Jesus, Venner und wir

Ende Mai hielt ich irgendwo in Tirol einen Vortrag zu einem Thema, über das ich schon lange nicht mehr gesprochen habe.

Martin Lichtmesz

Martin Lichtmesz ist freier Publizist und Übersetzer.

Mein Gast­ge­ber schrieb mir ein paar Wochen zuvor:

Sie haben doch ein­mal einen Text geschrie­ben mit der sinn­ge­mä­ßen Aus­sa­ge, alles sei ein codi­fi­zier­tes Wer­te­sys­tem, das einer Reli­gi­on gleicht, egal ob es magisch, welt­lich, wis­sen­schaft­lich oder anders gewich­tet wäre. Hät­ten Sie Lust, dar­über zu sprechen?

In der Tat ver­tre­te ich in mei­nem Buch Kann nur ein Gott uns ret­ten? die­se The­se, die ich vor allem von Ernest Becker (1924–1974) über­nom­men habe. Mein Gast­ge­ber schlug eine Rei­he von Blick­win­keln vor, unter denen wir das The­ma debat­tie­ren könnten:

Wie kön­nen reli­giö­se Sys­te­me genutzt wer­den, als Quel­le für Rechts­aus­le­gung, Poli­tik, Grund­la­ge einer Gesell­schaft? Wel­che Ideo­lo­gien kön­nen in ihrer Wer­tig­keit mit Reli­gi­on mit­hal­ten? Was ist der Unter­schied zwi­schen Glau­ben, Reli­gi­on und reli­giö­ser Philosophie?

Er bat mich aller­dings auch, “kei­ne Stand­pau­ke über die Vor- und Nach­tei­le des Katho­li­zis­mus” zu hal­ten. Nun gut, mit die­sen Vor­ga­ben hat­te er mir schon eine Men­ge Stoff aufgetischt.

Der Vor­trag fand in einer klei­nen Run­de statt, in einer klei­nen, gemüt­lich ein­ge­rich­ten Hüt­te mit Blick auf schnee­be­deck­te Berg­gip­fel. Es kamen nur zwölf Besu­cher, was sich jedoch als vor­teil­haft für die an den Vor­trag anschlie­ßen­de Dis­kus­si­on erwies, die sich über eine Stun­de hin­weg­zog. Vom Agnos­ti­ker über den Neu­hei­den bis zum Athe­is­ten und from­men Katho­li­ken waren vie­le ver­schie­de­ne Stand­punk­te ver­tre­ten; sogar ein “Sedis­va­kan­tist” war anwesend.

Aus­gangs­punkt mei­ner (wie immer) mäan­dern­den Aus­füh­run­gen war der Frei­tod von Domi­ni­que Ven­ner vor bei­na­he genau 12 Jah­ren, am 21. Mai 2013, vor dem Hoch­al­tar von Not­re Dame zu Paris. In einem Abschieds­brief schrieb er:

Da am Abend mei­nes Lebens mein fran­zö­si­sches und euro­päi­sches Vater­land in gro­ßer Gefahr schwebt, habe ich mich ent­schlos­sen, zu han­deln, solan­ge es mei­ne Kräf­te noch zulas­sen. Ich hal­te es für not­wen­dig, mich zu opfern, um uns aus der Lethar­gie zu rei­ßen, die uns gefan­gen hält. Ich ver­zich­te auf den Rest Leben, der mir noch bleibt, für einen grund­le­gen­den Akt des Protestes.

Gemes­sen an die­sem Vor­ha­ben ist Ven­ner geschei­tert. Ein 78jähriger, nur einem Spar­ten­pu­bli­kum bekann­ter Mann mit unpo­pu­lä­ren poli­ti­schen Ansich­ten, der sich öffent­lich in den Kopf schießt – das ist allen­falls eine Schlag­zei­le, aber kein nach­hal­ti­ger Schock, der irgend­je­man­den “aus der Lethar­gie” rei­ßen könn­te, der die Din­ge nicht bereits so sieht, wie Ven­ner sie sah.

Sei­ne Tat wird bis heu­te von klei­nen rech­ten Grup­pen, ins­be­son­de­re von fran­zö­si­schen Iden­ti­tä­ren, gefei­ert, ist aber selbst in “unse­rem” Spek­trum bereits weit­ge­hend ver­ges­sen, wie ich im Lau­fe mei­nes Vor­tra­ges fest­stel­len mußte.

Das blei­bend Bedeut­sa­me am “Fall Ven­ner” ist für mich, daß sich in der Geschich­te sei­nes “Opfers” und sei­ner Begrün­dung kon­zen­triert sämt­li­che Fra­ge­stel­lun­gen zuspit­zen, die mei­nem Buch zugrundeliegen.

Ven­ner kam zu der Schluß­fol­ge­rung, daß Euro­pa einer eige­nen, “iden­ti­tä­ren” Reli­gi­on bedür­fe, die unse­ren Völ­kern eine ähn­li­che spi­ri­tu­el­le Kraft geben könn­te, wie der Islam man­chen von jenen, die gera­de dabei sind, uns zu erset­zen. Das Chris­ten­tum habe dazu nicht mehr die Fähig­keit, sei auf­grund sei­ner Ethik und Theo­lo­gie sogar sei­nem inners­ten Wesen nach dazu unge­eig­net, unge­ach­tet des­sen, wel­che Rol­le es einst in der euro­päi­schen Geschich­te gespielt habe.

In sei­ner Abschieds­no­te schrieb Ven­ner weiter:

Ich wäh­le einen hoch­sym­bo­li­schen Ort, die Kathe­dra­le von Not­re Dame de Paris, die ich respek­tie­re und bewun­de­re: das Genie mei­ner Vor­fah­ren hat sie auf einer Kult­s­stät­te errich­tet, die viel älter ist und an unse­re weit in die Geschich­te zurück­rei­chen­den Wur­zeln erinnert.

Nicht respek­tiert hat er die Kathe­dra­le als Ort der Ver­eh­rung des christ­li­chen Got­tes; das Chris­ten­tum war für ihn ledig­lich ein höchst dubio­ser und eph­eme­rer Inhalt in einem Gefäß, das vor allem “das Genie” unse­rer “Vor­fah­ren” bezeugt. Das heid­ni­sche Hei­lig­tum, auf dem sie (angeb­lich) errich­tet wur­de, hin­ge­gen war in sei­nen Augen “authen­ti­scher” euro­pä­isch, reich­te tie­fer hin­ab, als die christ­li­che Ober­flä­che ver­mu­ten ließ, wie der berühm­te kel­ti­sche Brun­nen in der Kryp­ta von Chartres.

Es war jedoch nicht die­ses The­ma, in das wir uns nach dem Vor­trag ver­fin­gen, son­dern eines, das mich alle paar Jah­re wie­der obses­siv beschäf­tigt: Die Fra­ge nach dem Wesen und der His­to­ri­zi­tät von Jesus von Naza­reth, damit ver­bun­den die ver­schie­de­nen Arten, wie er in Fil­men dar­ge­stellt wird.

Ich habe dar­über schon öfter mit dog­ma­tisch gesinn­ten Chris­ten gestrit­ten, die mei­ner Ansicht nach zu sehr am Buch­sta­ben hän­gen, und sich oft gar nicht des­sen bewußt sind, wie stark die Berich­te der Evan­ge­li­en teil­wei­se von­ein­an­der abwei­chen und wie gefüllt sie mit Wider­sprü­chen sind (eine Tat­sa­che, die sich Exege­ten über Jahr­hun­der­te hin­weg zurecht­bie­gen muß­ten, zum Teil mit wag­hal­si­gen Denkkonstruktionen).

War­um das so ist, war für mich immer eine der fes­selnds­ten Fra­gen über­haupt. Alain de Benoist hat sich damit jahr­zehn­te­lang beschäf­tigt, und 2021 sei­ne Ergeb­nis­se in einem 900-Sei­ten-Wäl­zer mit dem Titel L’Hom­me qui n’a­vait pas de père (“Der Mann, der kei­nen Vater hat­te”) aus­führ­lich dar­ge­legt (wah­re Augen­öff­ner zu die­sem The­ma sind übri­gens die Bücher und Vor­trä­ge von Bart Ehr­man).

Begibt man sich in den Kanin­chen­bau der his­to­risch-kri­ti­schen For­schung, dann reiht sich Rät­sel an Rät­sel, man gewinnt ver­blüf­fen­de Erkennt­nis­se und ent­deckt fas­zi­nie­ren­de Per­spek­ti­ven. Dazu muß man aller­dings bereit sein, kul­tu­rel­le Deu­tungs­rah­men abzu­le­gen, die sich im Lau­fe von etwa 2000 Jah­ren ange­sam­melt haben.

Das ist äußerst schwie­rig, denn es ist auf­grund unse­rer tief­sit­zen­den Prä­gun­gen bei­na­he unmög­lich, die Evan­ge­li­en “unschul­dig” zu lesen. Gleich­zei­tig bedarf es zu ihrem Ver­ständ­nis erheb­li­chen Wis­sens über den Kon­text ihrer Ent­ste­hung und über ihre text­li­che Über­lie­fe­rung, in deren Ver­lauf die ursprüng­li­chen Tex­te mehr­fach ver­än­dert und redi­giert wurden.

Da die meis­ten fil­mi­schen Dar­stel­lun­gen dem Bekennt­nis von Niz­äa fol­gen, wonach Jesus “wah­rer Gott aus wah­rem Gott, gezeugt, nicht geschaf­fen, eines Wesens mit dem Vater”, stellt sich das ästhe­ti­sche oder dra­ma­tur­gi­sche Pro­blem, wie man denn einen sol­chen Men­schen kon­kret dar­stel­len soll. Wie spricht, ißt, geht, lacht, weint, lei­det und stirbt ein sol­cher Mensch?

Die ein­fa­che Lösung ist, Jesus ent­lang den Mus­tern tra­dier­ter from­mer Iko­no­gra­phie dar­zu­stel­len, vor allem jener des 19. Jahr­hun­derts: Hie­ra­tisch, erha­ben, ernst. Man soll schon an sei­nem Habi­tus erken­nen, daß er kein Mensch wie alle ande­ren ist. So haben es die meis­ten Hol­ly­wood-Fil­me gemacht, von DeMil­les King of Kings (1927) bis Zef­fi­rel­lis Jesus of Naza­reth (1977).

Der Rah­men hier­zu ist aber immer noch der­je­ni­ge einer akzep­tier­ten Fik­ti­on; damit mei­ne ich, daß nie­mand wirk­lich auf die Idee komnt, “so war es”.  Es ist, wie immer im Kino oder der Lite­ra­tur, eine “wil­ling sus­pen­si­on of dis­be­lief”, “wil­lent­li­che Aus­set­zung der Ungläu­big­keit”, um es ein wenig iro­nisch zu sagen.

Das “So war es” ist aber zen­tral für das christ­li­che Dog­ma, das auf der His­to­ri­zi­tät von Jesus besteht. Die­ses Behar­ren dar­auf war es wohl, dem so man­che Ideen von Mel Gib­sons The Pas­si­on of the Christ (2003) zugrun­de­la­gen. Nicht nur die berüch­tigt rea­lis­ti­schen Fol­ter- und Kreu­zi­gungs­sze­nen, son­dern vor allem die groß­ar­tig küh­ne Idee, die Schau­spie­ler in den ori­gi­na­len anti­ken Spra­chen Ara­mä­isch und Latein spre­chen zu las­sen (His­to­ri­ker sind jedoch der Ansicht, daß die lin­gua fran­ca im dama­li­gen Judäa Grie­chisch war).

Hin­zu kommt aller­dings auch eine Men­ge effekt­ha­sche­ri­sches Hol­ly­wood­krach­bumm mit­samt eini­gen über­na­tür­li­chen sata­ni­schen Erschei­nun­gen. Sol­len wir anneh­men, daß auch dies sich “so” zuge­tra­gen hat?

Ein Besu­cher mei­nes Vor­trags erwähn­te die seit 2017 lau­fen­de, immens popu­lä­re Serie The Cho­sen, die sich dar­um bemüht, ein stark “mensch­li­ches” Bild von Jesus zu zeich­nen. Sie basiert nur im Grund­ge­rüst auf dem Neu­en Tes­ta­ment und ist im wesent­lich eine stark roman­haft aus­ge­schmück­te, dra­ma­ti­sier­te “Nach­dich­tung”.

Jona­than Rou­mie, der halb syrisch-liba­ne­si­scher, halb iri­scher Her­kunft ist, spielt einen sehr ame­ri­ka­nisch-evan­ge­li­ka­len Chris­tus: Herz­lich, erdig, mas­ku­lin, tat­kräf­tig, gut­ge­launt, gesprä­chig, empha­tisch, gefühl­voll, den Men­schen offen zugewandt.

Schon allein die Art wie Rou­mies Jesus geht, unter­schei­det ihn von unzäh­li­gen ande­ren Film-Jesus­sen (wenn die­ser Plu­ral erlaubt ist). Statt erha­ben zu schrei­ten, hat er einen reso­lu­ten, fes­ten Gang mit ener­gisch schlen­kern­den Armen.  Er ist ein Kum­pel-Jesus, ein Jesus zum Umar­men und Anfas­sen. Die­ser Jesus lacht gern und macht manch­mal Scher­ze. Die heu­ti­ge Zeit will einen Jesus mit Humor haben; für Luis Bunu­el war das 1958 noch Stoff für einen sur­rea­lis­ti­schen, blas­phe­mi­schen Gag.

Das ist gut geschrie­ben und gespielt; es ist aber auch ein Jesus, der nichts Numi­no­ses mehr an sich hat. Er ist ein Mensch, der Wun­der wir­ken kann, auch wenn die Geschich­te so erzählt wird, als wäre er mehr als das. Stellt man sich ernst­haft vor, daß die­se Gestalt gleich­zei­tig Gott ist, wird das Gan­ze rasch ein wenig albern.

Es gibt einen wei­te­ren, radi­kal unter­schied­li­chen Film, der mit der mensch­li­chen Natur von Jesus ernst machen woll­te, einen, der kei­nen all­zu guten Ruf hat, und der wüten­de Pro­tes­te aus­ge­löst hat, als er her­aus­kam: The Last Tempt­a­ti­on of Christ (Die letz­te Ver­su­chung Chris­ti, 1987), insze­niert von Mar­tin Scor­se­se nach einem Dreh­buch von Paul Schr­a­der, das wie­der­um auf dem gleich­na­mi­gen Roman von Nikos Kazant­zakis basiert (der Vor­spann betont, gleich­sam prä­ven­tiv recht­fer­ti­gend, daß die­ser Roman und nicht das NT die Grund­la­ge des Films sei). Wäh­rend The Cho­sen den Glau­ben des Publi­kums för­dern und bekräf­ti­gen möch­te, will Last Tempt­a­ti­on es her­aus­for­dern, zum Nach­den­ken dar­über brin­gen, was es da eigent­lich glaubt.

Der Film empör­te damals Chris­ten sämt­li­cher Kon­fes­sio­nen vor allem auf­grund einer kur­zen Sze­ne, die Jesus beim Lie­bes­spiel mit Maria Mag­da­le­na zeigt. Dabei wur­de der Kon­text völ­lig aus­ge­blen­det: Als Jesus in Ago­nie am Kreuz hängt, erscheint ihm ein Engel in Form eines hüb­schen, blond­ge­lock­ten klei­nen Mäd­chens, das ihn mit­lei­dig anblickt, und ihm in Aus­sicht stellt, anstel­le des Opfer­to­des am Kreuz ein nor­ma­les, bür­ger­li­ches, behag­li­ches Leben als Ehe­mann (meh­re­rer Frau­en, dar­un­ter Maria Mag­da­le­na) zu führen.

Der Engel nimmt Jesus die Dor­nen­kro­ne ab, zieht die Nägel aus sei­nen blu­ten­den Hän­den und Füßen, und zeigt ihm in einer Traum­vi­si­on das glück­li­che, irdi­sche Leben, das er vor sich haben könn­te. Jahr­zehn­te spä­ter, als der Tem­pel von Jeru­sa­lem brennt, liegt er als alter Mann inmit­ten einer kin­der­rei­chen Fami­lie auf dem Ster­be­bett. Plötz­lich ste­hen eini­ge sei­ner Jün­ger vor sei­ner Tür, auch sie inzwi­schen alte Män­ner. Nun kommt einer der geni­als­ten Momen­te des Films: Judas, sein in Wahr­heit treu­es­ter Jün­ger, der Jesus auf sei­ne Bit­te hin ver­ra­ten hat, um des­sen Schick­sal zu erfül­len, tritt ein und brüllt ihn zor­nig an: “Ver­rä­ter!”

Jesus erkennt nun, daß das blond­ge­lock­te klei­ne Mäd­chen in Wahr­heit der Satan ist, der ihn ver­füh­ren und von sei­ner Mis­si­on abbrin­gen will. Aus eige­ner Ent­schei­dung rafft er sich wie­der auf, fleht zu Gott, er möge wie­der auf das Kreuz zurück­zu­keh­ren: “Ich möch­te Erlö­sung brin­gen! Ich möch­te gekreu­zigt wer­den und wie­der auf­er­ste­hen! Ich möch­te der Mes­si­as sein!” Mit einem Schlag ist er wie­der in der unbe­schreib­li­chen grau­sa­men Rea­li­tät von Gol­go­tha. Er hebt lächelnd den Kopf, blickt zum Him­mel und ruft mit letz­ter Kraft: “Es ist voll­bracht!” Dann stirbt er.

Scor­se­se und Schr­a­der hat­ten sich mit die­sem Film auf eine wag­hal­si­ge Grat­wan­de­rung ein­ge­las­sen: die­ser Jesus, mit impo­nie­ren­der Inten­si­tät und Fein­füh­lig­keit gespielt von Wil­lem Dafoe, gleicht einem fana­ti­schen, inner­lich gequäl­ten, manisch-depres­si­ven Psy­cho­ti­ker, der Stim­men hört und von ver­stö­ren­den Visio­nen heim­ge­sucht wird.

Er ist auch ein voll­stän­di­ger Mensch mit sün­di­gen Gedan­ken und fleisch­li­chen Begier­den (die er aller­dings hero­isch bekämpft), der zu Beginn des Films die ver­ach­te­te Tätig­keit eines Kol­la­bo­ra­teurs aus­übt, der für die römi­schen Besat­zer Kreu­ze schnitzt, an denen auf­stän­di­sche Juden zu Tode gemar­tert werden.

Und gleich­zei­tig ist er, so erzäh­len Scor­se­se und Schr­a­der, was er gemäß den Evan­ge­li­en ist, ja sogar, was er zunächst befürch­tet, zu sein: viel­leicht nicht Gott selbst (auch wenn er dies in wahn­sinns­ar­ti­gen Erre­gungs­zu­stän­den ver­kün­det), aber min­des­tens ein von Gott beru­fe­ner Mensch, des­sen Schick­sal der frei­wil­li­ge Opfer­tod für die Erlö­sung der Mensch­heit ist. Ob die­ser Jesus tat­säch­lich von den Toten auf­er­steht, las­sen Scor­se­se (ein abge­fal­le­ner Katho­lik) und Schr­a­der (ein abge­fal­le­ner Cal­vi­nist) offen, nicht aber, daß er tat­säch­li­che Wun­der wir­ken kann.

Die Art, wie das geschieht, ist so in kei­nem ande­ren Film zu sehen. Der Jesus der Fil­me ist in der Regel stets selbst­be­wuß­ter Sou­ve­rän der Lage, wenn er Kran­ke heilt und Teu­fel aus­treibt. Dafoes Jesus ist oft selbst über­rascht, daß sei­ne Hei­lungs­be­feh­le wir­ken. Als Laza­rus auf sei­nen Zuruf tat­säch­lich aus sei­nem Fel­sen­grab tau­melt, scheint er zutiefst erschro­cken dar­über zu sein, daß die­ser Mann, des­sen Kör­per sich bereits im Zustand der Ver­we­sung befun­den hat­te (das Evan­ge­li­um betont den Gestank), nun wirk­lich wie­der lebt.

Man ver­glei­che die unter­schied­li­chen Insze­nie­run­gen die­ser Geschich­te aus dem Johan­nes-Evan­ge­li­um in The Cho­sen und in Last Tempt­a­ti­on of Christ. Rou­mies Jesus, warm­her­zig und gütig, kann vor Rüh­rung kaum die Trä­nen zurück­hal­ten, und ein kur­zer Blick nach oben legt nahe, daß er nicht sich selbst, son­dern sei­nem Vater im Him­mel das Ver­dienst für die­ses Wun­der zuspricht. Dafoes Jesus ist regel­recht ent­setzt. “Adon­ai” flüs­tert er mit schreck­ge­wei­te­ten Augen, als der noch todes­schlaf­trun­ke­ne Laza­rus ihm in die Arme tor­kelt (er wird spä­ter von Zelo­ten unter Anfüh­rung von Sau­lus-Pau­lus ermordet).

