Fahrenheit 451, oder: Das hat die Universität Wien den Studenten vorenthalten

Der Ring Freiheitlicher Studenten hat einen Sitz in der studentischen Vertretung der Universität Wien. Er hat deshalb das Recht, Vortragsveranstaltungen in Hörsälen anzubieten.

Mit­te Novem­ber soll­te Götz Kubit­schek über den Roman Fah­ren­heit 451 von Ray Brad­bu­ry spre­chen (hier als gebun­de­ne Aus­ga­be und hier als Tasch­buch erhält­lich). Jedoch unter­sag­te die Uni­ver­si­täts­ver­wal­tung die Nut­zung eines Hör­saals zu die­sem Zweck.

Eine Pro­test­kund­ge­bung auf den Trep­pen­stu­fen vor dem Haupt­ein­gang der Uni­ver­si­tät, ange­mel­det von einem RFS-nahen Stu­den­ten, konn­te nur unter Poli­zei­schutz abge­hal­ten wer­den. Die kur­ze Anspra­che Kubit­scheks ist hier in vol­ler Län­ge zu sehen. Sie ist Teil einer Ver­ein­nah­mung des Romans und der Chif­fre “451” von rechts.

Vor der Uni­ver­si­tät ging es um die Umstän­de. Um den Inhalt, also um das, was es zur Dys­to­pie Fah­ren­heit 451 zu sagen gibt, ging es am spä­ten Nach­mit­tag dann in den Räu­men der Öster­rei­chi­schen Lands­mann­schaft. Der Saal war mit hun­dert Hörern über­füllt, Kubit­schek trug vor, was er in der Uni­ver­si­tät hät­te vor­tra­gen sollen.

Das Über­ra­schen­de ist sicher, daß Kubit­schek Brad­bu­rys Roman weder links noch rechts ver­or­te­te, son­dern dort, wo uns hell­sich­ti­ge Kul­tur- und Gesell­schafts­kri­tik rat­los zurück­läßt. Das wäre das The­ma für eine Uni­ver­si­täts­de­bat­te: war­um Kul­tur­kri­tik immer hilf­los ist, bei den frü­hen Grü­nen eine immense Rol­le spiel­te und von der woken Lin­ken unse­rer Tage nicht ein­mal mehr im Ansatz bedacht wird.

Und hier ist der voll­stän­di­ge Vor­trag Kubit­scheks, der den Roman nach­er­zählt und mit Ver­wei­sen auf unse­re Zeit und unse­re Lage verknüpft.

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Kommentare (20)

Gotlandfahrer

20. November 2023 15:02

Dass Sie, wir, auf Gottes Hilfe hoffen dürfen, weil sich in Ihrem Handeln das der Schöpfungsidee, wie der Mensch sie höchstens begreifen kann, dienliche zeigt, sieht man an Ihrer Unverletztheit, mit der Sie aus diesem Affenzirkus durch eigene Unerschrockenheit und gute Kameraden herauskamen. Zu der sich ins Ungeahnte steigernden Blödheit der mittels seelischer Folter, wozu auch Belohnung gehört, gefügig gemachten Bodentruppen des Gegners vor und in der Universität fällt einem nichts mehr ein. Diese werden aber – wir können es doch sehen – von ihren Herren, ausgelutscht, verachtet, nach und nach vor den Bus geworfen. Man könnte schon Mitleid mit diesen Gestalten haben, wenn sie in ihrem Versinken nicht so körperlich gefährlich wären.

Nicht nur 451 ist inzwischen „rechts“, 1984, Farm der Tiere, Idiocracy, Winnetou und selbst Otto-Waalkes-Filme sind es inzwischen. Sie, geehrter GK, könnten auch über die Schlümpfe sprechen und den Pawlow’schen Reflex der Saugmaulwelse auslösen, die aus ihren Kugelaquarien hinausschauend die Welt durch Ablutschen glauben sich Untertan machen zu können. Bitte geben Sie auf sich Acht, wir brauchen Sie noch.

