erinnern: Mit Karlheinz Weißmann war zum 1. April einer jener Köpfe von Bord unseres Schiffes gegangen, mit dem der Aufbau des Instituts für Staatspolitik eng verknüpft ist. Am Vormittag wurde die 59. Sezession angeliefert, darin der mutmaßlich letzte Artikel Weißmanns:
ein programmatischer Text über den “Neuen Realismus” – sein Logbuch auf der Fahrt zu neuen Ufern (er dockte ja recht flott bei der JF an und redet seither der politischen Flexibilität à la Lucke das Wort). Ich konterte in derselben Ausgabe mit einem Plädoyer für den “Romantischen Dünger” (und erhielt mitgeteilt, daß man für derlei Grundsätzlichkeiten auf den realpolitischen Aufmarschplätzen des Konservatismus kein Verständnis habe).
Beim Sinnieren über die Verwerfungen und Vorgänge der vergangenen Monate und den jähen Riß, der uns von der JF trennte, las ich im Internet auch auf der AfD-Seite herum – fest davon überzeugt, daß diese Partei eine Kantenschere nach rechts und einen Magneten des Establishments darstellte. Ich beschloß, einen Lackmustest zu machen und ein Anmeldeformular auszufüllen: Würde man einen rechtsintellektuellen Verleger in dieser Partei dulden? Daß es ausgerechnet der 1. April war, an dem ich mich bewarb, nahm der Sache von vornherein den Ernst – vielleicht bewarb sich an diesem Tag auch Hape Kerkeling…
Ich hörte monatelang nichts. Die AfD zog in Sachsen, in Thüringen und in Brandenburg in die Landtage ein, an der Spitze in Erfurt mein alter Bekannter Björn Höcke, und dann meldete sich André Poggenburg, Landeschef in Sachsen-Anhalt, mit ein paar Fragen, weil ihm der Antrag vorgelegt worden war: Wir besprachen uns eine Stunde lang, ich lernte einen grundsoliden jungen Mann kennen, einen zähen Pragmatiker, einen selbstlosen Selbständigen, dessen Ziel es ist, den Landesverband endlich zur Ruhe und für die Landtagswahl 2016 in Stellung zu bringen.
Ich muß zugeben, daß mich das Projekt AfD in dieser mitteldeutschen Ausprägung zu interessieren begann. Von einer Aufnahme war dabei nicht mehr die Rede, aber um so mehr davon, ob in den politisch ausgedünnten neuen Ländern so etwas wie eine echt konservative Strukturarbeit möglich sei.
Es kam der November, es spazierte die PEGIDA. Wir spazierten mit, und ich übernahm Anfang Januar die nicht einfache, aber sehr lehrreiche Rolle eines Vermittlers innerhalb der Protestbewegung. Staat und Parteien versuchten zu spalten, wo immer es möglich war: die Dresdner von den Leipzigern, die guten von den bösen Organisatoren, Kathrin Oertel von Lutz Bachmann, die Orga-Teams insgesamt von den verführten Bürgern und so weiter.
Ich habe über die teils geglückten Vermittlungen ausführlich und bis ins Detail hinein im Sonderheft “Pegida” der Sezession berichtet, und vor zwei Wochen bestätigte mir Kathrin Oertel in einem langen Gespräch die Richtigkeit meiner damaligen Einschätzungen. Das kann man – wie erwähnt – im Sonderheft nachlesen.
Die entscheidenden Erfahrungen aus diesen Wochen sind:
- Die Teilnehmer der Demonstrationen sind zu einem erheblichen Teil für diesen Staat verlorengegangen, und ich bin es auch. Das Maß an menschlicher, staatlicher, medialer und parteipolitischer Niedertracht, das ich in den vergangenen Monaten miterleben mußte und abzuwehren helfen konnte, überstieg Woche für Woche meine Vorstellungskraft.
- Im eigenen, rechtskonservativen Milieu gibt es dann doch etliche, denen immer irgendetwas nicht hygienisch genug ist, wenn es darum geht, sich mit “der Masse” gemein zu machen. Versagt haben jene Köpfe, die sich auf elitären Seminaren an ihrer vermeintlichen Fähigkeit berauschen, “die Massen zu agitieren” – den Weg ans Mikrofon vor tausende Bürger aber nie antreten. Weiß mann, wann vielleicht doch? nein, weiß mann nicht.
Aus dieser gemeinsamen Erfahrung wird die Sympathie deutlich, mit der man auf Höcke, Poggenburg, Tillschneider (“Patriotische Plattform”, hat soeben einen starken Text gegen das Parteistiftungswesen veröffentlicht) oder die Köpfe der “Jungen Alternative” blicken kann, die sich als Unterzeichner der “Erfurter Resolution” präsentieren: Sie alle stemmen sich gegen jene Tür, die ihnen der Staat und das Establishment nur unter der Bedingung des Kniefalls öffnen wollen.
Im gelegentlichen Austausch mit Höcke, Poggenburg und anderen Parteimännern zeigt sich, daß auch dort die Abwehr des Zersetzenden, des konkurrierenden “Parteifreundes” und der täglichen Portion “Lügenpresse” den Hauptteil der raren Arbeitszeit frißt.
Es ging dann überraschend schnell: Meine Aufnahme in die Partei und den sofortigen Widerruf durch den Bundesvorstand sowie den Medienrummel danach nahm ich zur Kenntnis, so what? Auch hier zeichnen die Interna ein Bild voller Machtinstinkt und parteipolitischen Kalküls: Bestrafe einen, erziehe hundert! Meine und Kositzas Nichtaufnahme Hinweis an den nationalkonservativen Flügel der Partei? Ja, so ist das wohl.
