Alexander Gauland bekam die Gelegenheit, in der FAZ einen Gastkommentar zur Frage “Warum muß es Populismus sein?” zu publizieren. Statt den Kampfbegriff “Populismus” von sich zu weisen, gab er ihm ein “Reframing”, eine positive Fassung, die, wie wir im folgenden sehen werden, seitenverkehrt mit dem Selbstverständnis des von ihm attackierten Establishments korreliert.
Zum Einstieg widerspricht er der (eben wieder von Wolfgang Schäuble) ad nauseam wiederholten Ente, “Populismus” bedeute, einen “Alleinvertretungsanspruch” auf das “Volk” zu erheben und im Namen der “wahren Mehrheit” zu sprechen. Allerdings ist seine Antwort nicht sehr befriedigend:
Wir sind nicht “das Volk”, aber wir wollen, daß das Volk mehr politischen Einfluß bekommt. Wir akzeptieren, daß es demokratische Mitbewerber, Wahlergebnisse und wechselnde politische Mehrheiten gibt – was denn sonst?
Da bleibt eine Frage offen, die eben doch im populistischen Anspruch und Widerspruch enthalten ist, nämlich wer denn nun “das Volk” ist oder sein soll, und wer nicht. Wenn “das Volk” nur die Summe der Staatsbürger und ihrer Einzelinteressen ist, dann unterscheidet sich dieser angeschnittene Volksbegriff nicht viel von dem Schäubles. Mein Vorschlag ist: das “Volk” der Populisten sind all jene, die ein Volk sein wollen (im Gegensatz zu einer Bevölkerung aus addierten und zu “Klubmitgliedern” degradierten Staatsbürgern; oder auch nur aller, die “hier leben”, egal welchen Paß sie haben), oder genauer gesagt: die ein bestimmtes Volk bleiben und sich nicht “austauschen” (im Sinne von ersetzen) oder “um-volken” lassen wollen.
Dies scheint mir, trotz verwandter populistischer Theorien von links, der einzig gangbare Weg zu sein. Er ist auch der naheliegendste, da der Ausgangspunkt ein bereits vorhandenes und historisch gewachsenes Volk wäre, nicht eines, das von Intellektuellen “konstruiert” werden müßte.
Benedikt Kaiser schreibt in der aktuellen Sezession apropos Chantal Mouffe:
Die permanente Bezugnahme auf ein “Volk” und dessen demokratische Souveränität verschleiert kaum, daß Mouffe nicht erklären kann, was ein “Volk” ausmache. Ihr Gerede über eine zu konstruierende “Äquivalenzkette” zwischen Arbeitern, Einwanderern und der “LGBT-Gemeinde” bleibt intellektualistisch und irreal.
Gauland weiß allerdings zweifellos, daß diese Frage einer gesonderten Klärung bedarf, und geht rasch zu seinem Hauptpunkt über:
Im Zuge der Globalisierung hat sich nach dem Ende des Ost-West-Konflikts eine neue urbane Elite gebildet, man könnte auch von einer neuen Klasse sprechen. Zu ihr gehören Menschen aus der Wirtschaft, der Politik, dem Unterhaltungs- und Kulturbetrieb – und vor allem die neue Spezies der digitalen Informationsarbeiter.
Diese globalisierte Klasse sitzt in den international agierenden Unternehmen, in Organisationen wie der UN, in den Medien, Start-ups, Universitäten, NGOs, Stiftungen, in den Parteien und ihren Apparaten, und weil sie die Informationen kontrolliert, gibt sie kulturell und politisch den Takt vor. Ihre Mitglieder leben fast ausschließlich in Großstädten, sprechen fließend Englisch, und wenn sie zum Jobwechsel von Berlin nach London oder Singapur ziehen, finden sie überall ähnliche Appartements, Häuser, Restaurants, Geschäfte und Privatschulen. Dieses Milieu bleibt sozial unter sich, ist aber kulturell „bunt“.
