmt wurde & das damit gleichsam die unverfilmten Werke bedeutsamer werden. Davon halte ich rein gar nichts.

Laurenz

19. April 2025 17:34

@RMH ... Kabbala ... Ihre Katzen beißen sich alle in den Schwanz. Nach Ihrer Logik darf man keine Übersetzungen lesen, Luther & Mendelssohn hätten sich die Arbeit sparen können. Natürlich gibt es gute & schlechte Übersetzer, aber warum sollte jemand, der des Hebräischen & des Deutschen mächtig ist, die Übersetzung der Kabbala lesen? Nur um anderen sagen zu können, daß die Übersetzung gut oder schlecht sei? Verstehen Sie, RMH, auch jeder Schüler aus der IV. oder V. Klasse kann alles ohne Grundvoraussetzungen lesen, zumindest in meiner Schulzeit war das so. Auf jeden Fall gingen die Meinungen zwischen Reich-Ranicki & Eco über das Pendel weit auseinander. Natürlich darf man jetzt einen von beiden oder beide diskreditieren. Ich habe den Atheisten Christopher Hitchens nie über etwas sprechen hören, von dem Er keine Ahnung hatte. Als ich hingegen den Gotteswahn von Richard Dawkins las, war es schon ernüchternd, daß ich selbst mehr Plan von Religionen & Weltanschauungen hatte, als ein Englischer Prof der Evolutionsbiologie.

FraAimerich

19. April 2025 17:54

@RMH  -  Man könnte auch anmerken, daß Kerntexte der kabbalistischen Überlieferung, zumal jene, die die westliche ("christliche") Auslegungstradition und Esoterik prägten, gar nicht auf Hebräisch verfaßt wurden. Aber für die Lektüre und das Verständnis des "Pendels", da stimme ich Ihnen ausnahmsweise mal zu, ist das recht unerheblich. Handelt es sich dabei doch im wesentlichen um eine - polemische - "Dekonstruktion" des geschilderten Geheimbundwesens sowie Darstellung der grundlegenden psychologischen Wirkmechanismen, die nicht nur "Glaubenwollende", sondern oft sogar Skeptiker "einzufangen" vermögen. 

Laurenz

19. April 2025 20:20

@FraAimerich @RMH ... habe eigentlich keine Lust mehr auf die Debatte. Aber, wenn Sie, RMH & Le Chasseur der Meinung sind, das Pendel sei einfach zu verstehen, dann frag ich mich, warum hunderte unterschiedlicher (auch Leser-) Kritiken im Netz sind? Ich habe Ihnen jetzt mal eine mit Interview von der taz rausgesucht, weil das Interview ganz gut die Dimension der Arbeit zum Buch wiedergibt. Es bleibt natürlich Ihnen Selbst überlassen, ob Sie das interessiert oder nicht. https://taz.de/In-Ecos-Labyrinth/!1789156/

RMH

19. April 2025 21:01

@Laurenz,
bitte nicht falsch verstehen. Lesen kann man selbstverständlich diese Texte auch in deutscher Übersetzung. Aber wenn man einmal in die Interpretations- und Sekundärliteratur einsteigt bzw. einen Vortrag von jemanden hört, der tief in der Materie ist (daher habe ich auch auf die Lehrmeister hingewiesen), dann kommt man zur Auffassung, dass das, was man lesen kann, oft nur die Oberfläche ist und es auch "okkulte" Hinweise über Zahlenwerte von Buchstaben etc. gibt, es also in den Schriften noch Verborgenes (= okkultes) gibt. Braucht man jetzt an der Stelle nicht zu vertiefen. Ändert nichts an der Tatsache, dass ich damals Eco auch gerne gelesen habe. Name der Rose hatte aber auch, wenn man es genau nimmt, seine "Fehler".

