Alexander Gaulands und Michael Seemanns Populismus

Der Tagesspiegel hat es neulich fertiggebracht, sich selbst mit Adolf Hitler zu verwechseln. Und das kam so:

Martin Lichtmesz

Martin Lichtmesz ist freier Publizist und Übersetzer.

Alex­an­der Gau­land bekam die Gele­gen­heit, in der FAZ einen Gast­kom­men­tar zur Fra­ge “War­um muß es Popu­lis­mus sein?” zu publi­zie­ren. Statt den Kampf­be­griff “Popu­lis­mus” von sich zu wei­sen, gab er ihm ein “Ref­raming”, eine posi­ti­ve Fas­sung, die, wie wir im fol­gen­den sehen wer­den, sei­ten­ver­kehrt mit dem Selbst­ver­ständ­nis des von ihm atta­ckier­ten Estab­lish­ments korreliert.

Zum Ein­stieg wider­spricht er der (eben wie­der von Wolf­gang Schäub­le) ad nau­seam wie­der­hol­ten Ente, “Popu­lis­mus” bedeu­te, einen “Allein­ver­tre­tungs­an­spruch” auf das “Volk” zu erhe­ben und im Namen der “wah­ren Mehr­heit” zu spre­chen. Aller­dings ist sei­ne Ant­wort nicht sehr befriedigend:

Wir sind nicht “das Volk”, aber wir wol­len, daß das Volk mehr poli­ti­schen Ein­fluß bekommt. Wir akzep­tie­ren, daß es demo­kra­ti­sche Mit­be­wer­ber, Wahl­er­geb­nis­se und wech­seln­de poli­ti­sche Mehr­hei­ten gibt – was denn sonst?

Da bleibt eine Fra­ge offen, die eben doch im popu­lis­ti­schen Anspruch und Wider­spruch ent­hal­ten ist, näm­lich wer denn nun “das Volk” ist oder sein soll, und wer nicht. Wenn “das Volk” nur die Sum­me der Staats­bür­ger und ihrer Ein­zel­in­ter­es­sen ist, dann unter­schei­det sich die­ser ange­schnit­te­ne Volks­be­griff nicht viel von dem Schäubles. Mein Vor­schlag ist: das “Volk” der Popu­lis­ten sind all jene, die ein Volk sein wol­len (im Gegen­satz zu einer Bevöl­ke­rung aus addier­ten und zu “Klub­mit­glie­dern” degra­dier­ten Staats­bür­gern; oder auch nur aller, die “hier leben”, egal wel­chen Paß sie haben), oder genau­er gesagt: die ein bestimm­tes Volk blei­ben und sich nicht “aus­tau­schen” (im Sin­ne von erset­zen) oder “um-vol­ken” las­sen wollen.

Dies scheint mir, trotz ver­wand­ter popu­lis­ti­scher Theo­rien von links, der ein­zig gang­ba­re Weg zu sein. Er ist auch der nahe­lie­gends­te, da der Aus­gangs­punkt ein bereits vor­han­de­nes und his­to­risch gewach­se­nes Volk wäre, nicht eines, das von Intel­lek­tu­el­len “kon­stru­iert” wer­den müßte.

Bene­dikt Kai­ser schreibt in der aktu­el­len Sezes­si­on apro­pos Chan­tal Mouffe:

Die per­ma­nen­te Bezug­nah­me auf ein “Volk” und des­sen demo­kra­ti­sche Sou­ve­rä­ni­tät ver­schlei­ert kaum, daß Mouf­fe nicht erklä­ren kann, was ein “Volk” aus­ma­che. Ihr Gere­de über eine zu kon­stru­ie­ren­de “Äqui­va­lenz­ket­te” zwi­schen Arbei­tern, Ein­wan­de­rern und der “LGBT-Gemein­de” bleibt intel­lek­tua­lis­tisch und irreal.

Gau­land weiß aller­dings zwei­fel­los, daß die­se Fra­ge einer geson­der­ten Klä­rung bedarf, und geht rasch zu sei­nem Haupt­punkt über:

Im Zuge der Glo­ba­li­sie­rung hat sich nach dem Ende des Ost-West-Kon­flikts eine neue urba­ne Eli­te gebil­det, man könn­te auch von einer neu­en Klas­se spre­chen. Zu ihr gehö­ren Men­schen aus der Wirt­schaft, der Poli­tik, dem Unter­hal­tungs- und Kul­tur­be­trieb – und vor allem die neue Spe­zi­es der digi­ta­len Informationsarbeiter.

Die­se glo­ba­li­sier­te Klas­se sitzt in den inter­na­tio­nal agie­ren­den Unter­neh­men, in Orga­ni­sa­tio­nen wie der UN, in den Medi­en, Start-ups, Uni­ver­si­tä­ten, NGOs, Stif­tun­gen, in den Par­tei­en und ihren Appa­ra­ten, und weil sie die Infor­ma­tio­nen kon­trol­liert, gibt sie kul­tu­rell und poli­tisch den Takt vor. Ihre Mit­glie­der leben fast aus­schließ­lich in Groß­städ­ten, spre­chen flie­ßend Eng­lisch, und wenn sie zum Job­wech­sel von Ber­lin nach Lon­don oder Sin­ga­pur zie­hen, fin­den sie über­all ähn­li­che Appar­te­ments, Häu­ser, Restau­rants, Geschäf­te und Pri­vat­schu­len. Die­ses Milieu bleibt sozi­al unter sich, ist aber kul­tu­rell „bunt“.

Das hat zur Fol­ge, dass die Bin­dung die­ser neu­en Eli­te an ihr jewei­li­ges Hei­mat­land schwach ist. In einer abge­ho­be­nen Par­al­lel­ge­sell­schaft füh­len sie sich als Welt­bür­ger. Der Regen, der in ihren Hei­mat­län­dern fällt, macht sie nicht nass. Sie träu­men von der one world und der Welt­re­pu­blik. Da die­ses Milieu „sexy“ ist, hat es auch auf Tei­le der Gesell­schaft gro­ßen Ein­fluss, denen der Zutritt dort­hin ver­sperrt bleibt.

Die­se Klas­se domi­niert die Poli­tik, die Wirt­schaft, die Medi­en, den Kul­tur­be­trieb und führt ein Leben, das weit­ge­hend von der Lebens­wirk­lich­keit brei­ter Schich­ten der Gesell­schaft abge­kop­pelt ist. Sie för­dert auch Mul­ti­kul­tu­ra­lis­mus, “huma­ni­tä­ren Uni­ver­sa­lis­mus”, offe­ne Gren­zen, Mas­sen­ein­wan­de­rung und Ent­na­tio­na­li­sie­rung. Im “Popu­lis­mus” arti­ku­liert sich ein wach­sen­der Wider­stand gegen ihre Vorherrschaft:

Der glo­ba­lis­ti­schen Klas­se gegen­über ste­hen zwei hete­ro­ge­ne Grup­pen, die in der AfD eine Alli­anz ein­ge­gan­gen sind: zum einen die bür­ger­li­che Mit­tel­schicht, zu der auch der wirt­schaft­li­che Mit­tel­stand gehört, der nicht ein­fach sei­ne Unter­neh­men nach Indi­en ver­la­gern kann, um dort beson­ders bil­lig zu pro­du­zie­ren; zum ande­ren vie­le soge­nann­te ein­fa­che Men­schen, deren Jobs oft mise­ra­bel bezahlt wer­den oder nicht mehr exis­tie­ren, die ein Leben lang den Buckel krumm gemacht haben und heu­te von einer schä­bi­gen Ren­te leben müs­sen. Das sind zugleich die­je­ni­gen, für die Hei­mat noch immer ein Wert an sich ist und die als Ers­te ihre Hei­mat ver­lie­ren, weil es ihr Milieu ist, in das die Ein­wan­de­rer strö­men. Sie kön­nen nicht ein­fach weg­zie­hen und woan­ders Golf spielen.

Spä­tes­tens hier habe ich die Ohren gespitzt, und mich an einen Arti­kel von Micha­el See­mann aus dem Jahr 2016 erin­nert, der also im Jahr von Brexit, Hofer und Donald Trump erschien, als die Fil­ter­bla­se der urba­nen Kos­mo­po­li­ten zu plat­zen begann. See­mann, ein Ber­li­ner “Was-mit-Medien”-Freischwebender, unter­zog dar­in sein eige­nes Milieu einer durch­aus selbst­kri­ti­schen und lesens­wer­ten Untersuchung.

Dar­in heißt es unter anderem:

Uns? Sie mei­nen tat­säch­lich uns? Ja, das tun sie. Arbei­ter und Bür­ger haben sich zusam­men­ge­schlos­sen, um gegen eine drit­te Klas­se zu kämpfen. (…)

Es sind gut gebil­de­te, ten­den­zi­ell eher jun­ge Men­schen, die sich kul­tu­rell zuneh­mend glo­bal ori­en­tie­ren, die die New York Times lesen statt die Tages­schau zu sehen, die vie­le aus­län­di­sche Freun­de und vie­le Freun­de im Aus­land haben, die viel rei­sen, aber nicht unbe­dingt, um in den Urlaub zu fah­ren. Es ist eine Klas­se, die fast aus­schließ­lich in Groß­städ­ten lebt, die so flüs­sig Eng­lisch spricht, wie ihre Mut­ter­spra­che, für die Euro­pa kein abs­trak­tes Etwas ist, son­dern eine geleb­te Rea­li­tät, wenn sie zum Job­wech­sel von Madrid nach Stock­holm zieht. (…)

Die­se neue glo­ba­li­sier­te Klas­se sitzt in den Medi­en, in den Start­Ups und NGOs, in den Par­tei­en und weil sie die Infor­ma­tio­nen kon­trol­liert (libe­ral Media, Lügenspres­se), gibt sie über­all kul­tu­rell und poli­tisch den Takt vor. (…)

Die­se Klas­se ent­springt dem Bür­ger­tum, aber hat sich von ihm emanzipiert. (…)

Die pro­gres­si­ven, zuneh­mend glo­bal ori­en­tier­ten haben die ande­ren ein­fach abge­hängt. Aber weil sie anders herrscht und weil sie sich dabei mit der Gesell­schaft selbst ver­wech­selt, merkt sie es nicht mal. Sie hat kei­ne Gewalt auf ihrer Sei­te und die meis­ten haben noch nicht ein­mal wahn­sin­nig viel Geld. Im Gegen­teil. Die glo­ba­le Klas­se hat zwar sehr rei­che Indi­vi­du­en her­vor­ge­bracht, vor allem im Sili­con Val­ley, aber inter­es­san­ter Wei­se nut­zen sie die­sen Reich­tum vor allem wie­der, um es in dis­kur­si­ves Kapi­tal zurück­zu­ver­wan­deln; in ande­re Start­Ups oder in ambi­tio­nier­te Welt­ret­tungs­pro­gram­me. Denn ins­ge­heim weiß sie längst, was die eigent­li­che Quel­le ihrer Macht ist: Sie kon­trol­liert den Dis­kurs, sie kon­trol­liert die Moral.

Die Par­al­le­len zu Gau­lands Argu­men­ta­ti­on, bis in die Wort­wahl hin­ein, sind unüber­seh­bar. Die­se Lage­be­schrei­bung ist aller­dings nicht See­manns genui­ner Genie­streich, auf die er ein Son­der­recht hät­te, son­dern deckt sich mit der Ana­ly­se etli­cher Beob­ach­ter der glo­ba­lis­ti­schen Machtentfaltung.

In mei­nem Kom­men­tar zu See­manns Arti­kel ver­wies ich etwa auf den ame­ri­ka­ni­schen His­to­ri­ker Chris­to­pher Lasch (1932–1994), der bereits Anfang der neun­zi­ger Jah­re den Auf­stieg einer “blin­den Eli­te” beschrieb und kri­ti­sier­te (Ori­gi­nal­ti­tel: “The Revolt of the Eli­tes: And the Betra­y­al of Demo­cra­cy”, “Die Revol­te der Eli­ten und der Ver­rat an der Demokratie”.)

Bei Lasch ist etwa zu lesen:

Die neu­en Eli­ten sind mehr am rei­bungs­lo­sen Funk­tio­nie­ren des Sys­tems als Gan­zem inter­es­siert als an irgend­ei­nem sei­ner Tei­le. Ihre Loya­li­tä­ten – wenn der Begriff als sol­cher in die­sem Zusam­men­hang nicht ana­chro­nis­tisch ist – sind eher inter­na­tio­na­ler als regio­na­ler, natio­na­ler oder loka­ler Natur. (…) Die Geld- und Bevöl­ke­rungs­be­we­gun­gen über die Län­der­gren­zen hin­weg haben (…) die grund­le­gen­den Vor­stel­lun­gen von Zuge­hö­rig­keit trans­for­miert. Die pri­vi­le­gier­ten Klas­sen in Los Ange­les emp­fin­den mehr Ver­wandt­schaft mit Leu­ten ihrer Art in Japan, Sin­ga­pur und Korea als mit den meis­ten ihrer eige­nen Landsleute.

Das habe weit­rei­chen­de poli­ti­sche Implikationen:

Volks­be­fra­gun­gen über die Ver­ei­ni­gung Euro­pas ent­hüll­ten eine sich immer wei­ter ver­tie­fen­de Kluft zwi­schen der Kas­te der Poli­ti­ker und den gewöhn­li­chen Mit­glie­dern der Gesell­schaft, die befürch­ten, daß Büro­kra­ten und Tech­no­kra­ten, die kein Gefühl für natio­na­le Iden­ti­tät oder Bin­dun­gen haben, die euro­päi­sche Wirt­schafts­ge­mein­schaft beherr­schen wer­den. Ein von Brüs­sel aus regier­tes Euro­pa wird aus ihrer Sicht der Kon­trol­le durch das Volk und den poli­ti­schen Inter­es­sen des Vol­kes immer weni­ger zugäng­lich sein. Die inter­na­tio­na­le Spra­che des Gel­des wird die loka­len Spra­chen über­tö­nen. Das Wie­der­erstar­ken des eth­ni­schen Par­ti­ku­la­ris­mus in Euro­pa ist unter ande­rem auf sol­che Ängs­te zurückzuführen.

Sehr ähn­lich beschrieb es Samu­el Hun­ting­ton (1927 – 2008) in sei­nem Essay “Dead Souls”, der unter ande­rem in sei­nem bedeu­ten­den Buch “Who are We? Die Kri­se der ame­ri­ka­ni­schen Iden­ti­tät” (2004) nach­zu­le­sen ist. In mei­nen neu­en Kapla­ken “Ras­sis­mus. Ein ame­ri­ka­ni­scher Alp­traum” fas­se ich zusammen:

Hun­ting­ton nennt einen wei­te­ren wich­ti­gen Fak­tor: Die »natio­na­le Ent­wur­ze­lung wich­ti­ger Tei­le der ame­ri­ka­ni­schen Eli­ten«, nach einem Gedicht von Sir Wal­ter Scott »tote See­len«, die kein »Vater­land« mehr ken­nen. Sie sind die Trä­ger der glo­ba­lis­ti­schen Ideo­lo­gie, die Patrio­tis­mus oder Natio­na­lis­mus zum Teu­fels­werk erklärt hat, das dem Fort­schritt der Mensch­heit (und dem Pro­fit) im Wege steht. Eine kos­mo­po­li­ti­sche, »trans­na­tio­na­le Wirt­schafts­eli­te«, deren Inter­es­sen nicht mehr natio­nal bestimmt sind, und die »Kern einer im Ent­ste­hen begrif­fe­nen, glo­ba­len Super­klas­se« ist. »Hei­mat ist für sie Welt­markt, nicht die natio­na­le Gemein­schaft«, wes­halb sie den Bür­ger durch einen glo­ba­len Kon­su­men­ten erset­zen will. Ihr »Trans­na­tio­na­lis­mus« hat drei Aspek­te: uni­ver­sa­lis­tisch, mora­lis­tisch und öko­no­misch. »Der uni­ver­sa­lis­ti­sche Ansatz ist ame­ri­ka­ni­scher Natio­na­lis­mus und Exzep­tio­na­lis­mus ins Extrem getrieben.«

Man könn­te hier nun eine Men­ge wei­te­re Zeu­gen auf­ru­fen. Im Mai 2017 zitier­te ich Alain de Benoist zur Lage in Frankreich:

Frank­reich ist nicht bloß geteilt, frag­men­tiert, ent­zwei­ge­schla­gen. Es setzt sich aus Indi­vi­du­en und sozia­len Grup­pen zusam­men, die nicht in der­sel­ben Rea­li­tät leben, die nicht die­sel­ben Din­ge sehen, die nicht die­sel­be Luft atmen und nicht ein­mal die­sel­be Spra­che spre­chen. Das obe­re Frank­reich und das unte­re Frank­reich sind inzwi­schen glei­cher­ma­ßen dem “zusam­men leben” [ein zum Kli­schee gewor­de­ner Mul­ti­kult­i­slo­gan, ver­gleich­bar unse­rer “Bunt­heit”. – M. L.] ent­frem­det. Sie leben nicht ein­mal mehr neben­ein­an­der. Sie leben gegeneinander.

Sei­ne wei­te­ren Bemer­kun­gen faß­te ich so zusammen:

Die Bien-pen­sance (sinn­ge­mäß: der poli­tisch kor­rek­te Kon­for­mis­mus) sei in die­ser Lage zu einer Waf­fe im Klas­sen­kampf gewor­den. Auf der einen Sei­te ste­hen wirt­schaft­li­che und poli­tisch-media­le Eli­ten, Groß­bür­ger­li­che, Self­ma­de-Unter­neh­mer und Bobos; auf der ande­ren Sei­te die­je­ni­gen mit einem nied­ri­gen oder beschei­de­nen Ein­kom­men, Arbei­ter, Land­wir­te, die unte­ren Schich­ten der Mittelklasse.

Auf der einen Sei­te die Bewoh­ner der gro­ßen Metro­po­len, auf der ande­ren das “peri­phe­re”, länd­li­che und ent­in­dus­tria­li­sier­te Frank­reich. Auf der einen Sei­te die “Kos­mo­po­li­ten”, die ein “welt­of­fe­nes” und grenz­of­fe­nes Frank­reich wün­schen, “mit der Hand auf der Brief­ta­sche, wenn sie die Natio­nal­hym­ne sin­gen”, auf der ande­ren die Men­schen, die an ihrem “imma­te­ri­el­len Erbe”, ihrer Lebens­art und Sou­ve­rä­ni­tät im eige­nen Land und in den eige­nen Gemein­schaf­ten fest­hal­ten wol­len: “Die Gewin­ner und die Ver­lie­rer der Mobi­li­sie­rung” aller Dinge.

Einen Zeu­gen erwäh­ne ich noch, näm­lich den seit Anfang die­ses Jah­res berüch­tigt gewor­de­nen Yascha Mounk, der in sei­nem auf­schluß­rei­chen Buch “Der Zer­fall der Demo­kra­tie” (Ori­gi­nal: “The Peo­p­le vs. Demo­cra­cy”, “Das Volk gegen die Demo­kra­tie”) zugibt:

In den letz­ten Jahr­zehn­ten haben sich die poli­ti­schen Eli­ten zu einem erstaun­li­chen Grad von den Ansich­ten der Bevöl­ke­rung abge­kop­pelt. (…) Das Par­la­ment, einst das mäch­tigs­te poli­ti­sche Organ im Land, hat einen Groß­teil sei­ner Macht an die Gerich­te, an die Büro­kra­tie, an die Bun­des­bank und an inter­na­tio­na­le Abkom­men und Orga­ni­sa­tio­nen ver­lo­ren. Unter­des­sen haben die Abge­ord­ne­ten, die in den Par­la­men­ten sit­zen, mit den Men­schen, die sie reprä­sen­tie­ren sol­len, immer weni­ger gemein­sam: Das Leben abseits der Bal­lungs­zen­tren ken­nen heut­zu­ta­ge weni­ge von ihnen, viel­leicht noch weni­ger füh­len sich zutiefst an eine sinn­stif­ten­de Ideo­lo­gie gebun­den. (…) Da immer mehr Berei­che der Poli­tik der öffent­li­chen Aus­ein­an­der­set­zung ent­zo­gen wer­den, kann das Volk immer weni­ger Ein­fluß auf die Poli­tik ausüben.