Gotlandfahrer

20. November 2023 16:33

Noch zur, aufgrund der regimeunabhängigen Ungedeihlichkeit moderner Massengesellschaften, aussichtslosen Lage, die sich in Form von Dystopien durch die moderne Kulturkritik zieht, wonach eine Lösung nur in Flucht auf Inseln bestünde: 

Inselfluchten sind wie Musks Marsmission: Nur Transplantation eines Ablegers gleicher Machart, auf frischen Grund. Das Wesen des Menschen (auch wenn es sich nicht in jedem gleich zeigt) wandert mit auf die Insel. Wir kommen nicht drum herum, uns mit unseresgleichen hier und jetzt auseinanderzusetzen, außer wir unterstellen, dass nicht nur 2. gilt, sondern ein Antwort auf 3. eine Lösung bietet: 
Mit der Technik kommen andere Entwürdigungsmöglichkeiten. Sie laufen alle auf die Brechung des Willens und des Bewusstseins hinaus, um den Herrschenden die Vernutzung der Beherrschten zu ermöglichen. Das ist jedoch eine anthropologische Konstante, auch wenn die singende Magd am Brunnen würdevoller lebte als die gepiercte Wohlstandsmulle mit Airpods in der U-Bahn. Dystopien, es gibt ja nur moderne, laufen technikbedingt auf ähnliche Schreckensszenarien hinaus. Es gilt also, was immer galt: Sich der Beherrschung durch solche zu entziehen, mit denen keine grundlegende Interessenssymbiose besteht.
Die Frage ist, ob es tatsächlich allein die Technik der Moderne ist, die für diese besondere Aussichtslosigkeit sorgt (denn war es ohne Technik nicht oft auch schon aussichtslos, z.B. als Sklavenkind auf Sizilien um Christi Geburt?) oder nicht doch nur eine allen Regimen der Moderne innewohnende Besonderheit.

Kurativ

20. November 2023 17:23

Das gedruckte Papier hat einen großen Vorteil gegenüber den neuen Techniken und Medien. Es hat bestand. Es kann Wissen über tausenden von Jahren speichern und man kann es ohne Hilfsmittel in die Hand nehmen und lesen. Deshalb ist es eine Gefahr für die Herrschenden. Im Internet brauchen die Herrscher nur einen Kopf drücken und die Information ist weg.
Ich habe im Keller eine Kiste mit Videokassetten. Diese Medien sind nach 20 Jahren nicht mehr zu gebrauchen. Es gibt kaum noch CD-Abspielgeräte. Von alten Disketten nicht zu reden. Kaum einer gibt sich die Mühe, diese Informationen auf neuere Medien umzuspeichern. Es ist zu viel Arbeit.
Im Keller habe ich auch Kindlers neues Literaturlexikon gefunden. Walter Jens war ein Irrläufer. Die Beiträge in dem Lexikon lese ich jetzt aber mit immer größeren Vergnügen. Einfach eine Buch nehmen, eine Seite Aufschlagen und es findet sich etwas. An den jeweiligen Literaturangaben sieht man, was Tradition bedeutet. Klein anfangen...

Heinrich Loewe

20. November 2023 19:05

Sehr schöner Vortrag!
Vor einigen Jahren brachte der ausgesprochen links-progressive Intendant Hillmann des Bautzner Theaters „Biedermann und die Brandstifter“ (als superbes Puppenspiel!) mit der offensichtlichen Botschaft: Achtung vor den rechten Brandstiftern!
Das Publikum, und so ging es hernach auch durch die Lokalpresse, sah auf der Bühne hingegen in voller Klarheit das treudoofe, obrigkeitsgläubige, Ruhe wollende, naive deutsche Bürgertum angesichts der Masseninvasion Deutschlands durch muslimische und arabische Männer im wehrfähigen Alter.
Wir haben schon einige scalps vorzuweisen in der Vereinnnahmung…

fw87

21. November 2023 12:45

Sehr geehrter Herr Kubitschek, ihre Ansprache vor der Universität habe ich mir angehört. Wirklich sehr gut, ich wünschte, ich könnte sowas auch... Das Wort "Vereinnahmung" hat für mich aber einen eher negativen Beigeschmack. Ich kenne das noch aus der Studienzeit. Beispielsweise wird Kant gern als Vorreiter der liberalen Demokratie vereinnahmt. Tatsächlich ist er das aber nie gewesen, er hielt Demokratie für Despotismus. Das ist ein Beispiel dafür wie man sich von einem Autor und dem, was er gesagt hat, komplett entfernen kann. Besser fände ich es, wenn man herausarbeitet, wie gerade ältere Literatur Themen anspricht, die für uns als Rechte heute wichtig sind. Aber ich glaube, das hatten Sie auch so gemeint. Ich persönlich lese ältere Literatur aber nicht unter politischem Aspekt, sie dient für mich mehr zur Erholung. Bei Karl May etwa kann man in eine  Abenteuerwelt abtauchen, die noch dem Schönen, Wahren und Guten verpflichtet ist. Das ist für mich ein Gegengewicht zur allgemeinen Politisierung und dem Hässlichkeitskult heutzutage.

