LISSON: Zunächst muß ich klarstellen, daß die etwas reißerischen Zeilen auf der Titelseite nicht von mir stammen. Ich hatte sogar ausdrücklich darum gebeten, den Fokus nicht auf die „Mulattisierung“ zu richten, weil ich natürlich wußte, daß das zu Mißverständnissen führen würde oder falsche Erwartungen wecken könnte. Die Redaktion hat sich jedoch ohne Rücksprache mit mir anders entschieden, was aus ihrer Sicht verständlich ist.
Mir ging es in erster Linie um das Phänomen des „Degenerativen der Zivilisation“, bei dem die „Mulattisierung“ nur eine Erscheinungsform darstellt und nicht einmal die wichtigste. Die Thematisierung des „ethnischen Synkretismus“, wie ich jenes Ereignis ja auch nenne, macht weniger als ein Drittel des Textes aus und wäre ohne Hervorhebung auf der Titelseite vielleicht als gar nicht so anstößig empfunden worden.
Übrigens sehe ich da keinen Spagat. Es wird in jedem Drittel gleichermaßen radikal und philosophisch argumentiert. Grobe Dinge erfordern klare Worte. Nur darf man sich nicht an gewissen Reizwörtern festbeißen und dabei den Kontext aus den Augen verlieren. Das selektive Erfassen von Inhalten scheint mir überhaupt ein großes Problem zu sein. Solche Texte müssen langsam und gründlich und mit der nötigen Abstraktionsbereitschaft gelesen werden. Dann wird vieles schon gleich viel weniger „kraß“ erscheinen.
SEZESSION: Eine der Grundfragen, die Du aufwirfst, lautet: ob man einem Staat noch loyal gegenüberstehen könne, der eine dezidiert „heimatverderbende und auch der eigenen Person schadende Politik betreibt“ (Deine Worte). Es ist wohl eher eine rhetorische Frage, oder? Müssen wir den Politikwechsel wollen? Wohin? Mit welchen Erfolgsaussichten?
LISSON: Insofern der Mensch ein zoon politikon ist, gibt es für ihn keine gewichtigere Frage als die nach seinem Verhältnis zu dem ihn umgebenden Staat. Erweisen sich dessen Vertreter als unfähig oder destruktiv und gefährden dadurch das Gesamte, wird das für denjenigen, der sich als ein in die Interessen seines Staates eingebundenes Wesen begreift, zur Belastung. Er kann sich mit der Wirklichkeit seines Lebensraumes nicht mehr identifizieren und gerät deshalb mit diesen in einen nicht nur theoretischen Dauerkonflikt.
Folglich muß er den Politikwechsel wollen. Ob er ihn jedoch auch mit herbeiführen kann, hängt mehr von der jeweiligen historischen Situation und den systemimmanenten Ursachen des Staatsverfalls ab als von seinem Willen.
SEZESSION: Du nennst Zeiten, Jahre, in denen begründet der „Volkszorn“ erwachte – 1525, 1789, 1848, 1917 beispielsweise. Heute sammeln sich die Unzufriedenen in den sozialen Medien. Die Wahlprognosen tun ein Übriges. Woher rührt also Dein Pessimismus?
LISSON: Wer Tatsachen benennt, ist kein Pessimist. Ich wundere mich immer wieder, dass Zustandsbeschreibungen, die keine wohlmeinenden Ratschläge enthalten, so oft als Pessimismus gedeutet werden. Es ist nicht Aufgabe der Philosophie, Hoffnungen zu schüren, sondern hinter die Dinge zu blicken, um das sich dort Verbergende zu beleuchten.
Die Unzufriedenen in den sozialen Medien stellen derzeit kaum ein „revolutionäres Potential“ dar, das sich mit dem der genannten Jahre vergleichen läßt, da ihre Foren doch hauptsächlich dazu dienen, sich gegenseitig zu bestätigen, die Geborgenheit innerhalb der „Blase“ zu genießen und dabei das Gespür für die tatsächlichen Machtverhältnisse zu verlieren.
Denn was die Wahlprognosen betrifft: man muß kein Prophet sein, um zu wissen, daß selbst 35% für die AfD bei den kommenden Landtagswahlen das Regime nicht daran hindern werden, die stärkste Partei von der Teilnahme am politischen Entscheidungsprozeß auszuschließen.
Das darf aber natürlich niemanden davon abhalten, dagegen zu protestieren und seine Wut zu artikulieren. Nur fürchte ich, daß die Unzufriedenheit zu diffus ist, um einen echten Regierungswechsel herbeiführen zu können. Mir scheint, es fehlt an klarer Ausrichtung selbst innerhalb der rechten Opposition.
