Im Nachhinein hört sich das an wie generalstabsmäßig getaktete Abläufe oder, weniger dramatisch ausgedrückt, wie der ganz normale Jahresplan eines Verlags auf den Branchen- und den Umsatzhöhepunkt hin. Aber für einen Verlag wie Antaios, der zwangsläufig ein “erweitertes Verlegertum” pflegt, sind weder eine Frankfurter Buchmesse noch das Weihnachtsgeschäft normale Bausteine, aus denen ein wiederkehrendes Jahresgerüst zusammengesetzt ist.
Die Sache mit dem Loci-Verlag war sicher die aufwendigste “konservativ-subversive aktion”, die wir je austüftelten und umsetzten. Unser Netzwerk (hier hat dieser Begriff jenseits seiner Blenderfunktion für Leute, die “Kommunikation” und “Chatgruppen” für Arbeit halten, tatsächlich einmal eine Bedeutung) hielt für jeden unserer Planungs- und Umsetzungsschritte die richtigen Mitstreiter zur Verfügung. Dies ist das, worauf wir stolz sind: im entscheidenden Moment von Freunden und Profis umgeben zu sein, mit denen man ein solches Ding durchziehen kann.
Im Mai gründete Thomas Veigel den Loci-Verlag, meldete ihn beim Börsenverein des Buchhandels an, erwarb eine ISBN-Liste, buchte eine Internet-Domain und schaltete eine Telefonverbindung frei. Dann übergab er uns alle Verbindungsdaten. Die Kommunikation fand ausschließlich mittels der guten, alten Briefpost statt, meine mechanische Schreibmaschine wurde zum Instrument der Stunde.
Im Juni war die Internetpräsenz fertig aufgebaut, Kositza hatte ja nicht nur den Verlagsnamen entworfen, sondern ein komplettes Verlagsprogramm samt Verlagsgeschichte und Selbstauskunft eines Zahnarztes, der für den Feierabend seine Leidenschaft am Verlegen von Büchern entdeckt hatte …
Im Juli meldete der Verleger seinen Verlag auf der Frankfurter Buchmesse an und sprang mit ihm in eine schöne 8qm-Lücke in einem Gang, der sonst nur von linken, gendernden, zivilgesellschaftlich an vorderster Front agierenden Verlagen bevölkert war.
Im August bestätigte sich unsere Voraussage: Die Messeleitung platzierte die offiziell angemeldeten Verlage des “rechten Spektrums” in einer Sackgasse in derselben halle, die auch Loci gewählt hatte: Die Junge Freiheit, das Magazin Cato und der Verlag Manuscriptum sahen sich einer geistigen Apartheit räumlich ausgesetzt, und vor lauter Zorn über diese Unverschämtheit zog Cato seine Messeanmeldung zurück.
Im September entwarfen wir einen doppelten Messestand: das Loci-Design der ersten ein, zwei Messetage würde nach und nach durch ein Antaios-Design ersetzt werden. Außerdem erweiterten wir das Loci-Programm um zwei Titel, deren Selbstironie jedem halbwegs wachen Beobachter der Aktion rasch zeigen würden, wieviel Ernst und wieviel Potemkinsches Dorf hinter der Sache steckte. Die endgültige Ausarbeitung der Werbetexte und des tagebuchartigen Verlaufsprotokolls des Verlegers auf seine erste Buchmesse hin war für Kositza als Texterin und für mich als Erstleser ein Riesenspaß. Diese Vollversion der Internetpräsenz wurde als Beta-Version so vorbereitet, daß sie erst am ersten Messetag zum Eröffnungsgong einsehbar war.
Zeitgleich lief eine letzte juristische Prüfung, denn längst war uns klar: Wir mußten den Verkauf in der umgekehrten Richtung abwickeln. Nicht Antaios würde Loci, sondern Loci würde Antaios kaufen. Zu einfach würde es sonst für die Messe sein, den Stand aufgrund von geänderten Ausgangsbedingungen zu kündigen.
Wir waren also tatsächlich für fünf Tage nicht mehr die Eigentümer unseres Verlags. Der Kaufvertrag war wasserdicht, er hätte jeder juristischen Überprüfung standgehalten, auch vor Gericht, falls die Messeleitung uns qua einstweiliger Verfügung hätte von der Messe komplimentieren wollen. Unsere Mitarbeiter sahen bei diesem Schachzug das Maß an Vertrauensvorschuß überschritten, aber sie kennen Thomas Veigel nicht so gut wie wir.