Dar­um spricht Benoist davon, daß der Popu­lis­mus Fol­ge einer “Kri­se der Reprä­sen­ta­ti­on” sei. Aller­dings irrt sich Mounk gewal­tig (oder lügt gar bewußt), wenn er behaup­tet, daß die Poli­ti­ker der Sys­tem­par­tei­en kei­ne “sinn­stif­ten­de Ideo­lo­gie” hät­ten, von den übli­chen Mit­läu­fer­scha­ren ein­mal abge­se­hen. Es ist die­sel­be, die auch der Fuku­ya­ma-Pro­te­gée Mounk ver­tritt, der selbst Fuß­sol­dat der glo­ba­lis­ti­schen Klas­se ist, daher durch­weg mit gespal­te­ner Zun­ge spricht und sei­ner­seits kei­nen kohä­ren­ten Volks­be­griff anzu­bie­ten hat (sein Buch soll­te eher hei­ßen: “Der Zer­fall des libe­ra­len Sys­tems”, das sich als “Demo­kra­tie” aus­gibt): Kurz gefaßt, das “his­to­risch ein­zig­ar­ti­ge Expe­ri­ment, eine mono­eth­ni­sche und mono­kul­tu­rel­le Demo­kra­tie in eine mul­ti­eth­ni­sche zu verwandeln.”

“Popu­list” ist für Mounk übri­gens jeder, der eine kon­ser­va­ti­ve oder rech­te Posi­ti­on ver­tritt und kri­tisch gegen­über der “Flücht­lings­po­li­tik der Regie­rung” ein­ge­stellt ist, nicht nur AfD, son­dern auch CSU und “Freie Wähler”.

Ich den­ke, daß der Wider­stand gegen die­ses “Expe­ri­ment” – nichts ande­res ist der “gro­ße Aus­tausch”, mit all sei­nen kul­tu­rel­len und sozia­len Fol­gen –  der eigent­li­che Motor der popu­lis­ti­schen Gegen­be­we­gung ist, mehr noch als sozio-öko­no­mi­sche Fra­gen oder Klas­sen­kämp­fe, obwohl die­se Aspek­te untrenn­bar mit ers­te­rem ver­bun­den sind.

Um nun auf Gau­land zurück­zu­kom­men: Es dau­er­te natur­ge­mäß nicht lan­ge, bis die übli­chen poli­ti­schen Analpha­be­ten auf­tauch­ten, um in Gau­lands Text den Hit­ler zu suchen. Dem Tages­spie­gel war sogar eine Schlag­zei­le wert, was ein Twit­ter-User so alles her­aus­ge­fun­den haben woll­te. Er ließ aller­dings auch einen alt­ge­dien­ten Vete­ra­nen die­ses trau­ri­gen Sports wie Wolf­gang Benz ran, der dar­an erin­ner­te, daß Hit­ler einst gegen eine „klei­ne wur­zel­lo­se Cli­que, die die Völ­ker gegen­ein­an­der hetzt“ gewet­tert habe, was eine ganz offen­sicht­li­che Par­al­le­le zu Gau­lands “glo­ba­li­sier­ter Klas­se” sei.

Ein herr­li­ches Fett­näpf­chen, denn es war just im Tages­spie­gel, in dem der Auf­satz von See­mann 2016 erschie­nen ist, mit der Überschrift:

Das Bür­ger­tum hat die Deu­tungs­ho­heit ver­lo­ren. Eine neue, die glo­ba­le Klas­se hat die Herr­schaft über­nom­men. Sie kon­trol­liert den Dis­kurs und die Moral.

In der Tat “schmiegt sich” Gau­lands Text so eng an See­mann “an” (um es mit den Wor­ten des Benz aus­zu­drü­cken), daß die­ser bereits den Vor­wurf des Pla­gi­ats erho­ben hat.

Zur Kon­trol­le über den Dis­kurs und die Moral gehört auch dazu, die Kri­ti­ker und Geg­ner der “glo­ba­li­sier­ten Klas­se” als “Nazis” zu ver­zeich­nen. Die­ser ulti­ma­ti­ve Joker wird immer dann aus­ge­spielt, wenn das argu­men­ta­ti­ve Pul­ver ver­schos­sen ist.

Micha­el See­mann, der offen­bar um eini­ges weni­ger klug ist, als sein eige­ner Text, ist da kei­ne Aus­nah­me. Nicht zuletzt die auf­ge­deck­te Pein­lich­keit, daß er sich in voll­kom­me­nem Ein­klang mit Gau­land befin­det (von der kon­trä­ren Par­tei­nah­me abge­se­hen), hat ihn in einen hem­mungs­lo­sen Anti­fa-Modus ver­setzt. Wäh­rend der Frank­fur­ter Buch­mes­se äußer­te er via Twit­ter, “wie schön” und wirk­sam es doch wäre, Mar­tin Sell­ner, Götz Kubit­schek und Björn Höcke eine ähn­li­che Behand­lung ange­dei­hen zu las­sen wie dem Alt­right-Buh­mann Richard Spen­cer, dem 2017 ein Anti­fant aus dem Hin­ter­halt die Faust auf die Schlä­fe knallte.

Nun, sein Wunsch ist in Erfül­lung gegan­gen, Reue zeigt er kei­ne. Ein der­art unver­hoh­le­ner Gewalt­auf­ruf sei­tens eines Rech­ten, mit Namens­nen­nung der Ziel­schei­ben – weder Sell­ner, noch Kubit­schek noch Höcke haben jemals auch nur ansatz­wei­se ver­gleich­ba­res geäu­ßert und sich von Gewalt aus­drück­lich distan­ziert – wäre in den Medi­en laut­stark skan­da­li­siert worden.

Als selbst­er­klär­ter Ange­hö­ri­ger der frag­li­chen Klas­se, die eben auch die Medi­en domi­niert, kann See­mann jedoch zur Gewalt gegen Anders­den­ken­de auf­ru­fen, die voll­zo­ge­ne Tat abfei­ern und dabei lächelnd in Prenz­lau­er Berg-Bobo­ville sei­nen Soja-Lat­te-Mac­chia­to schlür­fen, ohne zur Rechen­schaft gezo­gen zu wer­den. Dabei fehlt ihm offen­bar jeg­li­ches Bewußt­sein, wie fahr­läs­sig er hier an einer gefähr­li­chen Eska­la­ti­ons­spi­ra­le dreht.

Ich ver­mu­te, daß er sich in einer Art Panik­zu­stand befin­det, was etwa auch die­ser Tweet stützt – anläß­lich des Slam-Poet­ry-Auf­tritts der 14jährigen Ida-Marie Mül­ler schrieb er:

puh. sowas hier ängs­tigt mich mehr als 10 ste­fan aus­ts. wenn die jun­gend kippt, ist es vorbei.

Ana­log zum “Trump-Der­an­ge­ment-Syn­dro­me” der ame­ri­ka­ni­schen “libe­rals”, läuft auch bei ihm der Nazi-Film made in Hol­ly­wood des “AfD-Umnach­tungs-Syn­droms”:

ganz zu schwei­gen davon, dass wir die­ses land nur des­we­gen halb­wegs lebens­wert machen konn­ten, nach­dem gewalt gegen nazis aus­ge­übt wur­de. viel gewalt. sehr, sehr viel.

Die Ana­lo­gie ist klar: “Nazis” sind Lebe­we­sen, die nicht mehr als mensch­lich oder dis­kus­si­on­fä­hig wahr­ge­nom­men wer­den, die man schla­gen und tot­schla­gen darf, soll und muß; und “Nazi” ist alles von Ste­fan Aust oder Ida-Marie aufwärts.

Dazu paßt, was schon Chris­to­pher Lasch bemerk­te: Wenn die kos­mo­po­li­tisch-glo­ba­lis­ti­schen Eli­ten mit Wider­stand gegen ihre Initia­ti­ven kon­fron­tiert sind,

… legen sie den gift­sprü­hen­den Haß an den Tag, der unter der Ober­flä­che der wohl­wol­len­den Obe­re-Mit­tel­schicht-Ein­stel­lung liegt. Ange­sichts von Oppo­si­ti­on ver­ges­sen Strei­ter für die huma­ni­tä­re Sache die libe­ra­len Tugen­den, die sie zu ver­fech­ten glau­ben. Sie wer­den gereizt, selbst­ge­recht und intolerant.

Martin Lichtmesz

Martin Lichtmesz ist freier Publizist und Übersetzer.

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Kommentare (61)

quarz

17. Oktober 2018 19:25

1) „Mein Vorschlag ist: das "Volk" der Populisten sind all jene, die ein Volk sein wollen.“

So ist die Definition zirkulär, da ja gerade zu definieren wäre, was diejenigen sein wollen, die ein „Volk“ sein wollen. (Ähnliches gilt für den Begriff der „Willensnation“). Ohne inhaltliche Bestimmung wird das nichts.

ML: Das deutsche Volk ist ja schon vorhanden, es muß nur wieder es selbst sein wollen.

Aber Lichtmesz deutet dann ja selber an, dass ihm das nicht genügt: die da wollen, wollen ein bestimmtes(!) Volk bleiben. Und wenn diese Charakterisierung nicht in der Luft hängen soll, muss ausbuchstabiert werden, was ein Volk zu einem bestimmten Volk macht. Welche Merkmale sind dafür verantwortlich, dass jemand zu diesem und nicht zu jenem Volk gehört?

Ich habe neulich schon einen Vorschlag skizziert, der den Begriff der kulturellen Ähnlichkeit zum Grundbaustein einer Bestimmung des Begriffes der ethnischen Zusammengehörigkeit macht. In der Hierarchie der Zusammengehörigkeiten bildet das Volk dann eine Ebene.

Zum Volk gehören dann freilich auch diejenigen, die das gar nicht wollen. Denn der Wille ist, anders als die kulturelle Ähnlichkeit, dann eben nicht konstitutiv für die Volkszugehörigkeit. Volkszugehörigkeit kann man sich so wenig aussuchen wie Geschlechtszugehörigkeit (lässt allerdings mehr Modifikationsspielraum als das Geschlecht, z.B. Mehrfachzugehörigkeiten oder Änderung der Zugehörgkeit).

In Bezug auf die Ausgangsfrage könnte man dann sagen, dass „die Populisten“ jenen Teil des Volkes repräsentieren, der seine ethnische Identität nicht verleugnet.

2) „Man könnte hier nun eine Menge weitere Zeugen aufrufen.“

Einen hab ich noch, der einen wichtigen Zusatzakzent setzt. Paul Collier schreibt:

„If ever there was a postnational family, mine is surely it. But what if everyone did that? Suppose that international migration were to become sufficiently common as to dissolve the meaning of national identity: societies really became postnational. Would this matter? I think it would matter a great deal. Lifestyles like that of my family are dependant, and potentially parasitic, on those whose identity remains rooted, thereby providing us with the viable societies amon which we choose.”

Wenn es gelänge, den nun in mehreren Zitaten Beschriebenen diese parasitäre Abhängigkeit ihrer Lebensart klarzumachen, dann würden sie einsehen, dass sie durch ihre Totalverbuntungsagenda an dem Ast sägen, auf dem sie sitzen.

quarz

17. Oktober 2018 22:28

@Lichtmesz

"ML: Das deutsche Volk ist ja schon vorhanden, es muß nur wieder es selbst sein wollen."

Ja klar. Mit "wird das nichts" meinte ich auch nicht das Werden des Volkes (das freilich vorhanden ist und nicht zu werden braucht), sondern das Werden der Begriffsbestimmung. Das Definiens der Definition darf (außer bei rekursiven Definitionen) das Definiendum nicht enthalten.

Max Piccolomini

17. Oktober 2018 23:05

Genialer erster Satz.

ML: Danke, habe ich von einem Twitter-User geklaut, der mir nicht mehr einfällt...

Saubere Analyse. Der Geist steht rechts. Weiter so!

Thomas Martini

18. Oktober 2018 00:02

"Es sind gut gebildete, tendenziell eher junge Menschen, die sich kulturell zunehmend global orientieren, die die New York Times lesen statt die Tagesschau zu sehen, die viele ausländische Freunde und viele Freunde im Ausland haben, die viel reisen, aber nicht unbedingt, um in den Urlaub zu fahren. Es ist eine Klasse, die fast ausschließlich in Großstädten lebt, die so flüssig Englisch spricht, wie ihre Muttersprache, für die Europa kein abstraktes Etwas ist, sondern eine gelebte Realität, wenn sie zum Jobwechsel von Madrid nach Stockholm zieht."

Dahinter steckt doch nur EUphorie. Man könnte diese Selbstbeschreibung ebenso als EUphemismus betrachten. Die bundesdeutschen Staatsbürger, die sich heutzutage als Europäer definieren, wollen sich damit in erster Linie von deutschem Volks- und Brauchtum abgrenzen. Dahinter steckt jedenfalls nicht die Fähigkeit, die französische, italienische oder spanische Lebensart zu verkörpern. Im Grunde steckt überhaupt nichts dahinter, außer angloamerikanische Umerziehung und Charakterwäsche.

Geht es um Europäische Kunst, Tradition und Lebensart, haben die meisten Globalisierungsfantatiker wenig bis gar nichts beizutragen. Kann nicht schaden, ihnen das unter die Nase zu reiben:

"Die hochgebülldeten sowie enorm kultiführten Demokraten und Linken glänzen auch bei diesem Thema durch Abwesenheit.

Daß sie bei italienischer Oper und europäischer Instrumentalmusik auf dem Schlauch stehen, konnte man erwarten.

Aber so gar nichts beitragen, überhaupt nichts, was Malerei, Bildhauerei, Architektur, Lyrik, Prosa und Drama betrifft, ist, sagen wir es höflich, etwas wenig.

Peinlicher geht's doch gar nicht, wenn Marxisten zum Thema sozialistische Kunst, damit meine ich alles, was in UdSSR und Warschauer Pakt entstanden ist, unabhängig von der jeweiligen Tendenz, nicht einen einzigen armseligen Beitrag zustandebringen.

Linke, deren geistiger Horizont nichts anderes enthält als kapitalistischen Schund, so etwas dürfte den absoluten Tiefpunkt in Sachen Allgemeinbildung darstellen.

Paßt aber voll zu dem, was man bei Internationalisten an Fremdsprachenkompetenz findet.

Selbst ich bin immer wieder überrascht, mit welcher Leichtigkeit diese Subjekte selbst meine ohnehin schon äußerst niedrig angesetzten Erwartungen unterbieten.

Yeah, c'mon baby, it's great.

Bekanntlich können auch Misthaufen groß sein und zum Himmel stinken." - Brutus

https://www.politikarena.net/showpost.php?p=1031909&postcount=8

Eine passende Bezeichnung für diese Landsleute wäre Pseudoeuropäer, oder eben – in Anlehnung an die supranationale Europäische Union – EUpäer.

Was1NiceSeite

18. Oktober 2018 01:39

Volk ist, wer Volk sein will.

Eins verstehe ich dabei aber wirklich nicht, was bietet denn bitte "das Volk", was die BRD derzeit nicht bieten kann?

ML: lol

Wozu braucht man denn heute noch in Deutschland ein Volk?

ML: Dann braucht man aber auch kein Hl. Grundgesetz mehr, das immerhin das "deutsche Volk" als Souverän nennt. Und ein "Deutschland" braucht man dann auch nicht mehr, einen bloß geographischen Standort kann man ja locker umbenennen. Wie etwa "Die Mannschaft", sagen wir ab jetzt nur mehr "Das Land".

Dass ein "Volk" eine Voraussetzung für Identität und Zugehörigkeit wäre, ist ja lediglich eine kontingente Wahrheit. Und was, wenn man erst mühselig "das Volk" gefunden hat, was dann? Bringt ja nichts, eine rechtliche Besserstellung oder Andersbehandlung ist ja – gottseidank – ausgeschlossen, da diese verfassungsfeindlich wären. Und wer will das schon sein?

Wenn es aber keine Privilegien für "das Volk" geben kann, da diese verfassungsfeindlich wären, dann bleibt eine ökonomische Gleichstellung aller "Volksmitglieder" auch nur ein bloßes Hirngespinst. Ein "Volk" kann die ökonomischen Ungerechtigkeiten, die dem Kapitalismus inhärent sind, auch nicht lösen. Für mich klingt das eher nach ideologischem Selbstzweck.

Wenn der oder diejenige Volk ist, der oder die Volk sein will, bitte, nur zu! Dafür gibt es dann auch eingetragene Vereine wie zum Beispiel den Bundesverband Deutscher Gartenfreunde, da spricht nichts gegen einen Interessenverein mit dem Namen „Volk.“

Andreas Walter

18. Oktober 2018 04:33

Ja, diese Klasse, Kaste, Gruppe gibt es auch, die auch uns bekämpft. Wird darum richtig hässlich, die nächsten 100 Jahre. Denn es wird ja nicht erst brutal, wenn bereits Alles aufgebraucht ist (Ressourcen), sondern schon lange vorher (Reserven). Wegen der Preissteigerungen, die sich dann immer weniger Menschen leisten können. Dann beissen erfahrungsgemäss als erstes die Letzten die Hunde, und darum versuchen jetzt schon alle, noch ein gutes Stück weiter nach vorne zu kommen. Bei einer 20%-Gesellschaft sind das aber nur die 1er Schüler. Eine 1 in allen Fächern, von Krieg führen bis Kulturschaffender sein. Wobei es durchaus auch weiterhin Arbeitsteilung geben wird, jeder auch in Zukunft das macht, machen wird, machen muss, was er am besten kann. Nur mehr davon, weil man gleichzeitig auch noch Krieger ist, sein muss. Viele Wehrbauern, die im Winter auch noch einen anderen Beruf ausüben. Alles darum nur noch eine Frage der Zeit, bis auch unsere Ansichten wieder das neue Normal sind.

https://www.youtube.com/watch?list=PLEF5E482F9E32C7CD&v=kaGnBNhE2xI

Der Trost? Nach einer gewissen Zeit entspannt sich die Lage auch wieder, stellt sich ein neues, anderes Gleichgewicht ein.

Franz Bettinger

18. Oktober 2018 09:24

Herrlicher Beitrag, @Martini. Herrlich!

quarz

18. Oktober 2018 10:23

@Was1NiceSeite

"Wozu braucht man denn heute noch in Deutschland ein Volk?"

Ein Volk zeichnet sich gegenüber einer bloßen "Bevölkerung" durch einen hohen Grad an ethnischer Homogenität aus. Und das bringt wissenschaftlich erwiesenermaßen unter anderem Folgendes mit sich:

- Mehr Solidarität, sowohl institutionell als auch privat
- Mehr soziales Vertrauen und soziales Leben
- Weniger Gewaltkriminalität
- Weniger Korruption
- Mehr Innovativität
- Mehr politisches Engagement
- Besser funktionierende Institutionen
- Stabilere Rechtsstaatlichkeit
- Mehr körperliche und geistige Gesundheit
- Weniger ethnische Konflikte
- Höhere Steuermoral
- Weniger Vandalismus im öffentlichen Raum
- Weniger Bandenkriminalität
etc. etc.

Da sollte doch auch für Sie was dabei sein!

Thomas Martini

18. Oktober 2018 11:52

"Wie etwa 'Die Mannschaft', sagen wir ab jetzt nur mehr 'Das Land'."

So gesehen weiß man dann, wie das bei VW mit der Werbekampagne zu "Das Auto" zu verstehen war. Dort musste das Volk ebenfalls verschwinden. Man ist aber noch nicht ganz konsequent, denn der Firmenname klingt schließlich schrecklich nach Nazi: Volkswagen. <- Das ist nicht weit entfernt von Volksmusik, Volksbank, Volksschule oder Volkssturm. Auch der Volksverrat liegt in dem Fall nahe, wenn man sich die Betrügereien des Volkswagen-Konzerns in Erinnerung ruft.

Wer also wie Robert Habeck und Anton Hofreiter behauptet: "Es gibt kein Volk!", sondern nur "WeltbürgerInnen", der erspart sich zunächst einmal eine Menge Ärger und unangenehme Fragen. Beispielsweise jene nach dem gemeinsamen Volksstamm im Hinblick auf Österreich. Gehören Österreicher im Endeffekt nicht zum deutschen Volk wie Bayern, Pfälzer oder Sachsen? Würden die Sachsen mit einem eigenen Nationalstaat aufhören Deutsche zu sein?

Recht haben die grünbepinselten Musterdemokraten insofern, daß der Begriff Volk logischerweise eine Aus- und Abgrenzung mit sich bringt. Wenn ich mich an das deutsche Volk wende, möchte ich damit eben keine Türken, Albaner, Syrer, Afrikaner oder Chinesen ansprechen, keine WeltbürgerInnen, oder EUpäer, sondern nur jene Landsleute, die tatsächlich Deutsche sind, weil sie Deutsch sprechen, denken, und fühlen, und somit ihre Volkszugehörigkeit ganz exklusiv auf Deutschland zurückführen, und nicht auf ein anderes Land, sollte dieses auch ihre ursprüngliche Heimat sein.