Das hat zur Folge, dass die Bindung dieser neuen Elite an ihr jeweiliges Heimatland schwach ist. In einer abgehobenen Parallelgesellschaft fühlen sie sich als Weltbürger. Der Regen, der in ihren Heimatländern fällt, macht sie nicht nass. Sie träumen von der one world und der Weltrepublik. Da dieses Milieu „sexy“ ist, hat es auch auf Teile der Gesellschaft großen Einfluss, denen der Zutritt dorthin versperrt bleibt.
Diese Klasse dominiert die Politik, die Wirtschaft, die Medien, den Kulturbetrieb und führt ein Leben, das weitgehend von der Lebenswirklichkeit breiter Schichten der Gesellschaft abgekoppelt ist. Sie fördert auch Multikulturalismus, “humanitären Universalismus”, offene Grenzen, Masseneinwanderung und Entnationalisierung. Im “Populismus” artikuliert sich ein wachsender Widerstand gegen ihre Vorherrschaft:
Der globalistischen Klasse gegenüber stehen zwei heterogene Gruppen, die in der AfD eine Allianz eingegangen sind: zum einen die bürgerliche Mittelschicht, zu der auch der wirtschaftliche Mittelstand gehört, der nicht einfach seine Unternehmen nach Indien verlagern kann, um dort besonders billig zu produzieren; zum anderen viele sogenannte einfache Menschen, deren Jobs oft miserabel bezahlt werden oder nicht mehr existieren, die ein Leben lang den Buckel krumm gemacht haben und heute von einer schäbigen Rente leben müssen. Das sind zugleich diejenigen, für die Heimat noch immer ein Wert an sich ist und die als Erste ihre Heimat verlieren, weil es ihr Milieu ist, in das die Einwanderer strömen. Sie können nicht einfach wegziehen und woanders Golf spielen.
Spätestens hier habe ich die Ohren gespitzt, und mich an einen Artikel von Michael Seemann aus dem Jahr 2016 erinnert, der also im Jahr von Brexit, Hofer und Donald Trump erschien, als die Filterblase der urbanen Kosmopoliten zu platzen begann. Seemann, ein Berliner “Was-mit-Medien”-Freischwebender, unterzog darin sein eigenes Milieu einer durchaus selbstkritischen und lesenswerten Untersuchung.
Darin heißt es unter anderem:
Uns? Sie meinen tatsächlich uns? Ja, das tun sie. Arbeiter und Bürger haben sich zusammengeschlossen, um gegen eine dritte Klasse zu kämpfen. (…)
Es sind gut gebildete, tendenziell eher junge Menschen, die sich kulturell zunehmend global orientieren, die die New York Times lesen statt die Tagesschau zu sehen, die viele ausländische Freunde und viele Freunde im Ausland haben, die viel reisen, aber nicht unbedingt, um in den Urlaub zu fahren. Es ist eine Klasse, die fast ausschließlich in Großstädten lebt, die so flüssig Englisch spricht, wie ihre Muttersprache, für die Europa kein abstraktes Etwas ist, sondern eine gelebte Realität, wenn sie zum Jobwechsel von Madrid nach Stockholm zieht. (…)
Diese neue globalisierte Klasse sitzt in den Medien, in den StartUps und NGOs, in den Parteien und weil sie die Informationen kontrolliert (liberal Media, Lügenspresse), gibt sie überall kulturell und politisch den Takt vor. (…)
Diese Klasse entspringt dem Bürgertum, aber hat sich von ihm emanzipiert. (…)
Die progressiven, zunehmend global orientierten haben die anderen einfach abgehängt. Aber weil sie anders herrscht und weil sie sich dabei mit der Gesellschaft selbst verwechselt, merkt sie es nicht mal. Sie hat keine Gewalt auf ihrer Seite und die meisten haben noch nicht einmal wahnsinnig viel Geld. Im Gegenteil. Die globale Klasse hat zwar sehr reiche Individuen hervorgebracht, vor allem im Silicon Valley, aber interessanter Weise nutzen sie diesen Reichtum vor allem wieder, um es in diskursives Kapital zurückzuverwandeln; in andere StartUps oder in ambitionierte Weltrettungsprogramme. Denn insgeheim weiß sie längst, was die eigentliche Quelle ihrer Macht ist: Sie kontrolliert den Diskurs, sie kontrolliert die Moral.
