Ich meine diesen Text eines Genossen namens Stefan Laurin, der dem Vernehmen nach genügt hat, die Studienstiftung des deutschen Volkes (ist dieser Name überhaupt noch grundgesetzkonform?) derart einzuschüchtern, daß sie Götz Kubitschek von einer Podiumsdiskussion ausgeladen hat. Laurin selbst schreibt lustigerweise regelmäßig für die linksradikale Jungle World, die auch schon mal vom Verfassungsschutz “beobachtet” wurde.
Er wäre an sich nicht der Rede wert, wäre er nicht ein besonders entlarvendes Beispiel für das sogenannte “Lichtmesz-Sommerfeld-Gesetz” (LSG), das meine Co-Autorin und ich als Frucht langer Erfahrung formuliert haben. Es versteht sich von selbst, daß dieses “cum grano salis” als ironische Faustregel zu verstehen ist, wie andere Internet-“Gesetze” à la Godwin’s law, Poe’s law oder Hanlon’s Razor.
Im unserem Buch Mit Linken leben ist es so formuliert:
Alles, was professionelle »Entlarver« und »Aufklärer« gegen »Rechts« über Rechte schreiben, ist eine Projektion ihrer eigenen Charaktereigenschaften, Denkstrukturen und Modi operandi. Immer. Ausnahmslos.
Man könnte es etwa so vereinfachen:
Alles, was Linke über Rechte sagen, schreiben, denken, trifft immer und ausnahmslos auf sie selber zu.
Das war bewußt pointiert formuliert, aber inzwischen kommt es selbst mir immer weniger wie ein (halbernster) Scherz vor. Das LSG trifft mit einer beängstigenden, mitunter haarsträubenden Häufigkeit zu.
Da ich das projektive Verhalten inzwischen auch häufig bei Nichtlinken, etwa bestimmten Typen von Konservativen (ich denke hier natürlich vor allem an die “Cucks”), beobachten konnte, schlage ich folgendes Korrolarium vor:
Je stärker und häufiger jemand in einer Diskussion eigene Denk- und Verhaltensweisen auf den anderen projiziert, umso linker ist er.
Nun haben etliche Leser eingewandt, daß wir es uns damit allzu leicht machten, denn auf diese Weise könne man jede Form der Kritik automatisch abprallen lassen, indem man sie einfach zurückspiegelte. An sich stimmt das freilich. Allerdings verpflichtet skeptische Distanz zu sich selbst nicht zum Dummstellen, und irren kann und darf man sich immer. Manchmal ist tatsächlich nur einer von beiden der Dumme, der Unaufrichtige, der pathologisch Agierende. Das Dilemma ist Folgendes:
- Wer dumm ist, weiß nicht, daß er dumm ist, denn dann wäre er ja intelligent.
- Wer projiziert, weiß nicht, daß er projiziert, denn dann wäre er ja selbstreflexiv.
- Wer nicht sinnentnehmend lesen kann, weiß nicht, daß er nicht sinnentnehmend lesen kann, denn sonst könnte er ja sinnentnehmend lesen.
Mit anderen Worten läuft alles auf ein Mißverhältnis zwischen den Diskussionspartnern hinaus, das auf einem Mangel an Selbstreflexion beruht – dieser kann einen der beiden oder auch alle beide betreffen. In einer solchen Lage (und sie ist die häufigste) kann man den Disput letztlich nicht objektiv auflösen oder entscheiden. Es wird keinen Schiedsrichter geben, häufig nicht einmal zwischen denen, die auf gleicher Augenhöhe diskutieren (denken wir an Adorno und Gehlen). Das können manche Menschen, die mit aller Gewalt Recht haben wollen (wie etwa der bedeutende deutsche Philosoph Daniel-Pascal Zorn) nicht akzeptieren, weshalb sie darauf bestehen, im bescheidenen Gefolge Platons “Redner und Richter in einer Person” sein zu wollen.
Mangel an Selbstreflexion ist bei der heutigen Linken chronisch, wenn nicht konstitutiv geworden. Wie Kleine-Hartlage beschrieb, lebt ein Linker in einem permamenten Zustand kognitiver Dissonanz, da sein Welt- und Menschenbild auf unhaltbaren Prämissen aufbaut, die ständig unter dem Beschuß der Wirklichkeit stehen. Aber je größer die Diskrepanz zwischen Selbst- und Fremdwahrnehmung, zwischen Innenwelt und Außenwelt, umso größer die Inkongruenz und die kognitiven Schnitzer, die sich eine Person leistet. Und häufig wird auch ihre Abwehrhaltung und Intoleranz gegenüber Kritik und Dissens umso größer sein.