Wer das deutsche Volk durch eine "Bevölkerung" ersetzt, stellt damit vor allem unter Beweis, daß er das deutsche Volk weghaben will. Und genau das ist eben die Absicht der demokratischen Parteien, die schon länger hier regieren, und auch des demokratischen Pressewesens, das schön länger hier als Volkserzieher in Erscheinung tritt . Das ist die gesellschaftliche Klasse, die dem eigenen Volk ans Leder will, ihm den Krieg erklärt hat und sich deshalb logischerweise schwertut, den Begriff Volk zu definieren.

Ein Volk ist homogen, eine Bevölkerung heterogen. Ein homogenes Volk, ist mit viel Glück in der Lage, sich von einem Regime oder einer Diktatur zu befreien. Bei einer heterogenen Bevölkerung ist dies kaum denkbar, da die Fremdheit untereinander einer gemeinsamen Volksfront im Wege steht. Diesen Punkt sollte man nie außer acht lassen, wenn man sich fragt, warum die demokratischen Politiker ganz versessen darauf sind, aus Deutschland einen multikulturellen Vielvölkerstaat zu machen.

"Wesentlich bleibt:

Es gibt keine „Integration“ des Fremden in das Eigene; „integrieren“ kann nur der multikulturelle Suppenkoch, der zusammenrührt, was nicht zusammengehört und am Ende beides, das Fremde und das Eigene, zerstört. Dieser durchliberalisierte melting pot ist der Friedhof freier Völker und historisch gewachsener Kulturen." - Dr. Thor von Waldstein

RMH

18. Oktober 2018 12:04

"Bringt ja nichts, eine rechtliche Besserstellung oder Andersbehandlung ist ja – gottseidank – ausgeschlossen, da diese verfassungsfeindlich wären. Und wer will das schon sein? "

Ja, mal eben schön die Ausführungen aus dem NPD-Verbotsurteil rausgeplappert und dennoch juristisch daneben. Es gab und gibt genügend rechtliche "Besserstellungen", die keiner als verfassungswidrig ansieht. Die erste beginnt schon einmal damit, das Deutscher bzw. Angehöriger des deutschen Volkes und Staatsbürgerschaft nach wie vor geschätzt mindestens zu 2/3 übereinstimmen und an der Staatsbürgerschaft hängen jede Menge rechtliche Besserstellungen (sonst würde wohl auch kaum jemand versuchen, genau diese Staatsbürgerschaft zu erlangen). Zweites bekanntes Beispiel sind die sog. Spätaussiedler - da hat keiner einen deutschen Pass, nur über eine Zugehörigkeit zum "deutschen Volk" über irgendeinen deutschen Vorfahr in der Ahnenkette konnten und können diese Personen bei uns einreisen, was bis zum Dammbruch anno 2015 doch einen erheblichen Vorteil im Vergleich zu anderen Nicht-EU-Bürgern darstellte, die nicht so ohne Weiteres zu uns kommen konnten, um dauerhaft zu bleiben. Mittlerweile natürlich fast alles Makulatur, die berühmte "Herrschaft des Unrechts" (Seehofer, Bundesinnenminister dixit), wie wir alle wissen.

Es lassen sich noch andere Beispiele der "Diskriminierung" nennen, denn diese ist im Falle von Rechtfertigungsgründen nach wie vor zulässig, aber ich will hier keine Rechtsvorlesung halten.

Zusammengefasst, ganz so einfach drüber hinwegbügeln, wie das hier jetzt gemacht wurde, kann man nun auch wieder nicht.

Wobei ich die Volksdebatte in der Tat an manchen Punkten für nicht zielführend halte bzw. als Spiegelfechterei. Es ist nicht nur der voluntative Anteil, Deutscher zu sein, es ist bei der Masse des deutschen Volkes auch nach wie vor eine Frage der Abstammung (diese ist nach wie vor ein Faktum) und beides schließt sich meiner Meinung nach nicht gegenseitig aus und ist ja auch überwiegend kumulativ vorhanden. Von daher wird wieder einmal nur über Minderheiten diskutiert (die aber bald Mehrheiten sein können).

Dem echten "populistischen" Politiker ist es aber letztlich egal, wer ihn wählt. Ob dieser Wähler jetzt tatsächlich "zum deutschen Volk" nach seitenlanger Subsumtion unter 5000 Tatbestandsvoraussetzungen zählt oder nicht, ist einem demokratischen Politiker, der sich zur Wahl stellt und gewählt wird, gleich. Pecunia non olet, Vox populi non olet, würde dieser sagen.

Und alle Politiker in einer massenmedial gelenkten Demokratie (sogar in einer Demokratie ohne Massenmedien wäre dies der Fall), die sich zur Wahl stellen, sind schon einmal denknotwendig "Populisten", die einen halt erfolgreicher als die anderen. Insofern ist der "Populismusvorwurf" das berühmte Steine werfen im vom alle bewohnten, selben Glashaus.

heinrichbrueck

18. Oktober 2018 12:38

"Es ist eine Klasse, die fast ausschließlich in Großstädten lebt, die so flüssig Englisch spricht, wie ihre Muttersprache, für die Europa kein abstraktes Etwas ist, sondern eine gelebte Realität, wenn sie zum Jobwechsel von Madrid nach Stockholm zieht."

Wie kann diese Subintelligenz zur Erkenntnis gebracht werden, daß ein Weiter-so in der Sackgasse endet? Die Strukturen erlauben eine Steuerungsintelligenz über der Subintelligenz, und ist diese Intelligenz nicht einsichtig, die Macht abzugeben, ist die Sache apokalyptisch.

"Ein "Volk" kann die ökonomischen Ungerechtigkeiten, die dem Kapitalismus inhärent sind, auch nicht lösen."

Und wieso wird dieses eine Volk dann so bekämpft?

@quarz. Sie meinen ein deutsches Volk?

Andreas Walter

18. Oktober 2018 13:13

Wichtig wäre für diese Zeit auch mehrere, sichere, geheime Standorte wenigstens als Bibliothek, sowohl physisch wie auch elektronisch, an denen die wahre Geschichte unserer Kultur über das unruhige und wahrscheinlich auch zerstörerische 21. Jahrhundert hinweg gerettet werden kann.

Solche gab es nämlich auch schon in anderen unruhigen Zeiten (folgender Artikel ist zum Beispiel noch von vor 2015):

https://www.zeit.de/2012/26/L-SM-Fuld/komplettansicht

Dass auch die "Linken" gerade ihrem pseudoliberalen Dämon (Schatten) verfallen lässt sich darum auch überall erkennen.

Obi Wan Kenobi

18. Oktober 2018 13:50

Wie immer eine hervorragende Analyse von Martin Lichtmesz.

Das Denken dieses Michael Seemann ist natürlich hochgradig widersprüchlich, aber gar nicht so untypisch für die Linke. Die halten sich selbst für so derartig moralisch überlegen, dass sie für sich selbst in Anspruch nehmen, politisch unkorrekte Positionen formulieren zu dürfen, für die sie jeden anderen am liebsten einen Kopf kürzer machen würden.

Ein weiteres Beispiel dafür sind Feine Sahne Fischfilet, die den Rückzug des Staates aus den ländlichen Regionen in Mecklenburg-Vorpommern in einem Jargon kritisieren, der in einem anderen Kontext als eindeutig "rechtspopulistisch" klassifiziert würde - um im gleichen Atemzug dazu aufzufordern, jedem kräftig die Fresse zu polieren, der das Gleiche sagt wie sie.

Wahrheitssucher

18. Oktober 2018 14:00

@ Thomas Martini

Glückwunsch zu dieser einzigartigen Wortschöpfung:
„EUpäer“!
Sie haben ein Wort dafür gefunden, was wir nicht sein wollen...
Werde es in meinen Sprachgebrauch aufnehmen.

Wahrheitssucher

18. Oktober 2018 14:07

@ Quarz

Der letzte Satz Ihres dritten Beitrages:
Eine wunderbare Schlußformulierung!

Thomas Martini

18. Oktober 2018 14:21

"Das Denken dieses Michael Seemann ist natürlich hochgradig widersprüchlich, aber gar nicht so untypisch für die Linke. Die halten sich selbst für so derartig moralisch überlegen, dass sie für sich selbst in Anspruch nehmen, politisch unkorrekte Positionen formulieren zu dürfen, für die sie jeden anderen am liebsten einen Kopf kürzer machen würden."

Ob Linke oder Konservative, ob GRÜNE oder CDU, der gemeinsame Nenner ist immer die Globalisierung:

„Migrantenfreie“ Kita im Villenviertel

Hohe Bäume, viele Villen und die Eltern sind Ärzte, Unternehmer oder Anwälte: So wirbt die Wellingsbütteler Kita Rabenhorst in einer Broschüre – und betont explizit, dass es quasi keine Kinder mit Migrationshintergrund gibt."

https://www.mopo.de/hamburg/-migrantenfreie--kita-im-villenviertel-hamburgs-asoziale-eliten-31440652?

"Das Lebensgefühl der gehobenen Klasse spiegelt sich hier wieder. Wenn der Großverdiener Boris Becker und Thomas Gottschalk 1999 in großformatigen Anzeigen der rot-grünen Bundesregierung für ein 'weltoffenes Deutschland' und das geplante rot-grüne Staatsangehörigkeitsrecht exponieren, so trifft dies ebenfalls zu: Die internationale Show- und Sportschickeria trifft in New York und Paris ihresgleichen verschiedenster Herkunft, für sie gilt tatsächlich: 'Der Mensch reist, raucht und kleidet sich multikulturell.' Sie kennt aber weder die Existenzprobleme der Menschen in französischen Vorstädten noch die Konflikte der Menschen in den ethnischen Kolonien in Berlin, Duisburg, Hamburg oder Köln. Im Leugnen und Ignorieren der Alltagsprobleme ( Lebenswirklichkeit auf der Straße ), so ist zu Recht festgestellt worden, 'drückt sich eine Geringschätzung der einheimischen Unterschichten aus, die von diesen empfindlich gespürt wird'.

Die Verachtung des 'kleinen Mannes' und seiner angeblich latent xenophoben Grundhaltung zieht sich wie ein roter Faden der selbsternannten 'migrations-politischen Fachöffentlichkeit'.

Auszug aus dem Multikultur-Report, den es bei "heimatforum.de" zum herunterladen gibt.

Dieter Rose

18. Oktober 2018 15:49

@Thomas Martini

. . . und nicht zu vergessen:
das "WELT"Auto, ja, auch von VOLKS"wagen,
wohl nach dem Motto:
" an deutschem Wesen . . . "
bzw. Weltauto . . .

Valjean72

18. Oktober 2018 16:10

Ja, in der Tat, das ist wieder ein feiner Artikel. Die inhaltlichen Verbindungen zu Gaulands jüngstem FAZ-Kommentar zu vorangegangenen Publikationen wurden aufs klarste dargelegt.

Es spricht nicht unbedingt für Gauland, bzw. dessen "Geisterschreiber", sich so ungeniert an der geistigen Arbeit eines anderen bedient zu haben.

Was1NiceSeite

18. Oktober 2018 17:00

@Lichtmesz
Mir ist ja bewusst, dass die polemischen Frage, was das Volk gegenüber der BRD bieten kann, in diesem „rechtsintellektuellen“ Bunker eine besondere Sprengkraft enthält und dass ich hier mit meiner abweichenden Meinung in der definitiven Unterzahl bin. Da es sich bei Sezession aber angeblich um einen „rechtsintellektuellen“ Thinktank handelt, bin ich mit dem „lol“ sehr unzufrieden. Schon klar, dass ich mit anderen weltanschaulichen Voraussetzungen in diese Diskussion gehe, mit dem höhnischen „lol“ wird dann aber auch keine Diskussionsgrundlage ermöglicht, sondern, im Gegenteil, lediglich das übliche Klientel der Leserschaft humoristisch bedient indem sich implizit auf dieselbe Meinungsprämisse gestützt wird.
Das kann man so machen, wirklich. Man hätte es sich dann aber auch einfach sparen können.

ML: löl

Die reductio ad absurdum, die Sie dann implizieren, ist meiner Meinung nach rhetorisch sehr plump, denn ich habe diese nicht im Geringsten angedeutet.

ML: Mir diesen Satz bitte ins Deutsche übersetzen (und ich meine nicht das Latein). Wo habe ich bitteschön eine "reductio ad absurdum" "impliziert"?

Ich frage kritisch nach der ominösen Bedeutung eines „Volks“, so wie es im Artikel irgendwo zwischen oder neben den Zeilen skizziert wird – oder eben auch nicht. Ich zerfasere aber nicht vollends jegliche Grenzen geschweige denn die jegliche Bedeutung für Deutschland und seine Bevölkerung.
Das Grundgesetz setzt den allgemeinen Rahmen und ermöglicht allen Staatsangehörigen sehr gute Rahmenbedingungen um ihr Leben autonom, sicher und frei führen zu können. Und das ist auch schon die Crux an der Sache, wenn Staatsangehörigkeit und Volk geschieden werden. Denn das „deutsche Volk“ als Souverän im Sinne des GG hat einen Bedeutungswandel erfahren und subsumiert nunmehr alle Staatsangehörigen, die der Artikel ja ausdrücklich von einem „Volk“ geschieden wissen will. Es soll ja ausdrücklich nicht „nur die Summe der Staatsbürger und ihrer Einzelinteressen“ sein.
Meine Frage, um sie vielleicht präziser zu fassen, lautet: Das in (und manche auch außerhalb) Deutschland(s) lebende „deutsche Volk“ entspricht juristisch den deutschen Staatsangehörigen. Dieses entspricht offenbar nicht den Vorstellungen des Autors von einem „Volk.“ Neben der notwendigen Frage nach Inklusion/Exklusion in dieser neu konstruierten Gruppe, die sich logischerweise stellt, frage ich mich aber, vorausgesetzt, diese Gruppe ist erst einmal konstruiert, welche Vorteile ich mir von der Inklusion in die Gruppe „Volk“ erhoffen kann?
Und ich antizipiere: keine. Denn, da die Gruppe „Staatsangehörige“ die Gruppe „Volk“ (wahrscheinlich komplett, aber wer weiß) einschließt und die Gruppe „Staatsangehörige“ darüber hinaus alle mit denselben Rechten ausgestattet ist, ergo also auch die die Gruppe „Volk“, frage ich mich, warum ist die Gruppe „Volk“ erstrebenswert? Warum nicht beim Konzept von Staatsangehörigen bleiben?

@quarz
Ich fasse ihr Argumente mal in drei ganz groben Clustern zusammen: Kriminalität, innere Solidarität und Stabilität und dann irgendwo noch „mehr körperliche Gesundheit“ (?).
Zugegeben, beim Punkt „weniger ethnische Konflikte“ in einem System „hoher ethnischer Homogenität“ bin ich ganz bei Ihnen. Das ist dann in etwa das gleiche, wie wenn man im Lotto alle ungeraden Zahlen aus dem Spiel nimmt und sich dann freut, nur noch gerade Zahlen zu ziehen, aber Scherz beiseite.
Auf welche „erwiesenermaßen“ und „wissenschaftlichen“ Befunde stützen sie sich bitte? Das habe ich in dieser Form so noch nie gelesen oder gehört, zumindest nicht in empirischen Untersuchungen. Ganz im Gegenteil, meines soziologischen Wissens zufolge ist die Korrelation zwischen soziokulturellen Status und Bildung/Kriminalität/Stabilität evident und zentral und nicht die der Homogenität. Die sozial schwach Gestellten, die bildungsfernen Schichten sind eine Hauptursache für Kriminalität. Ihre Schnittmenge zu Minderheiten ist strukturell bedingt. In erster Linie muss es darum gehen, Armut zu beseitigen.
Sie haben meiner Meinung nach allerdings nicht völlig Unrecht, wenn sie Stabilitätsfaktoren (politisches Engagement, Innovation, Rechtsstaatlichkeit) und innere Solidarität mit ethnischer Homogenität assoziieren. Doch hier muss man dann spätestens analytisch auf das „warum“ blicken, dann findet sich recht schnell eine Antwort. „Ethnische Homogenität“ ist dann eine Gewährleistung für bspw. innere Solidarität, wenn sich die Mitglieder auf sie als zentralen Wert einigen. „Ethnische Homogenität“ als gesellschaftlich akzeptierter gemeinsamer Nenner ist somit nichts 'natürliches', sondern etwas konventionelles. Vielmehr noch, die Implikation ist, dass nicht mehr das Fakt der ethnischen Homogenität (hier nicht in Klammern, da es nicht als abstrahiertes Attribut sondern im Wortsinn benutzt ist) solidaritätsstiftend ist, sondern die gesellschaftliche Übereinkunft. Diese kann sich ändern, diese hat sich geändert. Man könnte also auch als gemeinsame Übereinkunft das GG nehmen, dass all diese herrlichen staatsbürgerlichen Rechte garantiert.

@RMH
Die Besserstellung durch Staatsangehörigkeit habe ich nie in Zweifel gezogen. Ich habe mich mit dem Volksbegriff auf den Artikel bezogen, den wir hier kommentieren und der diesen dezidiert von der Staatsangehörigkeit geschieden wissen will.

@heinrichbrueck
„Und wieso wird dieses eine Volk dann so bekämpft? “
Ich weiß ehrlich nicht, was sie meinen. Der Artikel und die Kommentare beschäftigen sich ja gerade mit der Definition des Begriffes “Volk.”
Ihr voraussetzungsreicher Satz greift der eigentlichen Diskussion hier weit voraus.

Thomas Martini

18. Oktober 2018 20:35

“Hier waren die Nibelungen gefahren, hier hatte das unsterbliche Siebengestirn der Musik über die Welt geleuchtet, Gluck, Haydn, und Mozart, Beethoven, Schubert, Brahms und Johann Strauss, hier waren alle Ströme europäischer Kultur zusammengeflossen, am Hof, im Adel, im Volk war das Deutsche dem Slawischen, dem Ungarischen dem Spanischen, dem Italienischen, dem Französischen, dem Flandrischen im Blute verbunden, und es war das eigentliche Genie dieser Stadt der Musik, alle diese Kontraste aufzulösen in ein Neues und Eigenartiges, in das Östereichische, in das Wienerische. Aufnahmswillig und mit einem besonderen Sinn für Empfänglichkeit begabt, zog diese Stadt die disparatesten Kräfte an sich, entspannte, lockerte, begütigte sie; es war lind hier zu leben, in dieser Atmosphäre geistiger Konzilianz, und unbewusst wurde jeder Bürger dieser Stadt zum Übernationalen, zum Kosmopolitischen, zum Weltbürger erzogen.” (Stefan Zweig, "Die Welt von Gestern", S. 32)

Das liest sich auf den ersten Blick ganz wunderbar, geradezu traumhaft. Man kommt in Versuchung, dem Nationalismus sofort abzuschwören, und sich flugs auf den Weg ins gelobte Multikultiland aufzumachen. Auf den zweiten, kritischen Blick, wird man jedoch erkennen, daß Stefan Zweig nur die strahlende Seite der Medaille beschrieb. Die Kehrseite der Medaille waren die unschönen Begleiterscheinungen des habsburgerischen Vielvölkerstaats, und die wurden offenbar leider von Zweig gänzlich ausgeblendet, oder aber der “Erzpest”, dem Nationalismus in die Schuhe geschoben. Es waren damals schon die gleichen Argumente, die wir heute von den EUphorischen zu hören bekommen. Daß eben sein gelebter Internationalismus die Ursache des Übels sein könnte, kam dem östereichischen Schriftsteller nie in den Sinn.

quarz

18. Oktober 2018 21:31

@Was1NiceSeite

"Das ist dann in etwa das gleiche, wie wenn man im Lotto alle ungeraden Zahlen aus dem Spiel nimmt und sich dann freut, nur noch gerade Zahlen zu ziehen."
Worauf wollen Sie hinaus? Wenn die Freude über die geraden Zahlen auf dem Umstand beruht, dass gerade bzw. ungerade Zahlen unter jeweils ihresgleichen glücklicher, konfliktfreier und erfolgreicher existieren können, dann ist es ratsam, sie zu trennen.

