Stöbern im Spiegel-Archiv (Fundstücke 7)

Bei der Recherche zu meinen letzten Fundstück stieß ich auf das mir in seinen Dimensionen bisher unbekannte Archiv des Spiegels, ...

Martin Lichtmesz

Martin Lichtmesz ist freier Publizist und Übersetzer.

… in dem man sämt­li­che Aus­ga­ben seit 1947 (!)  in Text­form oder als Scan der Ori­gi­nal­sei­ten im PDF-For­mat abru­fen kann. Eine fas­zi­nie­ren­de his­to­ri­sche Fund­gru­be, die eini­ge Über­ra­schun­gen bereit­hält.  Hier also eine klei­ne Link­samm­lung zum Stöbern.

1. Reich­lich Mate­ri­al fin­det sich etwa, wenn man in der Such­funk­ti­on “Armin Moh­ler” ein­gibt. Das meis­te davon ist natür­lich “Feind­li­te­ra­tur” mit den nicht nur in die­sem Blatt übli­chen Schmutz­ei­mern, doch es gibt inter­es­san­te Ausnahmen.

* Der Ein­trag zu Moh­lers Tod im Jah­re 2003 ist erstaun­lich respekt­voll gehalten:

… ein Leben gegen den Zeit­geist: Sei­ne mate­ri­al­sat­te Dok­tor­ar­beit über “Die Kon­ser­va­ti­ve Revo­lu­ti­on in Deutsch­land” (1950) ist bis heu­te ein Stan­dard­werk; vier Jah­re als Sekre­tär Ernst Jün­gers bescher­ten ihm etli­che Zech­tou­ren, aber auch Kon­tak­te zu den wich­tigs­ten Figu­ren der rech­ten Intel­li­genz, dar­un­ter Carl Schmitt.

Von 1953 an ging Moh­ler als Aus­lands­kor­re­spon­dent meh­re­rer Zei­tun­gen für eini­ge Jah­re nach Paris. Moh­ler schrieb für vie­le Blät­ter Arti­kel und Essays, stets kon­ser­va­tiv-eli­tär, aber nie het­ze­risch – und fand 1964 doch noch ein eige­nes Wir­kungs­feld: Als Chef der Sie­mens-Stif­tung in Mün­chen reg­te er Vor­trä­ge und Debat­ten an, deren Niveau auch von weni­ger rechts Den­ken­den gelobt wur­de. Trotz­dem blieb der Publi­zist, der so gern Kunst­his­to­ri­ker gewor­den wäre, bis zuletzt skep­tisch und eigensinnig.

* 1964 galt Moh­ler als “Frank­reich-Ken­ner”, und der Spie­gel druck­te sogar einen Aus­zug aus sei­nem Buch “Die fünf­te Repu­blik”: “Das gute Volk von Frank­reich – Eine Legende.”

* 1966 kon­sta­tier­te der Spie­gel einen Rechts­ruck in der Welt. Unter der Ägi­de von Hans Zeh­rer schrie­ben nun kon­ser­va­ti­ve Edel­fe­dern wie Moh­ler, Win­fried Mar­ti­ni, Wil­liam S. Schlamm und Hans-Diet­rich San­der für Sprin­ger – sehr zum Miß­fal­len des Autors:  “Links von der Wand”.

* 1967 wur­de ruch­bar, daß unter dem Pseud­onym “Micha­el Hin­term­wald” zwei Arti­kel Moh­lers in der “Natio­nal-Zei­tung” von Ger­hard Frey erschie­nen waren, was als Beleg für eine – wie man heu­te sagen wür­de – “Schar­nier­funk­ti­on” zwi­schen eta­blier­ten Kon­ser­va­ti­ven und “Rechts­ra­di­ka­len” (der Aus­druck “rechts­extrem” wur­de damals eher sel­ten ver­wen­det) gewer­tet wur­de: “Hin­term­wald”.

* Das galt als umso skan­da­lö­ser, als Moh­ler kurz zuvor einen nach Kon­rad Ade­nau­er benann­ten Publi­zis­tik-Preis erhal­ten hat­te. Die­ser Arti­kel ver­sucht nach Kräf­ten, die Ver­an­stal­tung und die Preis­trä­ger in ein übles Licht zu rücken: “Wah­rung der Rechte”.

* Man stel­le sich vor, in einem Spie­gel-Arti­kel zum The­ma “60 Jah­re Bun­des­re­pu­blik” wür­de auch die Sicht der intel­lek­tu­el­len Rech­ten berück­sich­tigt und Karl­heinz Weiss­mann respekt­voll zitiert. Undenk­bar? Nicht so 1979: “Das schwie­ri­ge Vater­land” zeigt neben­bei, daß Köp­fe wie Moh­ler sich zwar am Ran­de beweg­ten, aber durch­aus ernst­ge­nom­men wurden.

 

2. Die Gebrü­der Jün­ger waren natür­lich des öfte­ren zu Gast im Spie­gel.  Ernst Jün­ger gelang­te 1950 anläß­lich des Erschei­nens sei­nes Romans “Helio­po­lis” (der fälsch­li­cher­wei­se als sein “ers­ter” titu­liert wird) sogar auf die Titel­sei­te: “Der Traum von der Tech­nik”. Auch ein gewis­ser Sekre­tär namens “Armi­ni­us” fin­det Erwäh­nung.  Was an die­sem Arti­kel auf­fällt, ist die völ­li­ge Abwe­sen­heit von “bewäl­ti­gen­dem” Sprachgebrauch.

Dar­an hat sich auch 1958, als Fried­rich Georg Jün­gers “Spie­gel der Jah­re” erscheint, kaum etwas geän­dert, auch wenn sein Stil bereits als nicht mehr ganz “zeit­ge­mäß” gewer­tet wird: “Kopf­schüs­se”.