Fonce

22. November 2023 00:37

Eine Bemerkung zum einleitenden Artikel dazu vom 18. Nov.: Sie sprechen dort von «akademischem Proletariat». Es ist klar, dass der Ausdruck irgendwie witzig ist, aber ich finde es trotzdem ungünstig, weil lat. «proletarius» eine abschätzige Bezeichnung ist für die besitzlose Gesellschaftsklasse, die dem Staat nur mit Nachkommen dient*. Eigentlich müssten wir, die eine Alterative zur Massenimmigration wünschen, aber froh sein, wenn es diesen Dienst* überhaupt noch gäbe. Also ist es ein bisschen paradox, wenn Sie ihn in welcher Form auch immer verspotten.

RMH

22. November 2023 10:08

@Fonce, ich konnte, da ich auch den Vortrag noch nicht angesehen habe, nicht ganz einordnen, worauf sie mit "einleitenden Artikel dazu vom 18. Nov.:" anspielen, aber einmal grundsätzlich: Der Begriff akad. Proletariat ist kein witziger Ausdruck, auch wenn er gerne selbstironisch verwendet wird. Er ist auch nicht paradox, er entspricht der schlichten Zustandsbeschreibung des Akad. in D. All die Boomer, mit ihren schönen Dipl.-was weis ich oder gar Dr.- Titeln, sind nichts anders als Proletarier, da abhängig (da ist nichts Abwertendes im Begriff. Prolet wäre die Beschimpfung, aber nicht Proletarier). Akad. Proletariat ist eine notwendige Zustandsbeschreibung, sie zeigt die totale Vernutzung des Geistes für das materielle Fortkommen oder den politischen Machterhalt (Genderstudies. gekaufte "Klima-Wissenschaft" & Medizin etc.). Ich halte diesen Begriff im Sinne des tat tvam asi, Das bist Du, für jeden, der eine höhere Bildungsanstalt besucht hat, für notwendig, um ihm sein notwendig falsches Bewusstsein als Funktionsglied in dieser Gesellschaft aufzuzeigen. Loriot hat das witzig aufgegriffen beim Sketch um das Jodel-Diplom, "Auch ich als Frau habe Anspruch darauf, ein Glied zu sein". Letztlich braucht sich keiner etwas auf seinen akad. Titel mehr einzubilden - man ist gerade als Akad. im hohen Maße Mittäter (schreibe ich als Akad., der sich aus den Verstrickungen auch nicht lösen kann). Kurz: akad. Proletariat trifft den Nagel auf den Kopf und Ausnahmen bestätigen die Regel.

Laurenz

22. November 2023 11:51

Bin GK dankbar, daß Er den Vortrag als Rechter säkular, entspannt gehalten hat, wohl im Sinne des Autoren, ohne Hoffnung auf Erlösung. Auch die Bibel verbleibt, zumindest vordergründig, nur Literatur, die, wie im Vortrag betont, optional gut oder Trash sein kann. Bei der technisierten Verfolgung des Menschen, kann man den Einschub aus dem Drohnenkrieg an der Ukrainischen Front schon als Ergebnis der SiN-Debatten werten, was zeigt, daß diese Debatten einen Mehrwert besitzen. Der nächste Technik-Schritt des Menschen wird wohl der Drohnen-Abwehr gewidmet sein, ob in der Luft oder zur See. Beim Namen Montag adaptierte ich sofort Defoes Freitag & bei Beatty den 2t-schlechtesten Admiral der Britischen Seekriegsgeschichte. In der Frage, ob dieses kultur-kritische Buch links, rechts oder weder noch sei, kann man vielleicht zu einer anderen Schlußfolgerung kommen. Bücher wurden zu allen Zeiten verboten, auch heute. Radikal aber in linken oder bonapartistischen Systemen. Auch Goebbels war ursprünglich Linker.