Hier ist etwas erschre­ckend Hei­li­ges, Uner­klär­li­ches, Numi­no­ses in die Wirk­lich­keit ein­ge­bro­chen, etwas, das nicht nur dem zuschau­en­den Volk, son­dern auch Jesus selbst ent­hüllt, wer er eigent­lich ist. Wenn Gott in ihm wirkt, dann ist er eine frem­de, furcht­erre­gen­de, geheim­nis­vol­le Macht, die ihn uner­bitt­lich ver­folgt wie der “Hound of Hea­ven” aus dem Gedicht von Fran­cis Thompson.

Der eine Film erzählt ein etwas sen­ti­men­ta­les, erbau­li­ches Mär­chen; der ande­re zeigt, wie das Wun­der unter Furcht und Zit­tern voll­bracht wird, wie es sich “rea­lis­tisch” hät­te ereig­nen kön­nen, wenn sich der­glei­chen jemals ereig­net hat.

Das ist nur eine von vie­len außer­ge­wöhn­li­chen Sze­nen die­ses äußerst kom­ple­xen Films, der zu sei­ner Zeit grob miß­ver­stan­den und ver­kannt wur­de, vor allem von Kon­ser­va­ti­ven (was, und das steht auf einem ande­ren Blatt, aller­dings auch ver­ständ­lich war).

Die Autoren haben sehr ernst­haft dar­über nach­ge­dacht, was es bedeu­ten mag, daß jemand zugleich Mensch und Gott ist, noch dazu ein Gott, der nicht nur lei­det und stirbt wie ein Mensch, son­dern auch so fühlt und begehrt.

Und doch läßt auch die­ser Film den Betrach­ter unbe­frie­digt zurück, denn trotz aller Bra­vu­ra des Schau­spie­lers Dafoe “funk­tio­niert” die Idee nicht, den Psy­cho­ti­ker zugleich ernst­haft als gott­ge­sand­ten Mes­si­as und Erlö­ser darzustellen.

Ich den­ke aber, daß die­ses Pro­blem auch bei weni­ger kon­tro­ver­sen Dar­stel­lun­gen in der Natur der Sache selbst liegt, der nizä­ni­schen Bestim­mung. Wie kann es gelin­gen, dies dar­zu­stel­len, als wäre es wirk­lich pas­siert? Ver­mut­lich nur, wenn man auf Distanz geht, und das Evan­ge­li­um gleich­sam “pro­so­disch” nach­er­zählt, wie es Paso­li­ni in Il van­ge­lo secon­do di Matteo (1964) gemacht hat.

Noch gibt es (mei­nes Wis­sens) kei­nen Film, in dem Jesus nur Mensch (viel­leicht Jesus Christ Super­star?) oder einen, in dem er gemäß der Leh­re man­cher Gnos­ti­ker nur Gott ist. Trotz der unzäh­li­gen Ver­fil­mun­gen, die es inzwi­schen gibt, sind die Mög­lich­kei­ten, die­se Geschich­te zu erzäh­len und zu inter­pre­tie­ren noch lan­ge nicht ausgeschöpft.

Jedes Mal, wenn ich über die­se Din­ge nach­den­ke, lan­de ich bei den Ver­sen von Wil­liam Bla­ke:

The Visi­on of Christ that thou dost see
Is my Vision’s Grea­test Enemy

Thi­ne loves the same world that mine hates
Thy Hea­ven doors are my Hell Gates

Both read the Bible day & night
But thou readst black whe­re I read white

Martin Lichtmesz

Martin Lichtmesz ist freier Publizist und Übersetzer.

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Kommentare (132)

RMH

4. Juni 2025 10:06

"Kann nur ein Gott uns retten?"  Auf jeden Fall ein Buch, welches ich allen, die es noch nicht gelesen haben, sehr empfehlen kann. Der Islam hat mit seinem strikten Bilderverbot den Diskussionen, die im Artikel erörtert werden, auf jeden Fall recht clever von vorneherein den Boden entzogen. Beim Christentum (C) beschäftigten mich nach wie vor folgende Fragen: Das C geht von einem allmächtigen & liebenden Gott aus. Gleichzeitig stellt es einen absolut grausamen Foltermord ins Zentrum seines Glaubens. Auch der liebende & allmächtige Gott bedarf also zur Gewährung der Gnade eines Blut- & Sühneopfers um ein Erlösungswerk zu manifestieren. Warum? Aus "Selbstbindung", da er zuvor Tieropfer von den Juden angenommen hat (oder gar gefodert? Bin nicht so alttestamentarisch bibelfest)? Hat auch der allmächtige Gott "Regeln", ohne die es nicht geht? Gehört ein Blutopfer dazu? Überhaupt, wie kam der Mensch dazu, zu "opfern"? Beim Buch "Homo Necans" von W. Burkert habe ich einige plausible Thesen dazu gefunden (den Titel habe ich übrigens auch hier im Debattenraum einmal aufgeschnappt, danke), allerdings nicht aufs C bezogen.

Karl Otto

4. Juni 2025 10:14

eine "eine ähnliche spirituelle Kraft" wie der Islam sie hat für Europa erscheint mir wenig anstrebenswert.
Ich empfehle sehr dieses Buch: https://www.droemer-knaur.de/buch/burkhard-hofmann-und-gott-schuf-die-angst-9783426451724?srsltid=AfmBOoqPBgSAABdiv2DBDcMz31A5WI_QvHMzg0JrtWYwRVT2q8O1FLEi
Wenn man das gelesen hat, versteht man, warum die muslimischen Gewalttäter so oft "psychisch gestört" und schuldunfähig sind.
Diese spirituelle Kraft ist eher eine Art von Geisteskrankheit.

ML: Man muß ehrlicherweise sagen, dass das Christentum auch sehr viel mit Angst operiert hat.

Diogenes

4. Juni 2025 10:46

1/2
 
Zum Diskurs über Religion und dessen Für und Wider für eine über weite Lebens- und Zeiträume gewachsene Vertrauensgemeinschaft (Volk genannt), muss man auch in dessen Sagen- und Märchenwelt (die Volksmärchen) schauen (Spiritualismus ist etwas anderes als in religiöser Starre befindliche Kirchendogmatik, die zeitgenössisch meint ein abstraktes Weltkirchentum (Thema "Internationale Solidarität" mit "Liebe den Abstractus Mensch") predigen/ausüben zu müssen. Der Gottesmissbrauch/Glaubensmissbrauch um zum "Neuen Menschen" (d.h. Gleichmacherei) zu kommen, wo marxistische Ideologie an seinem Atheismus/Materialismus scheitert.

Diogenes

4. Juni 2025 10:53

2/2
 
In der heutigen Zeit benötigen wir Deutschen weniger Materialismus (alles Sein auf das derzeit mögliche Abwiegen und Abmessen reduzieren und alles darüber verdammen) und mehr spirituelles Bewusstsein/Empfinden im Welterfassen und zwar nicht als Universalantwort auf die Frage nach "Gott/das Göttliche" und dem "Sinn" für "alle" (und damit wieder Dogmengebäude / "Bildnisse" vom Sein erschaffend; Zwingburgen alles Geistige/Gläubige einzumauern). Jeder gute, an die Wurzeln/Grundlagen gehende Wissenschaftler/Naturforscher oder Philosoph/Theosoph, gelangt über kurz oder lang (z.B. über die "Quantenphilosophie" oder persönliche Erkenntnis/Offenbarung) an die Beschränktheit seines im Endlichen wurzelnden und Wirklichkeit filternden Gehirns an das Allbewusstsein der Unendlichkeit der (göttlichen) Überordnung des Universums (jene Kraft die schöpferisch-aufbauend in Mustern/Bewegungen im Kleinsten bis zum Größten tätig ist (Teilchen/Welle und dessen energetischer Hintergrund; wie z.B. unsere Biophotonen in den Körperzellen oder der Natursinn; die Wiederkehr universeller Kräfte/Formen. Interessante Ersteinsichten gibt z.B. V. Schauberger oder A. Beutel (Pythagoras Institut Dresden). Stichworte: "Blume des Lebens" (Körperzellenstrukturbildung/Zellteilung/Formbildung), Muster welches schon in der "Osirion" genannten Ausgrabungsstätte zu finden ist). 
 
Glaube und Infragestellung durch Überwindung geistiger Zwänge/Gefängnisse stehen nicht im Widerspruch sondern in Ergänzung zueinander. 

Laurenz

4. Juni 2025 11:04

@ML ... Fast voraussehbar, daß Sie das Thema von der filmischen Seite angehen, Ihr Steckenpferd oder eines davon. Beim Konzil von Nizäa waren die Arianer, welche Jesus nur als Mensch sahen & wie die Musels an die Einfaltigkeit glaubten, noch in der Mehrheit, was Ihnen aber nichts nutzte. Machtpolitisch hatten die Katholiken Herrn Konstantin, der sich selbst Bischof der Heiden nannte, mehr zu bieten, was sich in der Auswahl der gültigen Evangelien zeigt. Der christliche Fetisch des Todes am Kreuz war ja nichts außergewöhnliches. Durch Varus, unter Augustus Statthalter in der Levante, sind heute noch mehr als 2.000 Kreuzigungen dokumentiert. Varus ließ auch Germanen kreuzigen, als er hier Statthalter wurde. 2 Milliarden Muslime glauben zwar an Jesus, aber nicht an den Tod am Kreuze. Interessant ist, daß Sie den Film "Das Leben des Brian" weggelassen haben, welcher die Szenerie wohl am realistischsten beschreibt.

ML: Stimmt, mit Typen, die lässig am Kreuz hängen und Musical-Nummern singen.

Interessant ist, daß John Cleese sich aktuell weigerte, in der neuen Bühnenversion des Brian die Loretta-Szene wegzulassen. Es ist quasi egal, von welcher politischen Seite man das Thema betrachtet, irgendwer will immer irgendwas canceln.

Maiordomus

4. Juni 2025 11:18

Noch anregend, interessant, zumal wegen der Opfertat in der Kathedrale, eine Art Jan Pallach der Postmoderne. Von Jesus haben andere wohl noch mehr verstanden, etwa Arnold Stadler in seinem Salvatore-Roman, nicht zu vergessen die Russen mit ihrem alten Kreuzzeichen, ihne dessen Verständnis über die osteuropäische Geschichte schwerlich mitzudiskutieren ist. Oder das vertiefende Verständnis der Dreifaltigkeit via Meister Eckhart über die Schule von Kyoto, vgl. das Buch von Shizuteru Ueda über die Gottesgeburt in der Seele, die bis jetzt vielleicht unbefangenste Reflexion über die heilige Dreifaltigkeit, woran das abendländische Jesus-Verständnis steht und fällt. Im deutschen Sprachraum ist es mithin die noch kaum geführte Debatte zwischen dem atheistischen Philosophiehistoriker Kurt Flasch und christlichen Eckhardianer Alois Maria Haas, letzterer zu Beginn dieses Jahres verstorben, seiner wird am 21. Juni in einer Messe im Kloster Engelberg/Schweiz gedacht. Die Perspektive von Lichtmesz bleibt auch insofern bedeutsam, als er filmisch denken bzw. schauen kann. "Jesus Christ Superstar" ist freilich noch sehr an der Oberfläche, die tiefste Filmsprache offenbart sich wohl im "Stalker" von Tarkowski und einigen Filmen zumal über Jeanne d'Arc von Robert Bresson und Theodor Dreyer.  Nicht zu unterschätzen die für mittelalterliche Sichtweisen schon völlig "filmischen" Visionen des Schweizer Eremiten Nikolaus von Flüe, vgl. auch das Visionsleben des Bibelautors Paulus, faktisch dem begründer des Christentums als Weltreligion.     

A. Kovacs

4. Juni 2025 11:37

Danke für diesen Text. Er schliesst die Diskussion auf X in schöner Weise ab. – Blakes Gedicht besteht aus Fragen über Fragen, wodurch die von Ihnen zitierte Schwarz-Weiß-Lektüre verständlich wird; aber es gibt zum Glück (auch jenseits des Dogmas!) Lektüren, die einheitliche Antworten geben.

MarkusMagnus

4. Juni 2025 12:29

Venner kannte ich bis heute nicht. Ich weiß aber noch als sich Reinhold Elstner wegen dieser verlogenen  Wehrmachtsausstellung 1995 selbst verbrannte. Kennt den noch einer hier?
Ansonsten bin ich auch schon immer der Meinung das wir eine eigene Religion brauchen. Politische Führung alleine hat zu wenig Durchschlagskraft, wir brauchen auch eine Geistige. 
@ML Da Sie ja wie ich auch ein grosser Filmfreund sind: Einer meiner Lieblingsfilme (mit sehr wenig Budget) der fast nur in einer Hütte spielt, ist "The Man from Earth". Dort ist Jesus auch "nur" ein Mensch, aber er hat Heilmethoden aus Indien mitgebracht.
Vielleicht kennen sie diesen Film? Kann ich auf jeden Fall empfehlen. Auch dort wird unter Anderem die Geschichte von Jesus erzählt, aber eben ganz anders ist als uns aus den Evangelien bekannt ist.

ML: Kenne ich nicht, danke für den Tip!

Ernestine

4. Juni 2025 13:15

Als praktizierende, sich der Tradition verpflichtete Katholikin kann ich über all diese Gedankenakrobatik nur den Kopf schütteln. Wohin soll diese Diskussion führen?
Wahrer Glaube vollzieht sich nicht im Denken und Diskutieren, sondern allein in der kindlichen, vertrauensvollen Hingabe eines Menschen an den liebenden Gott.

ML: Bei vielen Katholiken habe ich die Erfahrung gemacht, dass ihnen das nicht reicht, und sie auch die Unterwerfung unter ein bestimmtes, alleinseligmachendes Dogma verlangen. Da hört es bei mir auf mit der "Kindlichkeit".

Mir fällt in diesem Zusammenhang immer das Bibelwort "All das hast du den Weisen verborgen, den Unmündigen aber offenbart" (Mat. 11, 25) ein. 
Nur in dieser Haltung wird der Mensch offen für das Wirken des Heiligen Geistes und nur so kann Gott die Welt (durch den Menschen) zum Guten verändern. Nur so macht der Glaube Sinn bzw. entfaltet er Kraft in Kirche und Welt.
Aus diesem Blickwinkel heraus ist das "Opfer" Venners eine eigenmächtige Handlung, die von Gott weder gutgeheißen wird, da Selbstmord, noch eine "erlösende Kraft" hat.
Mit Menschen freilich, deren Glaubensorgan nicht ausgebildet ist, lässt sich nicht über diese Dinge sprechen. Es ist so, wie wenn man mit einem Blinden über die Farben der Natur oder mit einem Tauben über die Schönheit klassischer Musik sprechen würde... 

John Beaufort

4. Juni 2025 13:32

Die dem Artikel zugrundeliegende Frage, ob nur ein Gott uns retten könne, würde ich mit einem Ja beantworten. Und zwar schreibe ich dies nicht aus Religiosität, denn ich bin de facto Atheist (wenn auch kulturell katholisch geprägt). Vielmehr glaube ich, dass alle Zivilisationen in ihrer frühen und reifen Phase von verbindlichen gemeinsamen Werten und Dogmen getragen werden. Und nur Religion kann m. E. die dazu nötige dogmatische Absolutheit liefern. In ihrer späten Phase, kurz vor dem Niedergang, verfallen Zivilisationen hingegen in wertemäßigen und auch religiösen Pluralismus. Nicht umsonst ging Kaiser Augustus Wiederherstellung des römischen Staats mit einer Besinnung auf die "mores", die Sitten der Vorväter, einher. Und nicht umsonst zerfloss das späte, sterbende Weströmische Reich in einer Vielzahl an orientalischen Modekulten. Als sich im Mittelalters aus den Überbleibseln der griechisch-römischen Antike und den eingewanderten Germanen schließlich unsere eigene Zivilisation des "Westens" bildete, übernahm nicht zufällig nur einer dieser Kulte, das Christentum, die absolute Deutungshoheit über den Sinn des Lebens. Wollen wir also weiter bestehen, müssen wir zu irgendeiner allgemein verbindlichen Form von Religiosität zurückfinden. Welche das im 21. Jahrhundert sein könnte, damit bin ich überfragt.

Le Chasseur

4. Juni 2025 14:28

@MarkusMagnus"Ansonsten bin ich auch schon immer der Meinung das wir eine eigene Religion brauchen. Politische Führung alleine hat zu wenig Durchschlagskraft, wir brauchen auch eine Geistige."
Verstehe, Sie wollen sich eine neue Religion ausdenken, die politischen Zwecken dienen soll. Was soll der Ausgangspunkt sein? Dass es nur einen Gott gibt, der nur uns (wer soll übrigens das "wir" sein?) gewogen ist, vorausgesetzt, wir verehren ihn korrekt und ausreichend? Oder dass unser Gott (oder Göttin? oder GöttInnen?) eine/r unter vielen ist, der/die mit anderen Göttern im Wettstreit liegt und für den/die wir gewissermaßen als Fußvolk dienen?

ML: Sehr schön, damit sind wir wieder mitten im Thema meines Buches!

Laurenz

4. Juni 2025 14:39

@ML ... Sie wissen genauso gut, wie ich, daß das Lachen der spirituelle Beweis für Wahrheit ist.

ML: Kommt drauf an, worüber und aus welchen Gründen man lacht.

Davon lebt die ganze Komödie im Kulturbetrieb, schlicht überzogene Realität. Cleese läßt übrigens das Liedchen am Kreuz im anstehenden Bühnenstück weg. In dem Film hier führen die bekannten Delinquenten relativ entspannt Gespräche über das Paradies. https://youtu.be/-Td05XH0TDg In Britannien hat man das Skelett eines Gekreuzigten gefunden. https://youtu.be/VfAy7zrpm-U Mit einem Nagel durch das Fersenbein redet niemand (außer man durchtrennt das Rückenmark), sondern brüllt bis zur Ohnmacht.

ML: Man singt halt auch nicht Musical-Lieder, soviel zu Ihrer Behauptung, dass LOB "die Szenerie realistisch beschreibt".

@Maiordomus ... mit Ihrer Intellektualisierung verlassen Sie das Naive & diejenigen, die nicht in der Lage sind, Ihrer Sicht zu folgen. Als ob das Wissen über Jesus & dem Glauben an ihn einen Rolle spielte. Sie, als Kultur-Mensch, sollten die typische Erzählweise über "Superhelden" besser einordnen können. Auch wenn Karl May in Seinen Büchern keine Toten auferstehen läßt, so zeichnen sich die Helden Mays durch überlegene Bildung, überlegene Waffen & überlegene Kampftechnik aus.

Rheinlaender

4. Juni 2025 14:47

Die Frage nach der Religion ist entscheidend, da kein Volk und keine Kultur ohne religiösen Identitätskern überleben kann. Eine Religion, die primär nach dem Kriterium der politischen Nützlichkeit entworfen oder ausgewählt wird, wäre jedoch höchstwahrscheinlich keine wahre Religion. Auf Unwahrheit lässt sich aber nichts Gutes gründen, wie nicht zuletzt auch das Beispiel Venners zeigt, dessen abwegige religiöse Vorstellungen offenbar dazu führten, dass er Selbstmord begang. Der richtige Weg wäre es, zunächst nach der wahren Religion zu suchen, diese dann anzunehmen und auf dieser Grundlage das eigene Volk und das eigene Gemeinwesen neu zu beleben. 

Franz Bettinger

4. Juni 2025 14:54

@Beaufort: Cornelius Castoriadis sagt, eine menschliche Gesellschaft (im Unterschied zu einer tierischen) komme nicht ohne Institution einer symbolischen (historisch-sozialen) Welt aus (S.73, 'Tiere & Menschen‘, Alain de Benoit). Jede der Menschen- Gruppen habe ein System (Religion, Idee...) der Welt-Interpretation, aus denen Werte, Dogmen und Tabus resultierten. Die Menschen hätten ein Problem mit ihrer Endlichkeit. (Tiere nicht. Auch einen Sinn für Ästhetik hätten Tiere nicht…)  @RMH fragt: „Wie kam der Mensch auf die Idee zu „opfern"?“ Mögliche Antwort: Nicht der Mensch, sondern der Schamane kam auf diese Idee. Nach dem Opfer (eines Lamms etc.) führte der fromme Mann die Steaks einem guten Zweck zu und fraß sie selber auf. Wozu in kargen Zeiten Nahrung verschwenden! - Cetero censeo: Wäre er nicht so hanebüchen brutal, dumm & realitätsfremd, hätte der Wokismus zur neuen Religion werden können. Aber so wenig wie man Wehrtüchtigkeit herstellen kann, kann man Religiosität oder einen Gott herstellen. Einmal verloren,  immer verloren! 

