Nachdem die Partei mehrere markerschütternde Wahlniederlagen in den Knochen und mit der Abspaltung des „Team HC Strache“ sogar rechtspopulistische Konkurrenz neben sich hat, ändert man nun die Haltung zur Identitären Bewegung. In einem Interview mit Michael Scharfmüller (Info Direkt), das sinnigerweise während einer Bergtour stattfand, erklärte der neue Generalsekretär Michael Schnedlitz die „Distanziererei“ für beendet. Wörtlich sagte er:
Wir haben unter Strache den Fehler gemacht, dass wir geglaubt haben (…) wir müssen uns auf Zuruf von Sebastian Kurz distanzieren. Mit dieser Distanziererei ist es jetzt aber definitiv vorbei!
Norbert Hofer, der als erbitterter Gegner des politischen Vorfelds und Verfechter der Anpassung und Anbiederung gilt, wirkte von dieser Aussage einigermaßen überrumpelt. In der „Pressestunde“ des Staatsfunks (die wieder einmal im Stil eines Verhörs abgehalten wurde) betonte er die ewige Wirksamkeit des „Unvereinbarkeitsbeschlusses“.
Diesen reduzierte er aber lediglich auf die Ämterkumulation, also auf „Funktionäre“ der Freiheitlichen Partei, die nicht gleichzeitig „Mitglieder“ der IBÖ sein könnten.
Da die Identitäre Bewegung in Österreich niemals „Mitglieder,“ sondern immer nur Sprecher, Aktivisten und Unterstützer hatte, ist dieser Beschluss letztlich irrelevant. Daß die wenigen öffentlichen Sprecher der Bewegung nicht gleichzeitig Ämter in einer Partei innehaben können (und wollen) versteht sich von selbst. Schnedlitz, der als ein Vertrauter Kickls gilt, bestätigte seine Aussage am darauffolgenden Tag noch einmal:
Ich habe heute viel gelesen, was ich nicht gesagt habe. Was ich jedoch gesagt habe, nämlich dass wir uns sicher nicht von den Medien oder gar der ÖVP irgendwelche Distanzierungen vorschreiben lassen, dazu stehe ich.
Diese Aussagen stehen diametral zum Trend der letzten Jahre. Die Farce der „Terrorermittlungen“ gegen die IBÖ und mich nutzten die Parlamentspatrioten in der FPÖ als Anlaß, um die Identitäre Bewegung öffentlich zu desavouieren. Norbert Hofer, der seine Antipathie gegen patriotischen Aktivismus immer schon deutlich gemacht hatte, kann als treibende Kraft hinter dieser Tendenz vermutet werden.
Die Folgen sind bekannt. Strache distanzierte sich wortreich, nannte mich einen „Idioten“, die IBÖ eine „Sekte“ und beteuerte, daß die FPÖ nichts mit uns zu tun haben wolle. Hofer stufte in einem Interview mit der linken Migrantenzeitung „BIBER“ die Identiäre Bewegung als „brandgefährlich“ (7 auf einer Skala von 1 bis 10) ein, und kündigte an, daß jede Zeitschrift, die mich öffentlich verteidigt, keine Parteiinserate mehr bekomme.
Eine Begebenheit zeigt ganz besonders deutlich, welch inneres Anliegen Norbert Hofer diese Profilierung vor dem Mainstream auf Kosten patriotischer Aktivisten war. In einem Interview mit der „HEUTE“-Zeitung antwortete er auf die Frage: „Mit welchem Politiker würden sie nie auf ein Bier gehen?“ völlig unvermittelt: „Mit dem Chef der Identitären!“, also mit mir.
Damit zeigt sich Hofers unterbewußte Strategie: Alle Politiker aller Parteien, von radikal links bis gemäßigt rechts sind für ihn Gesprächspartner, mit denen er als jovialer, toleranter „Kuschelrechter“ sich gerne zusammensetzt. Die Grenze dieser Diskurs- und Salonfähigkeit markierte für ihn aber nicht etwa ein linksradikaler Aktivist, sondern ausgerechnet ein Identitäter (den er gleichzeitig zum Politiker „adelte“ bzw. degradierte).