Womit ich nicht gerechnet hatte: mit dem Kampfgeist Höckes und Poggenburgs. Sie ordneten den Widerspruch des Bundesvorstands als das ein, was er ist: als eine Lupe für jeden, der genauer sehen will. An sich ist das nämlich eine Lappalie. Wieso soll eine Partei ausgerechnet jemanden aufnehmen, der sich mehr als ein Mal grundsätzlich parteikritisch geäußert hat? Aber wenn solche Vorgänge am einen Tag als Krümel vom Tisch gefegt werden, bringen sie am andern als letzter Tropfen das Faß zum Überlaufen – zumal sich Bernd Lucke und seine Vasallen nach dem Bremer Parteitag nicht an den austarierten Kompromiß hielten, sondern unter den Konservativen aufzuräumen begannen.
Ich bin jedenfalls überrascht davon, daß Höcke und Poggenburg mit einer Resolution reagierten und nun sozusagen in letzter Sekunde damit beginnen, die tatsächlich an einer politischen Alternative interessierten Kräfte in ihrer Partei zu sammeln. Diese “Erfurter Resolution” ist ein Minimalkonsens, nicht mehr, und sie hat – ich habe mit ein paar einfachen Mitgliedern telefoniert, die ich kenne – innerhalb der Partei zu neuer Zuversicht unter den patriotisch Gesinnten und zu Panikreaktionen unter den verkappten FDPlern gesorgt.
Die mit Sicherheit dümmste Rolle spielt dabei Jazzfreund Hans-Olaf Henkel.
Schon als er der AfD beitrat, tat er das mit dem Habitus eines Großbauern, der im Kälbermastbetrieb in jeden Schenkel zwickt, bevor er kauft. Kaum war die “Erfurter Resolution” veröffentlicht, durfte Henkel in der JF über das “völkische Gedankengut” der Initiatoren schwadronieren, und es ist – wen wunderts? – für mich bloß eine Bestätigung, daß ausgerechnet Dieter Stein sich als Transmissionsriemen des Antifajargons zur Verfügung stellt und daß Karlheinz Weißmann diesen jeden Konservativen beleidigenden Ausfälligkeiten nicht in die Parade fährt.
Henkel jedenfalls ließ irgendjemanden rasch eine Gegenresolution, eine “Deutschland-Resolution”, zimmern, der man das Übereilte, Unverschämte, Wegwischende, rein Taktische am Bild, am Text und in der ganzen Fortführung sofort ansieht. Selbst das Logo ist eine dümmliche Adaption des Logos, mit dem derfluegel.de arbeitet.
Ich will an dieser Stelle eine interne Information preisgeben, selbstredend ohne Namensnennung, aber der eine oder andere Journalist könnte ja einmal nachbohren: Ich weiß aus zuverlässiger Quelle, daß
- Henkels “Deutschland-Resolution” noch nicht einmal 800 Unterzeichner versammeln konnte und
- die Order ausgegeben wurde, rund das Doppelte vor der Presse anzugeben, um zur “Erfurter Resolution” aufzuschließen, die mittlerweile auf über 1700 Unterzeichner kommt.
Selbstredend entbehrte ein ähnlicher Vorwurf gegen Höckes und Poggenburgs “Erfurter Resolution” jeder Grundlage: Auf der Internetseite des “Flügels” wird seit Tagen Landesverband für Landesverband veröffentlicht – die Mandats- und Amtsträger namentlich, die übrigen Mitglieder summarisch, und diese Transparenz ist der Beleg dafür, daß man redlich zählt, mit offenen Karten spielt und den Dialog sucht.
Trotz alledem und obwohl die Lage doch recht spannend ist (und mich die offensichtliche Tölpelhaftigkeit von Henkel und seinen Steinbügelhaltern lächeln läßt), habe ich das Buch “AfD” längst zugeschlagen, Kositza noch nicht: Sie nimmt ihre Ablehnung persönlicher und meinte es ernster. Mit meinem Mitgliedsausweis jedenfalls haben die Kinder gestern “bargeldloser Zahlungsverkehr” am Kaufladen gespielt, aber vielleicht ist er irgendwann noch zu etwas anderem nütze.
Der Lackmustest: War er überhaupt einer? Viel wichtiger war der tiefe Blick hinter die Kulissen der Parteiarithmetik, in der die Partei selbst zum Zweck wird und nicht mehr nur Mittel hin zu etwas Übergeordnetem ist. Das konnte man theoretisch schon immer wissen, ebenso übrigens, wie man theoretisch weiß, wie es ist, wenn man demonstriert und auf der Abschlußkundgebung eine Rede hält.
Meine große Sympathie für all jene, die Dreck fressen können, ist seit dem 1. April des vergangenen Jahres noch gewachsen. Denn das ist wohl die substantielle Lehre, die jeder lernt, der sich beteiligt: Daß der Dreck aus Richtungen kommen kann, aus denen man auf Unterstützung hoffte.
gert friedrich
Der rechte,nonkonforme CSU-Mann Peter Gauweiler ist von seinem Posten als CSU-Vize zurückgetreten und hat sein Bundestagsmandat zurückgegeben.
Was passiert wenn alle fähigen Rechten nur noch zurücktreten oder über die Verhältnisse jammern?
Cui bono.