"Auf welche „erwiesenermaßen“ und „wissenschaftlichen“ Befunde stützen sie sich bitte? Das habe ich in dieser Form so noch nie gelesen oder gehört, zumindest nicht in empirischen Untersuchungen."
Dann wird es aber höchste Zeit, diese hochrelevanten Befunde zur Kenntnis zu nehmen anstatt - wie weithin üblich - die Angelegenheit auf eine Geschmackssache zu reduzieren. Unsere Zukunft ist kein Songcontest. Zu welchem konkreten Thema hätten Sie denn gern ein Forschungsergebnis?

„Ethnische Homogenität“ als gesellschaftlich akzeptierter gemeinsamer Nenner ist somit nichts 'natürliches' ... "
Zum Teil ist es das sehr wohl. Es gibt gut ausgearbeitete und empirisch getestete evolutionsbiologische Modelle, die eine größere Solidarität gemäß dem Verwandtschaftsgrad belegen. Und da innerhalb eines Volkes die biologische Verwandtschaft zwischen Volksmitgliedern tendenziell enger ist als zwischen Mitgliedern verschiedener Völker, resultiert daraus auch ein entsprechend größeres Maß an Solidarität.

" ... sondern ... die gesellschaftliche Übereinkunft. Diese kann sich ändern, diese hat sich geändert. Man könnte also auch als gemeinsame Übereinkunft das GG nehmen, dass all diese herrlichen staatsbürgerlichen Rechte garantiert."
Sie haben eine etwas naive Vorstellung von der Funktionsfähigkeit von Konventionen. Auch die Kulinarik ist zu einem gewissen Grad konventionell, von Region zu Region verschieden und hat sich im Lauf der Zeit geändert. Es wäre aber völlig absurd, zu glauben, dass die Funktionsfähigkeit des Körpers genauso gewährleistet wäre, wenn wir übereinkommen würden, uns fürderhin von Autoreifen und Benzin zu ernähren. Genauso ist der Rahmen konventioneller Strukturen, mit denen die Funktionsfähigkeit einer Gesellschaft aufrecht erhalten werden kann, begrenzt. Und unter den realisierbaren Strukturen, sind manche tauglicher als andere. Das Grundgesetz allein ist jedenfalls zu magere Kost, wie uns Herr Böckenförde an prominenter Stelle in Erinnerung gerufen hat.

deutscheridentitaerer

18. Oktober 2018 22:37

@ NPC

"Das Grundgesetz setzt den allgemeinen Rahmen und ermöglicht allen Staatsangehörigen sehr gute Rahmenbedingungen um ihr Leben autonom, sicher und frei führen zu können."

Da haben Sie Recht. Insbesondere Herr Kubitschek und seine Frau konnten sich kürzlich in FFM nicht nur autonom und frei, sondern vor allem sicher verwirklichen. Ein Ermöglichungswunder, dieses Grundgesetz.

"Und das ist auch schon die Crux an der Sache, wenn Staatsangehörigkeit und Volk geschieden werden. Denn das „deutsche Volk“ als Souverän im Sinne des GG hat einen Bedeutungswandel erfahren und subsumiert nunmehr alle Staatsangehörigen, die der Artikel ja ausdrücklich von einem „Volk“ geschieden wissen will."

Den Bedeutungswandel hat es in Ihrem Kopf sicher gegeben, aber das GG können Sie dafür fürchte ich nicht bemühen.

Das GG geht eindeutig von der Existenz eines einer vom Staatsvolk unabhängigen deutschen Ethnie hervor.

Ethnie und Staatsvolk stehen freilich zueinander in Beziehung und zwar derart, dass die Ethnie dem Staatsvolk vorangeht:

Das Deutsche Volk (mit großem D!) hat sich dieses Grundgesetz gegeben, wie die Präambel desselben verlauten lässt.

D.h. das deutsche Volk musste zumindest eine logische Sekunde vor dem durch das GG konstituierten Verband aus autonomen und sicher lebenden Staatsbürgern existiert haben - ganz zu schweigen von 1000 Jahren (plus/minus)!

Aber gut, schauen wir uns doch an, was das GG bzgl. der Staatsbürgerschaft so regelt, Art. 116 Abs. 1: Deutscher i.S.d. dieses Grundgesetzes ist, wer die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt ... und wer als Flüchtling oder Vertriebener deutscher Volkszugehörigkeit (...) in die Gebiete des deutschen Reiches Aufnahme gefunden hat?!

Sind hier vielleicht Leute gemeint, die damals außerhalb Deutschlands lebten, aber gewissermaßen antizipiert nach sicher und autonom nach dem GG lebten, also gewissermaßen Deutsche vor ihrer Zeit?

Oder spricht das GG hier von Leuten, die sich ihre deutsche Idenität nach kulturellen, sprachlichen oder auch nur abstammungsmäßigen Gesichtspunkten erhalten haben?

"welche Vorteile ich mir von der Inklusion in die Gruppe „Volk“ erhoffen kann?"

Ehrlich gesagt gar keine, wie Sie vielleicht bemerkt haben, sind wir gerade etwas auf dem absteigenden Ast. Aber gut, aus der Nummer kommen Sie auch als Grundgesetzdeutscher nicht raus.

"Diese kann sich ändern, diese hat sich geändert."

Sicher kann sich das ändern, das meiste kann sich ändern. Manches halt zum Besseren, manches zum Schlechteren.

" Man könnte also auch als gemeinsame Übereinkunft das GG nehmen, dass all diese herrlichen staatsbürgerlichen Rechte garantiert."

Ja, wenn man könnte wie man wollte, lieber NPC, dann wäre freilich so einiges anders. Da haben Sie zweifelsfrei Recht.

"Das habe ich in dieser Form so noch nie gelesen oder gehört, zumindest nicht in empirischen Untersuchungen."

https://onlinelibrary.wiley.com/doi/epdf/10.1111/j.1467-9477.2007.00176.x?referrer_access_token=6hCV19-OZeF2dP-gSXhRAIta6bR2k8jH0KrdpFOxC65KyVKhiyTL5t0mB-m99yZ9EMKcb3scw1rOERlx-Ytwz82dix9PJlp84_BYxeUQr-xpXw9Iy45DUL_ax9FbAgIYZZkaS8rEfsM07krGbEpIrg%3D%3D

Gern geschehen.

Thomas Martini

18. Oktober 2018 22:46

@Was1NiceSeite

Die "Gruppe" Volk muß nicht erst konstruiert werden, deswegen schwört jeder Bundeskanzler, daß er seine "Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen" wird. Gleiches gilt für den Reichstag, dort steht unübersehbar: "Dem deutschen Volke".

Wenn man sich das in Erinnerung ruft, begreift man erst das Ausmaß an Volksverrat, wofür die Bundesrepublik Deutschland eben der Inbegriff ist. Deswegen greift @heinrichbrück der Diskussion auch nicht voraus, sondern er bringt auf den Punkt, worum es hier geht. Der ominöse "Kampf gegen Rechts" ist im erweiteren Sinne genau das: Der Kampf gegen das deutsche Volk!

Wer nun wie Sie die Dekonstruktion des deutschen Volkes betreibt, wer nicht begreifen will oder kann, daß oben genannter Eid und die Mahnung exklusiv den Deutschen gewidmet ist, was alle anderen Nationalitäten zunächst einmal ausschließt, sollte tunlichst dafür sorgen, daß der Amtseid geändert wird, und der Schriftzug über dem Westportal des Reichstagsgebäudes verschwindet.

Der Wandel, über den Sie schreiben, hat das deutsche Volk nicht einfach so aus der Welt verschwinden lassen. Es ist immer noch da, was Leute wie Ihnen sicher aufgefallen ist, wenn Sie an die Demonstrationen denken, bei denen "Wir sind das Volk" skandiert wird. Und jetzt kommt's, man mag es kaum glauben, aber bei diesen Menschen handelt es sich um deutsches Volk. Unfassbar, oder?

Die eigene Volkszugehörigkeit zu bestreiten, ist so, als würde man sich selbst einen anderen Familiennamen geben, in der Hoffnung, nicht mehr mit der eigenen Verwandtschaft in Verbindung gebracht zu werden. Die Frage ist dann eben, welches Ansehen man noch bei seinen Verwandten genießt.

Was1NiceSeite

18. Oktober 2018 23:20

@Lichtmesz
“Mir diesen Satz bitte ins Deutsche übersetzen (und ich meine nicht das Latein). Wo habe ich bitteschön eine "reductio ad absurdum" "impliziert"?”

Alles klar, ich Ihnen diesen Satz ins Deutsche übersetzen:

„Wozu braucht man denn heute noch in Deutschland ein Volk?“

Wenn ich „Volk“ schreibe, dann meine selbstverständlich nicht, dass Deutschland keine Bevölkerung mehr brauchen würde, sondern beziehe mich logischerweise auf die spezifische im Artikel vorkommende Bezeichnung von „Volk.“

Aus der Frage lässt sich ableiten, dass ich der Meinung bin, dass Deutschland kein konstruiertes “Volk” braucht, weil es ja schon das Konstrukt des „Staatsangehörigen“ besitzt, das laut Artikel allerdings eben nicht Deckungsgleich mit dem „Volk“ sein soll. Gegen die juristische Definition des „Deutschen Volkes“ als Summe seiner Staatsangehörigen habe ich nichts einzuwenden und sehe folglich auch keine Notwendigkeit Deutschland als solches abzuschaffen geschweige denn, hier wird es vollends grotesk, Deutschland als bloßen „geographischen Standort“ in „Das Land“ umbenennen zu wollen.

ML: Warum dann noch DEUTSCH-Land?

Eben diesen absurden Gedankengang folgern Sie allerdings aus meiner These und ziehen sie damit ins absurd Lächerliche. Wenn kein „Volk“, „dann“ auch kein GG und „dann auch nicht mehr“ Deutschland.
Das habe ich nicht geschrieben, dass lässt sich aus meiner These so nicht folgern, von daher „implizieren“ Sie das Absurde aus meiner These um sie zu entkräften.

ML: Selbstverständlich ist das logische Folgerung. Im GG ist nunmal von einem "deutschen Volk" die Rede. Wenn es das nicht mehr gibt, gibt es auch Deutschland als Land der Deutschen nicht mehr.

Zugegeben, das ist keine „reductio ad absurdum“ im quantorenlogischen Sinne. Aber es ist interessant, dass Ihre einzige Gegenfrage nicht auf Inhalte abzielt, sondern auf die rhetorische Form. Das erinnert mich ein wenig an Youtube-Kommentarspalten, in denen die Rechtschreibung und Grammatik höhere Achtung genießen als ihr semantischer Ausdruck.

@quarz
""Das ist dann in etwa das gleiche, wie wenn man im Lotto alle ungeraden Zahlen aus dem Spiel nimmt und sich dann freut, nur noch gerade Zahlen zu ziehen."
Worauf wollen Sie hinaus? Wenn die Freude über die geraden Zahlen auf dem Umstand beruht, dass gerade bzw. ungerade Zahlen unter jeweils ihresgleichen glücklicher, konfliktfreier und erfolgreicher existieren können, dann ist es ratsam, sie zu trennen.”

Darauf wollte ich sicherlich nicht hinaus und ich hatte auch nicht vor die Zahlen zu personifizieren und ihnen plötzlich menschliche Attribute zuzuschreiben. Ich wollte darauf hinaus, dass dieser spezielle Punkt Ihrer Auflistung geradezu tautologische Züge hat und von daher informationsfrei bleibt. Ja, wenn in einem Land ein sehr hohes Maß an ethnischer Homogenität herrscht, dann ist es natürlich nicht möglich, dass sich “ethnische Konflikte” bilden. Da man in diesem Fall wohl kaum von einer Konfliktlösung reden kann, wenn der Konflikt lediglich ausgeschnitten wird und da das wohl auch kein Patentrezept für andere Konflikte ist, müsste man das aus – mit Verlaub – ihrer Sicht wohl eher als „positiven“ Nebeneffekt bezeichnen (Von dem „positiv“ nehme ich Abstand, aber das führte zu weit vom Thema weg). In diesem Sinn war das Lotto-Beispiel lediglich als humorvolle Analogie gedacht.

„Zu welchem konkreten Thema hätten Sie denn gern ein Forschungsergebnis?“
Ach, wenn sie so nett fragen, dann doch gleich hierzu:

„Es gibt gut ausgearbeitete und empirisch getestete evolutionsbiologische Modelle [...]“

Ich hoffe, ich liege mit meiner Vermutung falsch, dass sich diese Studien auf Tiere beziehen und der Schluss auf den Menschen nicht weiter expliziert wird?
Eine größere Solidarität gemäß des Verwandtschaftsgrads klingt für mich dabei übrigens sehr plausibel, allerdings eher auf sehr kleine Gruppen mit starker genetischer Übereinstimmung bezogen, wie etwa die direkte Familie - wobei zu beachten ist, dass die emotionale und soziale Bindung hier ebenfalls besonders hoch ist. Die genetischen Unterschiede zwischen zwei willkürlich ausgewählten Menschen innerhalb derselben Ethnie sind indes nämlich so vernachlässigbar gering, dass sie keine merklichen Auswirkungen haben, vor allem nicht auf makroskopische, komplexe gesellschaftliche Beziehungen in denen die soziospezifische Lage eines Individuums viel viel größere Bedeutung hat.

„Da innerhalb eines Volkes die biologische Verwandtschaft zwischen Volksmitgliedern tendenziell enger ist [...]“
Da haben sie also doch eine Begriffsbestimmung für das „Volk“ gefunden. Gehe ich also recht in der Annahme, dass „Volk“ für sie gleichbedeutend mit der genetischen Abstammung ist?
„Ich habe neulich schon einen Vorschlag skizziert, der den Begriff der kulturellen Ähnlichkeit zum Grundbaustein einer Bestimmung des Begriffes der ethnischen Zusammengehörigkeit macht”
Was denn jetzt, kulturelle Ähnlichkeit oder biologische Verwandtschaft? Oder ein bisschen was von beidem und keines verbindlich? Das würde dann Gefahr willkürlicher Selektion laufen, denn, wer wählt was aus?

„Sie haben eine etwas naive Vorstellung von der Funktionsfähigkeit von Konventionen.”

Ich entschuldige mich aufrichtig für meine Naivität.
Das GG diente mir lediglich als Beispiel dafür zu zeigen, dass es andere Möglichkeiten gibt, in denen sich eine Gesellschaft auf einen zentralen Wert einigen kann, es muss nicht die Homogenität sein. Und ja, das hatte ich zwar so nie gemeint, aber das GG zur Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit einer Gesellschaft ist natürlich nicht ausreichend, es gibt unzählige andere Faktoren die da zusammen spielen. „Ethnische Homogenität“ ist aber ebenfalls zu magere Kost dafür und vor allem nicht essentiell.

„Zu welchem konkreten Thema hätten Sie denn gern ein Forschungsergebnis?“
Mich würden des Weiteren die wissenschaftlichen Ergebnisse interessieren, dass „ethnische Homogenität“ 1. mehr „Innovativität“ hervorbringt, 2. „mehr körperliche und geistige Gesundheit“ 3. „höhere Steuermoral“ 4. „Mehr Solidarität, sowohl institutionell als auch privat” – eigentlich alle der von ihnen aufgeführten Punkte, die Sie unter den verheißungsvollen Ausdruck des wissenschaftlich Erwiesenen subsumierten.

Herzlichen Dank im Voraus.

nom de guerre

18. Oktober 2018 23:21

@ Was1NiceSeite
"Vielmehr noch, die Implikation ist, dass nicht mehr das Fakt der ethnischen Homogenität [...] solidaritätsstiftend ist, sondern die gesellschaftliche Übereinkunft. Diese kann sich ändern, diese hat sich geändert. Man könnte also auch als gemeinsame Übereinkunft das GG nehmen, dass all diese herrlichen staatsbürgerlichen Rechte garantiert."

Zum einen ist die Treue zum Grundgesetz etwas völlig anderes als die Solidarität innerhalb einer Gesellschaft. Zum anderen aber ändern sich Konventionen, wie Sie es nennen, nicht von heute auf morgen. D.h., selbst wenn sie richtig liegen und die ethnische Homogenität nicht entscheidend für den gesellschaftlichen Zusammenhalt - oder auch nur das Fehlen schwerer Konflikte, auch das ist nicht das Gleiche - sein sollte, kann man kaum davon ausgehen, dass sich diese Entwicklung in der Geschwindigkeit vollzieht, wie es schon allein aufgrund der Zahl der derzeit nach Deutschland kommenden Einwanderer notwendig wäre. Insofern leuchtet mir Ihr Argument nicht ganz ein.
Wenn Sie Beispiele für die Relation zwischen ethnischer Zusammensetzung und der Kriminalitätsrate eines Landes suchen, würde sich ein Blick nach Island lohnen. Die dortige Bevölkerung ist ethnisch sehr homogen, zum großen Teil sogar verwandt, und die Kriminalitätsrate ist sagenhaft niedrig. Von Bekannten, die länger auf Island gelebt haben, weiß ich, dass die Leute dort auf abgelegenen Bauernhöfen nicht einmal nachts die Haustür abschließen, und der Mord an einer jungen Frau vor ein paar Jahren (ich glaube, die Täter gehörten zu einem Frachter aus Grönland) hat landesweite Empörung ausgelöst - eben weil so etwas so selten vorkommt. Vergleichen Sie das mal mit der Kriminalitätsrate etwa von Brasilien mit seiner sehr heterogenen Bevölkerung. Oder auch nur mit der eines durchschnittlichen europäischen Landes. Ich denke, das kann man nicht nur damit erklären, dass es in Island weniger Armut gibt als in Brasilien.

Obi Wan Kenobi

18. Oktober 2018 23:32

@ Was1NiceSeite

Also ein Lesetipp meinerseits wären die Arbeiten von Paul Collier, insbesondere sein Buch "Exodus".

Collier hat als Ökonom umfangreiche empirische Arbeiten zum Thema Zuwanderung und Wirtschaft selbst vorgenommen, stützt sich seinerseits aber auch auf die Arbeiten des Harvard-Ökonomen Robert Putnam und sein Konzept des "sozialen Kapitals". Putnam fand heraus, dass in einer Gesellschaft mit starker Zuwanderung das Vertrauen zwischen Einheimischen und Zugewanderten erodiert. Er stellte weiter fest, dass in einer Gesellschaft mit starker Zuwanderung selbst das Vertrauen innerhalb der Gruppen sinkt und sich mehr Menschen aus dem sozialen Leben zurückziehen.

Als Beispiel für diese Kernschmelze des sozialen Urvertrauens könnte man Schweden nennen. Vor einigen Jahrzehnten brauchte man dort wegen der geringen Kriminalitätsraten die Haustüren nicht abzuschließen, mittlerweile zählt Malmö zu den europäischen Städten mit den höchsten Mordraten überhaupt.

Collier wiederum hat herausgefunden, dass in Ländern mit starker Zuwanderung auch die Auswanderung von Hochqualifizierten stark zunimmt, weshalb Massenzuwanderung nicht unbedingt ein Mittel zur Behebung des Fachkräftemangels ist.

Er stellte das Postulat auf, dass gerade Zuwanderer für Parteien stimmen müssten, die sich gegen noch mehr Zuwanderung aussprechen, da die Migranten untereinander mit den sozial schwächer gestellten Einheimischen um Sozialtransfers und Arbeitsplätze konkurrieren (passiert mitunter schon, bei einer Wählerbefragung am Rande der baden-württembergischen Landtagswahlen des Jahres 2016 wurde festgestellt, dass 34 Prozent der AfD-Wähler einen Migrationshintergrund hatten).

Im schlimmsten Fall, so Collier, kommt es zu einem "umgekehrten Institutionentransfer", bei dem die Zuwanderer dann die dysfunktionalen Strukturen ihrer Herkunftsländer in ihr Ankunftsland importieren, und dort dann die Hölle verbreiten, vor der sie eigentlich geflohen sind. Als Beispiel nennt er die Einführung der Scharia durch die islamistische "Respect Party" in einem Stadtbezirk von London. Man könnte hier auch den massenhaften Missbrauch von Rotherham nennen.