Um nach diesem theoretischen Exkurs wieder auf den Genossen Laurin zurückzukommen, so liefert er, wie gesagt, ein besonders stupendes Beispiel des LSG. Und zwar so: Nachdem Laurin verkündet hat, daß er sich weigert, sich mit Kubitschek “auf ein Podium” zu setzen, wirft er Kubitschek ein “puddinghaftes Ausweichen vor dem harten Konflikt” vor. Nachdem er wortreich erklärt hat, er wolle an der Diskussionsrunde nicht teilnehmen, weil er dort mit Kubitschek diskutieren müßte, schreibt er, über das “rechte Denken” müsse
… geredet und gestritten werden. Auf Bühnen und mit Texten, in klaren Worten und mit der nötigen Härte. Das geht allerdings nicht mit Menschen wie Kubitschek, die zwar auf „Rittergütern“ leben, allerdings den offenen Streit scheuen und sich stattdessen hinter scheinbar wortgewaltigen Scharaden verstecken.
Ein offener Streit, den er wohlgemerkt eben selbst verweigert (seine eigene Teilnahme), ja verhindert hat (Kubitscheks Teilnahme). Genausogut könnte er sagen: “Ich will mit Kubitschek keinen offenen Streit führen, weil Kubitschek keinen offenen Streit führen will.” Die “klaren Worte” und die “nötige Härte” sollen nur die mundtot und jeder Plattform beraubten Rechten zu spüren bekommen, man selber entzieht sich lieber dem Ungemach der kritischen Auseinandersetzung. Mit anderen Worten, die linke Blase soll ungestört weiterblubbern, es soll über, aber nicht mit Rechten geredet werden, dennoch ist es Kubitschek, nicht er, Laurin, der “den offenen Streit scheut”. Das ist ein performativer Widerspruch, der so irre ist, daß ich mich wundere, wieso diese hanebüchene Argumentation niemandem in der Studienstiftung aufgefallen ist.
Wenn ich nun versuche, mich in Laurins schiefe Argumentation hineinzuversetzen, so verfolgt er offenbar eine doppelte Taktik: Mit Kubitschek kann und soll man nicht reden, denn er ist
a) brandgefährlich “für die Ideen der Aufklärung und die Moderne mit ihren Versprechen”. Er steht damit laut Laurin quasi in einer Reihe mit einem Frank-Walter Steinmeier, der “dem iranischen Regime auch in meinem Namen zum 40. Jahrestag der islamischen Revolution gratuliert” hat und mit einer Katrin Göring-Eckardt, weil sie berüchtigterweise getweetet hat, sie wünsche sich, daß „in den nächsten vier Jahren jede Biene und jeder Schmetterling und jeder Vogel in diesem Land weiß: Wir werden uns weiter für sie einsetzen!“ (kein Scherz, bitte nachlesen).
b) ohnehin kein seriöser Diskussionspartner, weil er, jetzt wird’s originell, “ein Kind der Postmoderne” sei:
Er meidet klare Aussagen, bleibt im Ungefähren, verweigert sich in Debatten jeder Auseinandersetzung mit offenem Visier.
Nun ja. Erstens wurde Kubitschek bis dato kein einziges Mal zu einer öffentlichen Debatte zugelassen, und zweitens kann man beispielsweise diesem Text Kubitscheks (der für das Thema der Podiumsdiskussion hochrelevant ist) zumindest eines mit Sicherheit nicht vorwerfen – daß er klare Aussagen und das offene Visier meidet. Im Gegenteil, ich vermute stark, daß es vielmehr die Klarheit der Aussagen und Gedanken ist, vor denen Laurin so panische Angst hat. Abgesehen davon, wäre das alles noch lange kein Grund, ihn aus einer Debatte auszuschließen. Unsere Podien, Foren und Talkshows sind bekanntlich voll mit Schwafelbaronen, die viel Dampf verbreiten und “klare Aussagen meiden”.
Oder es handelt sich hier um den klassischen Zirkelschluß der Linken, die in ihre eigene Falle tappen und davon ausgehen, daß die Rechten ohnehin nur “Mimikry” und ähnliches betreiben: Kubitschek sage nicht, was wir glauben, was er eigentlich sagen will oder was wir von ihm hören wollen oder kapieren können, sondern etwas anderes, das wir nicht hören, nicht glauben und nicht kapieren wollen oder können, ergo rede er nicht “mit offenem Visier”.
