Tanz-Schlag Hemmungen zu überwinden hilft und es den Identitären darauf ankommt, Hemmungen zu überwinden, dann mögen sie tanzen. Die konservativ-subversive aktion (ksa), die wir 2008 aus der Taufe hoben, ist allerdings unter anderem gerade deshalb in einen Winterschlaf verfallen, weil ihr sehr konservative, sehr respektable Hemmungen innewohnten: laut zu sein, Ordnungen zu stören, respektlos zu agieren, etwas kaputt zu machen.
Es ist kein Zufall, daß ein typischer 68er-Slogan wie “Macht kaputt, was Euch kaputtmacht” allen neurechten, konservativen Addaptionsversuchen widerstand: Denn er ist im Grunde nichts anderes als die billige Legitimierung, gegen Ordnungen, Einrichtungen, Meinungen, Organe mit dem Ziel ihrer Zerstörung vorzugehen. Vor allem ist er die Verlagerung der eigenen Kaputtheit in die Verantwortung anderer.
Wenn ich meine Kinder vor dem Fernseher verrotten, bei McDonals verfetten und mit ihren Geschichtslehrern allein ließe – wer wäre Schuld? Die Zeit, die dies alles anbietet? Würde mich das legitimieren, die bedrängenden, möglicherweise subtilen, sicherlich hinterfotzigen Transmissionsriemen einer schlechten Gegenwart anzugreifen und – vielleicht auch nur symbolisch oder pars pro toto – kaputtzumachen?
Ich denke nicht. Was im Eigenen, also im innersten aller konzentrischen Lebenskreise geschieht, liegt in der Hand jedes Einzelnen. Es gibt keine Ausrede dafür, die Erziehung der eigenen Kinder so ganz und gar an fremde Leute, Institutionen und Programme abzugeben, es sei denn, man will gar nicht das Eigene (oder auch “identitäre”), sondern bloß eine reibungslose Gegenwart.
Die kürzeste Formel, die ich einmal für die schlechteste Form rechter Zukunftsvisionen hörte, lautet: “Konsumieren, aber ohne Neger an der Kasse.” Ich war platt über diese ebenso dreiste wie vermutlich massenkompatible Minimalforderung. – Aber ich schweife ab und mache große Fässer auf (das vom Öko-Rechten, der mir der liebste und seiner Heimat am nächsten ist, während ihm die Identität aus allen Poren quillt, ohne daß er sie beschreiben könnte).
Eigentlich will ich in diesem kurzen Beitrag nur noch einmal hinweisen auf die Wandbild-Aktion der ksa in Chemnitz: Ich halte diesen Einsatz für die “Mutter” aller konservativ-subversiven Aktionen, für das beste Beispiel dafür, wie man als ein in jeder Hinsicht ordnend, bauend und formend tätiger Rechter nach einem Widerstandsakt ohne schales Gefühl von dannen ziehen kann.
Chemnitz war konstruktiv, war eine Schutzaktion: Wir wollten zunächst nur mit einem Mahnfeuer gegen die geplante Übermalung eines Wandbilds von Benjamin Jahn Zschocke protestieren, fanden aber beim Rundgang um das Schulgebäude ein offenes Fenster, stiegen ein und verrammelten die Tür zu jener Mensa-Wand, an der das Bild prangte.
Dieses Bild war künstlerische Identität: eine Stadtansicht von Chemnitz, flächig und farbenfroh gearbeitet, in die Zschocke graue Schatten zerbombter Kirchen und anderer Denkmäler integriert hatte – eine subtile Mahnung und Erinnerung, ein Werk, das den jungen Maler über Monate beanspruchte. Der Beschluß, das fertige Bild nicht “der Öffentlichkeit” zu übergeben, sondern grau zu übermalen, fiel, nachdem sich die Gegner auf ein vermeintliches Keltenkreuz auf der Spitze eines Kirchturms eingeschossen hatten: groß wie eine Euromünze, gar nicht klar ausgearbeitet, man kann das alles nachlesen.
Wir verschanzten uns jedenfalls in dieser Schulmensa, um einen politisch-barbarischen Akt zu verhindern, hielten zwei, drei Stunden stand, widersetzen uns der Festnahme nicht, kamen am Nachmittag wieder frei und zahlten ein ordentliches Bußgeld. Auch das kann man alles nachlesen.
Wenn nicht fünf, sondern 200 Leute im Raum gewesen wären – als Sitzblockade, als renitente, unbewegliche Masse, die sich immer wieder neu vor das Bild würde geschoben haben: Wer weiß, wie lange diese Hausbesetzung aus besten Gründen hätte andauern können?
Hier war alles vorhanden: der Schutz von Kulturgut, der Widerstand gegen eine klar politisch motivierte Ungerechtigkeit, das konkrete, verortete, identitätstiftende Thema, eine unentschiedene Meinungslage im Volk, eine gewaltfreie Protestform. Es war, wie es immer sein sollte, wenn neurechte, konservative Leute ihre Arbeit liegenlassen, um auf die Straße zu gehen: nicht aus Jux und Tollerei, nicht aus Langeweile und für irgendeinen Lebenskitzel, sondern weil es ganz konkret und konstruktiv etwas zu tun gibt.
Daß der Puls nach oben geht, das subversive Moment ein Lebenselexier ist und Widerstand gegen hysterische Übermacht eine wahre Freude , wiegt dabei nicht gering. Wäre ja auch komisch, wenn man ganz rational durchrechnete, wann man sich verhaften läßt.
Kurt Schumacher
Nur ganz kurz: der Öko-Rechte gerät quasi ins Fadenkreuz! Ich las soeben, "Bioland" positioniert sich aus heiterem Himmel "gegen rechts". Ich weiß nicht, ob ich direkt auf deren Netzseite verweisen darf. Daher Google: "Bioland-Resolution gegen Rassismus". Wie peinlich ist das denn?
ergänzung kubitschek:
wieso sollte man eine presse-erklärung nicht verlinken dürfen? hier ist sie.