Die Parallelen zu Gaulands Argumentation, bis in die Wortwahl hinein, sind unübersehbar. Diese Lagebeschreibung ist allerdings nicht Seemanns genuiner Geniestreich, auf die er ein Sonderrecht hätte, sondern deckt sich mit der Analyse etlicher Beobachter der globalistischen Machtentfaltung.
In meinem Kommentar zu Seemanns Artikel verwies ich etwa auf den amerikanischen Historiker Christopher Lasch (1932–1994), der bereits Anfang der neunziger Jahre den Aufstieg einer “blinden Elite” beschrieb und kritisierte (Originaltitel: “The Revolt of the Elites: And the Betrayal of Democracy”, “Die Revolte der Eliten und der Verrat an der Demokratie”.)
Bei Lasch ist etwa zu lesen:
Die neuen Eliten sind mehr am reibungslosen Funktionieren des Systems als Ganzem interessiert als an irgendeinem seiner Teile. Ihre Loyalitäten – wenn der Begriff als solcher in diesem Zusammenhang nicht anachronistisch ist – sind eher internationaler als regionaler, nationaler oder lokaler Natur. (…) Die Geld- und Bevölkerungsbewegungen über die Ländergrenzen hinweg haben (…) die grundlegenden Vorstellungen von Zugehörigkeit transformiert. Die privilegierten Klassen in Los Angeles empfinden mehr Verwandtschaft mit Leuten ihrer Art in Japan, Singapur und Korea als mit den meisten ihrer eigenen Landsleute.
Das habe weitreichende politische Implikationen:
Volksbefragungen über die Vereinigung Europas enthüllten eine sich immer weiter vertiefende Kluft zwischen der Kaste der Politiker und den gewöhnlichen Mitgliedern der Gesellschaft, die befürchten, daß Bürokraten und Technokraten, die kein Gefühl für nationale Identität oder Bindungen haben, die europäische Wirtschaftsgemeinschaft beherrschen werden. Ein von Brüssel aus regiertes Europa wird aus ihrer Sicht der Kontrolle durch das Volk und den politischen Interessen des Volkes immer weniger zugänglich sein. Die internationale Sprache des Geldes wird die lokalen Sprachen übertönen. Das Wiedererstarken des ethnischen Partikularismus in Europa ist unter anderem auf solche Ängste zurückzuführen.
Sehr ähnlich beschrieb es Samuel Huntington (1927 – 2008) in seinem Essay “Dead Souls”, der unter anderem in seinem bedeutenden Buch “Who are We? Die Krise der amerikanischen Identität” (2004) nachzulesen ist. In meinen neuen Kaplaken “Rassismus. Ein amerikanischer Alptraum” fasse ich zusammen:
Huntington nennt einen weiteren wichtigen Faktor: Die »nationale Entwurzelung wichtiger Teile der amerikanischen Eliten«, nach einem Gedicht von Sir Walter Scott »tote Seelen«, die kein »Vaterland« mehr kennen. Sie sind die Träger der globalistischen Ideologie, die Patriotismus oder Nationalismus zum Teufelswerk erklärt hat, das dem Fortschritt der Menschheit (und dem Profit) im Wege steht. Eine kosmopolitische, »transnationale Wirtschaftselite«, deren Interessen nicht mehr national bestimmt sind, und die »Kern einer im Entstehen begriffenen, globalen Superklasse« ist. »Heimat ist für sie Weltmarkt, nicht die nationale Gemeinschaft«, weshalb sie den Bürger durch einen globalen Konsumenten ersetzen will. Ihr »Transnationalismus« hat drei Aspekte: universalistisch, moralistisch und ökonomisch. »Der universalistische Ansatz ist amerikanischer Nationalismus und Exzeptionalismus ins Extrem getrieben.«
Man könnte hier nun eine Menge weitere Zeugen aufrufen. Im Mai 2017 zitierte ich Alain de Benoist zur Lage in Frankreich:
Frankreich ist nicht bloß geteilt, fragmentiert, entzweigeschlagen. Es setzt sich aus Individuen und sozialen Gruppen zusammen, die nicht in derselben Realität leben, die nicht dieselben Dinge sehen, die nicht dieselbe Luft atmen und nicht einmal dieselbe Sprache sprechen. Das obere Frankreich und das untere Frankreich sind inzwischen gleichermaßen dem “zusammen leben” [ein zum Klischee gewordener Multikultislogan, vergleichbar unserer “Buntheit”. – M. L.] entfremdet. Sie leben nicht einmal mehr nebeneinander. Sie leben gegeneinander.