Laurenz

22. November 2023 12:08

@Gotlandfahrer ... Die Machbarkeit von Mars- oder Mondmissionen wird deswegen propagiert, um den Steuermittel-Zufluß weiter zu generieren. Technisch wird das mindestens noch 200 Jahre oder mehr brauchen. Bisher ist in keiner Weise ein machbarer Schutz vor kosmischer Strahlung in Sicht. 
@Kurativ ... Einfach ein paar externe DVD-Laufwerke kaufen, sind klein & billig.
@FW87 ... Vereinnahmung ... Daß GK Vokabular aus dem militärischen - oder Sport-Genre nutzt, ist absolut korrekt. Rechte unterscheiden sich von Linken durch die Anerkennung & Akzeptanz der Realität. Scheiß-Linke (Zitat Milei) nehmen wider besseren Wissens die Realität aufs Korn, um sogenannte Gleichheit mit zerstörerischer & gewalttätiger Wut auf Kosten der Freiheit herzustellen, obwohl das im Grunde unmöglich ist. Einige sind immer gleicher. Linker Wahn ist immer inhuman. Linke vereinahmen Begrifflichkeiten zwecks Diskurshoheit. Wir sind im (Bürger-) Krieg der Worte. Also, FW87, mehr Vereinnahmung wagen. 
@Fonce ... GK spricht von Pseudo-Akademikern. Man braucht pseudo-akademische Abschlüsse für den Höheren Dienst. Aber Kühnert, Ziemiak & Co. sind sogar dafür zu blöd.

Umlautkombinat

22. November 2023 12:12

@RMH
 
Zum Begriff des akademischen Proletariats gibt es nicht viel zu diskutieren, zum bei Ihnen dahingehend immer wieder einmal hervortretenden Nihilismus allerdings schon.
 
> für jeden, der eine höhere Bildungsanstalt besucht hat
 
Die Jacke sollte man sich nicht persoenlich und gerade nicht in dieser laehmenden Verallgemeinerung anziehen. Ich habe viel gelernt auf diesen Bildungsanstalten. Dasselbe gilt sogar fuer die analogen "niederen" vorakademischen Bildungsstaetten in DDR-Ausfuehrung. 
Kommt drauf an, was man daraus macht. Ich komme aus diesem Umfeld und bin Mitte der Neunziger recht unsanft und v.a.D. unfreiwillig waehrend des Erwerbs der formal hoechsten Stufe akademischer credentials aus dem Prozess herausgeflogen. Ich habe aber etwas draus gemacht und bin als Selbststaendiger finanziell sowieso und intellektuell weitergehend (ich nenne das immer meine "80%-Erfuellung") in dem was ich moechte. Ebenso gilt das aus dieser Art der Berufsausuebung heraus - deswegen mache ich das gerade so - fuer andere Abhaengigkeiten a'la "Funktionsglied". Der damit implizierte Kettencharakter hat da ein durchaus vernuenftiges Mass.

Waldgaenger aus Schwaben

22. November 2023 12:15

Der Referent wirkt auf mich sympathisch, allein schon wegen der Dialektfärbung. 
Inhaltlih kann ich bei der Technikkritik nicht ganz mitgehen. Das klingt alles zu negativ. Der Fortschritt, den Kulturkritik angeblich vergeblich aufzuhalten versucht, schafft auch neue Möglichkeiten für Inseln des Widerstands. Ich behaupte mal ohne das Internet, nur mit Papier (und Fernsehen) als Träger von Medien, gäbe es die AfD heute so nicht. Niemand muss heute mehr im Tal der Ahnungslosen leben, wenn er auf MSM verzichtet. Ohne Internet würden viele widerständige Geister heute zuhause allein im Kämmerlein sitzen und sich fragen, was mit ihnen nicht stimmt. 
Ich habe gleich nach dem Hören des Vortrags im Internet nach einem T-Shirt gesucht, das nur mit 451 bedruckt ist, ohne weiteren Text. Gefunden habe ich eins mit 451° F. Für den nächsten Sommer bestelle ich es. Alle anderen sind mit deutlicheren Hinweisen versehen, ich bevorzuge das Unaufdringliche. Nachdenken soll jeder selbst. Vielleicht ist 451 dann auch schon ein "verbotender" Zahlencode und 1984 auch. Wäre natürlich ein mega-booster für die Wahlen 2024.