Überhaupt ist das eine aus der Loci-Aktion gewonnene Erkenntnis (und nicht nur aus ihr): Es gibt Leute, denen man ohne jeden Vertrag, einfach per Handschlag oder auf Zuruf, das eigene Vermögen, sensible Daten, die Kinder, eine Rettungsaktion anvertrauen würde, wissend, daß sie keine Sekunde lang auf irgendeinen eigenen Vorteil bedacht wären oder fahrlässig mit dem ihnen anvertrauten Gut umgingen. Von anderen weiß man, daß sie eine Menge Ausreden und Gründe dafür vorbrächten, warum es wieder einmal nicht geklappt habe. Dies sind – ich muß es leider sagen! – meist die Gesinnungsbetrunkenen und die jüngeren.
Was mir zuletzt am meisten Spaß machte, obwohl es gemein und hinterlistig war, betrifft den FAZ-Redakteur und (so nennen wir ihn intern) großen Konfirmanden Justus Bender: Ihm band ich innerhalb von vier Tagen einen Bären auf, den er nicht so schnell losgeknotet bekommen wird. Noch immer denken viele seiner Kollegen “Loci” mit, wenn sie Bender lesen.
Ich bot ihm eine exklusive Geschichte über den Verkauf des Verlags an, der notwendig geworden sei, weil ich nach einigem Zögern nun doch zum politischen Berater einiger AfD-Strukturen und – diese Münze warf ich zuletzt ein – eines ostdeutschen CDU-Verbands würde, der den zukünftigen Koalitionspartner und dessen metapolitisches Umfeld kennenlernen wollte. Bender – mit dem Kositza und ich noch ein Hühnchen zu rupfen hatten – schluckte den Köder, biß sich am Haken fest und brachte am Vorabend der Messe zunächst online und am Messemorgen in der Druckausgabe exklusiv eine volle Packung “fake news”, die unsere Aktion zu einem Paukenschlag machte.
Den Rest kann man hier nachlesen. Daß Kositza und ich dann am Abend vor dem letzten Messetag in Frankfurt nicht auf der Hut waren und von Linksextremisten hinterrücks angegriffen werden konnten (Kositza laboriert bis heute an einem angerissenen Kreuzband), hätte nicht sein müssen. Irgendwann aber mußte so etwas passieren, und es paßte zur hybriden Stimmung, in der wir uns befanden: Während dreier aufeinanderfolgenden Buchmessen die Schlagzeilen mindestens mitzuprägen, wenn nicht zu dominieren – das war eine Herausforderung, die wir meisterten und die uns an diesem letzten Abend euphorisch und unvorsichtig werden ließ.
In zweieinhalb Monaten ist nun schon wieder Messe. Wir haben in Leipzig einen Stand angemeldet, bisher keine Bestätigung erhalten, aber dennoch mit den Planungen bereits begonnen. Es soll – wenn wir uns etwas wünschen dürfen – dieses Mal so sein, daß unsere Bücher im Vordergrund stehen, nicht unsere möglichst trickreiche oder provozierende Anwesenheit.
Denn wir verlegen Bücher, und wir machen eine Zeitschrift. Beides hat ja im mittlerweile vergangenen Jahr auf gutem Niveau stattgefunden. Ein paar Schlaglichter:
Den französischen Autor und aufgrund publizistisch-moralistischer Verfehlung als Lektor bei Gallimard geschaßten Richard Millet präsentierten wir mit der Essay-Sammlung Verlorene Posten und dem autobiographischen Bericht Töten aus dem Libanonkrieg – beide Bände erfuhren keine Würdigung im Feuilleton, obwohl sie von der Qualität der Übersetzung durch Christa Nitsch und der Luzidität der Gedankenführung her ein breiteres Publikum verdient hätten.
Zuvor hatten wir mit Alexander Schleyers Defend Europe. Eine Aktion an der Grenze der Dokumentationsfahrt der Identitären Bewegung gegen die Schleuserkriminalität im Mittelmeer zur Sprache in Buchform verholfen. Schleyer hat seither etliche Vorträge zu seinem Einsatz als Schiffsoffizier gehalten – er verkörpert als Autor und Typ den Guerilla, der den Mächtigen bis zur Raserei auf die Nerven gehen kann.
Wir legten mit dem Roman Die blaue Insel den vierten Raspail-Roman in deutscher Übersetzung vor – eine meisterhafte Jugendperspektive auf die rasche, demütigende Eroberung Frankreichs durch die Wehrmacht 1940. Raspails Suche nach wenigstens ein paar Helden, die auf verlorenem Posten die Fahne trotzig hissen, ist natürlich auch in diesem Buch vom Erfolg gekrönt.