Seine weiteren Bemerkungen faßte ich so zusammen:
Die Bien-pensance (sinngemäß: der politisch korrekte Konformismus) sei in dieser Lage zu einer Waffe im Klassenkampf geworden. Auf der einen Seite stehen wirtschaftliche und politisch-mediale Eliten, Großbürgerliche, Selfmade-Unternehmer und Bobos; auf der anderen Seite diejenigen mit einem niedrigen oder bescheidenen Einkommen, Arbeiter, Landwirte, die unteren Schichten der Mittelklasse.
Auf der einen Seite die Bewohner der großen Metropolen, auf der anderen das “periphere”, ländliche und entindustrialisierte Frankreich. Auf der einen Seite die “Kosmopoliten”, die ein “weltoffenes” und grenzoffenes Frankreich wünschen, “mit der Hand auf der Brieftasche, wenn sie die Nationalhymne singen”, auf der anderen die Menschen, die an ihrem “immateriellen Erbe”, ihrer Lebensart und Souveränität im eigenen Land und in den eigenen Gemeinschaften festhalten wollen: “Die Gewinner und die Verlierer der Mobilisierung” aller Dinge.
Einen Zeugen erwähne ich noch, nämlich den seit Anfang dieses Jahres berüchtigt gewordenen Yascha Mounk, der in seinem aufschlußreichen Buch “Der Zerfall der Demokratie” (Original: “The People vs. Democracy”, “Das Volk gegen die Demokratie”) zugibt:
In den letzten Jahrzehnten haben sich die politischen Eliten zu einem erstaunlichen Grad von den Ansichten der Bevölkerung abgekoppelt. (…) Das Parlament, einst das mächtigste politische Organ im Land, hat einen Großteil seiner Macht an die Gerichte, an die Bürokratie, an die Bundesbank und an internationale Abkommen und Organisationen verloren. Unterdessen haben die Abgeordneten, die in den Parlamenten sitzen, mit den Menschen, die sie repräsentieren sollen, immer weniger gemeinsam: Das Leben abseits der Ballungszentren kennen heutzutage wenige von ihnen, vielleicht noch weniger fühlen sich zutiefst an eine sinnstiftende Ideologie gebunden. (…) Da immer mehr Bereiche der Politik der öffentlichen Auseinandersetzung entzogen werden, kann das Volk immer weniger Einfluß auf die Politik ausüben.
Darum spricht Benoist davon, daß der Populismus Folge einer “Krise der Repräsentation” sei. Allerdings irrt sich Mounk gewaltig (oder lügt gar bewußt), wenn er behauptet, daß die Politiker der Systemparteien keine “sinnstiftende Ideologie” hätten, von den üblichen Mitläuferscharen einmal abgesehen. Es ist dieselbe, die auch der Fukuyama-Protegée Mounk vertritt, der selbst Fußsoldat der globalistischen Klasse ist, daher durchweg mit gespaltener Zunge spricht und seinerseits keinen kohärenten Volksbegriff anzubieten hat (sein Buch sollte eher heißen: “Der Zerfall des liberalen Systems”, das sich als “Demokratie” ausgibt): Kurz gefaßt, das “historisch einzigartige Experiment, eine monoethnische und monokulturelle Demokratie in eine multiethnische zu verwandeln.”