Olmo

20. April 2025 08:10

@Kabbala Lektüre
Das ist ein bisschen so wie Bücher über Statik studieren, bevor man mit Lego-Steinen spielt. Freilich, ein Gelehrter mit Ecos Wissen, wird das Buch anders lesen als ich. Ich habe wieder nur die ital. Ausgabe zur Hand :"Al mondo ci sono i cretini, gli imbecilli, gli stupidi e i matti." und weiter "chiunque , a ben vedere , partecipa di una di queste categorie.Ciasquno di noi ogni tanto è cretino , imbecille,stupido o matto. Diciamo che la persona normale è quella che mescola in misura ragionevole tutte queste componenti, .."S.72 Bompiani 2009 Da ist für jeden was dabei. Quintessenz: "Ma gavte la nata..." fragt sich wer Ecos Alterego ist, Agliè oder Belbo? Oder beide? Frohe Ostern.

Olmo

20. April 2025 09:21

Ein Spaß wäre es, wenn jemand, mit dem entsprechenden Wissen und Können, nun eine Verschwörungstheorie auf Basis des Pendels (das Buch, nicht das Pendel) konstruieren würde. Das Buch enthält Geheimwissen über die wahre Verschwörung, man muss es nur richtig lesen usw. Meine Frau kann Eco nicht ausstehen, sie hält ihn für einen Schnösel und Elitaristen, er war wahrscheinlich beides. Wir hatten einmal die Ehre einer Vorlesung zu lauschen. Ich erwartete eine Art Show— es war eine relativ normale, seriöse Vorlesung. Ich habe nichts gegen Elitaristen, im vollen Bewußtsein selbst vollkommen eliteuntauglich zu sein. Wie dem auch sei, das wäre ein Mordsgaudi.

Speng

20. April 2025 18:35

Das Buch enthält Geheimwissen über die wahre Verschwörung, man muss es nur richtig lesen usw.
Sehr amüsant von Ihnen.
Meine Frau kann Eco nicht ausstehen...
Verständlich, ich fand seinen Essay über Faschismus recht dämlich (darf ich das an am heutigen Tag so schreiben?) und habe danach nichts mehr von ihm angefasst.
Vielleicht mache ich aber das Pendel heuer zu meiner Strandlektüre. Als ein an Okkultem und Esoterica Interessierter, könnte man doch seine Freude damit haben.
 
@RMH
Ist Welsh wirklich lesenswert? Mit Ellis' AMERICAN PSYCHO rechnet man irgendwie auf solch einer Liste, mit TRAINSPOTTING eher weniger. Hätte Lichtmesz hier mitgewirkt, könnte man auch Shusaku Endos SCHWEIGEN erwarten (bzw. im vorherigen Teil) aus der selben Kategorie.
 
Frohe Ostern!
 
 
 

anatol broder

20. April 2025 20:39

@ wiggo mann
ich halte es für möglich, dass jean-michel guenassia die unerträgliche leichtigkeit des seins von milan kundera im hinterkopf hatte, als er den roman eine liebe in prag schrieb.

RMH

21. April 2025 17:35

"Ist Welsh wirklich lesenswert? Mit Ellis' AMERICAN PSYCHO rechnet man irgendwie auf solch einer Liste, mit TRAINSPOTTING eher weniger."
@Speng, unter die Rubrik "Weltliteratur" hätte ich das selber nicht gepackt, aber gerade Trainspotting ist durchaus gut. Welsh hat um die Typen aus Leith/Edinburgh - ganz nach der crative writing Methode - ein ganzes Romanimperium aufgebaut. Muss man wirklich nicht alles lesen. Insbesondere, wenn man mit Gossensprache, Gewalt- und Sexdarstellungen ein Problem hat, ist Welsh rein gar nichts. Da ich persönlich in der Kategorie Urlaubsschmöker mit den heutzutage überall anzufindenden Krimis, insbesondere aus Skandinavien, nie groß etwas anfangen konnte, waren für mich Welsh und Palahniuk (der ja außerhalb von Fight Club auch nicht wirklich bahnbrechend ist) immer irgenwie Urlaubslektüre. PS: Wenn Welsh, Palahniuk, DeLillo, C. McCarthy & Co Weltliteratur sind, dann hätte es der gute alte Bukowski aber mindestens 3x mehr verdient, auch auf so eine Liste zu kommen, aber einem Typen wie B. wäre das ohnhin komplett egal gewesen. Abseits seiner klar erkennbar kommerziel motivierten Texte, hatte B. durchaus echte Tiefe.