Le Chasseur

4. Juni 2025 14:54

Dem unbekannten Gott
von Friedrich Nietzsche

Noch einmal, eh ich weiterziehe
Und meine Blicke vorwärts sende,
Heb' ich vereinsamt meine Hände
Zu dir empor, zu dem ich fliehe,

Dem ich in tiefster Herzenstiefe
Altäre feierlich geweiht,
Daß allezeit
Mich deine Stimme wieder riefe.

Darauf erglüht tiefeingeschrieben
Das Wort: DEM UNBEKANNTEN GOTTE.
Sein bin ich, ob ich in der Frevler Rotte
Auch bis zur Stunde bin geblieben:

Sein bin ich - und ich fühl' die Schlingen,
Die mich im Kampf darniederziehn
Und, mag ich fliehn,
Mich doch zu seinem Dienste zwingen.

Ich will dich kennen, Unbekannter,
Du tief in meine Seele Greifender,
Mein Leben wie ein Sturm Durchschweifender,
Du Unfaßbarer, mir Verwandter!

Ich will dich kennen, selbst dir dienen.

Majestyk

4. Juni 2025 14:57

Bei all den Leuten, die irgendwas glauben und anderen ihre Sittenlehre aufzwingen wollen, wäre ich dafür, es mal ganz ohne Religion/ Ideologie zu versuchen. Letzten Endes ist Religion auch nur ein Geschäftsmodell und der Versuch, mit einem imaginären Gott übers Seelenheil zu verhandeln. 

dojon86

4. Juni 2025 15:05

@John Beaufort Ich habe Filme über Jesus immer gemieden, da ich den Kitsch immer fürchtete. Die Besprechung ML's " The last temptation of Christ " hat mich aber gepackt. Ich werde mir den Film anschauen. Ich sehe Gott höchstens als eine wenig wahrscheinliche Möglichkeit. Trotzdem bin ich Katholik, meine Gründe hierfür würden den Rahmen sprengen. Bezüglich ihrer These der Notwendigkeit der Religion zur Beharrung einer Zivilisation gebe ich ihnen uneingeschränkt recht. Die Geschichte ist voller Beispiele, wie Minoritäten untergingen, wogegen andere Minoritäten überlebten. (Juden, Iren, Polen in der europäischen Geschichte, die beiden letzteren dadurch, dass ihre Konfession nicht die des Staates war)

Laurenz

4. Juni 2025 15:10

@Ernestine ... ML hat es auf den Punkt gebracht. Selbst die Katholische Kirche hatte diesen Kasus Knaxus erkannt & mit herben Methoden versucht, das seinerzeit eingerissene Mode-Martyrium einzudämmen. In der Kirchengeschichte gäbe es ohne Dogmen keine Ketzer. @John Beaufort ... Und nur Religion kann m. E. die dazu nötige dogmatische Absolutheit liefern. ... Das probiert man ja auch mit dem absolutistischen Klima- & Gendergott, hier direkt von Poschardt zerlegt.  https://youtu.be/YakxxA_bnNA Der entscheidende Punkt ist der Glaube. Ab Theodosius bis zur Aufklärung zwang man den Bürger/Untertanen so zu tun, als würde er glauben, sonst Scheiterhaufen oder sonstige kreative Maßnahmen. Weil das so nicht mehr möglich ist, scheitert ja mittlerweile auch bei uns die Mission. Das, was Sie erreichen wollen, kann daher zwar nur mit abstrakter Liebe, aber eben doch mit existenter Liebe gefüllt werden, die tatsächlich, also de facto existiert, für jeden greifbar ist. Neben ein paar vernachlässigbaren Heidnischen Aspekten, ist daher mein einziger Glaube der Glaube an das Deutsche Vaterland & seine Große Armee.

Majestyk

4. Juni 2025 15:19

@ Le Chasseur:
"Verstehe, Sie wollen sich eine neue Religion ausdenken, die politischen Zwecken dienen soll."
Gibt es auch Religionen die keinen politischen Zwecken dienen? Ich dachte immer dies sei der Sinn von Religionen. Über den Glauben weltliche Herrschaft festigen und Glaubenslehrer auf Kosten anderen privilegieren. 
Kann man natürlich auch netter formulieren so wie Edgar Allen Poe:
"Die ganze Religion, mein Freund, hat sich schlicht und einfach aus dem Betrug, der Angst, dem Vorteil, der Phantasie und aus der Poesie entwickelt."
Aber im Grunde geht es bei Religion doch darum Menschen bezüglich ihres Seelenheils aufs Jenseits zu vertrösten und davon abzuhalten im hier und jetzt ihren gerechten Anteil einzufordern. Man soll mit kärglichem Leben zufrieden sein, damit man jene nicht nervt, die das Leben auf Kosten anderer in vollen Zügen genießen. Ich kenne keine Religion/ Ideologie die nicht dazu dient Ungerechtigkeit zu zementieren. 
Was es wirklich mal brauchen würde wäre eine Streitschrift wider der Moral. 

Laurenz

4. Juni 2025 15:25

@ML @L. ... Man singt halt auch nicht Musical-Lieder, soviel zu Ihrer Behauptung, dass LOB "die Szenerie realistisch beschreibt. ... Das will ich doch gar nicht in Abrede stellen. Das Singen des Kreuz-Liedes ist doch rein der humoresken künstlerischen Freiheit geschuldet & der erfolgreichste Teil des Films, daran kommen auch Sie nicht vorbei. Es hat eher was von der Stimmung der holden Weiblichkeit bei der Steinigungsszene zu tun, die zwar überzogen, doch sehr real wirkt, in der Deutschen Synchronisation besser als im Original, bis zum heutigen Tage die politische Szenerie exponential beschreibt. 

Majestyk

4. Juni 2025 15:38

@ Rheinländer:
"Die Frage nach der Religion ist entscheidend, da kein Volk und keine Kultur ohne religiösen Identitätskern überleben kann."
Darauf antworte ich mit Christopher Hitchens:
„Was ohne Nachweis behauptet werden kann, kann auch ohne Nachweis verworfen werden.“ 
Es wäre ja noch zu klären, ob nicht Religionen für Hybris oder Schwäche eines Volkes verantwortlich sind und so Zivilisationen scheitern lassen. Ich bin in antiker Geschichte nicht wirklich bewandert und vielleicht ist es ja Zufall, aber ich finde es bemerkenswert, daß der Untergang Roms zur gleichen Zeit erfolgte als sich das Christentum ausbreitete. Ersetzte nicht der Glaube an den christlichen Gott jenen an die eigene Stärke und untergrub die Fähigkeit andere durch Gewalt zu unterdrücken?
Bezüglich Religion bin ich mittlerweile bei Laurenz. Der Glaube an einen Gott der predigt, das alle Menschen gleich seien und man die andere Wange hinhalten soll wird weder Deutschland noch Europa vor dem Untergang bewahren, nein hier liegt womöglich sogar die Ursache des Dilemmas. Wer Europa retten will muß auf Humanismus und christliche Ethik pfeifen können.

RMH

4. Juni 2025 16:20

"opfern"?“ Mögliche Antwort: Nicht der Mensch, sondern der Schamane kam auf diese Idee. Nach dem Opfer (eines Lamms etc.) führte der fromme Mann die Steaks einem guten Zweck zu und fraß sie selber auf."
@F.B., nach Burkert (Antikenexperte), fraß sie nicht der Schamane allein auf, sondern die versammelte Gemeinde. In der Regel (ergo: gibt auch Ausnahmen) wurden nur wenige Teile vollständig verbrannt, das Zusammensitzen & gemeinsame Verspeisen des Opfers war normaler Bestandteil des Kultes. Burkert verwendet auch den vom schweizer K. Meuli aufgebrachten Begriff der "Unschuldskomödie". Insgesamt lohnt die Beschäftigung mit dem Thema, insbesondere die These Burkerts (wohl auch auf Meuli aufbauend), dass der Mensch in der Phase der nicht-seßhaften Jägerkultur bereits das Töten eines Tiers als Eingriff (in die Natur) sieht, welches er wieder durch Zusammensetzen der Knochen Tieres, der Aufrichtung des Hauptes & durch Verbrennen von Teilen als "Opfer" wieder "heilen" will (heilig = heil machen). Das hat für mich sehr moderne Züge, wo der Mensch sich bekanntermaßen auch in erster Linie als Belastung für den Planeten sieht, was er durch Opfer, Regeln & Tabus (Co2 Abgaben, Flugscham, Verbrennerverbot etc.) wieder "heil" machen will (evtl. überspanne ich den Bogen, dieser Transfer findet beim Antikenwissenschaftler Burkert natürlich nicht statt).

Diogenes

4. Juni 2025 16:29

@Rheinlaender: Ja. Volksglaube wird nicht am Reißbrett entworfen, genauso wenig wie Menschenvölker/Menschenrassen an sich nach Menschenplan entstehen: Sie wachsen aus sich selbst heraus über Äonen und haben darin Stamm, Wurzel und Halt in der Welt, während materialistische Gesellschaftssysteme ohne Volkstum an ihrer inneren Splitterung über früh oder lang scheitern. Erfolg wird nicht im Kapital gemessen sondern am Schöpfertum: Das was die Jahrtausende überdauert und vom Sein kündet. 

Monika

4. Juni 2025 17:45

"Nur noch ein Gott kann uns retten". Dieser Satz stammt von Heidegger und aus einem Gespräch, das der Philosoph 1966 mit dem Spiegel ( Rudolf Augstein) geführt hat und das auf strikten Wunsch Heideggers erst nach dessen Tod 1976 veröffentlicht wurde. Es geht dort u.a.um sein Verhalten im Nationalsozialismus. Der Mensch brauche in diesen Zeiten Heimat u. Verwurzelung , die "Philosophie wird keine Veränderung des Weltzustandes bewirken...Nur noch ein Gott kann uns retten." Die Frage ist, welchen Gott Heidegger meint, da er sich vom traditionellen Christentum abgewandt hatte und der "faktischen Wirklichkeit " zu. "Kann nur ein Gott uns retten" und wenn ja, welcher ? Dieser Frage wird auch auf Twitter bei Herrn Lichtmesz nachgespürt. Die Frage lautet, welchen Gott die Neurechten meinen ? Heidegger meinte, wir können Gott nicht herbeidenken, sondern wir vermögen höchstens, "die Bereitschaft zu der  Erwartung wecken." 
https://www.bublitz.org/wp-content/uploads/2018/03/Heidegger-Spiegel-31-05-1976.pdf

Ernestine

4. Juni 2025 18:05

Herr Lichtmesz, eine kurze Erwiderung zu Ihrer Anmerkung zu meinem Kommentar: Offensichtlich haben wir uns nicht richtig verstanden! "Den Glauben wie ein Kind anzunehmen", heißt für mich nicht, nichts über den Glauben und seine Dogmen zu wissen. Meine Ausführungen richteten sich vielmehr gegen Menschen, die meinen, Sie könnten allein durch ihr Denken Gott erkennen und erfahren. Dies ist meiner Erfahrung nach nicht der Fall. Das ist alles, was ich gesagt habe.  

ML: Ich bin mir nicht sicher, ob das stimmt. Es kommt wohl darauf an, auf welche Weise man denkt, und welchen Aspekt von Gott man erfahren möchte. Auch die Mystiker sind Philosophen.

Waldgaenger aus Schwaben

4. Juni 2025 20:13

Warum hat Gott die Menschheit nicht einfach so erlöst? Ohne den Tod am Kreuz. Ein allmächtiger, gütiger Gott sollte das doch können? Solche und ähnliche Fragen kommen auf, wenn der Tod am Kreuz und die Auferstehung als getrennte Ereignisse betrachtet werden. Man nehme in Gedanken eines von beiden weg. Ohne den Tod am Kreuz: Jesus wäre an Altersschwäche gestorben oder hätte sich gegen die Festnahme gewehrt und wäre von den Römern im Kampf mit dem Schwert getötet werden. Ein paar Tage nach seinem Tod wäre er quicklebendig seinen Jüngern erschienen und dann Richtung Himmel entschwunden. Nichts wirklich Weltbewegendes.
Oder ohne leibliche Auferstehung. Gott-Vater als penibler Buchhalter, der das Sündenkonto ausgleicht und die Menschen (vergebens) auffordert in Zukunft bitte nicht mehr zu sündigen. Sie hätten so gesehen, wie welche Folgen ihre Sündhaftigkeit habe. Nichts wirklich Weltbewegendes.
Tod am Kreuz und leibliche Auferstehung gehören untrennbar zusammen. Sie und die Hoffnung auf die Wiederkehr Christi bilden das Mysterium des Glaubens. Schon in den ältesten Glaubensbekenntnissen werden sie zusammen genannt. (z.B. im Altrömischen Glaubensbekenntnis ca 125 n.Chr.)
 Ich habe die genannten Filme nicht gesehen, es scheint mir aber so, also würden sie den Tod am Kreuz in den Mittelpunkt stellen und die Auferstehung allenfalls als im Grunde entbehrliches happy end präsentieren.

Sandstein

4. Juni 2025 20:20

Meine zwei Cents in die Runde:
..erinnere mich an mein Studium, HU Berlin, Seminar im Modul theoretische Philosophie, da haben wir Kants Religionsphilosophie behandelt. Er konnte neben den drei bekannten Gottesbeweisen (die er widerlegt hat) keinen vierten führen, kam aber dennoch zu dem Schluss, dass es einen Gott geben müsse (der Moral und Verantwortung wegen). Ganz ähnlich wie Goethe ("wer nicht von dreitausend Jahren weiß sich Rechenschaft zu geben") also aus einer sehr klaren und mMn richtigen Beobachtung abgeleitet: es braucht einen Gott, weil die Existenz des Menschen sonst nicht nur amoralisch und falsch sondern sinnlos wäre. Und was wir in Deutschland beobachten dürfen hat ganz sicher auch mit der mittlerweile umfassenden Gottlosigkeit hierzulande zu tun. Bin btw gläubiger Christ aber schon vor Jahren aus der völlig albernen Kirche ausgetreten. Ansonsten bleibt zu sagen was @Diogenes beschreibt. Selbst die klügsten Physiker und Mathematiker landen am Ende bei Gott, es muss ihn irgendwo geben, zwischen all den Sternen und Berechnungen. Dafoe ist ein großartiger Schauspieler, wundere mich fast dass der Film "The Boondock Saints" (einer meiner Lieblingsfilme) hier von ML nicht wenigstens am Rande erwähnt wird ;)

ML: Sorry, ich liebe Willem Dafoe generell, aber ich hasse die "Boondock Saints"! ;)

Auf Sehrohrtiefe

4. Juni 2025 20:48

Interessant, wie wenig über Venner diskutiert wird, und wenn, dann (überaus?) kritisch. Das paßt leider in das Bild, das ich am 21. Mai in Notre Dame gewann, am 12. Todestag Venners. Ich hatte zufällig in Paris zu tun und ließ es mir nicht nehmen, um 16.00 h vor Ort zu sein, zur Stunde der Tat. Ich hatte zumindest ein Minimum an Aktion erwartet, egal ob draußen oder drinnen, aber nichts war zu bemerken, und selbst der Ordnungsdienst war wie an anderen Tagen auch zwar zahlreich vertreten, doch sehr lässig und unaufmerksam. Da ich ein paar Tage zum Planen hatte, habe ich mir dann in Notre Dame eine kleine Aktion erlaubt, die stilsicher eine Hommage für Venner mit einer Thematisierung von Remigration verband. Immerhin ein paar hundert Touristen bildeten eine willkommene Zielgruppe, und zumindest einige werden ans Nachdenken gekommen sein. Jeder einzelne zählt.

ML: Was haben Sie getan, wenn ich fragen darf?

Für mich bleibt Venner ein Vorbild, ein Held, ein Wegweiser. Kirchen sind für Persönlichkeiten für ihn gemacht, nicht für Sesselfurzer, die nur verwalten.

Rheinlaender

4. Juni 2025 20:49

@Majestyk
"Was ohne Nachweis behauptet werden kann, kann auch ohne Nachweis verworfen werden."
Der Zusammenhang zwischen Religion, Kultur und der Existenz von Gemeinwesen ist kulturwissenschaftlich sehr gut belegt. Religion geht der Kultur voran, und diese wiederum der Polis. Im Kern jeder höheren Kultur befindet sich eine Religion, und wo der Glaube an diese erlischt, stirbt nach einiger Zeit auch das, was auf ihr beruht. Rom ging wahrscheinlich auch deshalb unter, weil am Ende offenbar niemand mehr an die Religion glaubte, aus der es hervorging. Kaiser Julian, der den oben beschriebenen Zusammenhang erkannt hatte und noch einmal versuchte, die alte Religion wiederzubeleben, scheint selbst nicht geglaubt zu haben, dass diese wahr ist, sondern nur, dass Rom ohne sie nicht überleben kann. Das Christentum schuf dann seine eigene Zivilisation, in die es die mit ihm kompatiblen Teilen des römischen Erbes integrierte. Übrigens steht das Christentum auch im Zentrum der Ethnogenese des deutschen Volkes im Mittelalter. 

Gracchus

4. Juni 2025 21:18

Mich hat bisher der Pasolini-Film am meisten überzeugt, wobei ich nicht alle erwähnten Filme, insbesondere nicht Letzte Versuchung und auch nicht Chosen gesehen habe. Ich habe noch Rossellinis Messias im Angebot. Die Psychologisierung der Jesus-Figur - so klingt Chosen - ist wohl zum Scheitern verurteilt. Aber das gehört mit zum göttlichen Spiel. Jesus ist eine Art göttlicher Köder für unsere Projektionen, Wünsche und Sehnsüchte; wenn diese auch kleingeistig oder falsch sein mögen - man möchte Gott an das Kreuz des eigenen Willens und der eigenen Vorstellung heften, man will ihn festnageln, zu einem Gegenstand machen, er hat dies und das zu sein -, entsteht dadurch doch zugleich ein echter Kontakt zu Gott.  

Ingelore

4. Juni 2025 21:32

Mir tut einfach nur das Herz weh , wenn ich diese Diskussion verfolge , den Kopf schütteln kann ich nicht mehr .Man muß doch erkennen können , dass "Mensch"nicht alles kann , z.B. Jesus Christus oder das Numinose filmisch darstellen , man kann sich dem nicht einmal annähern ,sowie auch das Heilige oder die vollkommene Reinheit und Hingabe  nicht im Film  dargestellt werden kann. Das will aber keiner wahr haben. Eventuell gelingt die Vermittlung einer Ahnung dessen noch in der Ikonenmalerei , aber um das erfassen zu können , braucht es ein gläubiges Auge.  An den Film "The last temptation ",( ich muß zu meiner Schande gestehen , dass ich ihn gesehen habe) blieb mir nur Eines in Erinnerung , nämlich , dass katholische Ordensschwestern vor dem Kino protestiert haben , das war die Sensation! Ich war damals eine moderne , aufgeschlossene junge Frau , weit entfernt von der Kirche , aber suchend. Diese Szene hat bei mir einen bleibenden Eindruck hinterlassen , weil ich mich gefragt habe , welche Gefühle hier verletzt worden sind , welche Grenzen überschritten wurden. Heute kann ich das verstehen und ich denke mit Schaudern an diesen Film. Ich stimme @ Rheinländer zu , eine Religion kann man sich nicht schaffen , die wahre Religion muß gefunden werden , aber selbst das ist Gnade. Jedoch : "bittet so wird Euch gegeben , suchet , so werdet Ihr finden"Mth.7 ,7-11   Das ist eine Verheißung. 

ML: Ja, der Film hat die religiösen Gefühle vieler verletzt. Aber das war nicht die Intention seiner Autoren. Im Gegensatz zu den Autoren von "Leben des Brian", auch wenn sie das immer wieder verneint haben.

Gracchus

4. Juni 2025 21:36

An seiner Himmelfahrt, das die Christen unter uns gerade gefeiert haben, hat sich der Auferstandene der Sichtbarkeit entzogen. Jetzt ist alles vorbereitet für den von ihm angekündigten Heiligen Geist. Sowie ich Jesus verstehe, ist sein Himmelfahrt notwendig, damit der Heilige Geist kommen und seine Gaben ausgiessen kann. Im und durch den Heiligen Geist bleibt Christus präsent. Das bedeutet doch womöglich, dass wir uns nicht an dem historischen Jesus abarbeiten und sklavisch an ihm festhalten müssen, um den auferstandenen Christus zu finden. Auch Paulus spricht ja von dem Christus in mir. 