Ich denke, daß der Widerstand gegen dieses “Experiment” – nichts anderes ist der “große Austausch”, mit all seinen kulturellen und sozialen Folgen – der eigentliche Motor der populistischen Gegenbewegung ist, mehr noch als sozio-ökonomische Fragen oder Klassenkämpfe, obwohl diese Aspekte untrennbar mit ersterem verbunden sind.
Um nun auf Gauland zurückzukommen: Es dauerte naturgemäß nicht lange, bis die üblichen politischen Analphabeten auftauchten, um in Gaulands Text den Hitler zu suchen. Dem Tagesspiegel war sogar eine Schlagzeile wert, was ein Twitter-User so alles herausgefunden haben wollte. Er ließ allerdings auch einen altgedienten Veteranen dieses traurigen Sports wie Wolfgang Benz ran, der daran erinnerte, daß Hitler einst gegen eine „kleine wurzellose Clique, die die Völker gegeneinander hetzt“ gewettert habe, was eine ganz offensichtliche Parallele zu Gaulands “globalisierter Klasse” sei.
Ein herrliches Fettnäpfchen, denn es war just im Tagesspiegel, in dem der Aufsatz von Seemann 2016 erschienen ist, mit der Überschrift:
Das Bürgertum hat die Deutungshoheit verloren. Eine neue, die globale Klasse hat die Herrschaft übernommen. Sie kontrolliert den Diskurs und die Moral.
In der Tat “schmiegt sich” Gaulands Text so eng an Seemann “an” (um es mit den Worten des Benz auszudrücken), daß dieser bereits den Vorwurf des Plagiats erhoben hat.
Zur Kontrolle über den Diskurs und die Moral gehört auch dazu, die Kritiker und Gegner der “globalisierten Klasse” als “Nazis” zu verzeichnen. Dieser ultimative Joker wird immer dann ausgespielt, wenn das argumentative Pulver verschossen ist.
Michael Seemann, der offenbar um einiges weniger klug ist, als sein eigener Text, ist da keine Ausnahme. Nicht zuletzt die aufgedeckte Peinlichkeit, daß er sich in vollkommenem Einklang mit Gauland befindet (von der konträren Parteinahme abgesehen), hat ihn in einen hemmungslosen Antifa-Modus versetzt. Während der Frankfurter Buchmesse äußerte er via Twitter, “wie schön” und wirksam es doch wäre, Martin Sellner, Götz Kubitschek und Björn Höcke eine ähnliche Behandlung angedeihen zu lassen wie dem Altright-Buhmann Richard Spencer, dem 2017 ein Antifant aus dem Hinterhalt die Faust auf die Schläfe knallte.
Nun, sein Wunsch ist in Erfüllung gegangen, Reue zeigt er keine. Ein derart unverhohlener Gewaltaufruf seitens eines Rechten, mit Namensnennung der Zielscheiben – weder Sellner, noch Kubitschek noch Höcke haben jemals auch nur ansatzweise vergleichbares geäußert und sich von Gewalt ausdrücklich distanziert – wäre in den Medien lautstark skandalisiert worden.
Als selbsterklärter Angehöriger der fraglichen Klasse, die eben auch die Medien dominiert, kann Seemann jedoch zur Gewalt gegen Andersdenkende aufrufen, die vollzogene Tat abfeiern und dabei lächelnd in Prenzlauer Berg-Boboville seinen Soja-Latte-Macchiato schlürfen, ohne zur Rechenschaft gezogen zu werden. Dabei fehlt ihm offenbar jegliches Bewußtsein, wie fahrlässig er hier an einer gefährlichen Eskalationsspirale dreht.
Ich vermute, daß er sich in einer Art Panikzustand befindet, was etwa auch dieser Tweet stützt – anläßlich des Slam-Poetry-Auftritts der 14jährigen Ida-Marie Müller schrieb er:
puh. sowas hier ängstigt mich mehr als 10 stefan austs. wenn die jungend kippt, ist es vorbei.