Wie gesagt handelt es sich hier um ein Muster, das wir in Mit Linken leben anhand des Büchleins Aufstehen, nicht wegducken von Heiko Maas behandelt haben (schon der Titel ist ein Fall von LSG): “Um der demokratischen Debattenkultur zu schaden”, so Maas,
würden »die Rechtspopulisten in Sachen Kommunikation zweigleisig vorgehen«: einerseits durch »Gesprächsverweigerung« (z.B. in Dresden und anderswo grundlos »Volksverräter!« rufen), andererseits würden sie sich teuflischerweise in den »Systemmedien« und deren »Diskussionsforen « breitmachen, wie etwa diverse »AfD-Funktionäre«, die in Massen »in die Talkshows drängen«. Mit anderen Worten: Schlimm ist nicht nur, daß Rechtspopulisten die Diskussion verweigern, schlimm ist auch insbesondere, daß sie an der Diskussion teilnehmen wollen.
Das Muster wird einem beim Leben mit Linken immer wieder begegnen. Ein Beispiel aus dem Materialfundus zu unserem Buch: Ein Leser der Sezession bot einer Person aus seinem Bekanntenkreis, die mit ihm ein “Problem” hatte, weil sie “das Private und das Politische nicht trennen” (also seine bloße Anwesenheit nicht ertragen) konnte, per E‑Mail ein offenes, klärendes Gespräch an. Nachdem ihm diese lang und breit ausgeführt hatte, warum sie das ablehne, schloß sie ihre Antwort mit den Worten:
Wir werden uns sowieso nicht mehr viel über den Weg laufen, weil du Gespräche und Konfrontationen, die dich im “Bekanntenkreis” erwarten würden, ohnehin als linke Pest antizipierst und diese letztendlich scheust, aber wenn dir doch danach ist, meld’ dich…
Was er ja eben gemacht hatte. Auch hier: Performativer Widerspruch und Projektion des eigenen Verhaltens reinsten Wassers.
Im Grunde könnte Laurin ehrlich sein, und es dabei belassen, zu sagen: Ich will nicht mit Kubitschek diskutieren, und will nicht, daß überhaupt jemand mit ihm diskutiert, ich will, daß er der Paria bleibt und ich das Kastenmitglied, aus dem einfachen Grund, weil er ein Rechter ist und ich als Linker die Diskurshoheit behalten will. Das wäre allerdings etwas dürftig und durchsichtig, und darum muß er hinzudichten, daß Kubitschek ohnehin nicht diskutieren will und kann.
Noch ein Beispiel für das LSG liefert Laurin. “Die Hysterie ersetzt zunehmend das nüchterne Denken”, schreibt er, während sein eigener Text vor Hysterie und Angstschweiß geradezu stinkt: Angst nicht nur vor der schrecklichen, apokalyptischen Gefahr für “Aufklärung und Moderne”, die durch die Rechten und andere droht, aus deren “Überzeugung im Endziel die Vernichtung des anderen hervorgehen muß” (LSG?), sondern wohl auch vor rhetorischer und argumentativer Unterlegenheit, vor der drohenden öffentlichen Blöße durch Kubitscheks angeblich nur “vermeintliche” Wortgewalt, die er sich kleinreden muß, mit anderen Worten vor der echten offenen Auseinandersetzung und dem wirklich harten Streit.
Aber weil er das nicht zugeben kann, muß er sein eigenes, performativ manifest gewordenes “Puddinghaftes” auf Kubitschek projizieren und sein “Ausweichen” zum heroischen Widerstandsakt stilisieren. Debattenverweigerung wird zum A und O des Bürgerkriegs, damit die Rotfront regieren kann. Linke Diskurshoheit durch Mundtotmachen, Stigmatisieren und Ausschaltung der Konkurrenz. Nichts anderes haben wir Rechten immer schon gesagt.
An dieser Stelle wird sein Text unfreiwillig komisch, seine Verbissenheit pathetisch. Schon die bloße Einwilligung zu einer, keuch, Podiumsdiskussion käme für ihn einem Waterloo oder Stalingrad, einer “Kapitulation”, dem Ende der Demokratie, dem Sinken “der Fahne vor dem Feind in den Staub”, “einem Gewinn” der Rechten “im Raumkampf” gleich, ohne daß Kubitschek “sich dafür wenigstens in eine Auseinandersetzung begeben müsste.” Na, diese Auseinandersetzung hätte Laurin ihm ja liefern können und ihm zeigen, wer hier der Pudding oder Paria ist. Die Chance hat er vertan. Großes Vertrauen scheint der Kämpfer für Demokratie und Aufklärung ja nicht in seine Argumente gehabt zu haben. Kapitulation ist ihm angeblich ein Fremdwort, aber die Schlacht verweigert er.