Gracchus

4. Juni 2025 21:58

Der christliche Glaube ist Offenbarung und lässt sich daher nicht in Philosophie auflösen. Aber ich bin sehr glücklich über die Verbindung von Judentum und antiker Philosophie, die gewissermaßen ein zweites Altes Testament bildet. Es ist gerade, dass beides in Spannung zueinander steht. Vorzüglich hat Kaltenbrunner diese Verbindung anhand des legendären Aeropagiten dargestellt. Dabei kommt auch das Schöne zu seinem Recht. Das fehlt mir bei Protestanten und Evangelikalen. 

RMH

4. Juni 2025 22:06

"Ein allmächtiger, gütiger Gott sollte das doch können? Solche und ähnliche Fragen kommen auf, wenn der Tod am Kreuz und die Auferstehung als getrennte Ereignisse betrachtet werden." Der Gedanke kommt selbstredend auch, wenn man beides zusammendenkt. Da kann man Erklärungsversuche machen, wie man will. Im Ergebnis ist es komplett irrational, diesen blutigen Foltertod aufzuführen, eine Entrückung ins Himmelreich geht auch ohne & kann ebenfalls zur erfolgreichen Religion führen (siehe Islam). Am Punkt des Opferrituals setzt das Irrationale des Glaubens an. Evtl. ist es genau der Punkt: Glaube kann nur solange Glaube sein, solange nichts bewiesen ist, daher müssen zur Bewahrung des Glaubens alle Gottesbeweise scheitern. Gott schuf uns nach seinem Bilde, also auch mit der Vernunft. Es ist daher komplett legitim, wenn der Mensch fragt, denkt, hinterfragt, es ist Teil der göttlichen Schöpfung. Wer Diskussionen, ringen mit Verstandesargumenten etc, mit dem Hinweis auf "Kindlichkeit" als Glaubensvoraussetzung für sinnlos erklärt, der verkürzt eben den Menschen auf einen sehr kleinen Teiles seiner natürl., gottgebenen Entwicklung. Und schon Kinder sind eigentlich größere Frager als Gläubige, größere Grenzausloter, als demütig Folgsame (dürfte die meisten Eltern bestätigen). Insofern: Bin gespannt auf weitere Beiträge.

Gracchus

4. Juni 2025 22:12

@Majestyk: Ihre "Schrift wider die Moral" hat doch schon Nietzsche geschrieben. Ansonsten erscheint mir der Zusammenhang zwischen der Abkehr vom Christentum und dem europäischen Niedergang evident. 
Das abendländische oder europäische Freiheitsempfinden und -streben kommt aus dem Christentum, sonst nirgendwoher. Es ist kein Zufall, dass die derzeitigen Eliten das Christentum bekämpfen (einerseits durch Überbietenwollen, andererseits durch Verächtlichmachung). 
Abgesehen davon widersprechen Sie sich. Einerseits beschweren Sie sich, dass Christentum predige Gleichheit, dann behaupten Sie, es diene nur dazu, dass Ungleichheit zu zementieren. 

Le Chasseur

4. Juni 2025 22:14

@Waldgänger aus Schwaben 
" Ich habe die genannten Filme nicht gesehen, es scheint mir aber so, also würden sie den Tod am Kreuz in den Mittelpunkt stellen."
Macht die Kirche ja auch so. Sie stellt ja oft sogar das Kreuz an sich, ohne den Gekreuzigten, in den Mittelpunkt.

Majestyk

4. Juni 2025 22:23

@ Rheinländer:
Geht an dem vorbei was ich geschrieben habe. Rom wurde ganz sicher nicht dominant wegen dessen Religion. Auch die Kultur der alten Griechen definiert sich doch nicht allein durch deren Religion. Die Verhältnisse im Mittelalter lassen sich auch kaum aufs heute übertragen, damals konnten die meisten nicht mal lesen und schreiben. Woher rühren denn bitte all die Probleme und Mißstände, wenn denn doch die Religion die Lösung für so ziemlich alles sein soll? Würde Religion für sich allein genommen kulturelle Höchstleistungen garantieren, darf man ja gespannt sein, was Afghanistan oder Syrien demnächst so zu bieten haben. Das Zeitalter europäischer Dominanz begann doch auch erst nach Überwindung der Religion als tonangebender Instanz. Der Blick nach gestern kann aber auch unmöglich alle Probleme von morgen lösen. Wenn das Christentum für sich genommen derart überlegen sein soll wüßte ich gerne warum sich der Islam ums Mare Nostrum ausgebreitet hat und sich sogar auf ureigenem europäischen Boden findet, warum Byzanz nicht mehr Konstantinopel heißt, es aber keine christliche Enklave im arabischen Raum gibt. Wenn das Christentum an Boden verloren hat könnte es ja auch daran liegen, daß die Menschen oftmals keine Antworten mehr darin gefunden haben.

Le Chasseur

4. Juni 2025 22:28

Die beste filmische Jesus-Darstellung: https://www.youtube.com/watch?v=cDoyywKt1_0

Olmo

4. Juni 2025 22:35

The Chosen finde ich unerträglich. Den zeigen sie bei uns den Kindern im Katechismus. Nichts gegen Jesus als Kumpel—Wer hielte ohne Freund im Himmel/Wer hielte da auf Erden aus? — doch die Schauspieler und ihre Schauspielerei sind einfach furchtbar schlecht, und eigentlich stimme ich @Ingelore zu, auch wenn ich prinzipiell nichts gegen Jesusverfilmungen habe, Mel Gibsons hat mir zum Beispiel gefallen.

FraAimerich

4. Juni 2025 22:41

@Gracchus: "Jesus ist eine Art göttlicher Köder..."
 
"Hunc ergo (Leviathan) Pater omnipotens hamo cepit, quia ad mortem illius unigenitum Filium incarnatum misit, in quo et caro passibilis videri posset, et divinitas impassibilis videri non posset. Cumque in eo serpens iste per manus persequentium escam corporis momordit, divinitatis illum aculeus perforavit."
Vgl. die Abbildung des Hortus Deliciarum
 

FraAimerich

4. Juni 2025 22:52

@Gracchus: "Das bedeutet doch womöglich, dass wir uns nicht an dem historischen Jesus abarbeiten und sklavisch an ihm festhalten müssen"
 
Das "Abarbeiten" am "historischen Jesus" führt - konsequent betrieben - in der Tat sogar ziemlich unvermeidlich zum Verlust der individuellen Glaubens-, Gelöbnis- und Ritualfähigkeit, die wir als Volk ohnehin schon verloren haben.
 

ofeliaa

4. Juni 2025 22:57

Wäre Jesus kein Mensch im ganz klassischen und limitierten Sinne gewesen, so hätte die ganze Menschwerdung keinen Sinn gehabt. Sogar die Erfahrung sich im Geiste von Gott getrennt zu fühlen, hat er gemacht. "Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?" Von der kleinsten menschlichen Erfahrung bis hin zum schlimmsten aller Zustände - Gott verloren zu haben, ohne Gott zu sein, mutterseelenallein sich zu finden - er erfuhr alles. Die menschliche Erfahrung gipfelte in Verzweiflung und Ermordung. Es ist das grösste Opfer, das Gott bringen konnte, er hat es für uns gegeben und es hat eine neue Zeit eingeleitet, ein neues Bündnis zwischen Gott und den Menschen. Ein Versprechen, die Vergebung der Sünden, ein ewiger Advokat, der immer nur für uns und immer nur für uns und niemals gegen uns, vor dem Herrn steht.

Olmo

4. Juni 2025 23:17

@RMH "Überhaupt, wie kam der Mensch dazu, zu "opfern"?"
Ich könnte mir vorstellen, daß der Mensch aus der Erfahrung mit Tieren dazu kam. Er lernte, Tiere mit Opfern/Gaben zu zähmen, und übertrug diese Erfahrung auf Naturkräfte/Geistwesen? -Ich habe schon leicht einen im Tee, aber doch, das scheint mir naheliegend. 
 

Ingelore

5. Juni 2025 00:03

Das Judentum und  das Denken der antiken Philosophie ist auch an menschlichen Grenzen gestoßen sowie auch an die Grenzen menschlicher Gerechtigkeit und es ist Gewiss kein Zufall , das Gott genau diesen Zeitpunkt gewählt hat , sich durch seinen Sohn Jesus Christus zu offenbaren. Er hat damit  nicht nur das Wesen seiner göttlichen Liebe offenbart , sondern auch die Sünde und Erlösungsbedürftigkeit der Menschen und das Alte Testament  sichtbar gemacht und vervollständigt denn die Prophezeiungen haben sich in Ihm erfüllt. Dieses Liebesereignis übernatürlicher Art hat auch die Würden-Hierarchie der damaligen Zeit umgekehrt . Darum haben Ihn ja auch viele nicht erkannt oder nicht erkennen wollen . Zustimmung @gracchus , Er hat nach dem Tod und der Auferstehung einen Beistand , nämlich den Heiligen Geist gesand ,sehr gut erkennbar in den Briefen von Paulus .Wir sind es als zeitliche Wesen gewöhnt ,  chronologisch zu denken , der Heilige Geist denkt nicht chronologisch , sondern überzeitlich und da ist auch die Freude zu finden .Vielleicht erschließt sich ganz plötzlich der  wahren Sinn unseres Daseins . Bis dahin bleibt uns im Zeitlichen sowohl Erkenntnis als auch immerhin die Hoffnung und das ist schon viel , wenn man bedenkt , wie sich ein Leben ohne diese gestalten würde.

Adler und Drache

5. Juni 2025 00:16

Ich verstehe die Tat Dominique Venners nicht. Es ist für mich nichts Aufweckendes daran, nicht mal Aufwühlendes. Wenn ich raten müsste, würde ich wohl auf eine psychische Krankheit tippen. 
Was soll das überhaupt heißen, Europa habe keine "identitäre Religion"? Das Christentum ist selbstverständlich Europas identitäre Religion, es hat keine andere (keltische Brunnen und Questenwanderungen, alles schön und gut, aber bitte mal die Relationen beachten!).

ML: Der Großteil des Christentums ist heute auf die außereuropäische "Dritte Welt" verteilt. Man kann das Christentum also schwerlich als "identitäre" Religion bezeichnen, geschweige denn als "identitäre Religion Europas".

Auch inwieweit der Akt dieses Suizids ein "Opfer" für irgendetwas darstellen könnte, erschließt sich mir nicht. Was hat er sich da zusammengereimt?
Ich halte es nicht für verwunderlich, dass diese Tat kein Echo außerhalb einer bestimmten Echokammer hinterlassen hat. Ein weiterer geplagter und gequälter, sehr wahrscheinlich verwirrter Geist; einer unter vielen und immer mehr werdenden, die dringend der Seelsorge oder zumindest brüderlicher Zuwendung bedürften.     
 

Adler und Drache

5. Juni 2025 00:22

@ Martin Lichtmesz
"eine Tatsache, die sich Exegeten über Jahrhunderte hinweg zurechtbiegen mußten"
Hm, warum so despektierlich?

ML: Weil die Exegeten diese Tatsache eineinhalb Jahrtausende lang, bis in 20. Jahrhundert hinein, verleugnet und häufig jene brutal verfolgt oder zum Schweigen gebracht haben, denen sie aufgefallen ist.

Exegeten versuchen, Befunde zu erklären. Dass es in diesem großen Chor zur einen oder anderen seltsam anmutenden Theorie gekommen ist, ist nicht verwunderlich. Aber dass sie sich etwas "über Jahrhunderte zurechtbiegen mußten", ist doch ziemlich übertrieben.

ML: Ich hab's noch milde ausgedrückt.

@ alle anderen
Warum immer diese - mir automatisch erscheinenden - Aversionen gegen Dogmen? Dogmen zeigen Grenzen und Identität auf. Sie sagen, woran man ist und woran nicht. Sie schaffen Verlässlichkeit für den Glauben. Ist das nicht ein bisschen zu wohlfeiles Heulen mit der Meute?

ML: Das sehe ich nich so rosig. Dogmen haben oft rein kirchenpolitische Hintergründe und beruhen auf Betrug und Selbstverstümmelung der Vernunft. Wegen Dogmen hat sich die Christenheit mehrfach buchstäblich zerfleischt. Die Aversionen kommen nicht unverdient.

RMH

5. Juni 2025 07:53

"Rom wurde ganz sicher nicht dominant wegen dessen Religion. Auch die Kultur der alten Griechen definiert sich doch nicht allein durch deren Religion." @Majestyk, nicht wegen, aber gerade MIT der Rel. In der Betrachtung antiker bis mittelalt. Kulturen kann Religion nicht abstrakt als etwas von der Gesellschaft isoliert analysierbares betrachtet werden. Religion & kultische Handlungen waren integraler Bestandteil, also notwendiger Teil dieser Geselschaften. Dieses Verständnis vermittelt insbesondere der in den 80er/ 90er Jahren fast zum "Popstar" der n. Rechten gewordene J. Evola, seinen integralen Vorstellungen liegen maßgeblich Antike & Mittelalter zu Grunde (er bezeichnet diese als "traditinonal"). Wichtig bei Evola: Er erkannte, dass sich das Rad nicht zurückdrehen lässt. Aus einer anderen Richtung kommend, hat E. Voegelin ebenfalls unter der Grundannahme, dass Religion früher integraler, durchdringender Bestandteil aller Kulturen war, seine These von den polit. Rel. ausgearbeitet. Nimmt man einer Gesell. den Gott, führt dies nach Voeglin eben nicht zu einer areligiösen Gesell. Die religöse Durchdringung lebt weiter, nur ohne das Haupt eines Gottes, an seine Stelle treten die polit. Rel. Gibt es ein zurück zu einer integralen Gesell? Nein, den Tiger reiten, meine Evola.

Olmo

5. Juni 2025 08:04

Venner hat die Linken mit seinem Suizid zu ihrer bis jetzt letzten halbwegs kreativen Reaktion provoziert, die follow your leader Sticker waren gemein, bösartig, geschmacklos, doch sie waren gelungen.
Solange sich kein neuer Gott offenbart, also nicht herbeigedacht oder herbeigedeutet wird, sondern sich wirklich zeigt, bleibt uns nur Jesus.

Monika

5. Juni 2025 09:24

"Wenn man alles der Vernunft unterordnet, wird unsere Religion nichts Geheimnisvolles und Übernatürliches haben. Wenn man gegen die Prinzipien der Vernunft verstößt, wird unsere Religion absurd und lächerlich sein." Blaise Pascal @Ernestine 18:05 und ML Der gläubige Mensch unterscheidet nicht zwischen dem erkannten Gott und dem erfahrenen Gott. Für ihn ist Gott Wirklichkeit. Die Frage lautet richtig gestellt also nicht, ob es einen Gott gibt, sondern , ob Gott wirklich ist. Das Wort Wirklichkeit ist eine Bildung der Mystiker des 13. Jahrhunderts. Es wurde von Meister Ekhart als Übersetzung des lat. Wortes actualitas eingeführt. Meister Eckhart: "Der Mensch soll sich nicht genügen lassen an einem gedachten Gott, denn wenn der Gedanke vergeht, so vergeht auch der Gott. Man soll vielmehr einen wesenhaften Gott haben, der weit erhaben ist über die Gedanken des Menschen und aller Kreatur." 

Monika

5. Juni 2025 09:26

"Wenn man alles der Vernunft unterordnet, wird unsere Religion nichts Geheimnisvolles und Übernatürliches haben. Wenn man gegen die Prinzipien der Vernunft verstößt, wird unsere Religion absurd und lächerlich sein." Blaise Pascal @Ernestine 18:05 und ML Der gläubige Mensch unterscheidet nicht zwischen dem erkannten Gott und dem erfahrenen Gott. Für ihn ist Gott Wirklichkeit. Die Frage lautet richtig gestellt also nicht, ob es einen Gott gibt, sondern , ob Gott wirklich ist. Das Wort Wirklichkeit ist eine Bildung der Mystiker des 13. Jahrhunderts. Es wurde von Meister Ekhart als Übersetzung des lat. Wortes actualitas eingeführt. Meister Eckhart: "Der Mensch soll sich nicht genügen lassen an einem gedachten Gott, denn wenn der Gedanke vergeht, so vergeht auch der Gott. Man soll vielmehr einen wesenhaften Gott haben, der weit erhaben ist über die Gedanken des Menschen und aller Kreatur." 

Arkadier

5. Juni 2025 09:28

In "Die Antike Stadt" beschreibt de Coulanges (ein geniales Buch übrigens) den Werdegang der Religion von einer schlichten Ahnenverehrung der prä-antiken Griechen, über die pragmatisch gebündelten Dorf- und Stadtgottheiten (keine Gemeinschaft kann es sich  erlauben, täglich der Arbeit fernzubleiben, um den zahlreichen Gottheiten einzeln zu opfern) bis hin zu einem Gott, der die hegemonialen Ansprüche eines Imperiums spirituell zu unterfüttern hatte. Faustregel: Je größer das politische Gebilde desto größer sein Gott. 
Interessant in dem Zusammenhang, dass China in seiner 5.000jährigen Geschichte  weder eine monotheistische Religion nötig hatte noch andere Völker unterwarf (nein, auch Tibet nicht), sondern eine Mauer baute, um sich vor ihnen zu schützen, oder die Besatzer über die Zeit sinisierte. 

Waldgaenger aus Schwaben

5. Juni 2025 09:45

@RMH
 Die menschliche Vernunft hat das besondere Schicksal in einer Gattung ihrer Erkenntnisse: daß sie durch Fragen belästigt wird, die sie nicht abweisen kann; denn sie sind ihr durch die Natur der Vernunft selbst aufgegeben, die sie aber auch nicht beantworten kann; denn sie übersteigen alles Vermögen der menschlichen Vernunft. (Kant Kritik der reinen Vernunft, erster Satz).
Eine vollständige, rationale Durchdringung der Welt ist nicht möglich. Naheliegend ist es, mit einem Gott (oder mehreren Göttern) die Lücke zu schließen. Dieser Gott kann dann noch dazu hergezogen wird, ethische Gebote zu begründen, ohne die keine Gemeinschaft existieren kann. Nur scheitert dieser Ansatz am Fortgang der Erkenntnis. Wir stellen fest, dass Dinge, die wir Gott zuschrieben, plötzlich rational erklärbar sind. Mit Gott weichen dann auch die auf ihn gegründeten ethischen Gebote zurück.  Das 20. Jahrhundert mit seinen Gräueln hat uns das Ergebnis in einem kaum vorstellbarem Schrecken gezeigt.
Hier setzt m.E. das Christentum an. Wo das rationale Denken am Ende angekommen ist, beginnt das Mysterium. Aber erst dort! Jeder Mensch muss diesen Weg selbst gehen. Ich habe für mich akzeptiert, dass Kreuzigung, Auferstehung und Wiederkunft Christi zusammen ein Mysterium bilden, das die Vernunft übersteigt. Der Versuch es rational zu durchdringen, muss wieder und wieder scheitern. Es ist so, wie wann z.B. versucht ein musikalisches Wekt, das einem die Gänsehaut über den Rücken jagt, wissenschaftlich zu analysieren. 

Waldgaenger aus Schwaben

5. Juni 2025 09:46

@Le Chasseur
Das leere Kreuz soll Auferstehung und Kreuzigung wieder zusammenführen. Finde ich allemal besser als die gotischen Kruzifixe. Am aussagekräftigsten finde ich die romanischen Kreuzesdarstellungen.
Bis in romanische Zeit wird Christus dagegen häufiger aufrecht, nur wenig bewegt und mit knielang herabfallendem Lendentuch bekleidet dargestellt, eher als über den Tod Triumphierender, denn als Leidender. Mit der Gotik setzen sich die Verbildlichungen der Qualen des Gekreuzigten und seines Todes durch. 
siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Kruzifix

Adler und Drache

5. Juni 2025 09:51

@ Martin Lichtmesz
Ich widerspreche Ihnen sowohl in Bezug auf die Exegese als auch auf die Dogmatik. Leider werden wir das in diesem Format nicht erschöpfend, ja nicht einmal befriedigend diskutieren können. Mein Eindruck aus mehreren Jahren SiN ist, dass die religiösen Fragen "unter uns" hochgradig virulent sind und immer wieder aufbrechen. Die Themen haben eine so große Spannweite, dass sie eigentlich eines eigenen Formats bedürften, das genügend Raum ließe; sich hier frisch & rüstig Fragmente um die Ohren zu hauen, wird nicht weit führen. 
Aber ich widerspreche Ihnen.