In diesem Video sind Hofers Aussagen zusammengefaßt.
Seine Aussage zeigt Hofers Kapitulation vor dem metapolitischen Ist-Zustand. Statt das Overtonfenster in Richtung der rechten Diskurse zu verschieben, will er es nach rechts hin versiegeln. Daß er in der Folge Verständnis für die Black-Lives-Matter-Demos zeigte, gerne selbst bei linken Klimademos mitgehen würde, und sich mehrfach linksradikalen Journalisten anbiederte, paßt ebenfalls ins Bild.
Manche Politiker wollen um jeden Preis mitregieren und die Partei so zurechtschnitzen, dass sie ins Bild der herrschenden Meinung und in den Plan der herrschenden Kräfte paßt. Er folgt damit dem opportunistischen Weg des Parlamentspatriotismus. Dessen vermeintlicher „Pragmatismus“ besteht in der täglichen Ausrichtung an den „Verhältnissen“ und der „öffentlichen Meinung“, deren normativ-faktischer Kraft man sich unterwirft. Stattdessen wäre es Aufgabe der FPÖ, den metapolitischen Möglichkeitsraum für eine rechte Politik zu öffnen.
Das bedeutet realpolitisch
- den Kampf gegen die digitale Zensur, welche die öffentliche Debatte verfälscht und rechte Stimmen stranguliert, und
- den Kampf gegen die Gesinnungsjustiz, die in Österreich und Deutschland Jahr für Jahr repressiver und brutaler wird.
An beiden „Fronten“ hat die FPÖ in den letzten Jahrzehnten keinen Finger gerührt. Auch der ideenpolitische Kampf um den Volksbegriff, das geschichtliche Narrativ, die Bevölkerungs- und Identitätspolitik wurde von der FPÖ nicht geführt. Man beschränkte sich auf einen Extremismus der Oberflächlichkeit, der sich vor allem in der sträflichen Vernachlässigung der Gegenkultur und der Studentenpolitik ausdrückt.
Genau das will eine Person ändern, die auch der Auslöser für den jüngste Aufleger war. Roman Möseneder, ein junger Salzburger Aktivist, wurde im November zum Leiter des „RFJ“ (Ring Freiheitlicher Jugend) in seinem Bundesland gewählt. Roman ist dem rechten Lager gut bekannt, trat er doch bereits als Referent in Schnellroda auf, betreibt einen YouTube-Kanal und ist regelmäßig auf Demos des patriotischen Lagers zu sehen. Als Kampfsportler und weltanschaulich gebildeter Idealist ist er das personifizierte Gegenteil vom zynischen, karrieristischen Yuppietyp, der häufig in rechten Parteijugenden anzutreffen ist.
Seine Haltung ist klar: Möseneder tritt für eine metapolitische Strategie der Partei ein. Ebenso wie die Grünen vor 30 Jahren muß die FPÖ verstehen, daß sie in einer weltanschaulichen Minderheitenposition ist. Ihr steht eine feindliche Matrix aus Politik, Presse und Wirtschaft gegenüber. Tut sie so, als wäre das nicht der Fall, und will „wie alle anderen“ mitspielen und Sacharbeit leisten, wird sie diese Struktur nicht ändern. Man wird sie im Gegenteil nur dort und nur solange mitspielen lassen, wie sie nichts verändern kann.
