Daß man die Zeit nicht zurückdrehen kann, ist normalerweise ein Problem, mit dem sich die Konservativen auseinandersetzen müssen. Egal wie der Sehnsuchtsort heißt – Bonner Republik, Kaisserreich, Lützower Jäger, oder absolutistischer Barock – die Wege in die Vergangenheit mußten stets in der Sackgasse der Geschichtsfolklore und Trachtenvereine enden.
Egal ob es an uns lag, oder an den berüchtigten Verhältnissen: Es hat jedenfalls eine lange Zeit gedauert, diese alte Haut abzustreifen. Selbst die Neue Rechte, die darunter zum Vorschein kam, trägt noch ein gutes Stück davon mit sich herum, aber dazu vielleicht einmal an anderer Stelle mehr.
Es geht nämlich in diesem Sonntagshelden einmal nicht um uns, sondern vor allem um die Normalität und natürlich auch wieder ein bißchen um die anderen, also die Linken.
Vielleicht zuerst zur Normalität, denn die scheint sich in den vergangenen Jahren in einem Ausmaß und einer Geschwindigkeit verschoben zu haben, daß man mit Fug und Recht von einem patriotic turn reden kann. Ich weiß, ich weiß, die Germanophilen unter meinen Lesern verzeihen solche anglophonen Stil-Blüten nur sehr zögerlich, aber die Übersetzung “Patriotische Wende” greift in diesem Fall einfach zu kurz.
Zum einen, weil wir es ja nicht mit einer Wende im eigentlichen Sinne zu tun haben, sondern vielleicht eher mit einer neuen Richtung, die eingeschlagen wird; und zum anderen, weil diese neue Richtung keineswegs heißen muß, daß jetzt alles gut ist. (Ab-)gewendet ist rein gar nichts.
Und doch erleben wir, die wir als politische Aktivisten recht nah am Puls der für unsere Ideen empfänglichen Menschen operieren, diese metapolitische Tektonik in ihren Mikroschritten fast täglich. Wir merken etwa, daß auf einmal 16‑, 17jährige Schüler vor der Tür unseres Hausprojektes stehen, die eine politische Welt ohne AfD und PEGIDA nie bewußt erlebt haben.
Wir begleiten im Wochentakt Unterstützer und Interessenten dabei, wie sie ihre Scheu vor einem offenen Engagement für ihre Heimat verlieren, weil sie merken, daß die patriotische Zivilgesellschaft inzwischen ein echter, wachsender Faktor ist, der über wirksame Strukturen und tatsächlichen politischen Einfluß verfügt.
Und wir merken allmählich, wie an den privaten Reibungspunkten, in den Familien, in der Universität oder im Fußballverein Normalität einkehrt und die wüsten Beschimpfungen und Freundschaftskündigungen der Debatte, oder dem höflichen Beschweigen weichen.
Diese Entwicklungen nehmen nicht nur wir wahr, ich weiß, daß sie auch auf der Gegenseite intensiv beobachtet werden und allmählich melden sich auch die ersten Redlichen zu Wort, die das Hygienegerassel und Vernichtungsgetrommel der eigenen Seite nicht mehr ertragen können, oder einfach neugierig auf das sind, was wir wirklich zu sagen haben.
Der Großteil der politischen Linken und mit ihr der Großteil der politisch-medialen Öffentlichkeit verharrt indes – ich verweise auf meinen Sonntagshelden zum 90er-Jahre-Anti-Rechts-Reenactment von Maxim Biller – stur in den sorgfältig erlernten Verhaltensmustern, die aus einer Zeit stammen, in der mit einer richtigen Gegenöffentlichkeit noch nicht zu rechnen war.
Heute sind es die Linken, die wieder zurück wollen und das wir für sie in den nächsten Jahren zum Problem werden. Denn diese Gegenöffentlichkeit, die sich allmählich ankündigt, muß – wenn es nach uns geht – keinesfall knallerechts sein. Uns reicht es vollkommen, wenn sie einfach das macht, was eine Öffentlichkeit eben macht, nämlich den Themen und Personen einen Resonanzraum, ein Podium, oder auch eine Arena bietet, die die Menschen bewegen.
Wer hier regelmäßig liest weiß: Einige Zeitungen wagen sich bereits zögernd in diese Gefilde vor, die meisten deutschen Fernsehanstalten tun sich hingegen noch schwer, die zaghaften Versuche in diesem Bereich wurden bisher erfolgreich erstickt.
