Man könnte zu allem, was man erfährt, zugetragen bekommt, wahrnehmen muß, “mitschneidet”, Kommentierungen hinterlassen, einordnende Kommentierungen, sortierende Beiträge. Das wäre eine Möglichkeit, mit dem stampfenden Takt der Ereignisse (der “Einschläge”, der “Frechheiten”?) zu Rande zu kommen. Vor allem aber wäre das eine Geste: Man tut so, als überforderte es einen nicht.
Mich überfordert es, und ich habe das falsche Werkzeug in der Hand. Man kann mit einem Schraubenzieher einen Schrank auseinanderbauen oder ein paar Zaunlatten entfernen. Aber man kann mit ihm keine Bäume fällen und keine Gebäude einreißen.
Kositza und ich saßen gestern bei einem alten Freund im Garten, tranken einen Kaffee und einen Schnaps und brachten einander “auf den neuesten Stand”. Was früher den Stoff für abendelange Diskussionen abgegeben hätte, reichte gerade noch für eine gute Sonnenstunde. ServusTV, Notre Dame, Sellner, Bernd Lucke, Sri Lanka, VS-Bericht, nächste Migrantenwelle, Greta – zu jedem Punkt zwei Sätzchen, dann Schulterzucken: Wir übten uns in der Haltung von Leuten, deren Pflänzchen gut angewachsen sind und deren Bäumchen erste schöne Blüten zeigen. Aber am Horizont Gewitterfronten, von denen keiner weiß, wann sich die nächste wo entladen wird. Zack, und aus.
Der Freund erzählte, sein Vater habe als Jagdflieger im Krieg immer dann, wenn am Himmel der Tumult ausbrach und er mitten hinein flog, eine übergeordnete Position eingenommen, eine Art Beobachtungsstand bezogen und sich selbst betrachtet: “Mal schauen, was er macht.”
Ein Abt, dem ich von den grotesken Auseinandersetzungen und der hohlen, aber noch immer beliebig ausgespielten Macht des Gegners schrieb, bezog sich in seinem Antwortbrief auf David und Goliath, wobei er auf das Verhalten Davids verwies: Er habe angesichts des vermeintlich übermächtigen Gegners eben gerade nicht gesagt, er müsse nun “trainieren, schießen lernen, verhandeln, organisieren …”, sondern habe sich geistig ausgerichtet und seine Zeit gerade dadurch nicht für etwas Aussichtsloses vertan. Dann habe er nach seinem Gesetz gehandelt. Nur deshalb konnte Goliath ihn nicht zermalmen.
Wie kommt man zu solch einem Urvertrauen, Gottvertrauen? Indem man sich abwendet vom Unwesentlichen und vom Aussichtslosen? Muß man zuvor Bilanz ziehen, Inventur machen?
1. Zum Brand in Paris haben Lichtmesz und Wessels alles Notwendige gesagt. Wer Notre Dame als zentrales Erbe begreift, möchte wahnsinnig werden, wer die Profanierung dieser Kirche durch das Getrappel der Millionen wahrnahm, mag sich freuen darüber, daß sie dafür nun nicht mehr zur Verfügung steht, sondern daß sie zusammenkrachte. Entsetzen oder Genugtuung – wir müssen die Frage stellen: Was sind wir zu bauen, aufzurichten in der Lage? Es gibt eine Lust am Untergang, es gab in Etzels Saal grimmige, tobende Männer “in ihrem Element” – aber in einem Jugendbuch, das ich eben mit unserer zweitjüngsten Tochter lese, antwortet Otto von Guericke nach der Zerstörung Magdeburgs durch Tilly auf die Frage, was er nun, nach dem Verlust seiner Habe und seiner Familie, tun werde: “Magdeburg wieder aufbauen – was sonst?”
2. Sellner treffe ich in zwei Tagen. Er ist jetzt ein anderer. Es ist ein wenig Ruhe eingekehrt. Als man ihn fertigmachte, um uns allen damit zu schaden, kam es mir vor, als müßten Käfer über befahrene Straßen grabbeln. Unfaßbar war, daß auch die FPÖ sich mit ein paar Autos beteiligte und mit Andreas Mölzer auch noch “die alte, löchrige Windfahne” (so FPÖ-intern sein Spitzname) hinterhertuckern ließen. (Da war 2007 was los, als er aus FPÖ, Front National und NPD ein rechtes europäisches Bündnis schmieden wollte!) Was nun zu tun ist, weiß ich noch nicht. Dieses Ausgesetztsein jedenfalls muß ein Ende haben.
