Diese beiden Fragen sind die wesentlichen Ausgangspunkte rechter Theorie und Politik des 20. Jahrhunderts und stellen sich heute noch mehr denn je. Anno 2020 sehen wir uns endgültig mit dem »Erschlaffen jener Spannung, die aus Lebensanforderung, Alltagsnot und Anstrengungspflicht entsteht und einen sorgfältig und dankbar macht«, konfrontiert.
Sezession-Chefredakteur Götz Kubitschek stellt daher in seinem Leitartikel in der 99. Sezession den Versuch der Wiederbelastung unter solchen sedierenden Rahmenbedingungen in den Mittelpunkt und konstatiert diesbezüglich – orientiert am Roman Sieben Nächte von Simon Strauß (Sohn von Botho Strauß) – für die BRD:
Ein bißchen Konsensstörung, ein bißchen innerer Aufstand, ein bißchen Provokationsprofil – mehr soll und darf nicht mehr gewollt werden, denn alles, was darüber hinaus reicht und zur Kollektivaufladung führt, die das Ende der Geschichte vertagen wollen, wäre verantwortungslos.
Das gesamte, thematisch freie Heft ist vom Sehnen nach der Wiederbelastung geprägt. Martin Sellner, der die »Flucht nach vorn« propagiert, und die Beschäftigung mit der finalen Geste der totalen Wiederbelastung des japanischen Autoren Yukio Mishima sind dafür schlagende Beispiele.
Götz Kubitschek und Sezession-Redakteur Benedikt Kaiser haben dieses starke, den Jahrgang 2020 abschließende Heft nun in der beliebten Vorstellungsreihe in seine inhaltlichen Bestandteile zerlegt:
Das Heft können Sie natürlich wie immer direkt hier bei Antaios, dem größten konservativen Versandbuchhandel, bestellen oder schließen Sie doch am besten gleich ein Abonnement ab.
Sezession-Kollege Till-Lucas Wessels hat in seiner letzten Kolumne »Sonntagsheld (167) – Millwall, die Zweite« wieder einmal die politische Seite des Fußballs bzw. seiner Anhängerschaft auf Sezession im Netz zum Thema gemacht. Eine Vorlage, die ich nur zu gerne aufgreife.
Zwar gehört der Millwall FC durchaus zu den sympathischsten Vereinen Londons und der Insel insgesamt, der mit einer grundsoliden Fanszene – vornehmlich aus der Arbeiterschicht – aufwartet (nicht ohne Grund hat sich die sportlich orientierte Abteilung der Fortuna Düsseldorf Fans nach den »Bushwackers« aus Millwall benannt), jedoch erreicht das Politische in den englischen Stadien nur selten ein ernstzunehmendes Niveau.
Vollkommen anders sieht das indes in Osteuropa aus. Je nachdem welches Land und welchen Verein man sich anschaut, sind hier Politik und Fußball eng miteinander verwoben. Das kann so weit gehen, daß die Geschehnisse während eines Fußballspiels einen ausgewachsenen Krieg auslösen – so geschehen beim Domovinski rat, dem Kroatienkrieg.
Oftmals vollzieht sich der Übergang von apolitischem Sportfanatismus zum politischen Engagement aus der Kurve heraus aber dadurch, daß einzelnen Szenen einfach von den historischen Großereignissen mitgerissen werden. Dieses Phänomen war beispielsweise während des arabischen Frühlings in Ägypten, wo ägyptische Ultras zu den »Sturmtruppen« der Revolution avancierten, oder in der Ukraine anläßlich des Euromaidans zu beobachten.
Mancher ukrainische Ultra nahm in dieser Zeit die Waffe in die Hand, um für die nationale Einheit zu kämpfen. Einer davon war Vitalii, ein Ultra von Schachtar Donezk. ARTE hat ihm ein sehenswertes 8‑minütiges Portrait gewidmet:
Wer nach den acht Minuten Lust auf Mehr hat, der sollte sich die gesamte Reihe »Freiheit Fankurve. Die Kultur der Ultras« anschauen, die hier in der ARTE-Mediathek hinterlegt ist.
Und wer nun wissen will, warum das für die politische Rechte alles von Interesse ist, dem habe ich es in den Artikeln »Fußball (1) – Volkssport und gesellschaftlicher Gradmesser«, »Fußball (2) – Ultras, eine linke Vereinnahmung« niedergeschrieben.
Die Interviews zwischen Sezession-Chefredakteur Götz Kubitschek und dem Braunschweiger Kolumnisten und Tichys Einblick-Schreiber Alexander Wallasch sind schon fast gute Tradition. 2017 ging es hier um die Herstellung von Normalität auf der Frankfurter Buchmesse und 2019 hier um Parteipolitik (nur 2018 gab es kein Interview mit Wallasch).
Das Erfrischende an diesen Gesprächen ist, daß hier nicht das hundertste Mal, die immer gleichen Fragen gestellt werden, die auf einen moralinsauren, von Anfang an feststehenden Endpunkt hinauslaufen.
Nun, Ende 2020 und passend zur anstehenden 100. Ausgabe der Sezession ist Kubitschek auf Absonderung gebürstet:
Bürgerlich in diesem Sinne bedeutet Abstand vom Dreck, von der Verkommenheit, bedeutet Abstand von Personen, die ihr Leben auf Gefasel und Intrige aufbauen. Man wendet sich lieber ab und macht schöne Bücher oder geht Beschäftigungen nach, die in den Augen der Beutemacher völlig sinnlos sind.
Lesenswert und den wichtigsten Handlungsschritt, der einem in einer verrückt gewordenen Nation noch übrigbleibt, herausstreichend: (geistige) Sezession. Hier geht es zum Interview:
tearjerker
Das was im Fussballumfeld vor 30 Jahren noch als rechts galt, war nie politisch. Was die Linke auf den Plan rief war eher, dass hier Leute etwas Eigenes machten und man sofort verstand wie einfach es sein kann, sich an den Meistbietenden zu verkaufen (Grosssponsoren oder öffentliche Stichwortgeber). In Anbetracht der Unmöglichkeit, Massenereignisse vollständig kontrollieren zu können, konnte Vater Staat dieses Jahr endlich den Idealzustand herstellen: Fussball ohne Fans und jedwede Bekenntnisse privater Art. Um ganz sicher gehen zu können, hat man gleich noch jegliche Möglichkeit kassiert, sich mit Leuten ansonsten zu treffen, sei es im Verein, in der Kneipe, in der Kirche, im Theater. Die totale Implosion, eine Riesenchance.