Auch eine Frankfurter Rundschau

Die Anwesenheit von Antaios auf der Frankfurter Buchmesse hat so hohe Wellen geschlagen, daß eine kursorische Nachlese mehr als notwendig ist.

Nils Wegner

Nils Wegner ist studierter Historiker, lektorierte 2015–2017 bei Antaios, IfS und Sezession und arbeitet als Übersetzer.

Dar­an, daß Antai­os und die nicht uner­wart­ba­ren Gegen­ak­tio­nen – den Regeln des Spek­ta­kels fol­gend, im Wech­sel­spiel mit den Medi­en – bei­na­he allein bestim­mend für die Mes­se gewor­den sind, kom­men all die Gegen­stim­men nicht vor­bei. Man ver­glei­che dazu ein­mal exem­pla­risch die hier chro­no­lo­gisch ange­ord­ne­ten, hilf­los-ver­bit­ter­ten Nach­hin­einstex­te der Welt, der Süd­deut­schen (wo Autor Rüh­le das Wort “Opfer” so zwang­haft wie­der­holt, als sei er ein Ber­li­ner U‑Bahn-Schlä­ger), der Frank­fur­ter Rund­schau und des Tages­spie­gel.

(Und aus Anlaß eini­ger Leser­kom­men­ta­re sei hier noch ein­mal her­aus­ge­stellt: Die Frank­fur­ter Rund­schau des Herrn Majic, der durch sei­ne frü­he, betrof­fe­ne Bericht­erstat­tung die Eska­la­ti­on mit ange­lei­ert sowie in der Zwi­schen­zeit noch ein paar Tex­te zum The­ma nach­ge­legt und sicher schon bezahlt bekom­men hat, ist bereits seit 2012 insol­vent und exis­tiert nur noch, weil sie seit vier Jah­ren maß­geb­lich von der FAZ mit durch­ge­füt­tert wird – das ist die­se abstei­gen­de, prä­ten­tiö­se Wirt­schafts­wun­der­zei­tung, die immer noch eini­ge für »auf unse­rer Sei­te« halten.)

Weit­ge­hend bekannt sein dürf­te inzwi­schen, daß der Haar­lo­se beim Rund­gang mit Björn Höcke – des­sen geschickt arran­gier­tes Akti­ons­pho­to nicht nur die Bild als dezen­ten Ver­weis auf den durch­schnitt­li­chen Antai­os-Ver­an­stal­tungs­teil­neh­mer pla­ziert hat – tat­säch­lich Mit­glied von DIE PARTEI und Anti­fa ist. Fol­gen­de Col­la­ge haben die flei­ßi­gen Bien­chen in den dunk­len Höh­len des Inter­nets besorgt:

Der oben erwähn­te DIE-PAR­TEI-Stadt­ver­ord­ne­te Nico Weh­ne­mann hat­te im unmit­tel­ba­ren Nach­gang der Mes­se-Rei­be­rei­en eine trau­ri­ge, trau­ri­ge Geschich­te erzählt, wie ihn ein “Nazi” grund­los nie­der­ge­run­gen habe. Das hat sich inzwi­schen auch alles als ganz anders her­aus­ge­stellt, wie sogar das von einem Mit­grün­der der “Recherche”-Plattform Cor­rec­tiv gelei­te­te deut­sche Buzzfeed zuge­ben muß­te. Die Frank­fur­ter Zel­le von DIE PARTEI hat offen­bar ein Selbstdarstellerproblem!

Beson­ders pit­to­resk kommt der kur­ze Bericht der Washing­ton Post daher: Da weist die ange­frag­te Spre­che­rin der Buch­mes­se die Berich­te über ein Hand­ge­men­ge zurück und betont statt­des­sen die »unschö­nen Äuße­run­gen« von rechts.

Durch­aus eine sehr selek­ti­ve Wahr­neh­mung, wenn man die Live­auf­nah­men vom Tumult um die Buch­vor­stel­lung von Mül­ler und Sell­ner zum Ver­gleich heranzieht:

Dage­gen nimmt sich Ste­fan Laurins Par­al­le­li­sie­rung von Antai­os, AfD und IB mit der Wür­di­gung kom­mu­nis­ti­scher Men­schen­freun­de wie Mao und Sta­lin (die für einen Herrn Ski­pik kei­ne wei­te­re “Aus­ein­an­der­set­zung” wert ist) bei Ruhr­ba­ro­ne schon fast lang­wei­lig aus – irgend­wann ist es auch mal gut mit dem ewig gleich lang­wei­li­gen Karl Pop­per, des­sen fabel-haf­te “offe­ne Gesell­schaft” allei­ne noch im Namen der Sor­os-Stif­tun­gen uniro­ni­schen Bestand hat.