Analog zum “Trump-Derangement-Syndrome” der amerikanischen “liberals”, läuft auch bei ihm der Nazi-Film made in Hollywood des “AfD-Umnachtungs-Syndroms”:
ganz zu schweigen davon, dass wir dieses land nur deswegen halbwegs lebenswert machen konnten, nachdem gewalt gegen nazis ausgeübt wurde. viel gewalt. sehr, sehr viel.
Die Analogie ist klar: “Nazis” sind Lebewesen, die nicht mehr als menschlich oder diskussionfähig wahrgenommen werden, die man schlagen und totschlagen darf, soll und muß; und “Nazi” ist alles von Stefan Aust oder Ida-Marie aufwärts.
Dazu paßt, was schon Christopher Lasch bemerkte: Wenn die kosmopolitisch-globalistischen Eliten mit Widerstand gegen ihre Initiativen konfrontiert sind,
… legen sie den giftsprühenden Haß an den Tag, der unter der Oberfläche der wohlwollenden Obere-Mittelschicht-Einstellung liegt. Angesichts von Opposition vergessen Streiter für die humanitäre Sache die liberalen Tugenden, die sie zu verfechten glauben. Sie werden gereizt, selbstgerecht und intolerant.
quarz
1) „Mein Vorschlag ist: das "Volk" der Populisten sind all jene, die ein Volk sein wollen.“
So ist die Definition zirkulär, da ja gerade zu definieren wäre, was diejenigen sein wollen, die ein „Volk“ sein wollen. (Ähnliches gilt für den Begriff der „Willensnation“). Ohne inhaltliche Bestimmung wird das nichts.
ML: Das deutsche Volk ist ja schon vorhanden, es muß nur wieder es selbst sein wollen.
Aber Lichtmesz deutet dann ja selber an, dass ihm das nicht genügt: die da wollen, wollen ein bestimmtes(!) Volk bleiben. Und wenn diese Charakterisierung nicht in der Luft hängen soll, muss ausbuchstabiert werden, was ein Volk zu einem bestimmten Volk macht. Welche Merkmale sind dafür verantwortlich, dass jemand zu diesem und nicht zu jenem Volk gehört?
Ich habe neulich schon einen Vorschlag skizziert, der den Begriff der kulturellen Ähnlichkeit zum Grundbaustein einer Bestimmung des Begriffes der ethnischen Zusammengehörigkeit macht. In der Hierarchie der Zusammengehörigkeiten bildet das Volk dann eine Ebene.
Zum Volk gehören dann freilich auch diejenigen, die das gar nicht wollen. Denn der Wille ist, anders als die kulturelle Ähnlichkeit, dann eben nicht konstitutiv für die Volkszugehörigkeit. Volkszugehörigkeit kann man sich so wenig aussuchen wie Geschlechtszugehörigkeit (lässt allerdings mehr Modifikationsspielraum als das Geschlecht, z.B. Mehrfachzugehörigkeiten oder Änderung der Zugehörgkeit).
In Bezug auf die Ausgangsfrage könnte man dann sagen, dass „die Populisten“ jenen Teil des Volkes repräsentieren, der seine ethnische Identität nicht verleugnet.
2) „Man könnte hier nun eine Menge weitere Zeugen aufrufen.“
Einen hab ich noch, der einen wichtigen Zusatzakzent setzt. Paul Collier schreibt:
„If ever there was a postnational family, mine is surely it. But what if everyone did that? Suppose that international migration were to become sufficiently common as to dissolve the meaning of national identity: societies really became postnational. Would this matter? I think it would matter a great deal. Lifestyles like that of my family are dependant, and potentially parasitic, on those whose identity remains rooted, thereby providing us with the viable societies amon which we choose.”
Wenn es gelänge, den nun in mehreren Zitaten Beschriebenen diese parasitäre Abhängigkeit ihrer Lebensart klarzumachen, dann würden sie einsehen, dass sie durch ihre Totalverbuntungsagenda an dem Ast sägen, auf dem sie sitzen.