FraAimerich

21. April 2025 18:01

@Laurenz  -  Daß sich Eco viel Arbeit mit dem "Pendel" gemacht hat, hat doch niemand bestritten, zumal er zu einer Zeit recherchierte, wo die herangezogenen Quellen noch nicht fast mühelos zugänglich und ohnehin nur Spezialisten bekannt waren.
Aber auch im verlinkten TAZ-Artikel stieß ich auf nichts, was wesentlich über das hinausginge, was ich bereits kurz als meine Lesart zusammengefaßt habe. Sehe mich vielmehr sowohl durch Nootebooms Zusammenfassung als auch Ecos Aussagen bestätigt.
Auch Ihre Frage, wo die Unsicherheit bzw. das Unbehagen sovieler Leser/Kritiker herrühre, wenn der Roman (nicht die darin zum Labyrinth kombinierten Versatzstücke aus der geheimwissenschaftlichen Tradition des Abendlands!) so einfach zu verstehen sei, wird beantwortet: "der Leser haßt sich, wenn er die Fäden verliert, denn er hält sich für blöd - und dann erklären Sie ihm, daß genau das Ihre Absicht war!" - Überwältigung und rauschhafte Faszination werden als psychologisch wirkmächtige Methode vorgeführt. Aufklärung mit den Mitteln ihrer Gegner betreiben zu wollen, wurde Eco seinerzeit ja auch im "Literarischen Quartett" vorgeworfen. Denn derlei muß eben nicht ausschließlich "entlarvend" wirken. 
Wenn Sie andere, verborgene Intentionen vermuten, sollten Sie konkreter werden. Habe mir Ihre einstige Mahnung zu Herzen genommen, nicht zuviel zu interpretieren.
 

Laurenz

21. April 2025 18:40

@Speng ... fand seinen Essay über Faschismus recht dämlich ... das hatte gewiß damit zu tun, daß der "Linke" Umberto Eco quasi jeglichen historischen Totalitarismus als "Ewigen Faschismus" deklarierte, natürlich völliger Unsinn. Denn, der Faschismus in seinem Wesen reaktionär, während alle abrahamitischen totalitären Regimes, die sich auf Werke wie Bibel, Mao-Bibel, Quran bis Das Kapital beziehen, aktionär sind. Heute kann ein Generalist nicht mehr vollkommen sein, wie Leonardo, selbst beim großen Goethe langte es nicht mehr & die Welt war bereits zu groß. Heute muß sich der Generalist auf Halb-, Viertel oder gar 32tel-Wissen begnügen, weist sich aber den echten, spezifischen Experten, wie Eco als hundertfach überlegen aus, auch wenn man ohne Experten nicht mehr auskommt. Einem guten Generalisten würde das sekundenweise Springen zwischen Genialität & absoluter Verblödung eines Hans-Werner Sinns (sicherlich ein großer VWL-Experte) so nicht passieren. Beim Generalisten bleiben Genius & Verblödung einfach auf niedrigerem Niveau, was aber eben auch politische Fehler klein hält. https://youtu.be/P_W9BrzLmaI

Olmo

22. April 2025 14:10

Trotz der Gefahr zu langweilen, als wichtigtuer abgestempelt zu werden oder mich mit Halbbildung und Stilblüten zu blamieren, was eigentlich wiederum egal ist, weil ich unter Psedonym kommentiere, noch ein Beitrag:
@Speng wenn Sie sich für okkultes interessieren und es Sie einmal nach Bologna verschlägt, sei Ihnen die Buchhandlung Ibis in der Via Castiglione empfohlen. Dort begegnete ich einmal einer kuriosen älteren Dame, die trotz ihres Alters außergewöhnlich schön war, sie trug einen mit Zaubersymbolen(?) bestickten Mantel, der mehrere hundert Euro gekostet haben muss, wenn nicht gar tausend. 
Es geht im Pendel aber nicht nur darum, sich über Esoteriker, VTler und Okkultisten lustig zu machen, das Buch ist vielschichtig. Ein Gedanke aus dem Buch ist zum Beispiel, daß es einfach und billig ist, die richtige Seite zu wählen, nachdem ein Krieg beendet wurde. Wo hättest du gestanden, als noch nichts entschieden war? Wer weiß das schon so hundertprozentig?