SEZESSION: Meinst Du, ein Regierungswechsel könnte tatsächlich fundamental etwas verbessern? Ich kenne Dich eher als Skeptiker …
LISSON: Meine Skepsis rührt aus Erfahrung. Hoffnungen auf eine „rechte Wende“ keimten seit den frühen 1990er Jahren immer wieder auf. Doch selbst nachdem sich Erfolge eingestellt hatten, wurde alles nur noch schlimmer. Die Proteste kommen 30 Jahre zu spät. Erst wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist, geraten die Massen in Bewegung.
Alles, was heute als Krise wahrgenommen wird, hat seine Wurzel in der verhängnisvollen Politik seit den 1990er Jahren. Und alles war absehbar, kündigte sich für jedermann sichtbar an. Inzwischen ist zu viel Substanz zerstört worden, weshalb es bloß noch um Schadensbegrenzung gehen kann. Diese aber wäre nur möglich, wenn die AfD regierte, und zwar allein, also ohne Koalition mit einer der Staatsparteien, die in die Misere geführt haben. Doch kaum vorstellbar, dass die herrschenden Kreise in Politik und Medien das zulassen würden.
SEZESSION: Ich meine ja, Deine Skepsis sitzt noch tiefer. Du schreibst, typisch pessimistisch: „Es war immer unmöglich und wird immer unmöglich sein, sich gegen die großen historischen Tendenzen zur Wehr zu setzen“. Bitte? Die Geschichte macht bekanntlich Sprünge, und natürlich haben Widerstandsbewegungen daran ihren Anteil! Warum so fatalistisch?
LISSON: Nein, Geschichte macht keine Sprünge. Sie ist sogar ausgesprochen träge. Jeder gravierenden Wandlung, jedem großen Ereignis, das Folgen hat, gehen Jahrzehnte, oft Jahrhunderte der inneren Vorbereitung und Entwicklung voraus.
Der Übergang vom paganen zum christlichen Europa dauerte 300 bis 1000 Jahre, der von der feudalen zur demokratisch-sozialistischen Staatsordnung 500 Jahre. Und während dieser Zeit war klar, dass es keine Restitution des Niedergehenden mehr geben werde, sondern allenfalls Verzögerungen.
Bei dem Riß, der heute Nationen wie die USA, Israel, Ungarn, Polen und auch dieses Land durchzieht, handelt es sich nur oberflächlich oder vordergründig um die Konfrontation zwischen „rechts“ und „links“. Vielmehr haben wir es mit dem Resultat soziogenerativer Prozesse zu tun, die seit über 200 Jahren in vollem Gange sind. Hier stehen sich nicht zwei Parteien, sondern zwei Entwicklungsstufen einander ablösender Weltalter gegenüber.
Dennoch sind Widerstandsbewegungen wichtig, denn sie stellen sich dem Unumkehrbaren tapfer entgegen und sorgen damit oft für einen moderateren Verlauf. Außerdem künden sie vom kulturellen Selbstbehauptungswillen des Tradierten gegen den Wildwuchs menschlicher Veränderungssucht.
SEZESSION: Du sprichst vom herrschenden „Feudalismus der Ochlokraten“, wobei diese Ochlokraten typologisch mit der Mehrheit des Volkes verwandt seien. Bitte führe das einmal näher aus.
LISSON: In der Demokratie ist das „Volk“ oder für den heutigen Zustand präziser: die „Bevölkerung“ der Theorie nach selber verantwortlich für das Regime, das über sie herrscht. Die Paradoxie „Feudalismus der Ochlokraten“ bedeutet, dass sich aus dem Mehrheitstypus der Bevölkerung eine Repräsentantenklasse herausgebildet hat, die nur noch die Interessen dieses Typus vertritt, den sie selber erzeugt hat und durch den sie sich immer wieder bestätigen läßt.
Der AfD-Wähler repräsentiert in diesem Sinne eben nicht das „Volk“ und schon gar nicht die „Bevölkerung“, sondern nur einen relativ geringen Teil dessen, was einstmals das „Volk“ im herkömmlichen Sinne war, als dieses noch über den Kanon nationaler Eigeninteressen definiert werden konnte.
Unter Einschluß der Nichtwähler zeigen bei einer Wahlbeteiligung von 65% und bei einem Stimmenanteil von 20% für die AfD nur 13% aller Wahlberechtigten, daß sie einen solchen Kanon („Wir sind das Volk“) vermissen. Das heißt, 87% sehen sich noch immer nicht veranlaßt, gegen die Regierungskartelle zu votieren, obwohl weit mehr als nur 13% mit den Zielen der AfD übereinstimmen dürften.