ML: Tatsache ist, es wurde 1500 Jahre behauptet, die Bibel sei fehlerfrei und widerspruchslos, und das ist unzutreffend. Eine andere, daß etliche Dogmen nur einen geringen bis gar keinen Rückhalt in der Schrift haben, und häufig lange zurückliegende politische Hintergründe haben.

Monika

5. Juni 2025 09:52

@ Martin Lichtmesz, zur Frage nach der Historizität Jesu. Vielleicht sollte man diese Frage anders angehen. Der polnische Philosop Leszek Kolakowski schreibt in seinem Buch: Der Mensch ohne Alternative über die Ideologiefunktion, die eine Religion natürlich immer auch haben kann: "Die soziale Funktion der Ideologie besteht darin, den Glauben an Werte zu festigen, die notwendig sind, damit eine Gruppe erfolgreich tätig sein kann. Einen Sonderfall der Ideologie stellt der Mythos dar." " Der Mythos-Charakter der Evangelien ist ganz unabhängig von der Antwort auf die Frage, ob Christus eine geschichtliche Gestalt war oder nicht. Es gab auch einen Mythos über Napoleon oder Stalin." D.h., Jedes Volk schafft sich einen Mythos über seine Herkunft , auch, um ein kollektives Bewusstsein zu generieren. Jedes Volk wird Christus anders in seinen Mythos einbauen. Heute ist übrigens der Gedenktag des Bonifatius , genannt "Apostel der Deutschen". 

ML: Wenn Jesus nur ein "Mythos" wäre, wäre die Geschichte bedeutend weniger interessant. Oder? Und Venner wäre nicht sehr interessant, hätte er nicht Notre-Dame gewählt. Ich mag Bonifatius nicht.

MARCEL

5. Juni 2025 10:03

Wie viele Jesusbilder gibt es? Von der Ikone bis zum Kitsch, von Papst Benedikt XVI über Ernest Renan bis hinunter zu Karlheinz Deschner. Wie viele "Inkarnationen" stößt diese Gestalt bis heute an!

ML: Genau das fasziniert mich ohne Ende!

Zwei Buchempfehlungen seien gestattet, mit dem Vorbehalt, dass auch sie kein "biometrisches", letztgültiges Abbild Jesu liefern, interessant fand ich die Blickwinkel allemal:
Christoph Türcke "Jesu Traum" und Reza Aslan "Zelot"

Adler und Drache

5. Juni 2025 10:07

@ RMH
Das C geht von einem allmächtigen & liebenden Gott aus. Gleichzeitig stellt es einen absolut grausamen Foltermord ins Zentrum seines Glaubens. Auch der liebende & allmächtige Gott bedarf also zur Gewährung der Gnade eines Blut- & Sühneopfers um ein Erlösungswerk zu manifestieren. Warum?
Das christliche Reden von Gott gleicht dem Versuch moderner Malerei, Multiperspektivität in in einem Bild unterzubringen, etwa bei Picasso. Wenn man sagt, Gott habe seinen Sohn geopfert, ist immer mitzudenken, dass Gott sich selbst geopfert hat. Er muss als Handelnder und Leidender zugleich gedacht werden, als Verursacher und Betroffener. 
Gibt es denn überhaupt irgendetwas von Belang, das nicht durch irgendeine Art Opfer verwirklicht wurde, und sei es ein Opfer an Zeit oder Nervenkraft? Steht Gott nicht gerade deshalb mitten im Leben, weil "Allmacht" eben nicht bedeutet, wie "Marvels" Thanos einfach mit den Fingern zu schnippen?
Verzeihen Sie meine Fragen, sie sind nicht rhetorisch gemeint, sondern als Annäherung. Der Platz reicht hier einfach nicht aus für mehr. 
 
 

Monika

5. Juni 2025 10:13

@ Maiordomus Dominik Venner würde ich nicht ! als einen Jan Palach der Postmoderne sehen. Jan Palach war ein junger Student, der sich aus Protest gegen die Niederschlagung des Prager  Frühling selbst verbrannte. Es gab Nachfolgetaten. Bei seiner Beerdigung kam es zu Massenprotesten von tausenden Menschen. Man erinnert in Prag noch heute an ihn. Venner war ein alter Mann, der nichts mehr zu verlieren hatte. Eher traurig und schaurig und pietätlos. 
https://www.deutschlandfunkkultur.de/vor-50-jahren-die-selbstverbrennung-von-jan-palach-in-prag-102.html

ML: Das Alter von Venner ist in der Tat ein Problem für die Symbolwirkung, die er intendierte. Mishima wußte, daß er sich beeilen muß, bevor er seine körperliche Schönheit verliert...

Diogenes

5. Juni 2025 10:17

1/2
 
@MarkusMagnus: "Ansonsten bin ich auch schon immer der Meinung das wir eine eigene Religion brauchen. Politische Führung alleine hat zu wenig Durchschlagskraft, wir brauchen auch eine Geistige."
 
Was wir brauchen ist eine spirituelle Besinnung auf unsere Naturverbundenheit (nicht nur die weltliche, auch die geistige Verbundenheit Teilwesen dessen zu sein was irdischer Schöpfung ist und die Raumordnung unseres Lebensraumes auf Nachhaltigkeit/Gleichgewicht damit auszulegen), auf die, unserer germanischen Stammväter und Ahnen (Abraham ist nicht unser Stammvater, sein Stamm ist uns in Art und Wesen fern). Unsere Wälder sind unsere natürlichen Kathedralen, denn sie geben in ihrem Lebensgrün Überlebenskraft/Erdung. Aber natürlich ist der gemeinschaftsstiftende Sinn von erhabenen Steinbauten/Sakralbauten mit ihrem Widerhall nicht zu unterschätzen (ein großes Volk braucht seine Dome und Türme als Orte der Zusammenkunft; seine Schön- u. Großbauten die von Schaffenskraft/Volkscharakter künden und begeistern).

Diogenes

5. Juni 2025 10:18

2/2
 
Man soll nicht immer zwanghaft zwischen den weltlichen und den geistigen Dingen unterscheiden, denn sie ergänzen einander (d.h. Sie fließen ineinander über, bedingen einander) und stehen nicht an zwei entgegengesetzten Punkten starr gegenüber wie Unbewegliches. Weltliche und geistige Führung gehört in eine Hand (wie man diese Neuraumordnung nennt, ist zweitrangig) zusammen. Politik muss weise handeln und in Volksgeschlechtern (Generationen) denken (was ist in 30, in 60, in 120 Jahren?)! Schon alleine aus diesem Grund darf Führung nicht Geistesgestörten anheimfallen die irgendeine "Internationale" anbeten, wie wir das im politischen Zeitgeschehen unserer Jahre und Tage sehen können. 

Umlautkombinat

5. Juni 2025 10:59

@Arkadier
 
Chinese Expansionism
 
(auch die Animation im ersten Bild wirken lassen)
 
Mit den Religionen in China haben Sie aber einen interessanten Punkt fuer ein Grossreich.

RMH

5. Juni 2025 11:03

"sondern als Annäherung."
@Adler und Drache, anders als durch Annäherungen kann man diese Themen auch nicht diskutieren, da haben Sie recht. Es ist so ähnlich, wie wenn man einzelne Stücke eines Kuchens gut & zutreffend beschreibt, aber beim Zusammensetzen der Stücke ergibts sich doch keine ganze Torte. Das ist dann in der Tat ein Mysterium, welches es bedarf, dass man Irrationalität auch zulässt.
"Wenn man sagt, Gott habe seinen Sohn geopfert, ist immer mitzudenken, dass Gott sich selbst geopfert hat."
Richtig, das Interessante am Christentum ist ja, dass hier Gott Mensch geworden ist & erlebt hat, was Menschen einander antun, um am Ende zu sagen, ich bin die Erlösung, zumindest im Jenseits. Das einer hier den Gang bis zum bitteren Ende gegangen ist (& überwunden hat), macht das Christentum menschlicher, als andere Religionen. Für mich wird der Gedanke des Opfers zudem nur dann plausibel, wenn man den Gegenspieler, den Teufel, das Böse wieder in seiner ursprünglich ihr zugeschriebenen Macht zulässt. Hier scheint die Allmacht Gottes dann so (begrenzt?) zu sein, dass auch er einen Preis zahlen muss, um diese Macht zu "besiegen" und auch dieser Sieg ist vorläufig nur tranzendent, noch nicht konkret irdisch, dafür bedarf es dann nach christlicher Lehre der Apokalypse.

Le Chasseur

5. Juni 2025 11:15

@MARCEL"Wie viele Jesusbilder gibt es? Von der Ikone bis zum Kitsch, von Papst Benedikt XVI über Ernest Renan bis hinunter zu Karlheinz Deschner."
Klaus Kinski nicht zu vergessen: https://www.youtube.com/watch?v=FSDjNLZIOGw
;)

Adler und Drache

5. Juni 2025 11:25

@ ML
Tatsache ist, es wurde 1500 Jahre behauptet, die Bibel sei fehlerfrei und widerspruchslos, und das ist unzutreffend. Eine andere, daß etliche Dogmen nur einen geringen bis gar keinen Rückhalt in der Schrift haben, und häufig lange zurückliegende politische Hintergründe haben.
These für eine umfangreichere Diskussion. 1) Ich denke, die "Fehlerfreiheit und Widerspruchslosigkeit" im modernen Sinn kamen erst durch den Pietismus auf und waren eine erhebliche Engführung. Antike und Mittelalter dachten nicht so, da galten "Fehlerfreiheit und Widerspruchslosigkeit" in Bezug auf das soteriologische Anliegen, nicht auf (nebensächliche) Fragen wie etwa, ob Jesus nach links oder nach rechts ging und dgl. Solche Widersprüche konnte man recht gut aushalten, da war man nicht allzu pingelig. 2) Ja, da stimme ich wiederum zu. Grad der Katholizismus war recht produktiv in der Dogmenfort- und -neuschreibung, was ihn von der Orthodoxie wie auch von der Reformation unterscheidet, die beide nicht so weit zu gehen wagten, sondern Dogmenformulierung eben noch als angewandte Auslegung betrachteten. Der Katholizismus reduzierte die Schrift auf ein liturgisches Gebrauchsbuch und verquickte päpstliche Herrschaft mit geistlicher Leitung. 
 

Monika

5. Juni 2025 11:44

@ M. Lichtmesz Natürlich ist Jesus nicht nur ein Mythos, aber jede herausragende geschichtliche Gestalt bringt Mythen hervor. Mythen haben immer einen sog. "Sitz im Leben" und eben eine soziale Funktion. Die Katholiken glauben übrigens an die Realpräsenz Jesu Christi  beim Kommunionempfang. Enger als im Sakrament der Eucharistie kommen Mythos und Realität  wohl kaum zusammen. Und Ja, als Kind habe ich das durchaus so empfunden. Mit Bonifatius habe ich auch  meine Probleme. Ich bin kein Freund rigider Missionsmethoden. Und die Heiligtümer Andersgläubiger würde ich nicht umhauen. Aber vielleicht ist das auch nur ein Mythos und es war ganz anders. 

Rheinlaender

5. Juni 2025 12:12

@Majestyk
Der Begriff "Religion" meinte hier das Verhältnis des Menschen zu transzendenter Wirklichkeit. Die kreativen Akteure, die Kulturen stiften, tun dies so gut wie immer auf der Grundlage ihrer kontemplativen Schauung des Transzendenten und sind von diesem in einer Weise ergriffen, die sie zu besonderem Einsatz und Opfer befähigt. Am Beispiel des europäischen Mittelalters lässt sich das mustergültig beobachten. Mir ist kein Beispiel einer Kultur bekannt, bei der dies anders war. Das bedeutet nicht, das "Religion die Lösung für so ziemlich alles" ist, sondern nur, dass sie die Wurzel von allem Wichtigem ist. Es gibt aber nicht nur gute Kräfte, die auf diesem Weg auf den Menschen wirken können, und es bleibt in jedem Fall das Problem der Unvollkommenheit des Menschen bzw. von Dekadenz, Missbrauch von Religion etc. bestehen. Imperiale Machtentfaltung ist davon abgesehen aber sicherlich auch auch ohne religiöse Inspiration, egal ob besserer oder schlechterer Art, möglich.
@Diogenes
Im geistigen Sinne ist Abraham sicherlich ein Stammvater aller christlich begründeten Völker, darunter auch der Deutschen, weil es ohne das Christentum kein deutsches Volk gäbe, sondern nur die amorphen Stämme, welche die unmittelbaren Stammväter der Deutschen zwischen Alpen und Nordsee vorfanden: Fridolin, Ingbert, Trudpert, Disibod, Kilian, Pirmin, Ansgar....

Franz Bettinger

5. Juni 2025 12:14

@Olmo: Guter Gedanke! Wir bringen ein Opfer, um etwas zu gewinnen und sei es eine Gunst. Wir legen einen Köder aus, um den Wolf anzulocken, zu zähmen und uns zu dienen. Etc.

Artabanus

5. Juni 2025 12:36

@Laurenz hat völlig Recht, daß "Das Leben des Brian" den historischen Kontext in Judäa am realistischsten darstellt.

ML: Vom "Kontext" hat er ja nicht geredet, sondern von der Kreuzigung. Davon abgesehen ist das eine stark übertriebene Aussage. "King of Kings" von Nicholas Ray nimmt sich sehr viel Zeit, den politischen Kontext auszumalen. Nicht vergessen, dass LdB vorrangig eine Parodie auf Bibelschinken ist.

Wenn man den historischen Jesus nämlich tatsächlich dort lokalisieren möchte, so wird er zum absoluten Nobody. Das passt den meisten sehr gut, weil sie ihn sich dann beliebig selbst basteln können. 
Es sei daran erinnert dass es null zeitgenössische Quellen gibt, die auf einen "Jesus von Nazareth" hinweisen. Ein höchst unauffälliger Zeitgenosse also. Gekreuzigt? Wie unzählige andere auch. Die Schlussszene in "Brian" ist somit nur überspitzt, aber nicht falsch. Insbesondere seine Nichterwähnung in den Qumran-Rollen ist ein klares Zeichen, daß man eher woanders suchen sollte. 

Rheinlaender

5. Juni 2025 12:59

@Diogenes
"Was wir brauchen ist eine spirituelle Besinnung auf unsere Naturverbundenheit ... unserer germanischen Stammväter und Ahnen (Abraham ist nicht unser Stammvater, sein Stamm ist uns in Art und Wesen fern)."
Das Christentum ist den germanischen Stämmen ab dem 6. Jahrhundert überwiegend in Person iro-schottischer Mönche begegnet, die jenem nord- und westeuropäisch inkulturierten Christentum entstammten, das später z.B. auch die gotischen Kathedralen schuf und eben keine den Kulturen Europas fremde Religion war, wie es v.a. ab dem 19. Jahrhundert von völkischen Autoren ohne reale historische Grundlage behauptet wurde. Das germanische Heidentum repräsentiert nicht "unsere Stammväter", sondern war am Ende sogar ein Feind des europäischen Menschen. Es begegnete den auf Grundlage des Christentums zu Protovölkern zusammengewachsenen Stämmen ab dem 9. Jahrhundert in Form der Wikingereinfälle, die große Teile Nordwesteuropas verwüsteten. Christliche Kämpfer (die Ebstorfer Märtyrer sollte man als Norddeutscher kennen) sicherten damals das Überleben der Vorfahren der Deutschen, und christliche Missionare wie Ansgar und Rimbert beendeten schließlich diese existenzielle heidnische Bedrohung durch Integration der Nordmannen in das werdende Abendland für immer. Hätten damals "unsere germanischen Stammväter" gesiegt, hätten wenig später die von Süden her vordringenden Araber die von ihnen hinterlassenen Wüstungen übernommen, und es gäbe heute weder Deutsche noch Europa.

fw87

5. Juni 2025 13:27

Zur Dogmenfrage: Es ist auch die katholische Auffassung, dass der Mensch letztlich durch den guten Willen und die guten Werke sich rettet. Freilich gehört es auch zum guten Willen den kath. Glauben vollständig anzunehmen, wenn man ihn als Wahrheit erkannt hat. Dass es Himmel und Hölle gibt und dass nicht jeder das ewige Heil erlangen wird, ist durch den Mund des Erlösers sicher angekündigt (Matth. 25, 31-46). Das Heil steht aber allen Menschen offen. Viele tun das Böse aus geistiger Verwirrung, Unwissenheit oder Schwäche. Viele nehmen auch den Glauben nicht an, weil ihnen falsche Vorstellungen vermittelt worden sind vom Glauben der Kirche. All das wird im persönlichen Gericht des Menschen nach dem Tod berücksichtigt werden. Es ist so, wie Johannes Paul II. einmal sagte: Wir dürfen fest vertrauen, dass Gott einem jeden Menschen einmal im tiefsten Inneren gerecht werden wird.

Ekstroem

5. Juni 2025 13:33

@Monika Das Heidegger Testament (Spiegel Interview) und das Gedicht von Nietzsche (siehe @Le Chasseur) zusammen weisen mAn eine fruchtbare Richtung.

RMH

5. Juni 2025 15:28

"Hätten damals "unsere germanischen Stammväter" gesiegt, hätten wenig später die von Süden her vordringenden Araber die von ihnen hinterlassenen Wüstungen übernommen,"
@Rheinländer,
auch wenn ich die grundsätzliche Richtung Ihres Beitrages #5. Juni 2025 12:59 teile, übertreiben sie bei den Wirkungen der sog. "Wikinger" m.M.n doch ziemlich. Wüstungen haben diese weniger als ihr Ruf es vermuten ließ (außer manches Kloster & Dorf) hinterlassen, sie haben mehr als Kriege auch Handel betrieben, Siedlungen gegründet und mit Ortsansässigen genuin eigene Kulturen, ja Völker begründet (siehe Normandie/ Britannien, Sizillien, Russland, auch das, was Nordeutschland darstellt, ist dänisch & damit "Wikinger" unterlegt). Erinnert sei insbesondere an die Anerkennung Ottos I durch Harald Blauzahn einschl. Tributzahlungen, was aber auch die Christianisierung von Dänemark (mit-) begründete.

dojon86

5. Juni 2025 16:22

@Arkadier Das China niemals erobernd, vernichtend und assimilierend vorging, stimmt so nicht. Ursprünglich waren die Han Chinesen nur im heutigen Nordchina ansässig. Sie drängen über die Jahrtausende in den Süden und in die gebirgigen Regionen des Landes vor, dabei  assimilierend, vertreibend oder vernichtend, und lösten damit Völkerwanderungen nach Südostasien aus. (Z.B. der Vietnamesen die aus Südchina kamen.) Dieser Vorgang war selbst im 19. Jahrhundert nicht abgeschlossen. ( Ich empfehle eine leichte Lektüre, die diesbezüglichen Erlebnisse Lucien Bodards, dessen Vater als Konsul in Yünnan um 1900 stationiert war, sind ein paar Bände) In weiten Teilen Chinas finden sie noch kleine tribale Minderheiten, die das überlebt haben wie es auch in den USA noch Reservationen gibt.

Monika

5. Juni 2025 16:37

#ML "Man kann das Christentum also schwerlich als "identitäre" Religion bezeichnen, geschweige denn als "identitäre Religion Europas". Was soll das denn bedeuten??? Fakt ist, dass die Person und die Botschaft Jesu ( von Reich Gottes) eine geistesgeschichtliche Wirkung in Europa entfaltet haben, die bis heute anhält. ( jetzt mal unabhängig von aller Textkritik, Kirchengeschichte, Dogmatik usw.) . Kommunismus und Liberalismus sind FolgeProdukte der jesuanischen Botschaft. So erfolgte ein Wandel  von der religiösen Bedeutung der Gleichheit aller Menschen ( vor Gott) zu der politischen Bedeutung der Gleicheitsidee im Liberalismus. Auch der neuzeitliche Atheismus setzt das Christentum voraus und wäre im Islam gar nicht möglich. ( denn: nur ein Gott, der in die Welt kommt, kann auch wieder aus der Welt verschwinden). Was wäre denn eine "identitäre Religion Europas". Man kann doch eine Wirkungsgeschichte nicht rückgängig machen. Selbst wenn heute die christl. Religion aus der Öffentlichkeit verschwindet und z. B. durch den Islam ersetzt wird ( Ramadanfeiern, Moscheen) wird das Christentum nicht verschwinden. Im schlimmsten Falle wird es auf seine  Ursprünge verwiesen und sich wiederum in einer feindlichen Umwelt bewähren müssen. Eine heidnische Religion installieren zu wollen, wäre Sektiererei. 