Thomas Martini

18. Oktober 2018 23:47

Bitte um Entschuldigung, das hätte noch in den letzten Beitrag gehört. Aber die Frage, "welche Vorteile" man sich "von der Inklusion in die Gruppe „Volk“ erhoffen kann", bringt all das komprimiert zum Ausdruck, was Dr. Thor von Waldstein in "Die entfesselte Freiheit" als Liberalismus geißelt. Diese Frage ist ein mustergültiges Beispiel für die durchliberalisierte Denkweise von BRDlern, die nur auf den eigenen Vorteil, das eigene Erleben, und den Eigennutz aus sind. Es spiegelt sich darin "der nicht mehr nur drohende, sondern wesentliche Lebensbereiche beherrschende Nihilismus" (Dr. Thor von Waldstein) wieder, der ohne eine Rückbesinnung auf eine Gemeinschaft nicht überwinden werden kann. Welche Gemeinschaft könnte das sein, wenn nicht das Volk?`Dazu muß man begreifen, daß "der freie Geist überall hinweht, nur nicht in die übelriechenden 'Mir- geht-nichts-über-mich'-Winkel des Anarcholiberalimus." (Dr. Thor von Waldstein)

ede

19. Oktober 2018 02:24

Wenn wir keine Deutschen sein wollen, werden wir auch keine bleiben.
Das ist doch unmittelbar einleuchtend.
Damit kann es sein Bewenden haben.
Wem das nicht reicht, kann nach dem Sinn von Mutter und Vater fragen.

quarz

19. Oktober 2018 07:56

@Was1NiceSeite

"Ich wollte darauf hinaus, dass dieser spezielle Punkt Ihrer Auflistung geradezu tautologische Züge hat und von daher informationsfrei bleibt. Ja, wenn in einem Land ein sehr hohes Maß an ethnischer Homogenität herrscht, dann ist es natürlich nicht möglich, dass sich “ethnische Konflikte” bilden."
Daran ist nichts Tautologisches. Ethnische Konflikte können ja nicht nur zwischen Angehörigen verschiedener Ethnien auftreten, wenn diese im selben Staat leben, sondern auch dann wenn sie in unterschiedlichen Staaten siedeln. Dass Letzteres gegen den Nationalstaat spräche, ist ja ein oft geäußerter Topos. Wie aber z.B. T. Vanhanen empirisch nachgewiesen hat, ist es aber eben die multikulturelle Struktur in einem Staat, die ein wesentlich höheres Konfliktrisiko birgt. Kurz: wenn Ethnien in einem Staat zusammenleben, kommt es häufiger zu etnischen Konflikten zwischen ihnen als wenn sie in getrennten Staaten leben.

"Ich hoffe, ich liege mit meiner Vermutung falsch, dass sich diese Studien auf Tiere beziehen und der Schluss auf den Menschen nicht weiter expliziert wird?"

Am besten, Sie machen sich erst mal mit dem Begriff der "Kin selection" vertraut. Dieser und die damit zusammenhängenden Effekte beziehen sich generell auf biologische Entitäten, zu denen sowohl "Tiere" als auch Menschen gehören. Es ist also unnötig, von Ersteren auf Letztere zu schließen.

"„Ethnische Homogenität“ ist aber ebenfalls zu magere Kost dafür und vor allem nicht essentiell."

Ob dem so ist, darum dreht sich ja gerade unsere Argumentation, sollte dieser also nicht als petitio principii vorausgesetzt werden.

"Da haben sie also doch eine Begriffsbestimmung für das „Volk“ gefunden. Gehe ich also recht in der Annahme, dass „Volk“ für sie gleichbedeutend mit der genetischen Abstammung ist?"

Nein, da gehen Sie falsch. Die biologische Verwandtschaft ist nicht Teil der Begriffsbestimmung. Der Begriff ist kulturell determiniert (siehe meinen erwähnten Ansatz). Da aber die betreffenden kulturellen Beziehungen naheliegenderweise hauptsächlich zwischen biologisch Verwandten zustande kommen, besteht eine Korrelation zur biologischen Verwandtschaft (deshalb "tendenziell"), welche letztere zum wichtigen (wenn auch - wie bei solchen Zusammenhängen üblich - logisch weder notwendigen noch hinreichenden) Kriterium für das Funktionieren des Gemeinwesens macht.

"Mich würden des Weiteren die wissenschaftlichen Ergebnisse interessieren, dass „ethnische Homogenität“ 1. mehr „Innovativität“ hervorbringt ... "

z.B.
„Ethnic diversity reduces the innovative capacity of a nation”
( Ramasamy/Yeung: “Diversity and Innovation”, Applied Economic Letters (2016))

" ... 2. „mehr körperliche und geistige Gesundheit“ ... "

z.B.
“We find detrimental effects of ethnic and linguistic fractionalization on health outcomes. … results show that ethnic diversity leads to lower life expectancy and immunization rates but higher mortality rates. Results also show that the prevalence of various diseases or health problems such as HIV, anaemia, tuberculosis and malaria is higher in more fractionalized areas.”
( Churchill/Ocloo/Siawor-Robertson: “Ethnic Diversity and Health Outcomes”, Social Indicators Research (2016) )

bzw.

“People resident in neighbourhoods of higher own-group density experience ‘buffering’ effects from the social risk factors for psychosis.”
( Jayati Das-Munshi et al. : „Ethnic density as a buffer for psychotic experiences: findings from a national survey”, The British Journal of Psychiatry, 201 (2012) )

" ... 3. „höhere Steuermoral“ ... "

z.B.
“Ethnically fractionalized countries have poorer tax morale than homogeneous ones.”
( Li: “Social Identities, Ethnic Diversity, and Tax Morale”, Public Finance Review (2010) )

" ... 4. „Mehr Solidarität, sowohl institutionell als auch privat” ... "

Der Punkt hat eigentlich so viel Aufsehen erregt, dass es mich wundert, dass er Ihnen als thematisch Interessiertem unbekannt ist (Stichwort Putnam). Aber bitte, hier sind noch andere Beispiele (institutionell bzw. privat):

“Shares of spending on productive public goods—education, roads, sewers and trash pickup—in U. S. cities (metro areas/urban counties) are inversely related to the city's (metro area's/county's) ethnic fragmentation, even after controlling for other socioeconomic and demographic determinants.“
( Alesina/Baqir/Easterly: “Public Goods and Ethnic Divisions”, Quarterly Journal of Economics, 114 (1999) )

bzw.

“We find that increasing diversity leads to a decline in support for privately
provided public goods, in particular private charity.”
( Andreoni/Payne/Smith/Karp:
“Diversity and Donations: The Effect of Religious and Ethnic Diversity on Charitable
Giving“, Journal of Economic Behavior & Organization 128 (2016) )

Valjean72

19. Oktober 2018 09:23

Volk vs. Bevölkerung

Bei den Ureinwohnern Südamerikas spricht man von indigenen Völkern und wohlweislich nicht von indigenen Bevölkerungen.

Der Begriff "Bevölkerung" ist passiver Natur: "die, die halt schon länger hier sind". Er verweist auf eine beliebig zusammengefügte Gruppe von Menschen, deren Mitglieder heute hier und morgen dort leben können und daher austauschbar sind.

Wer sagt denn, dass Deutschland den Deutschen gehört? Das ist ein Stück Land, das bewirtschaftet werden muss, damit die Menschen leben können.

(Zitat der Pfarrerin Eva Esche, ZEIT-Online, 17.09.2017)

Folgendes Zitat von Thomas Martini bringt es mE auf den Punkt:

Ein Volk ist homogen, eine Bevölkerung heterogen. Ein homogenes Volk, ist mit viel Glück in der Lage, sich von einem Regime oder einer Diktatur zu befreien.

Ende 2015 machte ich mir in diesem Zusammenhang folgende Gedanken:

"Offenbar gibt es eine lang angelegte Agenda die nationalen und regionalen Identitäten, zunächst der europäischen Staaten – und am Ende dieser Entwicklung aller Staaten dieser Erde – aufzulösen.

Solch entwurzelte, beliebig vermischte und überindividualisierte Menschenmassen sind dann leichter zu beherrschen und in Zaum zu halten, als traditionsbewusste, gewachsene Gemeinschaften.

Als die Soldaten Napoleons die Errungenschaften der französischen Revolution mit Säbel, Pulverdampf und Bajonetten in Europa verbreiteten, wehrten sich die als rückständig verschrienen Tiroler Bergbauern von Anfang an gegen die französisch (-bayerische) Fremdherrschaft.

Die Tiroler waren durch Mundart und überlieferte Traditionen, Geschichten und Sagen untereinander und darüber hinaus auch mit dem Land (spirituell, wenn man so will) verbunden.

Diese inneren Bande, diesen Zusammenhalt warfen sie in die Waagschale gegen die fremden Invasoren und Okkupanten. Es ist gerade diese urtümliche Widerstandsfähigkeit, die durch eine wahllos forcierte Migration abgetragen werden soll."

deutscheridentitaerer

19. Oktober 2018 09:26

@nochmal an den NPC:

Ich verstehe Ihre Verwirrung ja. Als durchschnittlich intelligenter Geist, wie Sie auch einer zu sein scheinen, lässt man sich von Dekonstruktionskram schnell benebeln.

Aber im Grunde ist das alles gar nicht so schwer:

Lassen wir mal dahingestellt, ob das GG wirklich ein Volk im gebräuchlichen Sinne konstituieren könnte. Jedenfalls haben Sie dahingehend Recht, dass ein zentraler Verfassungstext eine politisch souveräne Gemeinschaft konstituieren kann. So war es bekanntlich in der USA.

Das heißt aber nicht, dass es jederzeit an jedem Ort möglich ist.

Psychologische Tatsachen wie das jeweilig vorherrschende Gruppengefühl ändern sich nicht über Nacht. Auch heute noch, empfindet sich geschätzt die Hälfte der Deutschen im althergebrachten Sinn als Deutsche, das heißt als Nachfahren von Deutschen, wobei sich der Zirkelschluss irgendwo im Dunkel der Geschichte auflöst.

Aber Sie haben sicher dahingehend Recht, dass diese Auffassung von wesentlichen Teilen der Bevölkerung nicht mehr geteilt wird.

Wobei ich mich hier frage, inwieweit "Volk" nicht eben doch auch objektiv ist, denn die ganzen NPC sagen ja sie wären "keine Deutschen, sondern Europäer/Weltbürger/Menschen/Humanisten" - nicht aber sie wären keine Japaner, Araber oder Mexikaner. Auch in der Negation können sie ihrem Volk nicht ganz entkommen.

Jedenfalls, wenn das mit dem GG als Identifikationspunkt jetzt so gut funktionieren würde, wären wohl die meisten zufrieden.

Aber wir hier beobachten eben, dass es eben doch nicht so gut funktioniert. Vie Einwanderer sehen das GG anscheinend allenfalls als Waffe, um ihre eigentliche ethnische Identität zu behaupten und die im "alten" Sinn deutsche Identität zurückzudrängen.

Das sehen Sie vermutlich noch anders, aber das ist ja das Schöne an dieser Diskussion: in 20 Jahren werden wir sagen können, wer heute Recht gehabt hat.

Zuletzt ist natürlich auch nicht das GG unsere "neue" Identität, das ist nur ein Puzzlestück, sondern der Schuldkult, die Nie-wieder-Ideologie. Und diese Identität funktioniert halt selbst für civic nationalism Verhältnisse schlecht, weil sie eine rein negative ist.

Fritz

19. Oktober 2018 09:38

Auf Robert Putnam wollte ich auch schon hinweisen, seine Studie findet sich hier: https://www.b-b-e.de/suche/suchergebnis/19343-robert-putnam-2007-ethnische-diversitaet-und-sinkendes-sozialkapital/

Putnam ist ein Linker, und er ist eher negativ überrascht von seinen empirischen Ergebnissen. Die Studie heißt "E Pluribus Unum", eines aus vielen. Siene Hoffnung ist, dass sich in Zukunft ein ähnlicher Prozess volluiehen wird wie in den USA, wo die Kinder der Migranten des 19. Jahrhunderts durchaus erfolgreich zu einem Volk geworden sind (mal abgesehen von den afrikanischen Sklaven).

Der entscheidende Unterschied zu unserer heutigen Situation ist allerdings, dass es einfacher ist, aus Engländern, Polen, Deutschen und Italienern ein Volk zu schmieden, als aus Europäern, Muslimen und Afrikanern, weil die kulturelle Distanz viel größer ist. In sofern teile ich Putnams Analyse, aber nicht seine Hoffnung.

Übrigens ist "Diversity" bei Putnam immer auf Kultur bezogen und nicht auf Ethnien. Dass macht auch Sinn, ich kenne zumindest keine Forschungsergebnisse, die zeigen könnten, dass Abstammung Menschen stärker prägt als das Aufwachsen und sozialisiert werden in einer bestimmten Kultur.

Ulrich aus Wuerttemberg

19. Oktober 2018 10:13

Was macht ein Volk aus? Wer gehört zur Bevölkerung? Was ist eine Gesellschaft? Diese Fragen gilt es ganz genau zu beantworten indem man die Begriffe unmissverständlich klar definiert! Derzeit herrscht in der Anwendung der Begriffe ein großes Durcheinander. Den Begriff Volk versucht man sogar zu kriminalisieren. Einen der drei Begriff für einen anderen synonym zu verwenden führt zu großer Verwirrung; denn eine Gesellschaft macht noch kein Bevölkerung und erst recht nicht ein Volk aus!
Allen drei Begriffen ist Eines gemeinsam: sie werden von Menschen gebildet. Hier sogar in einem doppelten Sinn: Menschen geben den Begriffen ihren Inhalt und sind Teile von Volk, Bevölkerung und Gesellschaft.
Was unterscheidet nun ein Volk von einer Bevölkerung oder Gesellschaft? Mit dem Begriff Volk wird eine Qualität beschrieben, während die Begriffe Bevölkerung und Gesellschaft für Quantitäten stehen.
Ein jedes Volk hat eine ureigene Aufgabe um seinen Teil zu der Entwicklung der Schöpfung beizutragen. Miteinbezogen in ein Volk sind die Nichtmehrlebenden genauso wie die Nochnichtlebenden! In der Gegenwart ist man sich der Vergangenheit bewusst und trägt Sorge für die zukünftigen Generationen. Dies setzt eine geistige Verbundenheit voraus.
Menschen, die in der geistigen Atmosphäre eines Volkes leben, machen die Bevölkerung aus. So wenig wie alle Völker gleich sind, sind natürlich auch nicht alle Menschen innerhalb der geistigen Atmosphäre eines Volkes gleich. Ein jeder Mensch verbindet sich mehr oder weniger individuell mit der Geistigkeit seines Volkes. Goethe und Schiller kamen dem deutschen Volksgeist weitaus näher als ich es, auch bei bestem Willen, je sein kann! In diesem Sinne sind Shakespeare, Dante und Voltaire Repräsentanten ihrer Völker, dem englischen, italienischen und französischen!
Eine Gesellschaft kennt dagegen keine geistige Verbundenheit mehr, sie besteht aus reiner Quantität nämlich Menschen (im Englischen auch People genannt). Man bezieht sich weder auf einen Gott noch auf einen gemeinsamen Volksgeist oder eine gemeinsame Abstammung. Alle Menschen sind gleich – gleich viel, bzw. wenig wert! Das Vertikale ist abgeschafft! Man dient nicht mehr, sondern der Staat hat für einen zu sorgen. Kurzfristige egoistische Bedürfnisse schlagen langfristige Daseinsvorsorge!
Bereits im Januar 2015 untersuchte Prof. Dr. Karen Swassjan in https://files.designer.hoststar.ch/hoststar11531/file/c119b8ea-fa8f-4c01-9f5a-a42db7e8f505.pdf die Begriffe Volk, Bevölkerung

Was1NiceSeite

19. Oktober 2018 10:31

@Lichtmesz
„Selbstverständlich ist das logische Folgerung. Im GG ist nunmal von einem "deutschen Volk" die Rede. Wenn es das nicht mehr gibt, gibt es auch Deutschland als Land der Deutschen nicht mehr.”

Unterstellen Sie jedem, der nicht an die Notwendigkeit eines Volksbegriffes glaubt, dass er die Abschaffung Deutschlands fordert? An dieser Stelle kann ich die Diskussion mit Ihnen dann getrost beenden, denn wenn Sie für mich die “logische Folgerung” aus meinen Thesen ableiten, die ich selbst nicht folgere, weil Sie von einem dogmatischen Standpunkt aus urteilen, den Sie nicht bereit zu diskutieren sind, dann gibt es auch nichts zu diskutieren.
Aber ich versichere ihnen, nur weil Menschen einen ethnischen “Volksbegriff” (und nicht etwa den der “Staatsangehörigkeit”) ablehnen, heißt das nicht automatisch, dass diese Deutschland abschaffen wollen. Denn, wie wir alle wissen, “Deutschlandabschaffer” ist eine diskursausschließende Position, vor allem hier.

@deutscheridentitaerer
Ich weiß erst einmal nicht, warum Sie mich nicht mit meinem richtigen User-Namen „Was1NiceSeite” anschreiben, sondern mit „NPC“ – was bedeutet das? Das finde ich dann doch sehr respektlos. Wie können wir eine ernsthafte Diskussion erwarten, wenn Sie sich nicht einmal an die grundlegenden Regeln der Anrede und der Höflichkeit halten?

„Als durchschnittlich intelligenter Geist, wie Sie auch einer zu sein scheinen, lässt man sich von Dekonstruktionskram schnell benebeln.“

Einerseits spricht nichts dagegen, durchschnittlich intelligent zu sein, andererseits ist diese Formulierung klar abwertend gemeint. Ich möchte allerdings nicht mit Menschen argumentieren, die gleich persönlich werden, tut mir Leid.

@Thomas Martini
„Die eigene Volkszugehörigkeit zu bestreiten, ist so, als würde man sich selbst einen anderen Familiennamen geben, in der Hoffnung, nicht mehr mit der eigenen Verwandtschaft in Verbindung gebracht zu werden.“

Ich bin mir nicht sicher, wie Sie dieses „Volk“ definieren. An welche genauen Übereinstimmungen haben Sie denn gedacht? Da die Aufschlüsselung der DNS ein relativ aufwändiger Prozess ist und auf den ersten Blick bei einem Menschen kaum gesagt werden kann, welche ethnischen Übereinstimmungen und Vermischungen seine genealogische Familiengeschichte hat, verstehe ich nicht, wie Sie die eigene „Volksdazugehörigkeit“ überhaupt erst herausfinden möchten. Wie viele hundert, wie viele tausend Jahre gehen wir denn zurück, wo wird der willkürliche Schlussstrich gezogen an dem gesagt wird, „hier liegen die ethnischen Ursprünge“ – zurück bis nach Kenia?
Die genetischen Unterschiede innerhalb einer Ethnie sind indes fast genauso groß, wie die genetischen Unterschiede zwischen zwei willkürlich ausgewählten Menschen. Die wenigen Prozent, die eine Ethnie irgendwie übereinstimmend aufweist, sind völlig bedeutungslos für die persönliche Entwicklung, denn solche genetischen Unterschiede liegen im Promillebereich und haben sicherlich keine charakterkonstitutiven Auswirkungen auf das Individuum, das in komplexe wirtschaftliche und soziale Beziehungen eingebettet ist. Für den everyday Struggle eines jeden von uns sind diese Unterschiede höchstens von symbolischer Signifikanz, mehr nicht. Man kann ja keine Attribute per se mit bestimmten Ethnien verknüpfen.
Von daher, wenn Sie einen normativen Volksbegriff präskriptiv verwenden, das heißt, nicht lediglich im Sinne eines genealogischen Hobbies, sondern den Begriff an politische Forderungen knüpfen, dann wird das zu nichts führen oder wollen Sie jeden Bürger einmal einen DNS Test machen lassen? Die verwandtschaftliche „Zusammengehörigkeit,“ die Sie implizieren, gibt es nur in der Theorie ohne Auswirkungen auf die Gesellschaft.

Darüber hinaus weist die deutsche Gesellschaft derzeit ein relativ großes Spektrum unterschiedlicher ethnischer Überlagerungen auf (selbst wenn man alle Flüchtlinge der letzten Jahre ausklammert). Es würde eines enorm großen und vor allem gewalttätigen Eingriffs in die derzeitige Gesellschaft verlangen, um ethnische Homogenität künstlich herzustellen.

Wie stellen Sie sich denn eine „ethnische Homogenisierung“ konkret vor, die Sie so erstrebenswert halten?