SEZESSION: Besonders kraß an Deinem Text sind die Passagen, die unsere Gegner als „misogyn“ deuten würden. Mindestens das! Du hältst fest, daß sich heute „relativ viele Frauen“ von afrikanischen oder orientalischen Männern schwängern ließen. Zitat: „Es ist diese fatale, weiblich zu nennende Mischung aus Instinktsicherheit, Naivität, Mitleid und Unterwerfungslust.“ Könntest Du ausführen, weshalb Du zu dieser These kommst? Weshalb es aus Deiner Sicht immer die Frauen waren, die den Invasoren die Tore öffneten?
LISSON: Evolution ist nicht „misogyn“ und ich bin es am wenigsten. Bedauerlich, daß es immer wieder zu solchen Mißverständnissen kommt. Die menschliche Evolution fragt nicht nach dem „kulturellen Wert“ von Ethnien und kümmert sich auch nicht um deren Erhalt. Frauen waren die längste Zeit der Menschheitsgeschichte Beute und Tauschgut. Darum haben sie besser gelernt sich anzupassen als Männer.
Daß sie immer wieder in fremden Clans zurechtkommen mußten, erklärt vielleicht ihre höhere Bereitschaft, in ausländische Familien einzuheiraten und sich vom „Exotischen“ angezogen zu fühlen. Möglicherweise wirken hier uralte, stammesgeschichtliche Reminiszenzen. Wenn es wahr ist, daß Homo sapiens vor 40.000 Jahren von Afrika aus Europa besiedelte und dunkler war als die dort bereits lebenden Menschen, diese aber von Homo sapiens buchstäblich „aufgemischt“ wurden, dürfte ein seltsam ambivalentes Trauma zurückgeblieben sein, das man als „King-Kong-Syndrom“ bezeichnen könnte: großer schwarzer (aber im Grunde sanfter) Affe raubt kleine weiße, nackte Frau.
Das Weibliche will „hart genommen“, aber gleichzeitig einfühlsam behandelt werden. Bis heute löst die Vorstellung, in die Gewalt eines „großen schwarzen Affen“ zu geraten, also von einem (ganz und gar) Fremden vergewaltigt zu werden, bei vielen weißen Frauen nicht nur Empörung, sondern auch bizarre sexuelle Wunschphantasien aus. Jedenfalls gehört der Frauenraub zu den ältesten und am weitesten verbreiteten Erinnerungen vor allem der europäischen Menschheit, die sich sogar bis heute im Brauchtum erhalten haben.
SEZESSION: Du plädierst letztlich für den Rückzug ins Private. Kein neuer Zug. Wirklich: ein Rückzug. Das ist das „Tal der scheuen Wölfe“, das Du in Deinem Essay für die Reihe Kaplaken beschrieben hast. Das ist eine Niederlage, oder?
LISSON: Hätte ich mich ins rein Private zurückgezogen, würde ich keine Artikel veröffentlichen und auch keine Interviews geben. „Rückzug ins Private“ darf darum nicht „lokal“ verstanden werden. Privat handelt derjenige, der sich den Interessen des Staates entzieht, sobald dieser seine Verfallsform erreicht hat, also das Gegenteil dessen darstellt, was er zu sein vorgibt. Man signalisiert durch Verweigerung, daß man nicht Teil des Irrsinns sein will, ist aber zur Passivität verurteilt, solange die historische Situation einen echten Wandel noch nicht in Aussicht stellt.
„Niederlage“ würde bedeuten, man wäre bereits “tätig” geworden und daran gescheitert. Der Private ist sich seiner Ohnmacht bewußt, weshalb er die Analyse dem Aktivismus vorziehen muss. Beides hat seine Berechtigung, weil das Denken dem Handeln stets vorausgehen sollte.
MARCEL
Die BRD war der westliche Besiegten-Staat (ein US-Protektorat), es wundert mich nicht, dass das keiner wirklich verteidigt. Unvergessen Hans-Dietrich Sanders hartes Urteil: die Besten seien im Krieg gefallen, andere haben sich 1945 das Leben genommen, der Rest hat diesen Staat aufgebaut. Welcher Menschentyp sollte aus ihm hervorgehen?
Sicher: Man kann Geschichte nicht zurückdrehen, man muss aber nicht ihr Sklave sein. Jede Gegenrevolution verkündet seit der Vendée die (freilich erfolglose) Befreiung aus der Geschichte. Wer nicht angreifen kann, kann sich verweigern (Lesetipp V. Gheorghiu "Die Unsterblichen von Agapia")