Den jüngs­ten Höhe­punkt der Selbst­ent­lar­vung dürf­te wohl der dem rech­ten Ein­schlag der Buch­mes­se gewid­me­te, sehens­wer­te Bei­trag in der gest­ri­gen Kul­tur­zeit bei 3sat gewe­sen sein: Nicht nur wirkt Mes­se­chef Juer­gen Boos (dem wohl bis an sein Lebens­en­de anhän­gen wird, die “vie­len Knöp­fe” an einer Flüs­ter­tü­te nicht bedie­nen zu kön­nen) im vor­ab auf­ge­zeich­ne­ten Inter­view sehr unver­traut mit sei­nem abge­le­se­nen Text und »macht­los« (3sat).

Auch durch die Film­schnip­sel wis­sen wir nun, daß Per Leo, Koau­tor von Mit Rech­ten reden, sehr wohl die Argu­men­ta­ti­ons­scha­blo­ne von der rech­ten Opfer-Grund­hal­tung pflegt, aber gleich­zei­tig die thea­tra­li­sche Insze­nie­rung der Buch­mes­se, die Ama­deu-Anto­nio-Stif­tung gegen­über von Antai­os zu pla­zie­ren, für eben­so albern hält wie unser­eins. Sei­ne Meta­pher vom geru­fe­nen Exor­zis­ten, nach­dem man vor­her von Legi­on das Geld ange­nom­men hat, könn­te pas­sen­der nicht sein.

Die Stim­me der Ver­nunft kommt dies­mal aus der Schweiz: Der bereits von frü­her bekann­te Marc Felix Ser­rao hat für die NZZ eine bün­di­ge und sach­li­che Zusam­men­fas­sung ver­faßt, der sowohl für die Berufs­be­trof­fe­nen als auch für die sich all­zu­schnell befrie­digt Zurück­leh­nen­den eini­gen Denk- und Gesprächs­an­stoß bereithält.

Ein Damm­bruch in die­se Rich­tung ist in jedem Fall schon geschafft: Die Wir­kung der Beharr­lich­keit von Antai­os sowie der Prä­senz von Björn Höcke (und sicher­lich auch des trotz aller Mode­ra­to­ren­be­mü­hun­gen auf sei­nem gesprächs­of­fe­nen Stand­punkt behar­ren­den Tho­mas Wag­ner) war so groß, daß vor dem Hin­ter­grund der am glei­chen Wochen­en­de statt­fin­den­den Wah­len heise.de zur Dis­kus­si­on lädt – wer mitt­woch­abends in Mün­chen ist, soll­te »Recht um!« einen Blick riskieren!

Nun las­se man sich von all­dem nicht über­wäl­ti­gen – die media­le Hilf­lo­sig­keit hat in Wahr­heit wenig mit neu­rech­ten Inhal­ten zu tun, son­dern vor­ran­gig mit der Tat­sa­che, daß die­se sich nicht mehr ein­fach durch eine ein­stim­mi­ge Dis­kurs­ho­heit abde­ckeln und als Nar­ren­saum belä­cheln lassen.

Um so wich­ti­ger ist es jetzt aber, nach­zu­set­zen! Des­halb braucht es nach der obi­gen Ver­weis­samm­lung auch kei­ne end­lo­se wei­te­re Akku­mu­la­ti­on an Netz­ar­ti­keln im Kom­men­tar­be­reich, son­dern viel­mehr die Nut­zung in der je eige­nen Aus­ein­an­der­set­zung. Der seit Buch­mes­se­be­ginn am 11. Okto­ber immense Abon­nen­ten- und Inter­ak­ti­ons­zu­wachs unter­streicht: Das alles haben mit­tel­bar wir in die Welt gesetzt – und wenn es gut ist, darf und muß es jetzt aktiv (und ggf. aggres­siv) ver­brei­tet werden!

Nils Wegner

Nils Wegner ist studierter Historiker, lektorierte 2015–2017 bei Antaios, IfS und Sezession und arbeitet als Übersetzer.

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Kommentare (19)

S. J.

17. Oktober 2017 17:11

Was für ärgerliche Verdrehungen der Abläufe sich doch einige gestatten. Der Vorteil der Medienvielfalt ist natürlich, leicht Gegendarstellungen und Korrekturen verbreiten zu können. Der Verlust der einstigen Hoheit tut weh und erklärt wohl auch das bizarr anmutende Festhalten an Klischeebildern. Das bekommen mehr und mehr Leute mit. 

marodeur

17. Oktober 2017 19:12

Das hat Kubitschek wieder geschickt eingefädelt: Randalierende Antifa-Glatzen, Pfeifkonzerte und Zahnpasta-Anschläge auf einer Buchmesse(!). Und all das, damit wir Rechten uns wieder geschickt als Opfer verkaufen können. Wie hat er das nur wieder gemacht, dieser vierschrötige Tausendsassa. War nicht immer das Todschlagargument, dass wir uns in einer Welt aus dubiosen Verschwörungstheorien einkapseln?