„Diese Frage ist ein mustergültiges Beispiel für die durchliberalisierte Denkweise von BRDlern, die nur auf den eigenen Vorteil, das eigene Erleben, und den Eigennutz aus sind.“

Ich bitte Sie, dass ist ja eine geradezu diskursverzerrende Unterstellung. Ich denke nicht nur an mich, wenn ich glaube dass die BRD und das GG einen gesellschaftlichen Rahmen für ein Leben in Freiheit und Würde für alle Staatsangehörigen sicherstellt. Weitgesprochen, natürlich. Strukturelle Ungerechtigkeiten, ungleicher Wohlstand, soziale Brennpunkte, schwache Altersversorgung – you name it! Es gibt noch genügend, aber wirklich genügend Verbesserungspotenzial. Aber mir zu unterstellen ich wäre auf meinen Eigennutz aus, das finde ich sehr unplausibel, denn das hat auch so erst einmal nichts mit dem eigentlichen Thema zu tun. Ich finde es wirklich erschöpfend wie hier immer wieder themenfremde Diskussionspunkte eröffnet werden, um Positionsdiskreditierungen vorzunehmen.

Scurra

19. Oktober 2018 11:10

Lieber Was1NiceSeite,

weil ich Ihre Argumentation nicht ganz verstehe: Wenn ich auf das Rauchen verzichte und mich brav und artig von rauchenden Menschen fernhalte, werde ich nicht an durch Rauchen verursachten Lungenkrebs erkranken (-> Ihre "Tautologie"). Und da ich nicht an Krebs erkranken möchte – wie auch immer er verursacht wurde – und Rauchen tatsächlich Lungenkrebs hervorrufen kann, ist es eine gute Option, auf das Rauchen zu verzichten. Was nicht heißt, dass ich nicht trotzdem an Lungenkrebs sterben kann.

Was also spricht gegen den Punkt von quarz, die Gefahr von Konflikten innerhalb einer Staatsgemeinschaft zu verringern, indem Konflikte aufgrund großer ethnisch-kultureller Unterschiede durch das schlichte Vermeiden großer ethnisch-kultureller Unterschiede verhindert werden?

Schätzen Sie die Vorteile ethnisch-kulturell heterogener Gemeinschaften höher ein als die möglichen Nachteile? Und worin liegen sie in Ihren Augen? Oder bestreiten Sie, dass es so etwas wie Konflikte durch ethnisch-kulturelle Unterschiede in relevanter Weise überhaupt gibt (sondern sich z. B. alles auf "Klassenkämpfe" reduzieren lässt)?

Es interessiert mich wirklich.

Was1NiceSeite

19. Oktober 2018 11:22

@quarz

Danke für die vielen Quellen. Ich werde sie mir anschauen, wenn ich die Zeit dazu finde und mich an späterer Stelle dazu äußern.

Gustav

19. Oktober 2018 11:35

@ Was1NiceSeite

Auch eine menschliche Gemeinschaft ist als Gan­zes mehr als die Summe vieler einzelner. Sie zu be­wahren, erfordert mehr an ethischen Wer­ten als individualisti­sches Einzelmenschbewußtsein und he­do­ni­sti­sche Be­liebigkeit. Bewahrung der so­zialen Gemeinschaft er­for­dert Wert­setzungen, welche die In­te­gri­tät der sozialen Ordnung nach in­nen und außen abstützen. Wir müs­sen da­nach fragen dürfen, ob die li­be­rale Maxime: die Do­mi­nanz des unmit­telbar nur dem In­di­vi­duum Nütz­lichen ohne primäre Rück­­sicht auf das Ganze, diese Ge­mein­schaft schließlich zerstört und da­mit auch dem egoisti­schen einzelnen die Grundlage seiner Exi­stenz ent­zieht. Oh­ne sozialbezügli­che Wert­set­zung und ohne Erziehung zu sozialen Tugenden haben wir keine Chan­ce, unser Gemeinwesen, unsere Vorstellungen mensch­li­chen Zu­sam­menlebens und letztlich uns selbst als Volk auf Dauer zu er­halten. Weil sich keine Ordnung von allein einstellt, bedarf auch ei­ne soziale Ord­nung der Stiftung: Die Ordnung muß errichtet, sie er­haltende staat­liche Institutionen müssen etabliert und die sie stützen­den Tu­gen­den müssen durchgesetzt wer­den.

Es ist praktisch un­mög­lich, ein Volk von Einzel­gängern zu­sam­menzuhalten, die an über­haupt nichts glau­ben. Ohne Zusammenhalt zu einem Ganzen ist auch der einzelne schwach; zu schwach in einer Acht-Milliarden-Men­schen-Welt. Nur mit vereinten Kräften sind wir stark.

Dumme Autonome ge­ben sich links. Sie werden Anar­chisten und verzichten auf die Annehmlich­keiten des Ge­mein­schafts­­­lebens. Schlaue Autonome denken weiter: Sie sind keinen Deut we­niger autonom, nur weil sie die Autonomie nicht auf sich al­lein be­ziehen, son­dern auf ihr ganzes Volk. Jeder dient sich selbst am be­sten und nach­hal­tig­sten, in­dem er sich mit anderen zusam­men­schließt. Nur wenn er als Mit­glied seiner Fa­milie und seines Volkes für andere ein­steht, darf er hof­fen, selbst in der Stunde der Not nicht allein da­zustehen. Praktisch funk­tioniert die­ses bewährte Konzept nur mit staatlicher Organisation und einem ver­bind­­lichen Katalog von Tugen­den.

Die vorgefundene Gemeinschaft, in die jeder von uns hinein­gebo­ren wurde, ist die Grundlage unserer aller Existenz. Man kann nicht wie Ha­bermas die Wirklich­keit neu erschaffen und so tun wollen, als stünden wir uns in einem gedachten Mo­ment als autar­ke Einzelwesen gegenüber, die nichts miteinander zu tun haben und die zunächst ein­mal einen Gesell­schaftsvertrag mit­einander schließen müs­sen. Diese Idee braucht nur, wer die Wirk­lich­keit völlig umkrem­peln möchte und wem die vor­ge­fundene Wirk­lich­keit da­bei im Wege steht.

links ist wo der daumen rechts ist

19. Oktober 2018 11:36

Bekenntnis und Elite

@ Quarz

Zitat:

Ein Volk zeichnet sich gegenüber einer bloßen "Bevölkerung" durch einen hohen Grad an ethnischer Homogenität aus. Und das bringt wissenschaftlich erwiesenermaßen unter anderem Folgendes mit sich:
- Mehr Solidarität, sowohl institutionell als auch privat
- Mehr soziales Vertrauen und soziales Leben
- Weniger Gewaltkriminalität
- Weniger Korruption
- Mehr Innovativität
- Mehr politisches Engagement
- Besser funktionierende Institutionen
- Stabilere Rechtsstaatlichkeit
- Mehr körperliche und geistige Gesundheit
- Weniger ethnische Konflikte
- Höhere Steuermoral
- Weniger Vandalismus im öffentlichen Raum
- Weniger Bandenkriminalität
etc. etc.

Sorry, aber das kennzeichnet kein Volk, sondern eine „Volksgemeinschaft“.
Das ist halt das generelle Problem, wenn Ideale aus dem Schmolleck heraus beschworen werden.
Ich kann mich als Österreicher vorbehaltlos zur deutschen Kulturnation bekennen, schlicht und einfach in die deutsche Sprache vernarrt sein (und meinen Heimatdialekt oder auch das genuschelte Wienerisch von Lichtmesz & Sellner gräßlich finden), meinetwegen Südtirol als Bestandteil Österreichs sehen, über den Verlust der deutschen Ostgebiete trauern (und damit mich weigern, Städtenamen wie Stettin oder Breslau auch nur polnisch zu denken; man muß auch einmal nachlesen, wie Churchill bei den Verhandlungen in Potsdam zumindest diese beiden Städte für Deutschland retten wollte...) – aber welche politische Agenda soll zwingend daraus folgen?
War in den 90ern von einem „lagerübergreifenden Enttäuschungsdiskurs der Linken“ die Rede, so sehe ich das heute adäquat im (neu)rechten Lager.
Es werden Ideale beschworen, die keiner Agenda folgen können (s.o.).
Der einzig maßvolle Umgang mit Idealen wäre der Modus der Trauer.
In meinem Fall: Ein Europa in den Grenzen von 1913 wäre denkbar, danach begann der Abstieg.
Österreich hatte 1918/19 noch die Möglichkeit, seine kümmerliche Eigenstaatsexistenz zu beenden (danke an deutschbewußte Sozialdemokraten wie Karl Renner oder Otto Bauer), aber leider...
Und wenn ich an die gegenwärtige jämmerliche österr. Regierung des Kinderkanzlers denke, dann ist die weder national oder österreichbewußt, sondern schlicht und einfach Agent des globalen neoliberalen Systems. „Nationale“ Töne dienten halt der Stimmenmaximierung während des Wahlkampfes.
Die Frage müßte also lauten: Wer hat euch verraten, liebe Genossen von rechts?
Antwort: Die eigenen Leute, und hier an vorderster Front: ein gewisser Helmut Kohl.
Wer hat denn als Preis für die deutsche „Einheit“ die Ostgebiete endgültig aufgegeben, anstatt mit dem Ende des Ostblocks gesamteuropäisch die Ordnung von Jalta zu Grabe zu tragen und damit für die Ostgebiete – spät aber doch – zumindest eine Südtirol-Lösung zu finden (und adäquat für Österreich die Sudetengebiete)? Und wer hat denn auch noch gleich als Draufgabe die DM geopfert?
Alles vergeben und vergessen?

Und v.a. erkennt man:
Mögen die Analytiker oder Beschwörer oder auch Idealisten im rechten Lager seit mehr als 200 Jahren meist recht behalten haben, ihre Einsichten scheitern fast zwingend an den Erfordernissen einer – taktischen - „Realpolitik“.

@ lichtmesz
Daß eine abgehobene Elite realitätsfern agiert, ist kein neues Phänomen und nicht unbedingt der Linken zuzuschreiben.
Im Ostblock sprach man von der Nomenklatura bzw. der „Neuen Klasse“ - sozusagen eine Rechtsverschiebung im linken Spektrum.
Im Westen hatte z.B. David Halberstam („Die Elite“) die eggheads der Kennedy-Administration zerpflückt, ausgehend vom verhängnisvollen Engagement in Vietnam. Aber allein aus der Charakterisierung dieser Berater und Einflüsterer läßt sich nicht schlußfolgern, daß dieses Phänomen ausschließlich auf Seiten der Linken zu finden sei.

deutscheridentitaerer

19. Oktober 2018 11:54

@NPC

Ihr Username ist selbst bereits eine Respektlosigkeit gegenüber den hier Schreibenden bzw. den für diese Seite Verantwortlichen.

Ansonsten ist die Diskussion mit Ihnen einigermaßen müßig, weil Sie wirklich 1:1 die Punkte wiederkauen, die von den sich mit dem überlegenen Geheimwissen des Dekonstruktivismus ausgerüstet wähnenden Linken immer hervorgebracht werden, wenn Sie ausziehen um den rechten Pöbel mit ihrer Geheimwaffe zu demütigen.

quarz

19. Oktober 2018 12:20

@Fritz

Inhaltlich möchte ich zu Putnam zweierlei anmerken:

1) Bis in die 1960er Jahre war die Migration in die USA eine überwiegend europäische Angelegenheit. Die Migranten stammten aus Kulturen, die seit Jahrhunderten engsten kulturellen Umgang mit ihren europäischen Nachbarethnien pflegten. Bis zum heutigen Tag ist es der Normalfall, dass sich Europäer, die in die USA auswandern, assimilieren, d.h. kulturell zu einem Teil der Aufnahmekultur werden. Ihre Kinder tragen in der Regel bereits englische Vornamen und gar nicht selten ändert sogar der Einwanderer selbst seinen Vornamen. Man vergleiche das mit "unseren" Türken, die ihren Kindern noch in der vierten Generation durch die Bank türkische Vornamen geben. Das mag nebensächlch erscheinen, ist aber ein vielsagendes Indiz in Bezug auf die allgemeine Assimilationsbereitschaft. Und damit zurück zu Amerika. "Assimilation" ist der Schlüssel. Sie stellt ethnische Homogenität her und schafft damit das Fundament für das Funktionieren der Solidargemeinschaft. Inzwischen aber ist die Assimilation dem Multikulturalismus gewichen. Deshalb sind die Voraussetzungen, auf die sich Putnam bei seiner Zukunftshoffnung stützt, nicht mehr gegeben. Aus einer durch Assimilation geprägten Vergangenheit kann man nicht auf eine durch ethnische Fragmentierung geprägte Zukunft schließen.

2) Während sich Putnams Analyse der schädliche Wirkung der "diversen" Gegenwart auf Wissenschaft stützt, hängt seine verzweifelte Hoffnung auf Besserung an einem bloßen Traum, für dessen Plausibilität er keine Forschungsresultate ins Treffen führen kann.

Wissenschaftssoziologisch ist aber vor allem bemerkenswert, wie Putnam mit seinen Erkenntnissen umgegangen ist. Als begeisterter Multikulturalist war er so schockiert über das, was er herausgefunden hat, dass er das Ergebnis jahrelang unter Verschluss hielt und emsig versuchte, sich selbst zu widerlegen, indem er verzweifelt versuchte, andere Faktoren zu finden, die "eigentlich" Schuld an der Misere sind und die man eventuell eliminieren und dadurch die geliebte "Buntheit" entlasten kann. Aber so sehr er auch versuchte, in seiner riesigen Datenmenge (es handelt sich um die umfangreichste Untersuchung ihrer Art, die je durchgeführt wurde) Faktoren herauszurechnen, es blieb beim alten Ergebnis. Es spricht für die intellektuelle Redlichkeit Putnams, dass er den Befund dann, wenn auch zähneknirschend, doch veröffentlichte. Seine emphatisch geäußerte Hoffnung, das werde trotzdem irgendwie gutgehen, bleibt allerdings, was sie ist: ein Traum, der im Gegensatz zu einem immer umfangreicher werdenden wissenschaftlichen Erkenntnisstand steht.

Imagine

19. Oktober 2018 12:27

Kann man mit Rechten reden?

Kann man. Aber es ist genauso wenig wie mit Linken möglich, mit ihnen einen offenen Diskurs zu führen, in dem man mit Argumenten überzeugen kann und in dem man zu neuen Positionen kommt.

Anders als zur 68-er-Zeit, wo viele Menschen offen für Neues und bereit waren, sich in Frage zu stellen und auf andere Ideen einzulassen sowie etwas Neues auszuprobieren, ist heute das Gegenteil der Fall.

Die Gesellschaft ist erstarrt. Die Menschen suchen nach Bestätigung ihrer Meinungen und sind nicht bereit, diese in Frage zu stellen.

Die heutigen Linken wollen nichts mehr wirklich ändern und sind regierungskonform. Die heutigen Rechten – jene, die sich als „Neue Rechte“ sehen – sind hingegen in Opposition zur Regierungspolitik: Sie wollen zurück zum „guten, alten Deutschland“.

Orwell-Zeit.

Die heutigen Linken sind heute konservativ. Längst vorbei sind die Zeiten, als sie eine Opposition zur Regierungspolitik darstellten. Politisch sind sie fest verbündet mit den früheren Konservativen: Schwarz dominiert und „rot-grün“ ist bereit, sich jederzeit als Koalitionspartner anzubieten.

Das frühere rot-grüne „linke“ – ehemals fortschrittliche - Lager schrumpft, die SPD verliert, stattdessen wird mehr grün gewählt.

Das rot-grüne „linke“ – ehemals fortschrittliche - Lager hatte in Bayern zusammen nur 27,2% der abgegebenen Stimmen, das entspricht 18,6% der Wahlberechtigten.
https://www.welt.de/politik/deutschland/article182069368/Landtagswahl-Bayern-2018-Das-ehrliche-Wahlergebnis-inkl-Nichtwaehler.html

Opposition ist in Deutschland out. Bei jeder Anti-Merkel-Demonstration gibt es 10x so viele Gegendemonstranten.

Gibt es in Deutschland überhaupt noch progressive Kräfte?

Menschen mit neuen Ideen für die Zukunft?
Mit konkreten Überlegungen und Vorstellungen, wie man angesichts des wissenschaftlich-technischen Fortschritts die Gesellschaft neu gestalten kann?

Die politischen Lager sind heute fixiert. Bei den politisch Aktiven gibt es den politischen Mainstream und eine kleine Opposition.

Unter den politisch Aktiven sind die Aggressionen und die Gewaltbereitschaft gestiegen.

Eine Vorbürgerkriegssituation.

Deutsche greifen Deutsche mit physischer Gewalt an, verüben Gewaltdelikte gegen die Autos und Häuser von politisch Andersdenkenden. Gruppen terrorisieren mit Nazi-Methoden Andersdenkende und bezeichnen ihr Tun als „politische Schönheit.

Jene, deren Vermögen und Macht ständig steigen, lachen über das „dumme Volk“, welches das System und das "Spiel" nicht begreift.

Thomas Martini

19. Oktober 2018 14:00

@Fritz

"Der entscheidende Unterschied zu unserer heutigen Situation ist allerdings, dass es einfacher ist, aus Engländern, Polen, Deutschen und Italienern ein Volk zu schmieden, als aus Europäern, Muslimen und Afrikanern, weil die kulturelle Distanz viel größer ist."

Sehr richtig, und hier sind wir bei dem, was Stefan Zweig in die "Welt von Gestern" schilderte. Wenn man dieses Buch liest, wird man schnell erkennen, daß Europa früher in kulturellen Hochburgen wie Wien tatsächlich bunt, vielfältig und multikulturell ausgerichtet war und daraus unheimlich viel Gutes entstanden ist.

"An barbarische Rückfälle wie Kriege zwischen den Völkern Europas glaubte man so wenig mehr wie an Hexen und Gespenster; beharrlich waren unsere Väter durchdrungen von dem Vertrauen auf die unfehlbar bindende Kraft von Toleranz und Konzilianz. Redlich meinten sie, die Grenzen und Divergenzen zwischen den Nationen und Konfessionen würden allmählich zerfließen ins gemeinsam Humane und damit Friede, Sicherheit, diese höchsten Güter, der ganzen Menschheit zugeteilt sein.

Es ist billig für uns von heute, die wir das Wort 'Sicherheit' längst als ein Phantom aus unserem Vokabular gestrichen haben, den optimistischen Wahn jener idealistisch verblendeten Generation zu belächeln, der technische Fortschritt der Menschheit müsse unbedingterweise einen gleich rapiden moralischen Aufstieg zu Folge haben." - Stefan Zweig, "Die Welt von Gestern", S. 21

Bei diesen Zeilen weiß man nicht so recht, welche Welt der Autor beschrieb. Das Gestern und das Heute verschwimmen in dem Buch zu einer Wiener Melange.

@Was1NiceSeite

"Wie stellen Sie sich denn eine „ethnische Homogenisierung“ konkret vor, die Sie so erstrebenswert halten?"

Dazu brauche ich nur an meine Kindheit zurückzudenken. Damals waren wir von der Grundschule bis in die Zehnte Klasse als Volksdeutsche unter uns. Ausländer waren eine geschützte und willkommene Ausnahme. Wir hatten zum Beispiel ein Mädchen aus Pakistan in der Klasse, das von allen Lehrern mit Samthandschuhen angefasst wurde, und bei dem man auch bei den Schularbeiten mal eine Auge zudrückte. Später kam noch ein junger Mann aus Polen dazu, und wir hatten zudem eine negriode Deutsch-Amerikanerin in unseren Reihen, die sehr beliebt war. Das war's, der Rest war "Deutschdeutsch" (wie uns Ausländerverbände mittlerweile bezeichnen).

Eine solche geringe Menge an Ausländern dann zu "integrieren", bezieungsweise zu assimilieren, ist denn weder eine große Kunst, noch würde ich persönlich dagegen Widerstand leisten.

Alles andere jedoch, birgt unabschätzbare, sozioökonomische Gefahren, die man nicht übersehen kann. Schulen, an denen Kinder mit "Migrationshintergrund" nicht die Ausnahme, sondern die Regel, oder sogar die eindeutige Mehrheit sind, sind heutzutage das Spiegelbild, für die heterogene Bevölkerung, die Ihnen vorschwebt. Dort kann man wie unter einem Brennglas erkennen, daß Deutschland eine große Katastrophe aus ethnischen und rassistischen Konflikten ins Haus steht.

Meine Befürchtung ist, daß diese heterogene Bevölkerung in wenigen Jahren ein unübersichtlicher Vielvölkermischmasch sein wird, der von der bundesdeutschen Polizei nicht mehr zu kontrollieren sein wird. Meine Hoffnung ist, daß diese "Bevölkerung" dann wenigstens das Ende der Bundesrepublik Deutschland einleitet, und dieses verwaltende "Staatswesen" dann samt dem Bibelersatz-Grundgesetz ebenso auf dem Müllhaufen der Gesichte landet, wie zuvor schon das Dritte Reich, und die DDR.