Das ist in Österreich dann doch ein wenig anders. Mit dem Sender Servus TV – Kollege Schick erwähnte ihn bereis in seinen “Netzfundstücken” – hat sich dort ein Fenster aufgetan, durch das man sich ganz ungeniert einmal abschauen könnte, wie etwa eine Talkshow eigentlich ablaufen sollte:
Ein linker Sozialwissenschaftler mit St.-Pauli-Shirt, der am Ende mit Henryk M. Broder eine Gartenzwerg-Allianz gründen will, Kubitschek im Anzug, eine Philosophin, die den Identitären bescheinigt, daß sie einfach klüger sind als die Biertisch-Rechten von der FPÖ und dazu ein Sozialdemokrat, der auch etwas sagen darf – das klingt nach einer illustren Runde, die sich am Ende sogar auf eine ganz kuriose Art doch irgendwie einig ist.
Ich kenne die Einschaltquoten dieses Senders nicht, aber ich gehe mal stark davon aus, daß diese Gästekonstellation vor allem zusammenkam, weil die letzte aufsehenerregende Runde mit Sellner womöglich nicht ganz unerfolgreich war.
Daß diese Ausgabe vom “Talk in Hangar 7” wirklich unterhaltsam , bissig, lustig und tatsächlich die gute Stunde Sendezeit wert war, verdanken wir dabei nicht zuletzt dem Moderatoren Michael Fleischhacker, der seine Sache wirklich gut machte. Seine Fragen waren gut vorbereitet, scharf aber fair und vor allem nicht in der politkommissarischen Art und Weise gestellt, wie man sie aus bundesdeutschen Talkshows kennt, wo es einzig und allein ums Enttarnen und Entlarven des rechten Monstrums geht, das man sich zur wohligen Abscheu aller in seine Mitte geholt hat.
Die sonntäglichen Glückwünsch gehen daher dieses mal Richtung Salzburg, wo der Sender seinen Sitz hat, den Lorbeerkranz behalte ich Fleischhacker vor, dem ich noch viele interessante Gäste und kontroverse Themen wünsche!
Laurenz
Don Juan (Carlos Castaneda) Zitat- Wer nicht weiß, wo er herkommt, weiß auch nicht, wo er hingeht. -Zitatende.
Historisch Erfolge oder - Mißerfolge zeichnen doch immer nur eines. Wie reagierten Menschen, und wie wahrscheinlich ist die eine oder andere zukünftige Reaktion. Die Rechtsfrage, auf die Herr Kubitschek in der Servus-TV-Sendung hinwies, ist eine entscheidende, wie aktuell hoch problematische. Einerseits überfluten uns Einzelfälle und andererseits wird ein ganzes Volk in Sippenhaft genommen, je nachdem, wie es gerade paßt. Das geht schon viel zu lange gut, aber gelernt hat aus der Weimarer Zeit wirklich fast niemand, schon gar nicht unsere Nachbarn.
Der Unterschied im anglophilen "patriotic turn" zu "patriotischen Wende" befindet sich nur in Ihrem Kopf, Herr Wessels. Schreiben Sie es doch mal auf chinesisch, einfach nur, um sich schon mal für die Zukunft abzusichern. Auch der letzte Kaiser und Adolf Hitler waren anglophil. Was hat es ihnen gebracht? Genau, die Niederlage. Historisch hat sich die Welt in den letzten Kriegen, wie auch danach, vom britischen Imperialismus befreit, um sich jetzt mit dem Nachfolgern, dem us amerikanischen - und dem chinesischen Imperialismus, wenn es denn geht, auf einer nicht-militärischen Ebene auseinanderzusetzen. Natürlich hat der aktuelle mexikanische Präsident Andrés Manuel López Obrador Unrecht, wenn er den Spaniern, auf spanisch, menschliches Unrecht, begangen vor 500 Jahren, vorwirft, vor allem in Anbetracht dessen, daß er selbst auch wie ein Asturier aussieht. Die Spanier eroberten und zerstörten Kulturen, keine Frage. Allerdings, die heimischen Azteken waren keinen Deut besser. Und die Nachfolger der Spanier, ob nun Ösi-, Frog-oder Ami-Gringos waren vielleicht weniger katholisch, aber hatten ein ähnlich einnehmendes Wesen. Der mexikanisch-/us-amerikanische Krieg ist jünger als die napoleonischen Kriege, ähnlich den Opium-Kriege in China.
Von daher, Herr Wessels, wenn Sie das 30fach belegte billige "turn" ins Wörterbuch eingeben, finden Sie vielleicht die deutsche Bedeutung, die am besten in Ihr Sprachgefühl paßt. Ich sehe gerade, Heidegger übersetzt es mit Kehre. Und Alan Parsons hatte bei seinem Meisterwerk "The Turn of a Friendly Card" einfach nichts besseres, mehr literarisches, zur Verfügung. Das heutige Englisch ist vor allem militärisch geprägt. Und mir gefällt "die patriotische Nummer" ganz gut, weil sie eher einem sozial prekärem Milieu entspricht, daß meist jeder versteht.