Laurin widerspricht unserem alten Freund Per Leo, der uns Rechte insgesamt als eher harm- und substanzlos darstellt:
Keine Idee, kein Problembewußtsein, keine Analyse. Keine Schärfe, weder im Schreiben noch im Auftreten. Nur das nebulöse Gerede von der Bedrohung des eigenen Volkes …
Was ich übrigens für reine Taktik halte: Leo schreibt hier wider sein besseres Wissen. Er ist der Showman einer Nummer, die ihm dankbar von jenen abgekauft wurde, die sie zu ihrer Beruhigung nötig hatten; er hat sich damit allerdings auch in einer bestimmten Rolle eingesperrt und eine Menge Feindseligkeit von links eingebrockt. Aber er ist wohl ernsthaft der Meinung, daß man der Rechten am effektivsten den Wind aus den Segeln nehmen kann, wenn man sie ignoriert und ihre vermeintlichen “Provokationen” ins Leere laufen läßt.
Dem widerspricht Laurin:
Es stimmt nicht, wenn Leo und seine Mitautoren schreiben „Sie müssen, um als Rechte zu existieren, gegen uns reden.“ Eine solche mit Egozentrik gepaarte Hybris verkennt, dass es im Kern die Ideen der Rechten sind, die zunehmend die gesellschaftliche Debatte bestimmen. Aus dem völkischen Denken entwickelte sich gegen Ende der sechziger Jahre die Idee des Ethnopluralismus. Sie ist der ideelle Kern einer immer populärer werdenden Identitätspolitik, die Menschen nicht mehr als Individuen mit denselben Rechten sieht, wie es die Erklärung der Menschenrechte beschreibt, sondern als Teil von Gruppen, Ethnien, Kulturen oder Religionen. Nein, die Rechten haben es nicht nötig, gegen das von Leo imaginierte „uns“ zu reden, um zu existieren. Ihre Vorstellungen sind wirkmächtig und gewinnen an Einfluss.
Dem stimme ich im wesentlichen zu, allerdings, wohl nicht überraschend, mit einer durchaus anderen Bewertung und Perspektive. Wir sind heute die Zeugen des Zusammenbruchs universalistischer Utopien und Experimente voller falscher Versprechen, die sich irreführenderweise als “Aufklärung” ausgeben und denen, um die Worte Laurins zu benutzen, “jede faktische Grundlage fehlt”. Wer diesen Utopien und Versprechen anhängt, und zunehmend die kognitive Dissonanz verspürt, die sie erzeugen, wird naturgemäß Angst haben.
Das rechte Denken ist nicht “apokalyptisch”, sondern realistisch. Die Linke will das nicht wahrhaben, und spielt darum mit der Rechten “Ich seh etwas, was du nicht siehst”. Nicht die Rechten “haben die Krise heraufbeschworen”, sondern die Anhänger und Betreiber der universalistischen Utopien und “historisch einzigartigen” Experimente, die nun unsanft aus ihren Träumen erwachen. Sie ernten die Quittung für das, was sie selbst gesät haben. Die Rechten sind die Überbringer der schlechten Nachricht und dienen ihnen als Sündenböcke für ihr eigenes Versagen.
Franz Bettinger
Diesem Laurin ist, wie er schreibt, "Kapitulation gänzlich fremd". Und deshalb zieht er nicht in die Schlacht gegen Götz Kubitschek? Das ist schon ein Brüller. Auf so etwas Verdrehtes muss man erst mal kommen. Wenigstens hat der Salonkolumnist erkannt, dass er es wirklich mit einem Feind zu tun hat. Einen Gegner könnte er kaufen, Feinde nicht. Gegen Feinde muss man siegen oder untergehen. Und deshalb ist es klug für diesen Linken davonzulaufen. Laurins Heil liegt in der Ferne, aus der er stänkernd den Starken markieren kann; nicht im Kampf der Worte und Argumente; so viel kapiert hat dieser Bonhomme. - "Wir Linken sind es erst, die den Rechten unfreiwillig zu Kontur verhelfen. Statt sie in ihrer Unschärfe zu zeigen oder sie zu zwingen, die eigene Position zu schärfen, ersparen wir uns und ihnen zu oft diese Mühe, indem wir scharfe Grenzen gegen sie ziehen." Nein, uns Rechten zur Kontur verhelfen, tut ihr, wenn ihr weglauft! Damit zeigt ihr den Unterschied auf zwischen uns Rechten und Euch Linken! Was für eine Un-Logik und Rechtfertigungs-Suada Laurin da absondert! Zum Totlachen, wer dafür noch Humor aufbringen kann.