"Ich bitte Sie, dass ist ja eine geradezu diskursverzerrende Unterstellung. Ich denke nicht nur an mich, wenn ich glaube dass die BRD und das GG einen gesellschaftlichen Rahmen für ein Leben in Freiheit und Würde für alle Staatsangehörigen sicherstellt. Weitgesprochen, natürlich."

Die Frage wurde von mir absichtlich nicht ad personam gerichtet. Gefällt mir aber, daß Sie sich denn Schuh dennoch anziehen, und die Anspielung Sie zu einer Rechtfertigung veranlasst hat.

Was nun Ihre Thesen bezüglich der Staatsangehörigkeit angeht, dazu gebe ich Ihnen ebenfalls ein praktisches Beispiel, über das jeder einmal nachdenken sollte.

Ein guter Freund von mir ist Grieche, und seit der frühsten Kindheit in Deutschland. Er arbeitet in der BRD und entrichtet hier seine Steuern. Er spricht passabel deutsch, und sein Sohn wächst mit der deutschen Sprache auf. Dennoch aber hat der Vater bis zum heutigen Tag keinen deutsch Paß, keine deutsche Staatsangehörigkeit. Er will sie überhaupt nicht, weil er eben Grieche ist, mit Leib und Seele. Er kann nicht einfach so aus seiner Haut, und zu Hause fühlt er sich nur in Griechenland. Nur in den Ferien unter den eigenen Volksgenossen, erfährt er das, was man bei uns Heimat nennt.

Denken Sie mal darüber nach, ob ein "Personalausweis" daran etwas ändern würde. Und machen Sie sich bitte bewusst, daß viele Millionen Ausländer in der BRD eben nicht im Besitz der deutschen Staatsangehörigkeit sind, darunter eine hohe fünfstellige Zahl an abgelehnten Asylbewerbern, bei denen wir uns laut Dr. Schäuble keine Hoffnungen machen sollten, sie abschieben zu können.

Rodericus

19. Oktober 2018 14:19

Attackiern, attackiern, attackiern!

Das liberale ,,Bürgertum" ist in andauernder Defensive und es ist doch nur eine Frage der Zeit, bis sie sich endgültig selbst ausgelöscht haben (und das wissen viele von denen auch selbst https://www.amazon.de/Shall-Religious-Inherit-Earth-Twenty-First/dp/1846681448).

Deren linksliberales Gift konnte die letzten 60 Jahre wirken, aber langsam entstehen Immunitäten, ihre Versprechen wirken nicht mehr, sie werden schwächer, darum umso giftiger. Und nun bedarf es der Tat, um die Prinzipen zu verändern.

Die Gestalt des Europäers manifestiert sich doch jeden Tag mehr - daher die Panik, die Generalmobilmachung der Sojatruppen, daher das Brechen aller Dämme, die Leitung aller Migrantenströme nach Europa, die Hoffnung auf den großen Austausch zur Verhinderung des europäischen Seins.

Der Twitter-Cuck aus dem Artikel weiß, dass die Macht nicht abstrakt ist - wer die Machtinstrumente morgen bedient, wird Regent sein.

Populismus hin oder her, dem Feind zu gefallen hat noch keinem etwas gebracht und ob wir nun Nazis, Populisten oder Nazi-Zombies für die sind: wenn wir uns als EIN Typus begreifen, wird uns links oder rechts egal sein, werden irgendwelche Meinungen uns nicht mehr stören, werden wir dieser internationalen Cliqe und ihren Nacheiferern endlich Paroli bieten und uns nicht mehr um unseren Platz in der Welt sorgen müssen.

https://sukofamily.org/20-benefits-of-having-a-bunch-of-kids/

heinrichbrueck

19. Oktober 2018 14:26

"Das Grundgesetz setzt den allgemeinen Rahmen und ermöglicht allen Staatsangehörigen sehr gute Rahmenbedingungen um ihr Leben autonom, sicher und frei führen zu können."

Das Grundgesetz setzt überhaupt nichts, außer den Rahmen, eine eigene Verfassung zu verhindern. Ein Türke kann die Staatsangehörigkeit besitzen, jedoch nicht die Volkszugehörigkeit. Wenn die Rahmenbedingungen so artig sind, aus welchem Grund dann die demographischen Differenzen? So autonom, sicher und frei, daß die schrumpfende Gruppe der Staatsangehörigen die wachsende Gruppe der Staatsangehörigen finanzieren muß.

"welche Vorteile ich mir von der Inklusion in die Gruppe „Volk“ erhoffen kann?"

Sie bleiben am Leben. Sie erkennen die Lage, sehen den induzierten Todestrieb in der schrumpfenden Gruppe, denken nicht in Zuständen sondern in Prozessen.

"Übrigens ist "Diversity" bei Putnam immer auf Kultur bezogen und nicht auf Ethnien. Dass macht auch Sinn, ich kenne zumindest keine Forschungsergebnisse, die zeigen könnten, dass Abstammung Menschen stärker prägt als das Aufwachsen und sozialisiert werden in einer bestimmten Kultur."

Südafrika.

Ein Volk steht für eine in ihm angelegte Spiritualität. Soll ein Volk der Vernichtung anheimfallen, werden sich immer Werkzeuge finden lassen, die in erster Linie die Spiritualität angreifen. Zuweilen reicht ein guter Bogenschütze, Pfeil und Bogen, um die Achillesferse zu treffen. Es gibt aber auch Prozesse, die mehr Mühe erfordern.

Liliom

19. Oktober 2018 16:00

Vielleicht ist "das Fremde" das Salz in der Kartoffelsuppe. Das wäre aber noch lange kein Grund, sich die Suppe versalzen zu lassen.

oernmaster

19. Oktober 2018 17:55

Simplifiziert gesagt geht es um Attraktivität . Ein urmenschliches ( sogar allgemein natürliches,evolutionäres ) Bedürfnis liegt darin zugrunde .
Wenn man nun möchte das dem Nationalstaat ( dem Volk ) weiterhin seine Existenzberechtigung sicher sein soll , so gilt es seine Attraktivität zu steigern .

Hier gilt es ,die heute leider zu leeren Phrasen verkommenen Grundsätze der franz. Revolution neu zu entfachen .

"Freiheit ,Gleichheit,Brüderlichkeit"
im Sinne der Dominanz/Selbstbestimmung eines Volkes .

Berichtigt mich bitte wenn ich damit falsch liege .

ene

19. Oktober 2018 18:10

Vorhin ging ich hier (Berlin) in den Straßen eines Innentadtbezirkes ein wenig spazieren. Ich sah in einem Hauseingang einen Handwerker kleine Pflastersteine verlegen.
Da sah ich endlich einen "Ansprechpartner", dem ich mal die Frage vorlegen konnte, die sich mir schon lange stellt: warum lösen sich überall in Berlin Steine aus dem Pflaster? - Die Antwort (zusammengefaßt): weil das Pflaster aufgrund von Sparmaßnahmen nicht mehr kontrolliert und gepflegt wird.
Unsere Unterhaltung wandte dann über einige Umwege nach Italien. Da ging meinem Gesprächspartner das Herz auf. Er sprach von den verschiedenen Pflasterungen, die er dort gesehen hat, gerade erst jetzt letzten Sommer: " Da gibt es die schönsten Pflaster und die besten Handwerker dafür. Und wissen Sie warum? - na , damit haben schon die alten Römer angefangen, das liegt bei denen so drin...die haben eben einen Sinn dafür. Ebenso ist es mit Schuhen..."
Ich kann hier leider gar nicht alles wiedergeben, was dieser gescheite Mann zu sagen hatte.
Aber mir scheint dieses kleine Erlebnis doch auch eine Antwort auf die Frage zu enthalten, die hier so abstrakt diskutiert wird. Ein Volk, das ist z.B. auch eine Gruppe von Menschen, die seit 2000 Jahren eine bestimmte Kultur pflegt. Eine Kultur, die für den, der den Sinn dafür hat, bis in die feinsten Verästelungen des alltäglichen Lebens (und der Sprache!) wahrnehmbar ist. - Kulturelle Reichtümer. Die man so pflegen muß wie das Straßenpflaster, sonst lockert sich nach und nach der Verbund (wurde mir erklärt).

Stil-Bluete

19. Oktober 2018 21:00

Mal verstehen: wenn immer zu tagespolitische Themen abgehandelt werden, die auf allen Kanälen laufen, ist Inflation angesagt.

Thomas Martini

19. Oktober 2018 22:37

@Imagine

"Kann man mit Rechten reden?

Kann man. Aber es ist genauso wenig wie mit Linken möglich, mit ihnen einen offenen Diskurs zu führen, in dem man mit Argumenten überzeugen kann und in dem man zu neuen Positionen kommt.

Anders als zur 68-er-Zeit, wo viele Menschen offen für Neues und bereit waren, sich in Frage zu stellen und auf andere Ideen einzulassen sowie etwas Neues auszuprobieren, ist heute das Gegenteil der Fall."

Man kann heute sehen, wohin die 68er-Zeit führte, und das beschreiben Sie selbst unnachahmlich, wenn Sie über die heutige "Linke" schreiben, die doch genau aus diesem denkoffenen 68er-Milieu hervorgegangen ist.

Die "größte" Leistung dieser Freidenker besteht darin, das Andenken des alten Europas besudelt und geschändet zu haben. Alles was noch heilig war, hat die vermeintlich progressive Pop- und Rockkultur der 68er durch den Kakao gezogen. Die Hinwendung zum "Neuen", und die Offenheit für neue "Ideen" war nur eine durch Karl Marx inspirierte Abkehr von allen kulturellen und religiösen Traditionen, die Europa einst so groß und einzigartig gemacht haben. Statt die eigene Kultur aufbauend und fördernd, den Weg in die Zukunft zu bestreiten, hat man die eigenen Machtansprüche auf dem Rücken Europas durchgepeitscht. Es folgte die Fixierung auf die angloamerikanische Kultur, und last but not least, führten die neuen "Ideen" zu einer radikal antivölkischen und extrem antifaschistischen Ideologie, die für die meisten Probleme verantwortlich zeichnet, unter der die BRD heute leidet.

Der konstruktive und schöpferische Beitrag dieser Generation ist dagegen verschwindend gering. Die 68er haben sich gemeinsam mit den "Konservativen" den Staat zur Beute gemacht, und sie verzehren dabei wie Vampire bis heute nur die kulturellen und wirtschaftlichen Bestände Deutschlands.

Neue Ideen zu haben, und Offen zu sein für Neues, könnte übrigens in eine ganz andere Richtung laufen. Da wären wir bei dem Credo von Männern wie Guiseppe Verdi und Richard Wagner. Bei Wagner hieß es: "Drum sage ich euch: Ehret eure deutschen Meister!" Und Guiseppe Verdi, der Wagner zu seiner Zeit bewusst ignorierte, da er nicht "lohengriniert" werden wollte, kam in seinen späten Jahren zu dem Schluß: "Kehren wir zum Alten zurück, es wird ein Fortschritt sein."

Diese beiden Komponisten haben alleine die europäische Kultur weitaus mehr mit ihren Schöpfungen bereichert, als alle 68er zusammen. Warum sollten wir uns nicht an ihnen und den anderen Meistern orientieren? Das Ergebnis dieser Rückbesinnung wäre eine Flucht ins Geistliche, und es ist, wie ich meine, der beste Weg, dem liberal-kapitalistischen Konsumterrorismus etwas Wirkungsvolles entgegenzusetzen.

"Sans identité les peuples ne sont rien, et nous ne voulons pas être de petits consommateurs sans âmes, alors au Diable Bruxelles." - Cheyenne Carron

Frei übersetzt: *Ohne Identität sind die Völker nichts und wir wollen keine kleinen Konsumenten ohne Seelen für den Teufel Brüssel sein.*

"Jene, deren Vermögen und Macht ständig steigen, lachen über das „dumme Volk“, welches das System und das "Spiel" nicht begreift."

Das System zu begreifen ist leicht. Es zu stürzen, oder zu verändern, ist die große Schwierigkeit. Viele Zeitgenossen kapitulieren bereits geistig, wenn Sie an die "Realpolitik" denken. Was schlagen Sie also vor, was zu tun ist?

Waldkind

19. Oktober 2018 22:48

„Wozu braucht man denn heute noch in Deutschland ein Volk?“ (Was1NiceSeite)

In dieser Fragestellung zeigt sich die entfremdete Verirrung des Urhebers. Es wird nach einem abstrakten Subjekt gefragt, dass offensichtlich rein utilitaristisch handelt - eher handeln soll, so suggeriert es die normative Fragestellung.

Faktisch ist des weltweit und auch in Deutschland allerdings so, dass sich Menschen über Familie, Sippe und Stamm hinaus als Verband begreifen, eben als Volk. Und da dies historisch gewachsen, konkret ist, dürften dort auch bestimmte Züge und Eigenheiten statistisch häufiger anzutreffen sein als bei anderen Völkern.

Sehr deutsch erscheint es mir z.B., aus der Schreibstube heraus definitorisch allumfassend, quasi endlöserisch, und für alle verbindlich die Welt erklären zu wollen.

Eine solche Definition von Volk, wenn man sie unbedingt haben muss, wird zwangsläufig sehr unscharf sein. Auch eine 16-MP-Kamera wird ein Naturmotiv niemals so abbilden können wie es tatsächlich erscheint, da sie es in kleinere Informationseinheiten zerlegen muss - und hier reden wir nur von der Momentaufnahme, noch lange nicht vom Prozess. Wer also offensichtlich interessengeleitet ("man braucht nicht") daherkommt und ohne seine beschränkten Mittel der Beobachtung und Sprache zu reflektieren, der verfügt schlicht noch nicht einmal über die nötigen Prämissen für eine sachliche Auseinandersetzung.

Allerdings gilt das genau so für die rechte Feldpostnummer. Da wird auch gerne eine historische Momentaufnahme idealisiert und zum "Deutschtum" erhoben. Hier im Faden sind es dann gerne die 1000 Jahre, die veranschlagt werden und bei denen mir als stolzer Ostfale einfach noch mal mindestens 300 Jahre fehlen. ;)

So ist die Ironie der ganzen Geschichte vielleicht die, dass sich die Leugner von konkret stattfindender Ethnogenese auf der lechten wie auf der rinken Seite vielleicht gar nicht so unähnlich sind.

Imagine

20. Oktober 2018 00:36

Staatsbürger vs. „Volksgenossen“

Zunächst ist festzuhalten, dass es sehr unterschiedliche und nicht miteinander vereinbare Begriffe von „Volk“ gibt.

Das Volk wird nach dem Grundgesetz gebildet durch die Staatsbürger. Wer Staatsbürger ist, gehört juristisch zum Volk im Sinne des Grundgesetzes.

Die Staatsangehörigkeit wird dokumentiert durch eine spezielle Urkunde.
https://de.wikipedia.org/wiki/Staatsangeh%C3%B6rigkeitsausweis

Alle Staatsangehörigen haben die gleichen Rechte und Pflichten.

Die Verantwortung fürs Gemeinwohl gehört in kapitalistisch-liberalistischen Gesellschaften NICHT zu den Pflichten. Eben weil es sich um eine antagonistische Klassengesellschaft handelt: Eine Minorität von Vermögenden beutet die Majorität der arbeitenden Bevölkerung aus. Gewinne werden privatisiert, Verluste sozialisiert.

Entsprechend verschieden ist die klassenspezifische Konnotation, die mit dem Begriff Volk verbunden ist. Von „oben“ betrachtet ist „das Volk“ abwertend konnotiert. Das ist das „einfache Volk“. Früher sprach man bei der BILD von den „Primitivos“.

Von „unten“ ist der Blick ganz anders. Von „unten“ wird erwartet, dass die von ihnen gewählten PolitikerInnen in ihrem Interesse tätig werden. Auch wird in Deutschland von „Vater Staat“ gesprochen, so als handele es sich beim Staat um ein soziales Gebilde analog einem für die Familie verantwortlichen Vater. Also um einen Staat, welcher im Dienst des Gemeinwohls tätig ist. Jedoch ist der Staat in Wirklichkeit ein Apparat im Dienste der Reichen und Mächtigen, also der herrschenden Klasse.

„Volk“ – so wurde in der Diskussion eingewendet – ist mehr als die Summe der Staatsangehörigen. Aber eben nicht im liberalistischen Verständnis. Da gibt es nur egoistische Einzelne und deren Familien.

So wie es Margaret Thatcher formulierte: „there's no such thing as society“.

Kapitalistisch-liberalistische Gesellschaften sind KEINE Volksgemeinschaften. Deshalb ist die Erwartung eines auf das deutsche Volk bezogenen Gemeinschaftsgefühls heute auch jenseits der Realität.

Kapitalistisch-liberalistische Gesellschaften sind Konkurrenzgesellschaften und keine Solidargemeinschaften.

Zugleich wollen sie freiheitlich-demokratische Gesellschaften sein.

Das ist ein gewisser Widerspruch.

Denn freiheitliche Gesellschaften setzen Individuen mit Gemeinwohlorientierung sowie eine kulturelle Homogenität voraus.

Kern jeglicher Kultur sind Recht und Moral. Das heutige deutsche Recht enthält keine Gemeinwohlverpflichtung und steht damit im Widerspruch zur tradierten deutschen Moral, die sich philosophisch auf den Kategorischen Imperativ gründete und die Maxime „Gemeinwohl geht vor Eigenwohl“ beinhaltete.

Ein freiheitliches Gemeinwesen – ein freiheitlicher und sozialer Staat – kann auf Dauer nur existieren, wenn es einen kulturellen Konsens hinsichtlich Recht und Moral gibt.

Im „Böckenförde-Theorem“ wird die Notwendigkeit dieser kulturellen Voraussetzungen ausgeführt:

„Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann. Das ist das große Wagnis, das er, um der Freiheit willen, eingegangen ist. Als freiheitlicher Staat kann er einerseits nur bestehen, wenn sich die Freiheit, die er seinen Bürgern gewährt, von innen her, aus der moralischen Substanz des einzelnen und der Homogenität der Gesellschaft, reguliert. Anderseits kann er diese inneren Regulierungskräfte nicht von sich aus, das heißt mit den Mitteln des Rechtszwanges und autoritativen Gebots zu garantieren suchen, ohne seine Freiheitlichkeit aufzugeben und – auf säkularisierter Ebene – in jenen Totalitätsanspruch zurückzufallen, aus dem er in den konfessionellen Bürgerkriegen hrausgeführt hat.“
Ernst-Wolfgang Böckenförde: Staat, Gesellschaft, Freiheit. 1976, S. 60.

Recht und Moral werden verinnerlicht im Prozess der Sozialisation.

Aus meiner Sicht gab es bis zu den 70er Jahren in Deutschland einen weitgehend homogenen Sozialisationsprozess und einen daraus resultierenden kulturellen Konsens. Zugleich gab es immer in der Oberschicht antisoziale und korrupte Existenzen, die sich skrupellos bereicherten und gegen das Gemeinwohl handelten. Man denke nur an einen bayrischen Politiker, der offensichtlich korrupt war, aber noch heute idolisiert wird.

Man kann die These vertreten, dass der letzte deutsche Kanzler, der sich gegenüber Recht, Verfassung und Moral verpflichtet sah, Helmut Schmidt war.

Danach kamen Günstlingswirtschaft und moralische Dekadenz.

Die kulturelle Heterogenität in Deutschland hat sich seit den 70-er Jahren vermehrt und vertieft durch die Zunahme der wirtschaftlichen Klassenspaltung und damit verbunden war der Massenimport kulturfremder Arbeitskräfte („Gastarbeiter“).

Wenn man als Kriterium für Volkszugehörigkeit die Homogenität der Sozialisation mit Verinnerlichung von Recht und Moral und daraus resultierend Gemeinschaftsgefühl, Gemeinsinn und Verantwortung für die nationale Gemeinschaft ansieht, dann sollte man sich folgendes bewusst machen:

1. Die Sozialisation und die damit verbundene Internalisierung von Werten verlaufen in Klassengesellschaften nicht homogen, sondern klassenspezifisch.
Die Beziehung der herrschenden Eliten zum „Volk“ basiert daher nicht auf Identifikation, sondern auf Gegenidentifikation: Volk, das sind die anderen, die minderwertigen Menschen, die Arbeits- und Nutzmenschen, die „Primitivos“.