Selbstdenker

17. Oktober 2017 20:58

ein sehr guter Beitrag von RT Deutsch( Der fehlende Part)

https://www.youtube.com/watch?v=sWHShyd8CNM

silberzunge

17. Oktober 2017 22:14

Beharrsam zu sein, das ist konservativ und edel. Das haben Kubitschek und alle, die als Zuhörer dort waren, bewiesen. Wie das der Boos überrissen hat, zog er hilflos ab. Das war der Sieg.

Die Linksliberalen verfügen in Wahrheit über keine Stärke; sie haben Angst vor denen, die Standhaftigkeit zeigen. Für viele Konservative/Rechte ist aber auch genau das oft ein Problem, da man für die Demonstration des Widerstands über den Punkt hinausgehen muss, der gesellschaftlich "weh tut", weil man aufbegehren muss und irgendwie als "frech" wahrgenommen wird, was man eigentlich nicht möchte.

Deshalb gebührt Ihnen allen auf der Buchmesse Dank.

E.

17. Oktober 2017 22:18

Besten Dank für diese ausführliche "Quellensammlung" zu den Ereignissen auf der Buchmesse. Ich hoffe, hier schauen neu-interessierte Bürger/Bürgerinnen herein, die jetzt verstärkt ins Grübeln kommen über das, was ihnen im "Mainstream" so als "Fakten" präsentiert wird,  und sich öffnen für das Ungeheure:

Lesen, selber denken, hinterfragen, unvernagelt diskutieren, schreiben, in die Bürgergemeinschaft verbreiten:

meyn geduld hat ursach! 

Nemo Obligatur

17. Oktober 2017 22:58

"...die mediale Hilflosigkeit hat in Wahrheit wenig mit neurechten Inhalten zu tun, sondern vorrangig mit der Tatsache, daß diese sich nicht mehr einfach durch eine einstimmige Diskurshoheit abdeckeln und als Narrensaum belächeln lassen."

Für mich der Satz des Tages. So ist es, Herr Wegner. Der Zeitenwind hat sich gedreht und weht sozusagen "von Osten".

Wenn ich schon diesen tätowierten Kahlkopf sehe mit seinem agressiv vorgestreckten Zeigefinger. Dummheit und Arroganz in einem Gesicht vereint. Solche Leute fand ich immer schon - mit Verlaub - zum Kotzen. Diesen Typus kannte ich schon, als sie in den Neunzigern als Punks auf den Marktplätzen aggressiv gebettelt haben. Da sind mir ja die Zigeuner heute noch lieber.

Lotta Vorbeck

18. Oktober 2017 01:03

@Nemo Obligatur - 17. Oktober 2017 - 08:58 PM

"Wenn ich schon diesen tätowierten Kahlkopf sehe mit seinem agressiv vorgestreckten Zeigefinger. Dummheit und Arroganz in einem Gesicht vereint. Solche Leute fand ich immer schon - mit Verlaub - zum Kotzen. Diesen Typus kannte ich schon, als sie in den Neunzigern als Punks auf den Marktplätzen aggressiv gebettelt haben. ..."

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Es sind eben jene Typen - aka die Fußtruppen des Systems - die für alles sorgen, außer für ihren eigenen Lebensunterhalt.

Lotta Vorbeck

18. Oktober 2017 01:13

@silberzunge - 17. Oktober 2017 - 08:14 PM

"Beharrsam zu sein, das ist konservativ und edel. Das haben Kubitschek und alle, die als Zuhörer dort waren, bewiesen. Wie das der Boos überrissen hat, zog er hilflos ab. Das war der Sieg. Die Linksliberalen verfügen in Wahrheit über keine Stärke; sie haben Angst vor denen, die Standhaftigkeit zeigen. ..."

___________________________

Ein angeblich nigerianisches Sprichwort besagt: "Die Stärke des Leoparden besteht in der Furcht vor dem Leoparden." Niemand verkörpert es mit derartiger Glaubwürdigkeit und Authentizität wie Götz Kubitschek: Beharrlichkeit, Prinzipientreue, Intelligenz, Wissen, Eloquenz, Furchtlosigkeit/Mut und Ausdauer lassen den Feind - im konkreten Falle den Herrn Boos nebst seinem kostümierten Megaphonträgerkomparsen - im entscheidenden Moment verdammt alt aussehen.