Laurenz

22. November 2023 12:29

@GK ... Ihren Bezug auf den Film The Book of Eli fand ich besonders spannend. Im Film werden zwar die auswendig gelernten Bücher diktiert & wieder gedruckt, aber es beinhaltet doch eine Reminiszenz an unsere leicht verwundbare Ur-Kultur, die nicht lesend, nicht schreibend auswendig lernte, quasi der diametrale Gegenpol zur Suchmaschine, die das Wissen aus dem Hirn auslagert. Auch bei Frank Herberts Dune übernehmen, nach dem Djihad gegen die KI-Maschinen, menschliche Mentaten die Speicherfunktion von Rechnern.

Kurativ

23. November 2023 03:54

Laurenz 22. November 2023 12:08
@Kurativ ... Einfach ein paar externe DVD-Laufwerke kaufen, sind klein & billig
-> Einige Bauteile auf den Leiterkarten werden keine 50 Jahre halten. Auch bei Nichtbetrieb. Geschweige denn von den Computern, an denen man diese Geräte nicht mehr anschließen kann.

Fonce

23. November 2023 19:44

(@RMH)
War z.B. Aristoteles, der bei Alexander dem Grossen angestellt war, auch schon ein "akademischer Proletarier"? Das würde dann für Alexander der Grosse nicht gelten? Obwohl der eigentlich eine Art Regierungsbeamter in eigener Vollmacht war, der nicht anders als ein Proletarier auch in sein Amt gefesselt war. Sonst fällt mir jetzt gerade Freiherr Carl du Prel und Freiherr von Goethe ein (der aber auch Beamter und also Proletarier war).
Ich kann dem Begriff einfach nicht viel Sinn abgewinnen. Wahrscheinlich interessiert Euch (@Umlautkombinat, @Laurenz) das einfach nicht wirklich, das ist einfach so ein cooles Schimpfwort, das Ihr liebgewonnen habt.

anatol broder

24. November 2023 09:07

@ heinrich loewe 19:05
welche scalps zum beispiel?
@ fonce 19:44
es gibt rote äpfel. es sind gegenstände, die man im kontext der früchte mit zwei eigenschaften beschreiben kann: (1) frucht = apfel; (2) farbe = rot. einverstanden? wenn das klar ist, dann gelingt auf dieselbe weise das verständnis des akademischen proletariers. bitte erneut versuchen. wie @ rmh betont, meint der begriff nicht gleich die frage warum bist du so arm, wenn du so klug bist?

RMH

24. November 2023 09:46

@Fonce,
nochmals: Proletarier ist kein Schimpfwort. Ich bin zwar alles andere als ein Sozialist oder Linker, aber wenn etwas im deutschen Kulturraum auffällt, dann ist es der Umstand, dass sich während und nach der industriellen Revolution nie ein echtes Klassenbewusstsein mit entsprechendem Klassenstolz herausgebildet hat. Vor der "Moderne" gab es den Standesstolz und auch die sog. niederen Stände hatten ihr ganz eigenes Selbstwusstsein. Bei den Briten hingegen hat sich die "working class" dagegen ihren eigenen Stolz und bewußst auch eigene Kulturräume (bspw. Music Hall, Football etc.) geschaffen. In Deutschland dagegen Fehlanzeige (gut, in der DDR wurde es dann irgendwie drauf gepfropft - Tellkamps "Der Turm" zeigt aber bspw., was darunter dann einfach wie immer weitergelaufen ist) und heutzutage haben wir stärkere gesellschaftliche Barrieren, als früher bei gleichzeitig ansteigender Vernutzung aller Tätigkeiten, für die man einmal eine "Akademie" oder, besser und treffender, Hochschule besucht haben muss.