3. 1979 erlebt die Nou­vel­le Droi­te in Frank­reich eine kur­ze Blü­te­zeit. Der Spie­gel inter­view­te den damals 36jährigen Alain de Benoist: “Den alten Volks­geist erwe­cken.” Benoist hält sich recht wacker in einem aggres­siv-inqui­si­to­risch geführ­ten Gespräch, mit­hin scheint sich mir hier auch alles zu kon­zen­trie­ren, was an der ND (die es ja so nicht mehr gibt) nervt.

4. Gün­ter Maschke war bekannt­lich in jun­gen Jah­ren ein Mann der radi­ka­len Lin­ken, der als einer der weni­gen unter den zahl­lo­sen Maul­hel­den sei­ner Gene­ra­ti­on tat­säch­lich nach Kuba auf­brach, um den Gue­ril­la­kampf zu erler­nen. Eine Rei­se, von der er des­il­lu­sio­niert wie­der zurück­kehr­te: “Rück­kehr vom Mond” (1973).

Maschke fin­det auch Erwäh­nung in dem Arti­kel “Ein Sei­ten­weg” aus dem Jahr 1972 über das Umfeld von Baa­der-Mein­hof: 1965  hat­te er Gud­run Ens­slins Schwes­ter Johan­na gehei­ra­tet. In Kuba frön­te er weni­ge Jah­re spä­ter aller­dings einem gänz­lich unbür­ger­li­chen Leben, das den Lyri­ker Heber­to Padil­la zur fol­gen­den Epo­pöe inspirierte:

“Heu­te schläft er mit den Wei­bern von Havan­na – jeden Tag / eine ande­re, wenn es geht einer gan­zen Schiffs­la­dung Nege­rin­nen / sagt er, kön­ne er’s besor­gen / in einer Nacht …”

5. Joa­chim Fer­n­au tauch­te häu­fig im Spie­gel auf, aller­dings nur in den Best­sel­ler­lis­ten. Als 1967 ein media­les Feu­er auf Fer­n­au eröff­net wur­de, stimm­te man auch im Hau­se Aug­stein ein: “Nur noch Sieg”.

6. Über Yukio Mishi­mas spek­ta­ku­lä­ren seppu­ku wird hier berich­tet: “Gött­li­cher Wind”.

7. David Irving gilt heu­te als ein der böses­ten Einer und hat dafür auch schon im Knast geses­sen.  Bis in weit in die Acht­zi­ger Jah­re hin­ein war Irving jedoch ein respek­tier­ter Ein­zel­gän­ger und Best­stel­ler­au­tor, des­sen Bücher zum Teil sei­ten­wei­se im Spie­gel vor­ab­ge­druckt wur­den: “Rom­mel – Das Ende einer Legende”

Die bedeu­tends­te Pio­nier­leis­tung des erst 25jährigen Irving war jedoch sein Buch über die Zer­stö­rung Dres­dens. Dazu “Sodom in Sach­sen” (1963).

8.  Zum Abschluß noch ein paar ver­misch­te Trou­vail­len für Leser mit spit­zen Ohren:

* 1951 wer­den Edwin Erich Dwin­gers Bemü­hun­gen um den Anti­kom­mu­nis­mus gewür­digt.

* 1961 wird das “Tabu der Oder-Nei­ße-Gren­ze” the­ma­ti­siert.

* 1965 geht Rudolf Aug­stein wie selbst­ver­ständ­lich davon aus, daß Hit­ler Sta­lin im Som­mer 1941 ledig­lich zuvor­ge­kom­men ist und der “End­kampf” “unaus­weich­lich” war. Das heu­te in die­sem Zusam­men­hang unver­zicht­ba­re Wort “Über­fall” fällt nirgends.

* 1966 bemerkt der Spie­gel über die frisch­ge­grün­de­te NPD, daß die Par­tei­spit­ze zwar “braun durch­spren­kelt” sei,  aus­ge­nom­men “Deutsch­na­tio­na­le” und kon­ser­va­ti­ve Preus­sen wie Adolf von Thadden.

* Eine Stich­wort­su­che zeigt, daß das Wort “Holo­caust” tat­säch­lich erst um 1977 im Gefol­ge einer ame­ri­ka­ni­schen TV-Serie in den deut­schen Sprach­ge­brauch gelangte.

* 1994 wird Front gegen “deut­sche Gefah­ren” gemacht. Mar­tin Doer­ry ver­un­glimpft Botho Strauß als “Lehr­meis­ter des Has­ses” wäh­rend Peter Glotz vor einer “intel­lek­tu­ell ernst zu nehmende(n) und vielfältige(n) Rechte(n)” warnt. Als Bei­spie­le nennt er Armin Moh­ler, Ernst Nol­te, Hans-Diet­rich San­der, Robert Hepp, Hen­ning Eich­berg und Alfred Mech­ters­hei­mer.  Damit hat er Hoff­nun­gen genährt, die lei­der nicht in Erfül­lung gingen:

Ob die­se Ten­den­zen – die inzwi­schen ein erfolg­rei­ches, wenn­gleich eli­tä­res Publi­ka­ti­ons­sys­tem auf­ge­baut haben – eine Epi­so­de blei­ben oder ob sie ein­mal zuerst die Zuträ­ger der Macht und spä­ter die Mäch­ti­gen beein­flus­sen, ist offen. Es hängt von den Gegen­kräf­ten ab, dem libe­ra­len Kon­ser­va­ti­vis­mus und der Linken.

Martin Lichtmesz

Martin Lichtmesz ist freier Publizist und Übersetzer.

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