Der Gehenkte

18. Oktober 2017 12:08

Hier noch mal eine minutiöse Zusammenfassung der ersten beiden Ereignisse - da bleibt wenig Raum für Zweifel. Die Vorfälle sind durch dutzende Kameras und Handys dokumentiert:

Die Wahrheit ist Nazi?

Detlef Neustadt

18. Oktober 2017 12:35

Das Foto eines Primaten auf einer Buchmesse, der vermutlich mit 3 Jahren sein letztes Buch in der Hand hatte, aber augenscheinlich in der Szene einen kleinen Promistatus innehat, spricht Bände und sollte in Erinnerung bleiben; notfalls als Amusement.

Monika L.

18. Oktober 2017 13:51

Toller  Pressespiegel ! Ich mag Wegners Art, komplexe Dinge glasklar und leicht süffisant zusammenzufassen. Beneidenswert. Dazu der elegant anspielende Titel: "Auch eine Frankfurter Rundschau" , sowie das ästhetische schwarz-weiß Foto. Ich mag die  leichte Ungehaltenheit am Schluß ( "es braucht keine weitere endlose Akkumulation an Netzartikeln !) Da hat jemand Stil und Haltung.

RMH

18. Oktober 2017 13:52

Wie ist denn die Meinung von SiN zu dieser Petition?

https://www.openpetition.de/petition/online/charta-2017-zu-den-vorkommnissen-auf-der-frankfurter-buchmesse-2017

Wegner:

Wohlwollend.

Urwinkel

18. Oktober 2017 14:45

Die Megaphon-Szene hat es in sich: Boos erdreistet sich eine legale Veranstaltung zu kapern. Mit einem übergroßen Megaphon, daß dann noch nicht einmal funktioniert. Das ist die kurze Schlüsselszenerie in diesem Drumherumgeplärre. Wie hilflos er darin rumsteht und nichtmal einen Satz ohne Megaphon gen Publikum rausbekommt. Dem souveränen Kubitschek sieht man in diesen Sekundenbruchteilen an, daß SV kein Fernthema für ihn ist: "Fass mich micht an!", sagt er knapp angebunden ohne ihm eine reinzuhauen. Kurz danach zieht Boos kleinlaut ab.

Aristoteles

18. Oktober 2017 15:35

Hier eine interessante Ergänzung zur Meinungsmanipulation (SPIEGEL): https://sciencefiles.org/2017/10/17/vom-mundigen-burger-zum-reiz-reaktions-deppen-spiegelbento-machts-moglich/ Leider sind v.a. junge Menschen Opfer der Propaganda.

Tom Prox

18. Oktober 2017 16:15

Wie elegant und gekonnt dieser Sicherheitsmann am Stand den aggressiven Linken mit der blauen Trainingsjacke zu Boden legte und kampfunfähig hielt, bis ihn die Polizei ablöste, verdient ein echtes Lob , das war einfach Klasse und lernt man in keinem Buch. Körperliche Fitness zahlt sich eben in Extremsituationen immer aus.  Das war EK II verdächtig. Fazit: Patrioten sollten nicht nur Bücher lesen, sondern auch Selbstverteidigung regelmäßig betreiben .

Urwinkel

18. Oktober 2017 18:28

Was wollte der Boos eigentlich sagen? Weiß das hier jemand im fertigen O-Ton? Interessiert mich übrigens mehr als handfeste SV-Strategien.  Trotzdem richtig, T. Prox. Dazu noch allgemein: Die Boosen sind mit Gegenwehr überfordert.

Marc_Aurel

18. Oktober 2017 18:34

Ich glaube zwar nicht, das dieses Vorhaben besonders viel bewirken wird, aber ich habe mit unterschrieben, danke an RMH für den Hinweis: https://www.openpetition.de/petition/online/charta-2017-zu-den-vorkommnissen-auf-der-frankfurter-buchmesse-2017

Bestenfalls landet der eigene Name dann vermutlich auf einer Liste bei irgendeinem Dienst, aber da steht er wahrscheinlich ohnehin schon drauf, also was soll der Geiz ;-)

quarz

18. Oktober 2017 20:02

Ich will nicht verhehlen, dass ich das Aufblitzen von Anstand an unvermuteter Stelle, nämlich in Jakob Augsteins Maßregelung der Seinen, als herzerwärmend empfunden habe. Oder war's doch nur taktische Schadensbegrenzung?

Starhemberg

19. Oktober 2017 16:20

Ich war zum allerersten Mal in meinem ganzen Leben mit Jakob Augstein einer Meinung. Das bereitet mir etwas Sorge....

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