Monika

5. Juni 2025 16:38

#ML "Man kann das Christentum also schwerlich als "identitäre" Religion bezeichnen, geschweige denn als "identitäre Religion Europas". Was soll das denn bedeuten??? Fakt ist, dass die Person und die Botschaft Jesu ( von Reich Gottes) eine geistesgeschichtliche Wirkung in Europa entfaltet haben, die bis heute anhält. ( jetzt mal unabhängig von aller Textkritik, Kirchengeschichte, Dogmatik usw.) . Kommunismus und Liberalismus sind FolgeProdukte der jesuanischen Botschaft. So erfolgte ein Wandel  von der religiösen Bedeutung der Gleichheit aller Menschen ( vor Gott) zu der politischen Bedeutung der Gleicheitsidee im Liberalismus. Auch der neuzeitliche Atheismus setzt das Christentum voraus und wäre im Islam gar nicht möglich. ( denn: nur ein Gott, der in die Welt kommt, kann auch wieder aus der Welt verschwinden). Was wäre denn eine "identitäre Religion Europas". Man kann doch eine Wirkungsgeschichte nicht rückgängig machen. Selbst wenn heute die christl. Religion aus der Öffentlichkeit verschwindet und z. B. durch den Islam ersetzt wird ( Ramadanfeiern, Moscheen) wird das Christentum nicht verschwinden. Im schlimmsten Falle wird es auf seine  Ursprünge verwiesen und sich wiederum in einer feindlichen Umwelt bewähren müssen. Eine heidnische Religion installieren zu wollen, wäre Sektiererei. 

Diogenes

5. Juni 2025 16:42

@Rheinlaender: Sie wissen doch überhaupt nicht was sich aus Germanien (womit die Römer nichts anderes als "Mannen gleichen Blutes" meinten, die Rassenbausteine also) für Völker entwickelt hätten, wenn (...). Insofern ist es Ihre (von christlichen Chronisten beeinflusste) Behauptung. Ich behaupt es hätte sich auch ohne Christen ein deutsches Volk entwickelt, denn selbe Blut wie einst, fließt auch durch "uns". Abrahams Stamm, da gibt es nichts zu deuten, meint die Juden, denn es ist ein jüdischer Mythos und dessen Menschen meint natürlich jüdische Menschen, sowie jedes Volk immer von "seinen" Menschen ausgeht. Deutsche Menschen stammen aus germanischen Stammesgauen und unser Erbe stammt nicht aus dem Ägypten (wo das Volk Israel (Isis-Ra-El (El heißt Kinder, Kinder von Isis und Ra) als ägyptischer Kult begann), welches auf den Hinterlassenschaften einer älteren Zivilisation als "Cargo-Kult" aufbaute. 
 
Um an meinen vorherigen Gedanken anzuknüpfen: Natürlich sollte in den Steinbauten/Sakralbauten unsere Geschichte gepredigt werden und nicht die, welche mit "Abraham" übernommen wurde. Die christliche-jüdische Geschichte ist eigentlich ein Selbstbedienungsladen, wenn man sie mit dem Gilgamesch-Epos vergleicht (Betreff Sintflut).  

dojon86

5. Juni 2025 17:10

@Adler und Drache @ML  Es stimmt, das Christentum kann man heutzutage nicht mehr so ohne weiteres als identitäre Religion Europas bezeichnen. Man kann sie aber auch nicht als nichtidentitäre Religion Europas bezeichnen. Ich würde sagen, es ist irgendwas dazwischen. Das wirkliche Alleinstellungsmerkmal (West)europas ist der Atheismus. Das Problem, Atheismus ist NICHTS, und eine Identität kann sich nicht auf NICHTS gründen. Schließlich muss ich auf eine interessante Erfahrung hinweisen, die ich im Rahmen meiner Berufstätigkeit machte. So gut wie alle christlichen Nichteuropäer haben kein Problem, die Ehe mit einem oder einer Deutschen einzugehen, sie sind, oft genug zum Schaden ihrer eigenen Nation, grundsätzlich assimilationswillig. Bei Moslems sieht das deutlich anders aus. Moslemischer Mann mit deutscher Frau geht, wenn auch die Beziehung meist scheitert. Deutscher Mann mit moslemischer Frau ist höchst selten und meist nur möglich, wenn der Mann konvertiert. Ich würde sagen, die Mehrheit der Moslems, die ich kenne, sind grundsätzlich nicht assimilationswillig.

Majestyk

5. Juni 2025 17:19

@ Gracchus:
"Das abendländische oder europäische Freiheitsempfinden und -streben kommt aus dem Christentum, sonst nirgendwoher."
Doch wohl eher aus Überwindung christlicher Dominanz übers tägliche Leben. Ist gerade mal gut 200 Jahre her, da war die eigenmächtige Entfernung aus der Leibeigenschaft in so manchem Land noch strafbar. Wenn das Christentum so offen für neue Erkenntnisse war, warum verfolgte man Häretiker? Hier wurde neulich der Roman "Der Name der Rose" besprochen. In dem Buch geht es doch darum, daß die Kirche versucht antikes Wissen unter Verschluß zu halten. So manches antike Wissen wurde doch in der islamischen Welt bewahrt.
"Abgesehen davon widersprechen Sie sich"
Aber nur wenn man einen Widerspruch sehen will. Eine Aussage richtet sich nach innen, die andere nach außen. Neulich hätte auch ein Afrikaner zum Papst gewählt werden können, spielt fürs Christentum keine Rolle. Auch wenn es keiner laut aussprechen will, bei der Erneuerung Europas geht es eben auch um "Make Europe Whiter Again". Das erreicht man nicht mit Rechristianisierung, zumal die Kirchen Diversität predigen, von anderen Problemen mit den Altkirchen mal abgesehen. 

Majestyk

5. Juni 2025 17:25

@ Rheinländer:
Gerade das Mittelalter zeigt aber auch die schädliche Wirkung von Religion. Ist natürlich eine Frage des persönlichen Blickwinkels. 
Ich kritisiere weder Gott noch spirituelles Denken, bin auch nicht für Atheismus. In der Hochzeit des Christentums bestimmte christliches Denken alle Lebensbereiche, ähnlich wie der Islam in so manchem Land alles dominiert. Das befügelt nicht, das erstickt und hindert eine Gesellschaft an ihrer Entwicklung. Zumal ja scheinbar gerade Christentum oder Islam zu Denkverboten neigen. Ein Problem ist doch, daß jene Religionen sich nicht nur ein Bild von Gott machen, sondern sich anmaßen zu wissen welche Lebensweise ihr Gott von den Menschen erwartet und Glaubenshüter eben jene Lebensweise überwachen. 
Ich jedenfalls bin heilfroh, daß das Christentum diesbezüglich eher ins Private gedrängt wurde. Gleichzeitig stimme ich dem Text zu, daß das Christentum zu kraftlos ist um sich z.B. dem Islam entgegenstellen zu können. Ob man sich aber mal eben so eine neue Religion quasi erfinden kann wage ich zu bezweifeln. Eigentlich krankt die moderne Welt auch nicht an fehlendem Glauben, siehe Klima, Geschlechter oder Migration, sondern an zu wenig Rationalität. Vermutlich braucht es also keine neue Religion sondern eher eine neue Aufklärung.

Sandstein

5. Juni 2025 19:40

@olmo @rmh 
auch wenn's vom Artikel weg geht zu der Frage wieso Menschen begannen Opfer zu bringen: vielleicht liegt es in der Härte der Natur gegen die Menschen begründet. Die Sterblichkeit war vor 10.000 Jahren viel höher, selbst kleinste Unwetter oder Dürren konnten eine gesamte Gruppe bzw. Stamm in der Existenz gefährden. Vor der Zähmung der Natur war die Umwelt also in erster Linie ein Gegner und Menschenfresser. Folgerichtig opfert man selbstbestimmt ausgewählte Teile der Gruppe, um die Natur milde zu stimmen. Der Opferkultus der mesoamerikanischen Völker (Maya, Tolteken, Azteken) zeigt das doch recht anschaulich. Es dürfte eine konvergente Entwicklung bei allen frühen Kulturen der Menschheitsgeschichte sein.

Diogenes

5. Juni 2025 20:38

1/2
 
@Majestyk: "... Vermutlich braucht es also keine neue Religion sondern eher eine neue Aufklärung."
 
Ich würde das Fehlen des Notwendigen ansetzen am Mangel an höherer Philosophie/Theosophie. Übrigens, wenn sie mir eine Bemerkung zu Ihrem Gespräch mit Gracchus gestatten, stammt das Freiheitsdenken in unseren Gefilden direkt aus Germanien. Freie Mannen durften im Thing (Stammeszusammenkunft) mit Rat und Anliegen frei sprechen. Der Herzog (von Heereszug) wurde von diesen freien Mannen erwählt, wobei Erfahrungsschatz die Auslese/Eignung bestimmten. Wenn es den Glauben an eine göttliche Ordnung im Universum in Form von Teilwesen (Götter) oder eine Urkraft (Gott/Das Göttliche) gab und gibt, dann hat sie das "Christentum" begünstigt, welches "uns" aber mit Jaweh, einen Gott der Sklaven/Knechte, betrogen hat. Wenn "wir" Gott meinen, dann meinen wir eine Meta-Ordnung/Schöpfungskraft/Wesenheit, das ewige Allbewusstsein außerhalb unseres Filters (Gehirns), die Quelle der Wiedergeburt/Wiederkehr. Sklavische Unterwürfigkeit ist nicht das Sein deutscher Art und Weise - sie gehört geographisch, historisch, kulturell und der Abstammung in den Orient. Selbst die wahren (d.h. ursprünglichen/indigenen) "Amerikaner"; die Stämme von einst, sprachen beim "Manitu" vom "Großen Geist".

Diogenes

5. Juni 2025 20:39

2/2
 
Die Geschichte/Saga unseres Volkes beginnt nicht mit christlichen Chroniken. Christliche Fanatiker (die es überall gibt und übertreiben) haben viele Stätten unserer germanischen Ahnen zerstört bzw. dem Vergessen überliefert (wer darüber redet erwartet Strafe; so also aus dem Sinn, aus der Welt). Wandern im Schwarzwald offenbart aber so manches Steinernes was unseren vorchristlichen Mythos zu Grunde liegt. 
 

Umlautkombinat

5. Juni 2025 21:48

@dojon86

Das Problem, Atheismus ist NICHTS

Hoeren Sie doch mit diesem Bloedsinn auf. Kein Glaeubiger hat eine Vorstellung davon wie es ist dazustehen und zwischen sich und der Welt keine Grenzen und Fremdformierungen zu sehen, nur die Unzulaenglichkeit des eigenen Geistes und Koerpers. Und draussen ist das Andere, unabhaengig von mir und von keiner uebergeordneten langweiligen Hand gefuehrt.  Das ist derart beruhigend, kaum zu beschreiben. Besonders nicht denen, die das Wissen um ihre kurze Lebenszeit und ihre unmittelbare Welterfassung dafuer hergegeben haben, was ihnen Transzendenz verspricht.

Gracchus

5. Juni 2025 22:09

Hoffentlich bleibt der Strang noch bis nach Pfingsten offen. So viele Brocken, so viele Kommentare zum Abarbeiten. 

Gracchus

5. Juni 2025 22:41

@Majestyk: Das Neue Testament ist ein  einziges großes und großartiges Freiheitsversprechen. Der Erlöser ist natürlich der Befreier. Paulus: "Zur Freiheit hat uns Christus befreit. So steht nun fest und lasst euch nicht wieder das Joch der Knechtschaft auflegen!" Das Christentum hat niemanden verfolgt; wenn, dann waren es Kirche und weltliche Herrschaft im Namen Christi. Es ist falsch, diese Herrschaften mit dem Christentum gleichzusetzen. Das Evangelium ist eben eine subversive Kraft. Den verfolgten Ketzern möchten Sie doch nicht abermals das Christsein absprechen. Luther kann man vieles absprechen, aber dass er kein Christ war, ginge zu weit. Es dürfte auch konsensfähig sein, dass sich die einzigartige europäische Freiheit aus dem Ringen von weltlicher und christlicher Macht gebildet hat.
Das Freiheitsstreben sehe ich ausserdem im Abnehmen begriffen, und der Zusammenhang mit dem schwindenden christlichen Einfluss ist m. E. evident. 

Gracchus

5. Juni 2025 23:01

@Diogenes: In hiesigem Strang stimme ich Ihnen partiell zu, was Naturverbundenheit und Volksmärchen als spirituelle Quellen angeht. Ihrer germanischen Fokussierung nicht so. Wenn "Ihre" Germanen so freiheitsliebend waren, ist doch vor allem interessant, was heute davon noch übrig ist. Die Blaupause für den modernen Nationalismus - das Streben nach Souveränität und Freiheit der Völker - sehe ich eher im jüdischen Volk. Der Auszug aus Ägypten ist eine Geschichte der Befreiung. Das ist kollektive Freiheit. Ich würde glattweg bestreiten, dass es bei Ihren Germanen so etwas wie individuelle Freiheit gab. Dass dem Einzelnen ein Wert zukommt, der nicht allein in seiner Stellung innerhalb der Gemeinschaft wurzelt, ist m. E. klar christlichen Ursprungs. 

Majestyk

5. Juni 2025 23:09

@ Diogenes:
Viele scheinen zu vergessen, daß die Christianisierung Europas auch nicht gerade ein friedlicher Prozeß war. Ich bestreite gar nicht die geistigen Einflüsse kirchlicher Denker, nur oftmals mußte Fortschritt den christlichen Kirchen abgerungen werden. Man kann die Wandlungsfähigkeit christlicher Kirchen zwar auch als Stärke werten, aber ihrer eigenen Zersetzung haben die europäischen Kirchen, insbesonders in Deutschland wenig entgegenzusetzen.
@ Gracchus:
Menschen verfolgen Menschen, immer im Namen einer Idee. Es ist ja auch nicht so als würden die Probleme der Welt wirklich vom Islam ausgehen. Hier geht es aber um Religion als identitäre Kraft um sich der Überfremdung entgegenzustellen. Und ob dies mit einer Religion möglich ist die alle Menschen als gleich erklärt darf bezweifelt werden. Darauf gründet doch auch die Logik, dem vermeintlichen Aussterben der Deutschen mit Zuwanderung begegnen zu wollen. Hauptsache es befinden sich genug Leute im Raum, Herkunft egal. 

Gracchus

5. Juni 2025 23:38

@Majestyk: Worauf wollen Sie denn bei der Erneuerung Europas bauen und hinaus? Auf Ethnozität? Was soll das für ein Europa sein, in dem alles Christliche getilgt ist? Das ist dann nicht mehr Europa oder das Abendland. 
Ich kann mit @Monika nur den Kopf schütteln über den Versuch, die christliche Geschichte rückgängig zu machen. Das erinnert ein bisschen an deutsche Theologen, die aus dem Christentum wiederum alles Heidnische, alles Platonische tilgen wollen. 
Man kann - und tut es ja - das Christentum ad acta legen. Für mich sieht aber eher Europa alt dabei aus, nicht das Christentum, das ja mit der Geburt eines Kindes ansetzt. 

Gracchus

6. Juni 2025 00:00

@Majestyk:
Wenn Sie das Thema so engführen, gebe ich Ihnen teilweise recht, aber nur teilweise. Als Europa noch christlich war, hatte es eine Identität. Das mit der Gleichheit stimmt so auch nicht. Wenn Sie mit traditionellen Christen sprechen, werden Ihnen diese schon sagen, dass Gläubige und Ungläubige nicht gleich sind. 
Das Christentum ist universell (katholisch) ausgerichtet, negiert aber nicht partikuläre Identitäten, im Gegenteil. Der Weg zum Universellen führt nur über das partikulare-besondere. Selbst Gott bekommt - flapsig gesprochen - eine individuelle Biographie, eine partikulare Identität. Die Nationalstaaten haben sich doch in eher noch christlicher Zeit gebildet. 

Adler und Drache

6. Juni 2025 00:04

@ dojon86
@Adler und Drache @ML  Es stimmt, das Christentum kann man heutzutage nicht mehr so ohne weiteres als identitäre Religion Europas bezeichnen.
Ich meine, das Christentum hat Europa geistig geformt, und ohne das Christentum wird Europa nur noch der Wurmfortsatz einer Kontinentalmasse sein - oder schlimmer, in den Maghreb eingemeindet werden. Der Atheismus in der uns bekannten Form ist auch europäisch (an sich aber allgemein menschlich: "Der Narr spricht in seinem Herzen 'Es gibt keinen Gott!'", Psalm 53,2). Ich will jetzt nicht herumhegeln, aber man kann speziell daran schon recht deutlich These und Antithese erkennen. 
Kurz und schlecht: Ich meine, mit dem Christentum wird Europa seine Identität verlieren, und eben deshalb meine ich, das Christentum ist die Identität Europas, trotz allem Bedenklichen und Verwerflichen, das gar nicht zu leugnen ist. Ich meine damit nicht die Staatskirchen, die sind die Totengräber des Christentums.  Aber vielleicht auch nur ein vorübergehendes Phänomen. Es sah schon oft schlecht aus, vielleicht sogar schlechter. "Wo aber Gefahr wächst, ist das Rettende auch."

Adler und Drache

6. Juni 2025 00:07

@ Gracchus
Hoffentlich bleibt der Strang noch bis nach Pfingsten offen. So viele Brocken, so viele Kommentare zum Abarbeiten. 
Stimmt, immerhin haben wir die Diskussion zum Wording "USA"/"VSA" hinter uns. 

Diogenes

6. Juni 2025 04:13

@Arkadier: Sie erwecken den Eindruck in Ihren Ausführungen das Chinesische Reich wäre ein einheitliches Gebilde gewesen. Die längsten Zeiträume war es ein Gebilde aus mehreren miteinander in Rivalität stehenden Reichen und wurde auch unterworfen (Mongolen) und einverleibt (anders als Japan, übrigens). Außerdem weisen die "Longhani"-Höhlen auch auf eine ältere Zivilisation hin, die nichts mit den chinesischen Menschen/Reichen der gängigen Chroniken zu tun hat (so wenig, wie das sog. Osireion etwas mit Ägypten zu tun hat), denn die selben Riffelungen in den Wänden, gibt es auch in unseren Gefilden, wo man einfach mangels Ahnung behauptet es wären irgendwelche Steinbrüche. Eigentlich müsste die gesamte Geschichtsschreibung, die sich mit dem Dogma des linearen Höherentwicklung über 12.000 Jahre begründet, infrage gestellt und einer gründlichen Revision unterworfen werden. Aber das ist ein anderes Thema. Identität (d.h. Zuordnung/Angehörigkeit) stiften kann nur das, was wie ein Baum mit Wurzel und Stamm durch Räume und Zeiten* empor gewachsen ist und mit seiner Krone den Sämlingen Sonnenschutz gewährt. Also ein gesundes Bewusstsein an das Altertum. 
 
*außerhalb des im Endlichen wurzelnden u. damit in "menschlichen" Maßstäben arbeitenden Gehirns, ist der Zeitbegriff nichts weiter als Bewegung von Kräften in Räumen (das meine ich auch mit: In Volksgeschlechtern/Generationen als zusammenhänge Wesenheit denken und nicht in Lebensspannen von Einzelpersonen).

Adler und Drache

6. Juni 2025 08:07

@ Gracchus
Die Diskussion um den christlichen Universalismus krankt leider auch hier allzusehr an oberflächlichen und halbgaren Schlagworten. Er ist überhaupt nicht anders denkbar denn als Ergänzung und Pendant zur ethnisch-kulturellen Ausprägung des Menschseins. Der islamische Universalismus ist Gegensatz zur Ethnokultur (Allah spricht Arabisch, der Koran kann nicht übersetzt werden), die jüdische Ethnokultur ist Gegensatz zum Universalismus, aber im Christentum geht beides eine sehr fruchtbare und wahrhaft fortschrittliche Verbindung ein. Hätte fast "Synthese" gesagt, wollte ja aber nicht rumhegeln.  

Valjean72

6. Juni 2025 08:46

Gracchus @Diogenes: "Wenn "Ihre" Germanen so freiheitsliebend waren, ist doch vor allem interessant, was heute davon noch übrig ist. Die Blaupause für den modernen Nationalismus - das Streben nach Souveränität und Freiheit der Völker - sehe ich eher im jüdischen Volk."
---
 
Unsere Vorfahren waren nicht allein Germanen, sondern im Süden und Westen auch Kelten und im Osten auch Slawen. (Darüber hinaus auch mit römischen und baltischen Einsprengseln). Diogenes führte ja nicht ohne Grund den Schwarzwald (Kelten) an.
 
Im Alten Testament (Tanach/Thora) kann ich nichts von Freiheit und Souveränität der Völker erkennen, sondern nur, dass eine Vielzahl von Völkern von den Israelitern vertilgt und Jahwe geopfert werden sollen.
 