Fonce

24. November 2023 22:55

Ich habe mich ursprünglich auf den Satz: «Die Polizei räumte das akademische Proletariat beiseite, damit wir zur Straßenbahn kämen» bezogen (GK, Hinter den Linien, Unterkapitel 18. Nov.). Von @RMH und @anatol-broder wurde bestritten, dass das Attribut «Proletariat» eine Schmähung beinhalte.
Wenn ich sagen würde, die obigen Erklärungen von @RMH und @anatol-broder zum Thema «akademisches Proletariat» seien  für mich Beispiele geistiger Proletariate, dann würde das heissen, Ihr Beitrag sei Schei##. ─  Aber stopp! Doch nicht! Das Attribut "Proletariat" ist ja gemäss diesen Kommentatoren keine Schmähung. Ich habe Ihnen damit etwas Nettes gesagt. … 
Ich finde es nicht klug, so ein (fast sektenhaftes) Zwiedenken zu pflegen, um den politischen Feind in eine Art magisches Mantra zu bannen. Denn eigentlich übernimmt man dadurch bloss die perverse Logik des Gegners, vergiftet sich damit selber und stolpert irgendwann am Schluss darüber.

KlausD.

27. November 2023 15:09

@Fonce 24. November 2023 22:55
„das akademische Proletariat“
Diese lärmende Horde als Proletariat zu bezeichnen, halte ich sowieso für etwas unglücklich und letztlich für zu viel der Ehre. Zwar gehören diese Leute zur (lt. aktueller Definition) „Klasse der abhängig Beschäftigten (die keine eigenen Produktionsmittel besitzen)“, doch hat dieser Begriff im gesellschaftspolitischen Kontext seit Marx eine viel höhere Bedeutung erlangt (s.a. „Der vierte Stand“). Beispielsweise schildert Georg Freiligrath in seinem Gedicht „Von unten auf“ das Proletariat als die entscheidende Kraft in der Nation und als eine Herausforderung des Staates. Darin heißt es „Wir sind die Kraft! Wir hämmern jung das alte morsche Ding, den Staat. Die wir von Gottes Zorne sind bis jetzt das Proletariat.“ Diese Absicht wollen wir doch nicht etwa diesen irregeleiteten Typen zuschreiben?

RMH

27. November 2023 15:10

@Fonce, habe ja geschrieben, dass ich das allgemeiner betrachte. Selbst wenn es eine Schmähung gewesen sein soll, was G.K. geschrieben hat, dann trifft "akademisches Proletariat" stets überwiegend einen Wahrheitskern - und das ganz ohne Nebenwirkungen. G.K. als Unternehmer hat sich frei geschwommen, darf aber dafür seinen "Compliance"-Diener u.a. jeden Monat bei der USt-Voranmeldung, LSt- etc.-Voranmeldung, mit jeder DSGVO-Belehrung  etc. machen und so gilt das, was Marylin Manson in seiner "Irresponsible Hate Anthem" schon vor jahren gesungen hat: "Everybody's someone else's ..." - und die wenigen "do oben" lachen sich schlapp (dagegen wäre nichts einzuwenden, wenn "die da unten" in einem freiheitlichen System eben, wie M.M. im o.g. Lied es ausdrückte, ungestraft f.y. und "I wasn't born with enough middle fingers, I don't need to choose a side" sagen dürften. Aber das währe dann doch zu gefährlich - daher auch die Feuerwehr).
Realität ist hart, und als Proletarier muss man ja nicht zwangsläufig zum Proleten werden (auch wenn ich gerade US-Gossen-Sprache zieiert habe), diese Erkenntnis vergiftet nichts.

anatol broder

27. November 2023 19:46

@ fon## 22:55
«beispiele geistiger proletariate» – das klingt «magisch». ist das auch «ausdruck des zusammenpralls von traum und realität» wie neulich bei der besprechung des begriffes melonisierung? jetzt verstehe ich deinen beitrag dazu:
«die neue regierung [meloni – a’b] macht dann doch nichts, weil sie angst hat, dass ein heftiges anziehen der immigrations-handbremse bewirkt, dass gar niemand mehr [in italien – a’b] einwandert und sie dann als wirtschaftspolitische niete dasteht.» (23:58)
erst dachte ich, du «übernimmst bloss die perverse logik des gegners», der einen fachkräftemangel wähnt. doch jetzt merke ich auch, dass bei genau zwei proletariaten niemand einen italiener mit «seinem quadratschädel» ersetzen kann, weil 1 + i² = 0.

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