3. Als am Montag der VS-Bericht für Sachsen-Anhalt veröffentlicht wurde, war ich mir sicher: Nun müssen auch wir uns erklären, vor allem vor denen, die immer noch meinen, es sei stets eigenes Verschulden, wenn man in so einem Bericht auftauche. Aber bitte: Wir werden nicht erwähnt. Hingegen hat man dem linksextremen “Kollektiv IfS dichtmachen”, das jährlich mindestens drei Mal in Schnellroda mit zwei Dutzend Vermummten und bei jeder öffentlichen Veranstaltung in unserem Haus in Halle mit einem “breiten Bündnis” aufwartet, bescheinigt, es würde in Teilen von Autonomen getragen, und wir seien die davon bedrohten. Welche Neuigkeit! Und nun? Sollen wir den VS, Abteilung Sachsen-Anhalt, als Hort der Objektivität feiern? Als letzte saubere Instanz? Keinesfalls: Existenz und Arbeitsweise solcher Behörden sind und bleiben von Übel. Und das “Kollektiv IfS dichtmachen” war uns zuvor und ist uns auch jetzt als Ansammlung phantasieloser, peinlicher Polit-Groupies scheißegal. Wenn man solchen Buden den finanziellen und medialen Hahn abdreht, geben sie auf.
4. Überhaupt: das Peinliche. Bernd Lucke hatte die AfD als Mehrheitsbeschafferin für die CDU gegründet, und dann wurden er und seine wirtschaftsliberale Professorenriege im Frühjahr 2015 von etwas weggespült, das man nicht berechnen konnte: Volkszorn, Grundsätzlichkeit, Appetit auf eine echte Alternative. Luckes völlig irrelevante Karriere als Europa-Abgeordneter geht im Mai zu Ende, seine Ausgründung hat noch nicht einmal Chancen auf Wahlkampfkostenrückerstattung, aber nun hat er ein Buch geschrieben. Das einzige, was ihm dabei ein bißchen Aufmerksamkeit beschert derzeit, ist die Erklärung für seine Niederlage: Mit Höcke wäre er, Lucke, noch fertig geworden, nicht aber mit den uralten, völkisch-nationalistischen Netzwerken rund um – Schnellroda. Wenn Höcke den “Flügel” repräsentiert, was sind dann wir? Der “tiefe Flügel”? Meinen solche Leute im Ernst, es lohne sich, auch nur eine halbe Stunde über eine Selbstrechtfertigung auf solchem Niveau zu sprechen? Über den “Typ Lucke” ist doch alles gesagt. Muß er seiner Frau oder seinen Kindern einen guten Grund dafür liefern, warum er sich wie ein Tölpel verhielt? Die “Medien” jedenfalls ziehen mit, und Lucke hat Auftritte, bei denen er “erstmals die Interna der AfD” analysiert und “ungeschminkt über die dort wirkenden Kräfte” spricht. Abendsonne. Zwerge. Lange Schatten.
5. Derweil marschiert die nächste Migrantenwelle, wird sortiert, verschoben, gesammelt, verdichtet, in Marsch gesetzt mittels jener mobilen Technik, die die Welt ein bißchen smarter macht mit jedem Tag. Wir können nur zusehen.
Ja, das ist es: Wir können dem allem und so vielem nur zusehen dabei, wie es abläuft, auf groteske, asoziale, schäbige, verblüffende, peinliche, mörderische, zwangsläufige Art und Weise abläuft. Was tun? Stellen wir die Frage anders, grundsätzlicher: Bin ich Käfer, Pilot oder David? Bin ich alles in wechselnden Rollen?
Pilot. Keinesfalls Käfer. Pilot, und hoffentlich mehr und mehr auf diejenige Art und Weise, auf die David Pilot gewesen wäre: ausgestattet mit Kräften, die aus einer anderen Quelle geschöpft sind.