Die drei monotheistischen Buchreligionen haben allesamt ihren Ursprung in der Wüste. Nur eine davon - das Christentum - hat geographisch und geistig/spirituell zumindest zu einem Gutteil die Wüste verlassen ...
 
 

dojon86

6. Juni 2025 09:04

@Umlautkombinat Sie haben gar nicht begriffen, worum es mir geht. Ehrlich ich sag's jetzt direkt. Ich liebe Europa, wie es demnächst gewesen sein wird. Ich liebe meine Nation, und meine Familie, und will, dass beide überleben. Ich schätze gotische und romanische Kirchen sowie die Kunstsammlungen des Vatikans. Die Beobachtung historischer Vorgänge hat mir gezeigt, dass Religion beim Überleben einer Gemeinschaft in der Krise, eine essentielle Rolle spielt. (Allen voran als Beispiel vorangestellt, die Juden) Im übrigen denken viele in diesem  SIN Forum genauso. Im Kern bin ich Agnostiker. Theologische und manche philosophische Diskussionen langweilen mich im günstigsten Fall und ärgern mich andernfalls. Mein Standpunkt ist, für ein Regiment ist die Fahne zur Symbolisierung der Einheit unerlässlich. Wenn sie einmal das Brimborium betrachten, das englische und französische Regimenter zum "Geburtstag" ihres Regiments betreiben, wissen sie das. Was auf der Fahne drauf ist, solange es nur schön und nicht allzu irrwitzig ist, ist mir letztlich wurscht. Und mein Rat an viele Rechte. Tote Traditionen künstlich wiederzubeleben ist letztlich Mummenschanz und funktioniert nicht. Wotan ist tot und bleibt es. Das Christentum ist nicht ganz tot und aus überlebenden Trieben kann man eine neue Pflanze ziehen.

Ingelore

6. Juni 2025 10:33

Man muß  scharf differenzieren zwischen gleich-wertig , gleich-würdig , gleich-berechtigt und gleich-artig. Leider  wird heute  alles in einen Topf geworfen , geschüttelt und dann bedient man sich seiner Argumentationsmuster ,  oft für eignennützige Ziele. Mann und Frau , sowie Nationalitäten sind nicht gleichartig,  bedingt durch verschiedene Kulturen, Religion , Geschichte, Temprament und Mentalität. Vor Gott sind alle Menschen gleichwertig , gleichwürdig und auch gleichberechtigt. Zu unterscheiden ist auch zwischen der Gerechtigkeit Gottes und unserem menschlichen Verständnis von Gerechtigkeit.  Gott verteilt seine  Gnaden gerecht und individuell  ,um alle Seelen zu retten und zu heiligen .Es liegt  in unserer Verantwortung und Freiheit , sie zu erkennen und anzunehmen. Auch  Opfer muss man differenziert betrachten .Der Mensch natürlicher Religiosität möchte durch ein Opfer etwas für sich  bewirken. Jesus am Kreuz offenbart ein vollkommenes, selbstloses Opfer aus höchster übernatürlicher Liebe. Das Christentum ist eine Offenbarungsreligion . Gott setzt eine offensichtliche äußere oder auch innerliche Ursache , damit der Mensch überhaupt zur Erkenntnis kommen kann. Das Auge kann auch erst im Licht sehen . Freude und Glück gehen der Erkenntnis wie ein Schatten hinterher ,nicht erst im Jenseits. Freude ist eingeistiges Geschenk auf dem Weg zu Gott  , sie läßt sich nicht zwingen  und auch nicht festhalten.
 

MarkusMagnus

6. Juni 2025 10:43

"Der Auszug aus Ägypten ist eine Geschichte der Befreiung. Das ist kollektive Freiheit."
@ Gracchus
Gibt es eigentlich für den Aufenthalt des jüdischen Volkes in Ägypten wissenschaftliche Beweise? Und kann es sein das sie nicht einfach dort -so wie fast überall- vertrieben wurden? Und dann haben sie die Geschichte angepasst? Ich denke da an die Vertreibung der Juden in heutiger Zeit aus Ägypten im Zuge der Lawon-Affäre. 
Es gibt ja -so viel ich weiß- auch keine  Beweise das Jesus je wirklich gelebt hat. Deswegen sind so alte Geschichten mit Vorsicht zu genießen. 

Umlautkombinat

6. Juni 2025 10:44

@dojon, gehen Sie doch erstmal davon aus, dass der Gegenueber begriffen hat. Das Zitat aus Ihrem posting ist doch klar und der zentrale Punkt. Was SIE jetzt nicht verstehen :) ist , dass es ueberhaupt andere Grundlagen fuer die Existenz einer Masse gibt als eine Fahne. Aus Ihrer Reaktion zu schliessen, ist das fuer Sie schon im Ansatz nicht im Vorstellbaren. Signifikant ist in diesem Kontext auch Ihr Abheben auf eine Gruppe (hier SiN).
Ich vertrete eine Meinung, die Evolutionaeres goutiert. Und Evolution benoetigt keine Fahne dieser Art. Sie hat viele Aspekte (gegebenenfalls auch Gruppendynamiken, s.o.). Sie kommt politisch uebrigens auch im Liberalen vor, und die Abneigung diesem gegenueber hier ist bei aller Verschiedenheit der Themen m.E. wesentlich dadurch bestimmt. Misstrauen gegenueber Entwicklung und Existenz ohne eine uebergeordnete Macht, damit verbunden die Rolle des Individuums. Sei es Gott oder - ebenfalls oft hier auffallend - schon der Staat. Ich brauche das so (Rollen als Werkzeug etc. aussen vor) wie einen Kropf - und andere Leute auch. Nur ist es noch nie gelungen, genug auf einem Level an Selbstorganisation zu haben, dass sie durchschlagend wirksam werden konnten. Deswegen, ja, wird es wohl wieder neue Religionen und Ideologien geben. Das heisst aber ueberhaupt nicht, dass man das moegen und fuer irgendeine Art unverrueckbare conditio humana halten muss.

FraAimerich

6. Juni 2025 10:58

@Gracchus  -  Ihren wohlwollenden Blick auf den "Auszug aus Ägypten" würde man einem "germanophilen Deutschtümler" im umgekehrten Fall keinesfalls durchgehen lassen. Zumindest würde man aufgeklärt darauf verweisen, daß es sich lediglich um eine Gründungslegende handelt, für die es keine historischen Nachweise gibt. Da hätten Germanenfreunde mit Arminius und der Varusschlacht in Sachen "Befreiungsnationalismus" im Zweifel deutlich mehr zu bieten.
 
Versuche, die "christliche Geschichte rückgängig zu machen", wären grotesk und aussichtslos dazu. Aber Europa steht heute unausweichlich vor der Notwendigkeit, das von ihm geistige geformte Christentum - mit Hegel gesprochen - "aufzuheben". Da ich nichts und niemanden sehe, der Substanz, Kraft oder auch nur den Willen dazu mitbrächte, wird man den Dingen als Westeurasier wohl ihren traurigen Lauf lassen müssen. Kryptokabbalisten mit subversiven Neigungen können versuchen, sich als neue Dönme aufzustellen. Herzenschristen wären in der Orthodoxie ohnehin besser aufgehoben als in der Westkirche - und hätten da auch einen besseren Stand gegenüber dem europäischen Islam.
 

Adler und Drache

6. Juni 2025 11:13

@ Valjean72
Die drei monotheistischen Buchreligionen haben allesamt ihren Ursprung in der Wüste.
Je nun, was sagt das? Eigentlich gar nichts, oder? Genausowenig, wie wenn man sagen würde, die germanischen Kulte hätten ihren Ursprung im Sumpf. Außerdem stimmt es nicht. Zur Zeit Christi war das Land Israel längst in die hellenistische Ökumene integriert. Jesus war kein Wüstenprediger - wie etwa Johannes der Täufer -, seine Welt war die der Kleinstädte, Dörfer und Jerusalems. 
Wirft aber kein uninteressantes Licht auf die Versuchungsgeschichte, die ja in der Wüste stattfand (welche Jesus dann hinter sich ließ) ... 

Ingelore

6. Juni 2025 11:33

Als ich in der Fastenzeit an sämtlichen kirchlichen Ritualen wie Fasten ,  Kreuzweg , Kreuzverehrung ,Karfreitagslithurgie teilgenommen habe und die so unterschiedlichen  Menschen um mich herum betrachtete , fragte ich mich , warum tun sie sich das freiwillig an? Es ist für viele ein Opfer das erbracht wird  für das , was sie bereits bekommen und im Glauben angenommen haben.          September  1933 , es war gleichzeitig das Jahr des Ermächtigungsgesetzes und des Reichskonkordates , sind 2 000 000 Menschen nach Trier gepilgert , um den heiligen Rock(Gewandt Christi) zu verehren, der im Dom zu Trier öffentlich ausgestellt worden war. Ich habe darüber Filmsequenzen einer Dokumentation gesehen.Es war außerdem ein Heiliges Jahr . Diese Pilgerreise war mit einem Generalablass verbunden , den die Kirche in jedem Heiligen Jahr erteit. Welch ein logistischer Aufwand , die Züge kamen im zehn Minuten Takt am Bahnhof an, tausende Menschen standen stundenlang in der Schlange oder knieten nieder(und das ,obwohl die Bibel voller Widersprüche und Paradoxien ist) Warum? Hat man sie gezwingen , unter Druck gesetzt oder mit der Hölle gedroht? Natürlich gibt es auch den Geist des das Bösen , den Verwirrer , den Spalter, den Widersacher  , der ohne Unterlass den Menschen den Glauben rauben möchte und sein Unwesen treibt., insbesondere heutzutage und in der Kirche. Das muß man wissen ! Die Kirche ist eine streitende Kirche doch die "Pforten der Hölle werden sie nicht überwältigen " math . 16, 18

Rheinlaender

6. Juni 2025 11:49

@Diogenes
Wie an anderer Stelle schon bemerkt wurden, gehen die Deutschen ethnisch-biologisch nicht nur auf südgermanische Stämme, sondern auch auf keltische und slawische sowie (in wesentlich kleineren Teilen) auch auf römische und jüdische Elemente zurück. Das anzuerkennen bedeutet nicht, postmoderne Ideologie zu übernehmen, die behauptet, dass es Germanen etc. gar nicht gegeben habe und Herkunft keine Rolle spiele.
Abraham mag als jüdischer Mythos entstanden sein, der aber seit mindestens 1500 Jahren unter Deutschen bzw. ihren Vorfahren wirkmächtig ist, weil nun einmal eine reale geistige Linie von diesem Mythos zu der Religion besteht, die die deutsche Kultur wie keine andere geprägt hat. Natürlich kann man diese Wurzel deutscher Identität ablehnen, aber die daraus resultierende Vorstellung von Deutschtum wäre dann ein künstliches Produkt, das nicht der historisch gewachsenen Identität entpräche.
Germanische Mythen gehen in wesentlichen Teilen übrigens auch nicht auf das Siedlungsgebiet der Germanen zurück, sondern sind indoeuropäischer und ggf. noch älterer Herkunft (es gibt da faszinierende neuere Forschung) und kommen somit u.a. aus den Steppen West- und Zentralasiens.
Dass vor allem der Katholizismus ein „Selbstbedienungsladen“ ist, stimmt aber im Grunde. Es gibt die katholische Vorstellung, dass alles, was Wahr, Gut und Schön ist, letztlich von Gott kommt und somit einen Platz im Katholizismus verdient, egal ob es ägyptisch, jüdisch, mesopotamisch oder germanisch und keltisch ist.

Rheinlaender

6. Juni 2025 11:50

@Valjean72
Das Christentum war schon an seinem Ursprung keine „Wüstenreligion“. Es entstand in Galiläa, das bzgl. Klima und Vegetation derselben mediterranen Zone angehört wie z.B. Südfrankreich. Im mediterranen Raum hat sich das Christentum dann auch in den ersten Jahrhunderten wesentlich entwickelt, wobei die einwirkenden Impulse dabei m.E. weniger vom Naturraum ausgingen, sondern v.a. von griechischer und römischer Kultur.

Rheinlaender

6. Juni 2025 11:50

@RMH
Danke für die Korrektur bzgl. „Wüstung“. Sie haben Recht; ich streiche den Begriff.

Rheinlaender

6. Juni 2025 12:09

@Diogenes
P.S. Auch für die interessanteren völkischen Autoren waren Religion, Kultur, Mythos etc. ein "Selbstbedienungsladen". Denen war der indoeuropäische Ursprung von Germanen, Kelten etc. klar, und sie griffen bei ihrem Versuch, deren Religion zu rekonstruieren und weiterzuentwickeln, vor allem auf die Erkenntnisse von Indologen zurück, weil die indoeuropäischen Migrationsbewegungen in der vedischen Religion sehr alte schriftliche Spuren hinterlassen haben.

Majestyk

6. Juni 2025 12:59

@ Gracchus:
Wo habe ich geschrieben, daß ich mir die Tilgung des Christentum wünsche? 
Gesellschaftlichen Einfluß haben nicht Ihre traditionellen Christen, sondern Institutionen und die sind nicht Teil der Lösung. Wobei die Kirchen m.E. nicht Verursacher der Probleme sind, sondern Veränderungen von außen in die Kirchen flossen, so z.B. eine neue Sexualmoral seit den 60ern. Die traditionellen Christen hindert niemand in ihren Kirchen die Stimme zu erheben oder sich in einer neuen Kirche zusammenzufinden.
Was gegen die moderne Kulte wie Feminismus, Klima, Industriefeindlichkeit, Fremdenliebe, Gender, Veganismus hilft? Ganz sicher kein anderer Glaube, doch wohl eher die Rückbesinnung auf langweilige Vernunft.
Mit langweiliger Vernunft erkennt man, daß der Klerus eine wichtige Säule mittelalterlicher Feudalstruktur war und Menschen davon abhielt selbstständig zu denken, auch nie gegen das Prinzip der Leibeigenschaft aufbegehrte. Klostergüter benötigten ja selber Leibeigene. Das Leben unterm Kreuz wurde für die meisten erträglich als vernunftbetonte Menschen anfingen den weltlichen Einfluß der Kirchen in Frage zu stellen. Religion ist schön und gut solange sie Privatsache ist. Man kann den christlichen Glauben unmöglich von den Institutionen trennen die dieser hervorgebracht hat.
Im Übrigen entstanden die modernen Nationalstaaten nach 1789 also im Zug der Aufklärung, der Industrialisierung und der Entstehung einer anderen Wirtschaftsordnung. Vorher hieß es noch "L'État, c'est moi!“

Arkadier

6. Juni 2025 13:32

@Diogenes 6. Juni 2025 04:13 und @dojon86 5. Juni 2025 16:22Ich möchte hier keine Diskussion über Chinas politische Geschichte starten und damit am Thema vorbei reden. Mir geht es darum, dass es offensichtlich eine Alternative zum abendländischen Imperium gibt, das sich scheinbar zwangsläufig auf Monotheismus stützen muss, um nach innen zu konsolidieren und nach außen seinen Einfluss auszudehnen. Die einzige übergreifende Religion der Chinesen war schon immer die Ahnenverehrung. Die Versuche, den Buddhismus als Staatsreligion zu etablieren, endeten allesamt in Fiasko.Stattdessen wählten die Chinesen den Konfuzianismus, eine Soziallehre und keine Religion, als die staatstragende Ideologie.  Darin geht es ausschliesslich um die persönliche Leistung, die einen sozialen Aufstieg ermöglicht, unabhängig von der sozialen Herkunft, und um das Funktionieren einer Gesellschaft. Kurz: es geht auch ohne Religion als Exoskelett eines Staates.

Gracchus

6. Juni 2025 15:27

@Valjean: Ich schrieb auch vom jüdischen Volk bzw. den Israeliten. Diese strebten nach Land, über das sie souverän herrschen konnten, und wandten sich gegen Fremdherrschaft. Die Parallelen zu neuzeitlichen Nationalisierungen liegen m. E. auf der Hand. 
Was Sie über die Wüste sagen, erschließt sich mir in dem Kontext nicht. Womöglich ist die Wüste der Ort, die in besonderer Weise dazu geeignet ist, dem einen Gott zu begegnen. Meister Eckhardt empfiehlt, die innere Wüste aufzusuchen, um Gott zu begegnen. "Wir" haben unseren (ehemals?) schönen Wald.   

Gracchus

6. Juni 2025 15:37

@Umlautkombinat: Ich glaube zu verstehen, was Sie meinen, teile aber nicht unbedingt die Prämisse. Es ist ja nicht gesagt, dass der Glaube oder Transzendenzvorstellungen den Weltzugang versperren. Bereits in der mittelalterlichen Philosophie fand eine Bewegung ad res statt, also die Dinge nicht nur als Symbol Gottes (oder des Teufels) zu betrachten, sondern in ihrem Sosein. Manche sehen darin freilich bereits ein Abfall und erste Schritte hin zur Säkularisierung. Zweitens meine ich, dass jeder Weltzugang sozial vermittelt ist. 

RMH

6. Juni 2025 16:38

Um als erster das Niveau-Limbo zu eröffnen, hänge ich die Stange gleich einmal ein paar Meter tiefer:
Man kann als Mensch, im Gegensatz zu Essen & trinken, atmen etc, auch sehr gut & glücklich ohne bumsen leben, aber irgendwie fehlt dem Durchschnittsmensch da etwas, insbesondere, wenn er die Erfahrung nicht einmal wenigstens kurzzeitig machen konnte, und so ähnlich verhält es sich mit der Religion. Irgendwas scheint beim Menschen als Anlage da zu sein und die Biologen würden sagen, dieses etwas hat dem Menschen einen evolutionären Vorteil eingebracht (evtl. weil es Gruppen als Ganzes überlebensfähiger gemacht hat, einzelne, Achtung, Modewort, resilienter etc.  ... ich spekuliere)
Interessant finde ich daher Versuche, wie Sie bspw. M. Houellebecq mit dem Katholizismus unternommen hat, aber Ende ist eben kein "Funke" übergesprungen und er bleibt aufs diesseitige mit seinen irdischen "Wonnen" beschränkt.

Eo

6. Juni 2025 16:47

Wo hier letztens die Wüste als Ursprungsort bzw. Urgrund der abrahamitischen oder Eingott-Religionen ins Spiel gebracht wurde, möchte ich auch mal einen Aufschlag machen.
Und zwar kurz und knackig;
also etwa so:  Wüstengötter taugen nicht für Waldländer !

Valjean72

6. Juni 2025 18:48

Adler und Drache: "Genausowenig, wie wenn man sagen würde, die germanischen Kulte hätten ihren Ursprung im Sumpf."
---
 
Die Idee, die mythische Welt der Germanen auf Sümpfe zu komprimieren/reduzieren, hat mich jetzt tatsächlich überrascht, da mir dieser Ansatz vollkommen abwegig und auch spöttisch erscheint.
 
Der Ursprung südlich-germanischer, keltischer, mithin mitteleuropäischer Mythen und Kulte war der dichte Urwald Mitteleuropas.
 
Insofern kam es nicht von ungefähr die Deutschen als Waldmenschen aufzufassen.
 

brueckenbauer

6. Juni 2025 19:21

Der "Fels des Glaubens" ist die Sehnsucht nach einer allgemeinen Vergebung aller Schuld, verbunden mit der begründeten Vermutung, dass eine solche Vergebung nicht zu haben sein wird, ohne dass irgend jemand anders sich stellvertretend als Opfer aller menschlichen (vielleicht auch göttlichen) Vergeltungsbedürftigkeit zur Verfügung stellt. Wenn man die Sache so anpackt, spielen Lichtmesz' Überlegungen keine so große Rolle.

Valjean72

6. Juni 2025 19:29

@Rheinländer:
Dass Juden bei der Genese des deutschen Volkes mitwirkten, erachte ich für einen Mythos.
 
@Gracchus: "Womöglich ist die Wüste der Ort, die in besonderer Weise dazu geeignet ist, dem einen Gott zu begegnen."
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Ich gehe vom Prinzip aus, dass die Umgebung, in welcher ein Mensch aufwächst, Einfluss auf seine seelische Verfasstheit hat (das Sein bestimmt das Bewusstsein). Und ebenso meine ich, dass die historische, naturräumliche Umgebung eines Volkes massgeblichen Einfluss auf dessen Mythen, Kulte, Traditionen, Bräuche und auf den Volkscharakter hat.
 
So glaube ich nicht, dass Muslime allein aufgrund des Islam sind wie sie sind, sondern dass Wüstenstämme einen Glauben angenommen hatten, der schon vorher ihrem Sein entsprach und aus diesem erwuchs. 
 
Die Wüste ist eine bedrohliche, lebensfeindliche Umgebung und so verwundert es sich nicht, dass sowohl Allah als auch Jahwe erbarmungslose, herrsch- und rachsüchtige Götter sind.
 