Herausgegeben von Stefan Scheil erschien bei uns die Kriegsschuldstudie Die dreiste Fälschung aus der Feder eines Franzosen – ein Dokument aus dem Jahr 1925, das mit der Kriegstreiberei Frankreichs und Rußlands sehr hart ins Gericht geht und den Deutschen ein ziemlich stilles Blatt austeilt.
Zuletzt erschien bei uns Udo Ulfkottes letztes Buch: Alles Einzelfälle ist eine Darstellung des Zusammenhangs zwischen der Massenmigration aus kulturfremden Ländern und dem krassen Anstieg von Sexualdelikten in Deutschland. Solche Bücher wollen wir nicht unbedingt, müssen sie aber machen: Sie dienen der Aufklärung und der Dokumentation zugleich.
Und dann sind da noch die kaplaken, die knappen Essays in Hardcover gebunden, von denen das bisher bekannteste Sieferles Finis Germania ist. Dieser 50. Band der Reihe hat das Gesamtprogramm zu hohem Bekanntheitsgrad geführt, und wir haben einfach weitergemacht, obwohl wir manchmal denken, daß uns die Autoren und die Stoffe ausgehen könnten. Aber nein: 2018 haben Lichtmesz, Liebnitz, v. Waldstein, Rabehl, Bensberg, Braun, nochmals Lichtmesz, Wessels, Preusse und de Benoist kaplaken beigesteuert – wir sind bei Band 60 angelangt und sehen kein Ende ab.
In der Tat, wir sehen kein Ende ab, und dennoch ist das Verlegersein seit der Loci-Aktion auf der Frankfurter Buchmesse etwas anderes als noch zuvor. Ich meine damit nicht, daß unser nochmals gestiegener Bekanntheitsgrad unsere Arbeit verändert hätte, auch nicht der Tritt an den Hinterkopf.
Ich meine etwas anderes, ich meine die Stille nach dem Schuß.
Worauf hoffen wir eigentlich? Auf einen Durchbruch? Sind wir nicht längst durchgebrochen, eingebrochen in eine Stellung, die nun die unsere ist und die “der Gegner” wütend bekämpft, weil er den Verlust der Macht, ausschließlich selbst die Themen setzen zu können, nicht akzeptieren will? Ist dieser Gegner nicht immer noch in der Lage, die Deutung über ein von uns gesetztes Thema zu bestimmen, zu betonieren?
Wir spähen unseren seltenen Treffern nach und werten dabei jedes indifferente Wort aus den Reihen des politisch-medialen Komplexes als Erfolg, als substantielle Verunsicherung des Gegners. Wohin aber führt dieses nachgerade süchtige Lauschen auf den Nachhall eines Schusses?
Ich will es einmal so ausdrücken: Es führt letztlich dazu, daß wir sehr vieles verpassen – den Genuß des Erfolgs, den guten Schlaf, gelassene Stunden, tagelanges, nicht-vernutzendes, eintauchendes Leben und Lesen. Wir meinen, daß wir noch besser zielen sollten, weil die Wirkung nicht ausreicht. Wir fragen uns: Dürfen wir lesen, während andernorts sich Leute zu einem Demonstrationszug formieren? Dürfen wir absagen, weil wir meinen, in Dresden oder andernorts alles gesagt zu haben, was von unserer Seite aus gesagt werden konnte? Dürfen wir nur Verleger sein, nur Redakteure, nur Publizisten, dürfen wir Schabernack in Messehallen treiben, dürfen wir die Normalität des Büchermachens vorführen?
Das war einmal.
In meinem ersten Buch, Raki am Igman, den Reportagen aus Bosnien, wo ich als Leutnant von Sarajewo aus in die zerstörten Regionen fuhr, beschrieb ich in einem der Texte, daß es Augenblicke gäbe, in denen in einem etwas zerbräche wie eine Eierschale. Man kann danach nicht mehr so tun, als liefe einem der Dotter nicht über die Finger.
Oder es ist wie mit den Glasbildern in Michael Endes unendlicher Geschichte: Wenn das Geschrei zu laut geworden ist, zerbrechen sie einem in den Händen.
Schwächeanfall.
Dann legt man die Scherben beiseite und streift sich die Rolle über als zweite Haut. Dienstantritt.
Frieda Helbig
Seien Sie gewiß, Sie treten diesen Dienst nie alleine an.
Danke für Alles!