Also: rein ins Getümmel, in den Tumult. Laßt uns mal sehen, was geschieht, wenn wir diese Spektakel, diese Hashtags einfach ignorieren und tatsächlich Inventur machen – Inventur mit dem Ziel einer Ausschreibung von Projekten, die sich nicht an den verheerenden Vorgaben des Gegners orientierten. Also: Blickwendung hin zu dem, wofür wir das Werkzeug haben.
“Mal schauen, was er macht!”
Breckert
Sehr depressiver Text.
Ich bin ja mehr ein Freund des Praktischen.
Als solcher habe ich schon mehrfach angemahnt, nach den Ursachen zu suchen, statt den Symptomen hinterherreparieren zu wollen.
Zu den Ursachen gehören für mich die Namen der Verursacher, die ziemlich sicher außerhalb Deutschlands zu finden sind.
Wer nicht mal in der Lage ist, Ross und Reiter benennen zu können, weiß doch gar nicht, aus welcher Richtung der nächste Säbelhieb kommen wird.
Ich bin mittlerweile der festen Überzeugung, daß eine kleine Gruppe Menschen bar jeglicher Moral sich diese Welt untertan machen will und sich dazu sogar deren Bewohner bedient, die sie durch Aufbrechen und Beseitigen jeglicher stützender Strukturen und Traditionen wie Geschlecht, Ehe, Familie oder Staat dazu bewegen, jedes Zusammengehörigkeitsgefühl und Solidarität zueinander zu verlieren und in der Folge sich gegenseitig zu zerfleischen .
Damit und mit der M;assenmigration macht man aus einem Volk einen amorphen ("bunten") Haufen Menschen, die sich nicht kennen, sich gegenseitig zu nichts verpflichtet sind und nicht einmal die gleiche Sprache sprechen, sondern nur eher zufällig am gleichen Ort zur gleichen Zeit sind.
Derart geblendet, sind die Linken zwar ideeller Gegenpart im jetzigen Streit, aber letztendlich genau so Opfer wie die Konservativen oder Rechten hier.
Nur sind sie von ihrer eingeimpften Art der Wahrheit besessen.
Wenn sich die Hintergründe offenlegen lassen und auch nur ein Teil der Linken (es gibt dort ja nicht nur Dumme) mißtraurisch über den jetzigen Kurs werden und selbst nachforschen, kann das ganze Spiel auch schnell in die andere Richtung kippen.
Wir werden hier alle verladen....ganz demokratisch.
Damit das nicht passiert, wurde nach dem Willen der Mächtigen ja überhaupt erst das Wort "Verschwörungstheorie" kreiert, um damit beginnende Zweifel im Keim zu ersticken und Leuten das Gefühl zu geben, mit dem Präsentieren dieses Wortes ein gutes Werkzeug gegen jede Art von These in der Tasche zu haben, die die eigene Lebenswirklichkeit in Frage stellen könnte und mit der man gleichzeitig auf dem Sofa sitzenbleiben kann, weil man damit weitergehender Anstrengung in Bezug auf Argumentfindung entgeht. Einfach dieses Wort hochhalten und man ist raus aus der Nummer.
Die Mächtigen haben es sogar geschafft, daß alle nützlichen und ehrbaren Werte, der die Menschheit und die Nation bedürfen, als "rechts" und damit verächtlich zu kennzeichnen.
Rettet man einem Menschen das Leben, ist es in der Öffentlichkeit sofort eine verabscheuungswürdige Tat, wenn sich herausstellt, daß der Gerettete z.B. AfD-Mitglied ist.
Schlägt man jemanden halbtot, ist es nur dann schlimm, wenn derjenige nicht bei der AfD ist.
Verhältnisse also wie im dritten Reich; verursacht von Leuten, die nicht müde werden in der Behauptung, ein erneutes solches Reich verhindern zu wollen.
Aber sie merken den Widerspruch in ihrer Aussage und ihrem Tun nicht.
An letzter Stelle möchte ich noch anmerken, daß sich das Zeitfenster, in dem man eine Änderung auf der Basis unseres politischen Systems hätte bewirken können, geschlossen hat.
Jedes Argument wurde mittlerweile gesagt und verpuffte an ideologisch verbohrten Menschen und alles Reden hat nur noch eine sofortige Abwehrhaltung beim politischen Gegner zur Folge.
Der Widerstand muß außerhalb des Parlaments organisiert werden.
Und außerhalb Deutschlands.