13) darum, so spricht Gott der HERR: Ich will meine Hand ausstrecken gegen Edom und will von ihm ausrotten Menschen und Vieh ...
(Hesekiel 25)
 
Für mich persönlich manifestert sich Gottes Schöpfung am spürbarsten in einem möglichst natürlichen, mitteleuropäischen Mischwald.

Gracchus

6. Juni 2025 21:20

@Fra Aimerich: Für meine These spielt ja keine Rolle, ob Legende oder nicht. Auch Legenden können historisch wirksam sein und als Vorbild und Form dienen. Wenn man hingeht und die Form mit eigenen germanischen Legenden füllt, stärkt dies eher meine These. 

Ingelore

6. Juni 2025 21:49

1.Mose und Aron haben das Volk Israel von der Sklaverei befreit und führte es durch die Wüste , damit es in das Gelobte Land  gelangen kann , dort , wo Milch und Honig fließen. Auf dem Weg gab es einige bemerkenswerte Stationen-  das Manna , das vom Himmel regnete , die tägliche Nahrung für das Volk ,das Rote Meer , das sich teilte , damit es unbeschadet hindurchgehen konnten ,drei Tage gingen sie durch die Wüste Shur, konnten aber kein Wasser trinken , weil es bitter war.Sie schufen sich aus Verzweiflung  einen Götzen , um ihn anzubeteten, das goldene Kalb , trafen auf den brennenden Dornbusch durch den Gott sprach. Sie fanden  Wasser, das aus dem  Felsen kam , wenn Moses die Hände nach oben richtete , dann erhielt Moses die Steintafeln mit den zehn Geboten. Die Wüste beschreibt unser Leben auf der Erde , wo wir natürlich Gott begegnen können , vielleicht aber auch nicht. Der Mensch , durch seinen Hochmut aus dem Paradis gefallen und durch die Erbsünde belastet lebt so gesehen in der Sklaverei , aus der nur Jesus ihn bereien kann. In der Welt ernährt er sich von dem , was Gott ihm gibt , aber immer mit der Tendenz ,sich fremde Götter zu schaffen und sie anzubeten. Das rote Meer , das sich teilt sind die übernatürlichen Gnaden , die Gott auf dem Lebensweg schenkt. Die erhobenen Hände sind die Gebete , auf die der Herr mit dem Wasser der Taufe antwortet um uns eine neue Natur im Geiste anzubieten.
 

Ingelore

6. Juni 2025 22:21

2. Der brennende Dornbusch , durch den Gott zu uns ruft sind die Nöte und Krisen , die zur Umkehr bewegen sollen. Die Steintafeln stehen für unser Gewissen ,unsere  moralische Orientierung , darin sind  die zehn Gebote eingraviert. Der Bittersee in der Wüste Shur begegnet uns in den vielen falschen Entscheidungen ,die wir treffen ,die jedoch unseren Durst nicht wirklich stillen können. Das Gelobte Land ist das Ziel , die ewige Glückseligkeit , dort , wo die Seele die wahre Heimat in Gott findet. Es gibt also viele Stationen auf dem Weg durch die Wüste um ihm zu begegnen . Moses weist auf Jesus hin , der kommen wird , um den Menschen in die wirkliche Freiheit zurück zu führen , durch den Heiligen Geist , den er uns Pfingsten senden wird. Soweit mein kleiner Ausflug in die Wüste. Ich bin sicher , dass das Volk Israel diesen Weg wahrhaftig gegangen ist und meine das nicht nur symbolisch. Und dieser Weg ist schön und reine Freude , auch wenn es sich mal eng und äußerst kritisch anfühlen mag.Ich wünsche frohe Pfingsten!

Gracchus

6. Juni 2025 22:46

Ich komme bei der ganz Diskussion zu dem Schluss: Entweder man glaubt oder man glaubt nicht. Ich hoffe und bete zwar, der allmächtige Gott möge sich uns Deutschen erbarmen und die Verblendung von uns nehmen. Aber man kann ja nicht sagen, man glaubt, weil man das als nützlich für die deutsche oder europäische Identität erachtet. Was heißt denn Glauben? Was meint denn Jesus, wenn er zu Geheilten sagt, sein Glaube habe ihn gerettet? Das Glaubensbekenntnis von Nicäa? Mir käme das, pardon, etwas albern vor, selbst wenn man "implizit" davor setzt. Ich übersetze Glauben einfach mit Gottvertrauen - und behaupte, dies trägt jeder in seiner Seele. Man muss nur Zugang zu seiner Seele finden. Es heißt aber, daß EU-Europa habe seine Seele verloren. 

Gracchus

6. Juni 2025 23:06

@Fra Aimerich: So recht weiß ich nicht, worauf Sie mit Hegels dreifacher Aufhebung hinauswollen. Ist diese Aufhebung nicht in vollem Gang und, falls ja, ein generationenübergreifendes Projekt. Nur ist kein Konsens zu erzielen, was bewahrt werden soll. Die geistig-seelische Disposition scheint auch nicht vorhanden. Es bedürfte dazu der Verbindung naivsten Glaubens mit höchster Gnosis. Vergleichbar ist das mit dem, was Kleist im Marionettentheater als Problem beschreibt. Im Augenblick der Reflexion ist die naive, natürliche Anmut dahin. Ähnliches Thema bei Spaemann: Spontaneität und Reflexion. Wir sitzen in der Hölle der Reflexion. 

dojon86

6. Juni 2025 23:28

@Umlautkombinat Ich sehe , dass sie offensichtlich auf anderen Schienen denken als ich. Ich lebe in einer westlichen Großstadt. Ich sehe, dass die autochthone Bevölkerung unweigerlich Minderheit wird, das es bei der autochthonen Bevölkerung kaum mehr intakte Familien und kaum Kinder gibt. Ich sehe, dass das bei meinen moslemischen Nachbarn anders ist. Ich frage mich, wie kann mein Volk sein  Selbst bewahren. Das interessiert mich. Das sollte jeden Rechten interessieren. Ich sehe bei ihnen keine Antwort auf diese Frage. Die Fragen, mit denen sie ringen, haben ihre Berechtigung, aber sie interessieren mich wenig und ich zweifle daran, dass sie interessiert, was mich bewegt. In diesem Sinne war der Meinungsaustausch trotzdem interessant.

Monika

7. Juni 2025 08:24

@ Majestyk 18:52 ok die ersten Christen begannen auch als kleine Gruppe, wenn man so will, als Sekte. Diese Sekte schaffte es im 4 Jahrhundert immerhin zur Staatsreligion und breitete sich über Europa weltweit aus. In Europa verschwindet das Christentum. Mit dem Verschwinden des deutschen Volkes schwindet auch die christl. Volkskirche. Der Islam konstituiert sich u. füllt die Lücken. Welche im weitesten Sinne religiöse Erneuerung den Deutschen wieder Hoffnung über ein rein materielles Leben hinaus gibt ( Schlechtestes Argument: Wir kriegen keine Kinder, weil die zu teuer sind), wird sich zeigen. Ob heidnische Lebensbejahung, eine christliche Erneuerungsbewegung,  eine christliche-muslimische Mischreligion usw. wird sich zeigen. Ein überaltertes Volk hat jedenfalls keine Zukunft. Und fürs Altersheim braucht es nicht  viele Priester. 

Monika

7. Juni 2025 09:12

@ Majestyk 18:52 ok die ersten Christen begannen auch als kleine Gruppe, wenn man so will, als Sekte. Diese Sekte schaffte es im 4 Jahrhundert immerhin zur Staatsreligion und breitete sich über Europa weltweit aus. In Europa verschwindet das Christentum. Mit dem Verschwinden des deutschen Volkes schwindet auch die christl. Volkskirche. Der Islam konstituiert sich u. füllt die Lücken. Welche im weitesten Sinne religiöse Erneuerung den Deutschen wieder Hoffnung über ein rein materielles Leben hinaus gibt ( Schlechtestes Argument: Wir kriegen keine Kinder, weil die zu teuer sind), wird sich zeigen. Ob heidnische Lebensbejahung, eine christliche Erneuerungsbewegung,  eine christliche-muslimische Mischreligion usw. wird sich zeigen. Ein überaltertes Volk hat jedenfalls keine Zukunft. Und fürs Altersheim braucht es nicht  viele Priester. 

Le Chasseur

7. Juni 2025 10:10

@Valjean72"Dass Juden bei der Genese des deutschen Volkes mitwirkten, erachte ich für einen Mythos."
Sehe ich genauso. Hier findet man einen guten Überblick (leider auf Englisch):
The Origins & Migrations of the Germanic peoples

Rheinlaender

7. Juni 2025 10:35

@ EoDer Satz „Wüstengötter taugen nicht für Waldländer!“ stammt aus der unreflektiertesten Form völkischen Denkens, das noch nicht zur Kenntnis genommen hat, das die religiösen Vorstellungen von Germanen und Kelten indoeuropäischen Ursprungs sind. Auf Ihr Bild übertragen bedeutet das, dass die Germanen Steppengottheiten verehrt haben. Warum aber sollten diese grundsätzlich besser zu den Wäldern Nord- und Mitteleuropas passen als solche, die meditteranen Ursprungs sind?
@ Valjean72„Der Ursprung südlich-germanischer, keltischer, mithin mitteleuropäischer Mythen und Kulte war der dichte Urwald Mitteleuropas.“Nein, die erwähnten Mythologien entstanden im Wesentlichen in den Steppen nördlich von Kaukaus und Kaspischem Meer und wurden vor ca. 7000-5000 Jahren von indoeuropäischen Reitervölkern nach Europa hineingetragen, die die Völker Europas bis heute nicht nur ethnisch-biologisch, sondern auch kulturell prägen.Auch die davor in Europa ansässigen Kulturen entstanden nicht in „dichten Urwäldern“, sondern unter den Bedingungen der letzten Eiszeit und der darauf folgenden Tundra.
Was die Juden angeht: Auch jene, die versuchten die Juden in Deutschland zu vernichten, mussten anerkennen, das diese meist ethnisch nicht mehr eindeutig von Nichtjuden abzugrenzen waren, weil es in den Stammbäumen der meisten Deutschen auch Menschen jüdischer Abstammung gibt.

Rheinlaender

7. Juni 2025 10:40

@Valjean72
"Für mich persönlich manifestert sich Gottes Schöpfung am spürbarsten in einem möglichst natürlichen, mitteleuropäischen Mischwald."
Das ging vermutlich auch den Schöpfern der gotischen Kathedralen so, was aber vermutlich nicht mit der Herkunft des jeweiligen Gottesbildes zu tun hat, sondern damit, das jeder Naturraum spezifische Transzendenzerfahrungen ermöglicht. In dem Zusammenhang finde ich es interessant, das Astronauten von intensiven religiösen Erfahrungen z.B. beim Betrachten der Erde aus dem Weltraum, beim Betrachten der Sterne oder beim Betrachten von Gebirgslandschaften auf dem Mond berichteten.

Umlautkombinat

7. Juni 2025 10:55

Wie ich immer mal erwaehne - ich bin ja kein Rechter, @dojon. Aber klar, natuerlich interessiert mich das auch. Ich habe eher einen Volksbegriff aus dem Bauch, der speziell mit Diskussionen wie oft hier gefuehrt wenig anfangen kann. Der ist aber dafuer ziemlich stabil und im obigen Punkt der Verdraengung in Uebereinstimmung mit der Meinung hier.
 
Zum "moslemischen Nachbarn" moechte ich noch hinzufuegen, dass der implizite Schluss auch ein non sequitur enthaelt. In der Situation heute und hier gibt es nicht nur inherente Eigenschaften einzelner Religionen die diese befoerdern, sondern auch die ganz direkte "Wettbewerbsungleichheit", die den Islam hier in spezieller Form staerkt. Jeder weiss, dass "Inklusion", "Toleranz", "Respekt" usw. usf. nur ganz bestimmte Verwendungen zulassen die letztlich immer und mit nie gelockertem Griff zu Lasten einer und nur einer Gruppe fuehren, die seltsamerweise genau dem Volksbegriff von oben entspricht. 
 
Ich halte diese Entwicklung aber nicht zwingend der Abwesenheit einer eigenen Religion geschuldet. Abwesenheit eigenstaendigen Denkens genuegt. Der Raum, in dem dieses [nicht] stattfindet und sich austauscht und organisiert ist derselbe, der immer wieder von genannten Ideologien oder Religionen besetzt wird. Insofern ist dort mehr als "NICHTS". Und das reicht m.E. nicht nur aus, sondern ist die zwingende Art und Weise, weiterzukommen. Scheitert aber an der Anzahl der Traeger dieser Art Denkens. 
 
 
 

Rheinlaender

7. Juni 2025 11:02

@Gracchus
Sie treffen m.E. den entscheidenden Punkt. Glaube, definiert als die Akzeptanz der Existenz des Übernatürlichen, wird dem Menschen gegeben und kann von diesem nicht selbst erarbeitet werden. Bei den Fällen, die ich kenne, war Glaube das Ergebnis einer sehr individuellen religiösen Erfahrung, die nach einer Zeit religiöser Suche eintrat.
Es scheint bestimmte Faktoren zu geben, die diese Suche unterstützen: Neben der geistigen Auseinandersetzung mit religiösen Fragen z.B. Stille, Einsamkeit, durch sonstige Deprivation (etwa Fasten) erzeugte körperliche Grenzzustände sowie bestimmte Natureindrücke, etwa Berge, Wüsten, Wälder, Ozeane oder der Nachthimmel. Nur aus der Literatur kenne ich Beispiele die berichten, das extreme Notlagen und der totale Verlust aller materiellen Güter solche Erfahrungen begünstigt hätten.
Wenn man keinen Glauben hat, empfiehlt die Bibel, Gott um dieses Geschenk zu bitten: "Bittet und es wird euch gegeben; sucht und ihr werdet finden; klopft an und es wird euch geöffnet!" Bei den erwähnten Fällen erfolgte die Antwort z.T. auf eine erschütternde, unerwartete, radikale, die gesamte Existenz verändernde Weise.

Gustav

7. Juni 2025 11:06

Für die Konstituierung des von der religiösen Sphäre abgesonderten Politischen hat sich der Ansatz des Naturrechts als wirksam erwiesen, der von der Eigengesetzlichkeit des Weltlichen ausgeht und deshalb die Rezeption der Argumentation heidnisch-antiker Experten des Politischen erlaubt und notwendigerweise zur Anerkennung des Staaten- und Völkerpluralismus als legitim führte. Während Alanus Angelicus 1230 diesen Staatenpluralismus positivistisch noch damit begründet hatte, daß der Papst die Teilung der Menschheit in regna (divisio regnorum), den Digesten (1,1,5) entsprechend, approbiert habe, ging der aus der Schule des Thomas v. Aquin kommende, aristotelisch argumentierende Johannes Quidort (Johannes von Paris) 1302 bereits davon aus, daß das Königtum das Gemeinwohl der natürlichen politischen Gemeinschaft am besten wahre, da eine Weltmonarchie der natürlichen Verschiedenheit der Völker, ihrer Lebensbedingungen und ihrer Kultur nicht gerecht werden könne. Deshalb müsse es mehrere Reiche geben, während die Universalität strikt spirituell zu verstehen sei. Spätestens seit dem15. Jahrhundert sind an Universitäten und auf kirchlichen Konzilien die nationes als legitime politische Einheiten anerkannt, die den jeweiligen Fürsten mit der Sprachgemeinschaft zur Wahrung des bonum commune der patria communis verbinden.

Rheinlaender

7. Juni 2025 11:39

P.S. Ich kenne auch Fälle, in denen ein gewisses Heidentum die Vorstufe für die eigentliche Gotteserfahrung darstellte. Ein Jäger berichtete etwa, das er einmal versucht habe, auf Wild durch Horchen auf die Geräusche des Waldes zu erkennen. Nachdem er sich eine Zeit lang auf diese Geräusche gehört hatte, habe sich sein Bewusstseinszustand verändert, und er habe sich als eins mit der Natur wahrgenommen und dies religiös gedeutet, d.h. er ging im Sinne heidnischer Vorstellungen davon aus, dass die Natur eine transzendente Macht darstelle, mit der der Mensch zu seinem Wohl eine Verbindung aufbauen könne. Die Gottesbegegnung (konkret eine Christusbegegnung) geschah wenig später und unterschied sich von der ersten Erfahrung, weil Gott hier als übernatürliche und persönliche Realität erkennbar wurde.

RMH

7. Juni 2025 11:50

I. In den Grundaspekten erscheint mir das, was als germ. Religion, im wesentl. auf Basis nord. Quellen, die erst zu Zeiten, als es das Christentum schon gab & auch noch von Mönchen niedergeschrieben wurde, als nicht spezifisch "deutsch". Das erkannten auch alle, die sich schon früher damit beschäftigt haben. Die Parallelen zum griechisch-römischen Pantheon erschienen allen  eindeutig zu sein, nicht ohne Grund haben dann einige eine Art von Wotanismus, einige auch einen Irminenglauben, als deutsch-spezifischer formuliert, auf absolut dünnster Quellenbasis, oft eher auf Basis von etwas, was heutige Esoteriker als "Channeling" bezeichnen würden. Die als Arbeitsthese formulierten Indogermanen kamen auch nicht unebdingt aus dem Wald. Von dem wenigen, was wir über die Römer wissen, gab es hl Wälder bei den Kelten, bei den Germanen dann schon eher Haine & einzelne Bäume. Das im alten Ger die Landschaft überwiegend Wald & in der Tat auch Sumpf war, lag nicht an der Wald- & Sumpffreundlichkeit der Germanen, sondern an ihrer geringen Bevölkerungsdichte, die eben nur wenige "Rodas", "Rupps", "Rieds" & "Reuths" ermöglichten. Wenn man D mit den Teilungen nach Karl dem Großen beginnen lässt, dann ist das Christentum eindeutig die dt Leitreligion.

RMH

7. Juni 2025 12:02

"Wie man die Missionierung z.B. der Sachsen durch Feuer und Schwert aus christlicher Sicht als Akt der Befreiung betrachten kann ist mit ein Rätsel."
@Majestyk, ich habe weiter oben schon einmal versucht, mit dem Hinweis auf die integralen, "traditionalen" Gesellschaften dies zu erklären. Sie bewerten nach heutigen, modernen Maßstäben. Das C. war integraler Teil von Karls Reich, das Heidentum integraler Teil der Sachsen. Wer über den anderen Herrschen will, der oktroyiert ihm damit auch den Glauben auf. Es waren eben - abseits der bereits damals existierenden Propaganda - gerade keine "Missionskriege" oder wie wir uns das heute vorstellen sondern ganz normale Kriege um Herrschaft, Macht & Imperien bei denen entweder die einen sich unterwarfen (einschließlich Glauben) oder starben oder fliehen mussten. Wer ohne das Schwert missionierte, der lief schnell Gefahr zum Märtyrer zu werden. Ich predige damit jetzt kein Verständnis & relativiere nichts, man sollte aber schon versuchen, sich in damalige Zeiten hinzudenken. Das, nachdem das Schwert die Grundlage geschaffen hat, christliche Priester & Mönche es als "Befreiung" der Menschen darstellten, liegt in der Natur der christl Glaubenswelt. Die Leute bekamen den Weg zum "Heil" eröffnet & die, die fielen, bekamen nach damaliger Vorstellung von Jesus auch im Jenseits noch die Möglichkeit, sich zu bekehren. Damit wird die Pille einfacher geschluckt.

Gustav

7. Juni 2025 12:13

Die weltgeschichtliche Besonderheit des westlichen Europas und dessen wissenschaftlich- technische Erfolgsgeschichte als Kehrseite des Nationalstaatsgedanken in der Moderne gehen also darauf zurück, daß der Universalismus religiös und damit ethisch-spirituell aufgefaßt wurde und sich damit einhergehend das eigentlich Politische im weltlichen Partikularismus der Nationalstaaten entfalten konnte. Vereinfacht gesagt, wurde damit der jüdische Anteil des Christentums, etwa die Vorstellung „Kinder Abrahams“ zu sein, zumindest in den politischen Konsequenzen ins Metaphorische abgeschwächt oder politisch im Verständnis eines - jeweils - auserwählten Volks lediglich partikularistisch rezipiert (wenngleich dann eine Weltmachtlegitimation angelegt war). Dieser politische Partikularismus hat gleichzeitig die über den hellenistischen Ausgangspunkt des Christentums ererbte altgriechische Konzeptiondes Politischen, wozu nicht zuletzt die Demokratie - und die rationale Kritik an ihr - zählt, in der Neuzeit wieder zum Durchbruch verholfen.
https://etappe.org/media/pdf/BRDRelig3rev.pdf

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