… in dem man sämtliche Ausgaben seit 1947 (!) in Textform oder als Scan der Originalseiten im PDF-Format abrufen kann. Eine faszinierende historische Fundgrube, die einige Überraschungen bereithält. Hier also eine kleine Linksammlung zum Stöbern.
1. Reichlich Material findet sich etwa, wenn man in der Suchfunktion “Armin Mohler” eingibt. Das meiste davon ist natürlich “Feindliteratur” mit den nicht nur in diesem Blatt üblichen Schmutzeimern, doch es gibt interessante Ausnahmen.
* Der Eintrag zu Mohlers Tod im Jahre 2003 ist erstaunlich respektvoll gehalten:
… ein Leben gegen den Zeitgeist: Seine materialsatte Doktorarbeit über “Die Konservative Revolution in Deutschland” (1950) ist bis heute ein Standardwerk; vier Jahre als Sekretär Ernst Jüngers bescherten ihm etliche Zechtouren, aber auch Kontakte zu den wichtigsten Figuren der rechten Intelligenz, darunter Carl Schmitt.
Von 1953 an ging Mohler als Auslandskorrespondent mehrerer Zeitungen für einige Jahre nach Paris. Mohler schrieb für viele Blätter Artikel und Essays, stets konservativ-elitär, aber nie hetzerisch – und fand 1964 doch noch ein eigenes Wirkungsfeld: Als Chef der Siemens-Stiftung in München regte er Vorträge und Debatten an, deren Niveau auch von weniger rechts Denkenden gelobt wurde. Trotzdem blieb der Publizist, der so gern Kunsthistoriker geworden wäre, bis zuletzt skeptisch und eigensinnig.
* 1964 galt Mohler als “Frankreich-Kenner”, und der Spiegel druckte sogar einen Auszug aus seinem Buch “Die fünfte Republik”: “Das gute Volk von Frankreich – Eine Legende.”
* 1966 konstatierte der Spiegel einen Rechtsruck in der Welt. Unter der Ägide von Hans Zehrer schrieben nun konservative Edelfedern wie Mohler, Winfried Martini, William S. Schlamm und Hans-Dietrich Sander für Springer – sehr zum Mißfallen des Autors: “Links von der Wand”.
* 1967 wurde ruchbar, daß unter dem Pseudonym “Michael Hintermwald” zwei Artikel Mohlers in der “National-Zeitung” von Gerhard Frey erschienen waren, was als Beleg für eine – wie man heute sagen würde – “Scharnierfunktion” zwischen etablierten Konservativen und “Rechtsradikalen” (der Ausdruck “rechtsextrem” wurde damals eher selten verwendet) gewertet wurde: “Hintermwald”.
* Das galt als umso skandalöser, als Mohler kurz zuvor einen nach Konrad Adenauer benannten Publizistik-Preis erhalten hatte. Dieser Artikel versucht nach Kräften, die Veranstaltung und die Preisträger in ein übles Licht zu rücken: “Wahrung der Rechte”.
* Man stelle sich vor, in einem Spiegel-Artikel zum Thema “60 Jahre Bundesrepublik” würde auch die Sicht der intellektuellen Rechten berücksichtigt und Karlheinz Weissmann respektvoll zitiert. Undenkbar? Nicht so 1979: “Das schwierige Vaterland” zeigt nebenbei, daß Köpfe wie Mohler sich zwar am Rande bewegten, aber durchaus ernstgenommen wurden.
2. Die Gebrüder Jünger waren natürlich des öfteren zu Gast im Spiegel. Ernst Jünger gelangte 1950 anläßlich des Erscheinens seines Romans “Heliopolis” (der fälschlicherweise als sein “erster” tituliert wird) sogar auf die Titelseite: “Der Traum von der Technik”. Auch ein gewisser Sekretär namens “Arminius” findet Erwähnung. Was an diesem Artikel auffällt, ist die völlige Abwesenheit von “bewältigendem” Sprachgebrauch.
Daran hat sich auch 1958, als Friedrich Georg Jüngers “Spiegel der Jahre” erscheint, kaum etwas geändert, auch wenn sein Stil bereits als nicht mehr ganz “zeitgemäß” gewertet wird: “Kopfschüsse”.