2. Ganz entscheidend hat zur Entwicklung der kulturellen Heterogenität in der deutschen Bevölkerung die Förderung von Massenimmigration von Menschen mit kultureller Inkompatibilität beigetragen.

3. Die Sozialisation in der BRD und BRD war grundverschieden. Die Bevölkerungen von BRD und Ex-DDR wiesen nach der Wiedervereinigung daher keine kulturelle Homogenität auf und bildeten in diesem Sinne auch kein KEIN Volk.

Das erklärt – zumindest zum Teil – das Verhalten einer Figur wie Merkel.

Die ist zwar deutsche Staatsangehörige, aber mit der Verfassung, dem Recht und der Moral der Deutschen hat sie sich nie richtig identifiziert. Man könnte sagen, dass sie kulturell nicht Teil der BRD-Volksgemeinschaft ist.

Daher die vielen Kultur-, Rechts- und Verfassungsbrüche.

Aber vielleicht gibt es die deutsche Volksgemeinschaft gar nicht mehr.
Sie wurde zerstört durch Liberalismus und Kapitalismus. Und deshalb lehnen heute so viele Menschen eine völkische Verbundenheit und Verantwortung ab.

Gustav

20. Oktober 2018 10:20

@ oernmaster

"Hier gilt es ,die heute leider zu leeren Phrasen verkommenen Grundsätze der franz. Revolution neu zu entfachen....."

Die Französische Revolution 1789 war die erste Revolution, die nach den Plänen der Freimaurerei verlief. Bis 1790 waren in Frankreich ca. 700 Logen entstanden. Der 14. Juli, der Tag des Bastillesturms, wurde zum Feiertag der Weltloge erklärt. Einer der berühmtesten Freimaurer, Quartier la Tente, gab auf dem zweiten internationalen Freimaurerkongreß in Paris im Jahre 1900 unumwunden zu, daß das Hauptziel der Weltfreimaurerei sei, die Welt aus den Angeln zu heben. Als Endziel bezeichnete er die Errichtung der Weltrepublik.

„In hundert Jahren hat die französische Revolution den Kreis der Erde umschritten und sich restlos verwirklicht. Kein Staat, keine Verfassung, keine Gesellschaft, kein Herrscherhaus blieb vor ihr bewahrt. Ihr pathetischer Gedanke war: Freiheit und Gleichheit. Ihr unausgesprochener Wunschgedanke war: Befreiung des Kleinbürgers. Ihr unbewußter, wahrer und praktischer Gedanke war: Verdrängung der feudalen Vorherrschaft durch die kapitalistische Bourgeoisie unter Staatsform des plutokratisch-konstitutionellen Regiments. Der pathetische Gedanke der russischen Revolution ist Menschheit. Der Wunschgedanke: Diktatur des (zeitweiligen) Proletariats und idealisierter Anarchismus. Der praktische Zukunftsgedanke: Aufhebung der europäischen Schichtung unter der Staatsform soziallierender Freistaaten. In einem Jahrhundert wird der praktische Gedanke des Ostens so restlos verwirklicht sein, wie heute der praktische Gedanke des Westens. Im Hintergrunde der Zeiten steht wartend ein letzter Gedanke: die Auflösung der Staatsformen und ihre Ersetzung durch ein bewegliches System selbstverwaltender Kulturverbände unter der Herrschaft transzendenter Idee. Dieser Gedanke aber setzt eine veränderte Stufe der Geistigkeit voraus.“ (Walther Rathenau: Der Kaiser. S. Fischer Verlag, Berlin 1919, S. 54 ff.)

«In der Gleichheitssucht steckt die größte Gefahr der modernen Demokratie, nämlich die Verlockung, einer Ungleichheit in Freiheit die Gleichheit in der Knechtschaft vorzuziehen.» - Norbert Bolz

Carlos Verastegui

20. Oktober 2018 10:33

Die "globale Elite" war ja schon lange in der Mache. Initiativen wie diese https://de.cisv.org/ haben sich von Anfang der Schöpfung dieser Klasse verschrieben.

Ausser aus eigener Anschauung bin ich schon um 2009 auf diese Klasse aufnerksam geworden, und zwar dank der Soziologin Saskia Sassen.

https://www.saskiasassen.com/PDFs/publications/The-Repositioning-of-Citizenship.pdf

Schön, dass Gauland und hier Lichtmesz das Volksproblem zur Sprache gebracht haben. Ich habe das versucht bei unserer BN Strategiedebatte "Rechts!?", bin aber auf taube Ohren gestossen.

Fritz

20. Oktober 2018 11:13

"Ein Volk steht für eine in ihm angelegte Spiritualität. "

Das halte ich, mit Verlaub gesagt, für metaphysischen Quatsch. Was soll denn das sein, wenn es nichts ist, was sich aus Biologie oder Geschichte eines Volkes erklären lässt?

Südafrika ist auch kein Gegenbeispiel, denn in der Apartheid wuchsen Schwarze und Weiße eben nicht in der gleichen Kultur auf.

Die Kolonialisten waren i.d.R nicht darauf aus, den kolonialisierten ihre Kultur zu bringen ("The White Man´s Burden" halte ich für Quatsch; den Engländern ging es ums Geld und sonst nichts). Erst nach langer Zeit setzte sich so was wie eine kulturelle Eingliederung durch. Was etwa auch erklärt, warum Mexiko (300 Jahre spanische Kolonie) relativ besser dasteht als die afrikanischen Länder in denen der Kolonialismus weniger als 100 Jahre dauerte.

Fritz

20. Oktober 2018 11:16

Im übrigen möchte ich sagen, dass ich diese ganze Diskussion hochinteressant und aufschlussreich finde.

@Thomas Martini: Ich habe "Die Welt von Gestern" auch gelesen, wunderbares Buch. Da wird einem klar, dass 1918 nicht nur ein Krieg zu ende ging, sondern ein ganze Epoche der Weltgeschichte, ach der nichts mehr so war wie vorher.

Ich bin bisher noch nicht auf die Idee gekommen, dass auf die Gegenwart zu beziehen. Danke für die Anregung.

Thomas Martini

20. Oktober 2018 11:37

"Hier im Faden sind es dann gerne die 1000 Jahre, die veranschlagt werden und bei denen mir als stolzer Ostfale einfach noch mal mindestens 300 Jahre fehlen. ;)"

Wer hat denn in diesem Strang die 1000 Jahre veranschlagt? Muß ich wohl übersehen haben. Mir als Trierer scheint das jedenfalls auch etwas zu kurz gegriffen. Vor 1000 Jahren hatte meine Heimatstadt seine Blütezeit schon einige Jahrhunterte hinter sich. Heute indes gilt die Stadt als "Zentrum der Antike", und das bringt mich auf eine sehr bezeichnende Anekdote, die in dem Buch "Sex Macht Utopie" nachzulesen wäre, und speziell die von @Imagine gelobten 68er-Revoluzzer betrifft. Es geht dabei um den russischstämmigen Philosophen Alexandre Kojève, der 1967 an der Freien Universität Berlin eingeladen war, wo er "seine westdeutsche Zuhörerschaft aus dem nach Revolution dürstenden Sozialistischen Deutschen Studentenbund mit der knappen Einlassung überrumpelt [hat], daß das Erlernen des Altgriechischen ihre dringlichste Aufgabe sei, ehe er ins Sauerland zu einem landesweit verfemten Juristen namens Carl Schmitt weitergereist war, der im zeitgenössischen Deutschland 'doch der einzige, mit dem es sich zu reden lohnt', sei." "Sex Macht Utopie", Roger Devlin, Nachwort von Nils Wegner, S. 297

Auf der Rückseite der aktuellen Sezessions-Ausgabe findet sich folgendes Zitat:

"Retter Europas ist vor allem, wer es vor der Gefahr der politisch-religiös-sozialen Zwangseinheit und Zwangsnivellierung rettet, die seine spezifische Eigenschaft, nämlich den vielartigen Reichtum seines Geistes, bedroht." - Jacob-Christoph Burckhardt

Der Historiker Jacob Burckhardt war ein - wie man heute so schön sagt - Experte für römische Geschichte.

Dabei stellt sich mir immer häufiger die Frage, ob es einer Renaissance der deutschen Volksgemeinschaft abträglich ist, wenn man sich allzu stark auf die römischen Ursprünge der Deutschen Nation zurückbesinnt.

"Wie schon die germanischen Stämme der Völkerwanderungszeit nicht eigentlich einen Kampf gegen Rom geführt, sondern vielmehr darum gekämpft hatten, selber Römer zu werden, so vollzog sich auch die mittelalterliche Einigung der 'Deutschen Nation' in dem fragwürdigen Zeichen eines erneuerten 'Römischen Reiches' Und da sich dieses nach Maßgabe der 'Translatio imperii' gegründete 'Heilige Römische Reich Deutscher Nation' tatsächlich nicht als ein genuin deutsches Reich, sondern als bloße Fortsetzung des römischen Imperiums verstand, drängte Wagner entschieden auf eine deutsche Umwertung aller römischen Werte: ..." - Siegfried Gerlich in "Nationalmasochismus", S. 155

Imagine

20. Oktober 2018 14:34

@Thomas Martini 19. Oktober 2018 22:37
„Man kann heute sehen, wohin die 68er-Zeit führte, und das beschreiben Sie selbst unnachahmlich, wenn Sie über die heutige "Linke" schreiben, die doch genau aus diesem denkoffenen 68er-Milieu hervorgegangen ist.“

Die Frage ist, was unter „68-er“ verstanden wird. Versteht man darunter die 68-er-APO oder eine Alterskohorte, die von einer gesellschaftlichen Entwicklung mit einem bestimmten Zeitgeist geprägt wurde?

Wenn ich von den 68-er rede, dann meine ich die APO. Mit dem SDS als Think-Tank und geistigem Zentrum und mit Rudi Dutschke als politischer Führungsperson. Diese APO war nur eine kleine radikale Minderheit und niemals Mainstream in der Alterskohorte.

Über diese APO und die 68er Revolte wird viel Falsches – häufig von Renegaten - geschrieben und in den Medien berichtet.

Von frei zugänglichen Quellen wird m. E. am ehesten von Bernd Rabehl realitätsadäquat berichtet. Leider ist Heide Berndt so früh gestorben, dass sie ihr großes Werk über die 68er Revolte nicht fertigstellen konnte.

Der Mainstream der 68-er Alterskohorte war liberalistisch und konsumorientiert ausgerichtet. Denen ging es um „Sex & Drugs & Rock & Roll“. Oder um ihre Hippie-Kommunen. Da gab es viele anti-soziale Tendenzen. Ein Beispiel waren die Hausbesetzer. Das war eine Art modernes Raubrittertum.

Diese kulturellen Veränderungen im Mainstream waren ein Resultat des gesellschaftlichen Wandels. Ökonomisch war der Kapitalismus in ein Überproduktionsstadium eingetreten. Die Märkte waren mit grundlegenden Gebrauchsgütern gesättigt, nun begann die die Konsum- und Wegwerfgesellschaft mit Obsoleszenzproduktion, Konsummanipulation und Konsumorgien. Und auch mit „Wegwerfbeziehungen“.

Es entstand eine „Ellenbogengesellschaft“ ohne Solidarität. Ein Ausdruck davon ist der feministische Geschlechterkampf.

Das alles kam aus den USA, weil dort der Kapitalismus am weitesten fortgeschritten war.

Aus diesem gesellschaftlichen Wandel entwickelte – insbesondere durch die Werbe- und Manipulationsindustrie – ein neuer Sozialisationstyp, der geld- und konsumgierig , macht- und statussüchtig war und der keinerlei (Mit)Verantwortung für die Entwicklung eines solidarischen Gemeinwesens mittragen wollte.

Ein infantiler und ich-süchtiger Charakter.

Christopher Lash bezeichnete ihn als „narzisstischen Charakter“ und die Zeitenwende ums Jahr 1970 als Beginn des Zeitalters des Narzissmus.

Er sah darin ein Dekadenzphänomen der kapitalistisch-liberalistischen Gesellschaften, ein Symptom für den Niedergang dieser historischen Formation, die ihrem Ende zugeht und die zunehmend von einem Verfall von Recht und Moral gekennzeichnet ist.

Genau in diese Richtung geht die Elitenkritik von Lash, auf die Lichtmesz hinweist.

Wie immer wird versucht, von Seiten der Herrschenden diese gesellschaftlichen Zusammenhänge zu verschleiern und Systemkritik zu unterdrücken, und alt-bewährte Mittel sind Personalisierung und Schuldzuschreibung.

Waren in der Propaganda der systemerhaltenden Rechten der NS-Zeit die Juden an Deutschland Unglück schuld, so werden heute die „68-er“ bzw. „die Linken“ zum Sündenbock gemacht.

Aber zwischen den heutigen Linken und den revoltierenden APO-Linken 68-er-Zeit – den „Dutschkisten“ – gibt es keine inhaltliche Kontinuität.

Die heutigen Linken sind – betrachtet mit den Augen der damaligen „dutschkistischen“ Linken - nichts weiter als pseudo-links verkleidete Systemlinge. Letztere entsprechen eher dem RCDS ums Jahr 70 mit der Selbstbeschreibung „jung, dynamisch, erfolgreich“. Opportunistisch, flexibel, korrupt, geld- und karrieregeil, skrupel- und verantwortungslos.

Wurden früher wertgeleitetes Handeln mit Inkaufnahme persönlicher Nachteile (s. Zivilcourage“), Großzügigkeit und Gemeinsinn als Ausdruck eines festen und guten Charakters angesehen, so wird heute in der moralisch dekadenten kapitalistisch-liberalistischen Gesellschaft „Geiz ist geil!“ propagiert und alles dreht sich egoistische und flexible Optimierung der Selbstvermarktung.

Thomas Martini

20. Oktober 2018 19:59

@Gustav

Der Hinweis auf die Freimaurerei schreckt viele Leute ab, weil ihnen das als "verschwörungstheoretischer" Nonsens erscheint. Für Leser, die an solchen Hintergründen interessiert sind, verweise ich aber in diesem Zusammenhang gerne noch einmal auf das Interview, das ich im Frühjahr mit actio spes unica führte:

https://coriolan.in/rom/actio-spes-unica-ein-interview/

Es fügt sich, daß ich in bezug auf den Begriff "Volk" nun ohnehin noch den Pfarrer Hans Milch zitieren wollte. Ein katholischer Priester, der hier nicht fehlen sollte. Der folgende Auszug aus einer seiner Predigten aus dem Jahre 1979, ist katholischer "Populismus" auf allerhöchstem Niveau:

"Der kranke Mensch hat auch selbstverständlich keine Beziehung mehr zur Vergangenheit. Da der Zusammenhang der Dinge untereinander, verloren gegangen ist, geht auch der Zusammenhang der Zeiten und Ereignisse miteinander verloren. Das Vermächtnis der Geschichte wird nicht mehr gesehen, wird weggeworfen. Das große priesterliche "UND" geht dahin. "UND" verbindet Vergangenheit und Zukunft. Und das priesterliche Organ im Geiste des Menschen, das Vergangenheit und Zukunft verbindet, ist das Gedächtnis.

Das Gedächtnis, welches das Vergangene vergegenwärtigt und in die Zukunft hinüber rettet. Nur der ist zukunftsbedeutsam, zukunftsfähig, der aus der Vergangenheit schöpft. Je tiefer die Wurzeln hinein gehen ins Erdreich der Jahrhunderte, umso höher die Wipfel der Zukunftshoffnung und der Zukunftsgestaltung.

Auch die Menschen sind des Zusammenhangs verlustig gegangen und leben als Zufälle, als Eintagsfliegen daher. Von daher ist auch das Bewusstsein für Volk und Vaterland verloren gegangen, was mit Nationalismus überhaupt nichts zu tun hat. Von daher können die Leute auch nicht verstehen was Europa ist, wenn es wirklich werden soll.

Viele sehen in Europa einen Mischmasch, einen Schmelztiegel. Alles wird vermanscht. Es gibt ja keine Vergangenheiten und keine Überlieferungen mehr. Tradition wird gestrichen. Also gibt es auch nicht mehr den Unterschied zwischen den Volkspersönlichkeiten.

Und Volk ist etwas, das sich im Einzelnen verwirklicht. Dadurch daß ich Volk bin, bin ich nicht nur 50 oder 60 Jahre alt, sondern jahrhunderte Jahre alt.

In mir sammelt sich das, was in dem von Raum, Blut und Schicksal geprägten Menschen, die sich Volk nennen geschehen ist, an Leistung, Leiden, auch an Verbrechen. Der bewusste Mensch ist geformt und gespeist von dem was früher geschah. Darum ist er priesterlicher Mittler zwischen den Geschlechtern. Zwischen gestern und morgen.

Auch das ist dahin.

Da er nicht mehr weiß, was Geschichte ist, da er nicht mehr das Wesen des Menschen, die Bedeutung der menschlichen Person erkennt, geht auch verloren die Erkenntnis des Unterschiedes der Geschlechter, die geistige Bedeutung der Geschlechter. Was das Wesen des Mannes ist und das Wesen der Frau. Darum ist die Frauenwürde verloren gegangen. Das große Ideal der Mutter, oder das große Ideal der Jungfrau. Schamhaftigkeit, Keuschheit, sind in den Augen der Meisten veraltete Begriffe über die man nur noch im Kabarett sich mal mokieren darf. Wer im Ernst davon redet, wird nicht mehr für voll genommen. Die Frau aber, ich kann es nur andeuten, ist ihrem Wesen nach die Vertreterin der Menschheit. Des Volkes! Und darum hat ihr Stehen oder Fallen eine ausschlagebende Tragweite für das Schicksal des Volkes."

https://www.youtube.com/watch?v=ZZ6eKeVfm3g

Stil-Bluete

22. Oktober 2018 09:45

@ Thomas Martini
Danke für den Link zu Pater Hans Heim. Seine Predigt, vor fast 40 Jahren gehalten, könnte von Heute stammen, so aktuell, ja zeitlos ist sie. Aus ihm spricht noch echte Gesinnung mit einer Stimmgewalt, die aufrührt.

Zu 'Volk' Leider ist auch der früher recht landläufige 'Gemein-Sinn', der ein Volk bis zur kleinsten Gemeinde und den 'Gemeinen', den Einfachen, einschließt, umfasst, abhanden gekommen, was eigentlich viel schlimmer ist als eine mangelhafte, fehlgeleitete Elite.

t.gygax

22. Oktober 2018 20:28

Es mag ja banal klingen, aber die bisweilen sehr zugespitzten Bemerkungen von @thomas martini sind eine Bereicherung für diesen blog. Und seine eigene blog Seite offenbart interessante und nachdenkenswerte Beiträge.

Cacatum non est pictum

23. Oktober 2018 01:18

@Thomas Martini

"Der Hinweis auf die Freimaurerei schreckt viele Leute ab, weil ihnen das als 'verschwörungstheoretischer' Nonsens erscheint ..."

Für diese vielen Leute habe ich erstklassige Literaturhinweise parat. Zum Beispiel "Superlogen regieren die Welt" (bislang Heft 1 bis 7), ein Kompendium des Geheimnisverrats aus den Archiven der Freimaurer-Ur-Logen. Wer dort nachgelesen hat, an welchen Stellschrauben der internationalen Politik die Freimaurerei allein in der Zeit seit Kriegsende so gedreht hat, der wird den Begriff "Verschwörungstheorie" fortan nur noch verschämt im Munde führen.

Zur grundlegenden Funktionsweise - und vor allem: zur Effizienz - der Logensysteme ist wohl nach wie vor unübertroffen: "Der Tempel der Freimaurer" von Konrad Lerich aus dem Jahre 1935. Das Buch ist im Internet frei abrufbar. Es ist zwar in Frakturschrift verfaßt und daher für das ungeübte Auge etwas beschwerlich zu lesen; dafür ist es aber auch sehr kompakt. Die dort genannten Informationen zum Aufbau der Logen decken sich exakt mit dem, was die aktuelle Auflage des Internationalen Freimaurerlexikons von Lennhoff/Posner - ein Standardwerk aus den eigenen Reihen - dazu preisgibt.

Die Nationalflagge der DDR enthielt übrigens mit Zirkel und Hammer zwei zentrale Symbole der Freimaurerei. Wer sich mit deren Symbolik etwas auseinandersetzt, wird in politischen Zusammenhängen fast überall fündig. In Zeiten freien Internetzugangs ist das nicht sonderlich schwierig, aber auch die gezielte Suche in einer gut sortierten Bibliothek kann da weiterhelfen. Man muß nur wollen.