3. 1979 erlebt die Nouvelle Droite in Frankreich eine kurze Blütezeit. Der Spiegel interviewte den damals 36jährigen Alain de Benoist: “Den alten Volksgeist erwecken.” Benoist hält sich recht wacker in einem aggressiv-inquisitorisch geführten Gespräch, mithin scheint sich mir hier auch alles zu konzentrieren, was an der ND (die es ja so nicht mehr gibt) nervt.
4. Günter Maschke war bekanntlich in jungen Jahren ein Mann der radikalen Linken, der als einer der wenigen unter den zahllosen Maulhelden seiner Generation tatsächlich nach Kuba aufbrach, um den Guerillakampf zu erlernen. Eine Reise, von der er desillusioniert wieder zurückkehrte: “Rückkehr vom Mond” (1973).
Maschke findet auch Erwähnung in dem Artikel “Ein Seitenweg” aus dem Jahr 1972 über das Umfeld von Baader-Meinhof: 1965 hatte er Gudrun Ensslins Schwester Johanna geheiratet. In Kuba frönte er wenige Jahre später allerdings einem gänzlich unbürgerlichen Leben, das den Lyriker Heberto Padilla zur folgenden Epopöe inspirierte:
“Heute schläft er mit den Weibern von Havanna – jeden Tag / eine andere, wenn es geht einer ganzen Schiffsladung Negerinnen / sagt er, könne er’s besorgen / in einer Nacht …”
5. Joachim Fernau tauchte häufig im Spiegel auf, allerdings nur in den Bestsellerlisten. Als 1967 ein mediales Feuer auf Fernau eröffnet wurde, stimmte man auch im Hause Augstein ein: “Nur noch Sieg”.
6. Über Yukio Mishimas spektakulären seppuku wird hier berichtet: “Göttlicher Wind”.
7. David Irving gilt heute als ein der bösesten Einer und hat dafür auch schon im Knast gesessen. Bis in weit in die Achtziger Jahre hinein war Irving jedoch ein respektierter Einzelgänger und Beststellerautor, dessen Bücher zum Teil seitenweise im Spiegel vorabgedruckt wurden: “Rommel – Das Ende einer Legende”
Die bedeutendste Pionierleistung des erst 25jährigen Irving war jedoch sein Buch über die Zerstörung Dresdens. Dazu “Sodom in Sachsen” (1963).
8. Zum Abschluß noch ein paar vermischte Trouvaillen für Leser mit spitzen Ohren:
* 1951 werden Edwin Erich Dwingers Bemühungen um den Antikommunismus gewürdigt.
* 1961 wird das “Tabu der Oder-Neiße-Grenze” thematisiert.
* 1965 geht Rudolf Augstein wie selbstverständlich davon aus, daß Hitler Stalin im Sommer 1941 lediglich zuvorgekommen ist und der “Endkampf” “unausweichlich” war. Das heute in diesem Zusammenhang unverzichtbare Wort “Überfall” fällt nirgends.
* 1966 bemerkt der Spiegel über die frischgegründete NPD, daß die Parteispitze zwar “braun durchsprenkelt” sei, ausgenommen “Deutschnationale” und konservative Preussen wie Adolf von Thadden.
* Eine Stichwortsuche zeigt, daß das Wort “Holocaust” tatsächlich erst um 1977 im Gefolge einer amerikanischen TV-Serie in den deutschen Sprachgebrauch gelangte.
* 1994 wird Front gegen “deutsche Gefahren” gemacht. Martin Doerry verunglimpft Botho Strauß als “Lehrmeister des Hasses” während Peter Glotz vor einer “intellektuell ernst zu nehmende(n) und vielfältige(n) Rechte(n)” warnt. Als Beispiele nennt er Armin Mohler, Ernst Nolte, Hans-Dietrich Sander, Robert Hepp, Henning Eichberg und Alfred Mechtersheimer. Damit hat er Hoffnungen genährt, die leider nicht in Erfüllung gingen:
Ob diese Tendenzen – die inzwischen ein erfolgreiches, wenngleich elitäres Publikationssystem aufgebaut haben – eine Episode bleiben oder ob sie einmal zuerst die Zuträger der Macht und später die Mächtigen beeinflussen, ist offen. Es hängt von den Gegenkräften ab, dem liberalen Konservativismus und der Linken.