Die Regierungsbeteiligung der FPÖ in Oberösterreich seit dem Jahr 2015, die sogar die Causa Ibiza überlebt hat, zeigt das. Das Bundesland unterscheidet sich in keinem wahrnehmbaren Faktor von allen anderen Bundesländern, in denen die FPÖ nicht in der Regierung ist. Weder gibt es dort einen Trend gegen den Bevölkerungsaustausch und die Islamisierung (was man einer Landesregierung nicht vorwerfen kann), noch gibt es echte Förderungen für das rechte Vorfeld, ideenpolitische Arbeit an den Unis oder wahrnehmbare metapolitische Zielsetzungen (was sehr wohl ein Versagen der Partei ist).
Schnedlitz könnte einen frischen Wind in Die Partei bringen, stellte er sich doch, nach einer empörten Pressereaktion noch einmal klar hinter das Ende der Distanzierung:
Das gilt für Roman Möseneder und auch für andere Bürger, die sich am Boden des Rechtstaates bewegen, ganz generell. Es gilt für alle Personen, die mit demokratischen und rechtsstaatlichen Mitteln versuchen, unsere Demokratie und unseren Rechtsstaat zu verteidigen – und damit unser Österreich als Heimat, wie wir sie alle kennen und lieben. Die Meinungsdiktatur geht aber mittlerweile weit über politische Richtungsfragen hinaus. Und auch hier stehen wir voll und ganz hinter den Bürgern.
Es ist zu vermuten, daß alle Gegner einer solidarischen und metapolitischen Ausrichtung der Rechtspartei danach trachten, Möseneder wieder loszuwerden. Die Suche nach Skandalen und „Skandalisierbarem“ könnte sogar den Distanzierungsflügel der FPÖ und die linke Presse vereinen. Es ist gut, daß Möseneder sich dessen bewußt ist. Seine Aufgabe wird sein, diesen Kräften keine offenen Flanken zu bieten und sich auf die ideenpolitischen Fragen zu konzentrieren.
Die FPÖ muß einen Kampf gegen Meinungsgesetze und Zensur, also den Einsatz für eine offene Debatte zu einem zentralen Punkt ihrer Politik machen. Ein erstes Testgebiet dafür wird der Begriff des „Bevölkerungsaustauschs“ sein. Die Bevölkerungspolitik muß (frei von infantiler Provokation und historischen Fixierungen) sachlich und faktenbasiert zum Kernpunkt jeder freiheitlichen und patriotischen Politik werden.
Die letzte FP-Studie von Professor Herbert Vonach, die sich auf eine demographische Prognose konzentrierte, stammt aus dem Jahr 2014 und ist längst veraltet. Das Problem der ethnischen Wahl hat die Partei scheinbar ebensowenig auf dem Schirm wie eine patriotische Antwort auf die Umweltkrise oder eine soziales Programm, das über Schlagworte hinausgeht.
Nur wenn die FPÖ zukunftsfähige und im positiven Sinne „radikale“, also an die Wurzel gehende Lösungen entwickeln kann und sich dazu der meta- und ideenpolitischen Arbeit öffnet, kann sie mithelfen, die feindliche Matrix zu sprengen, in der wir uns alle befinden. Der Aufbau einer Gegenöffentlichkeit wird damit Hand in Hand gehen.
Die Schwemme an linken Journalisten ist nicht zuletzt auch ein Ergebnis der linken Theoriebildung, Gegenkultur und Metapolitik. Statt (oder zumindest neben) dem liberalen, parlamentspatriotischen und anti-identitären „Atterseerkreis“ sollte die FPÖ schon längst zahlreiche neurechte Think Tanks, Jugendzentren, Studentenkreise, Aktionsbüros und ähnliches aufbauen und finanzieren. Die weltanschauungslose, distanzierungssüchtige Massenstrategie ist mit Ibiza endgültig gescheitert.
Die Partei muß heute ihre weltanschauliche Mitte finden, sich um sie einigen und mit voller Kraft die Machtsäulen der gegnerischen Herrschaft angreifen. Diese sind nicht im tagespolitischen Geplänkel zu finden. Es geht gegen die ideologischen Staatsapparate und um Einfluß auf die Unis, die Straße und die öffentliche Meinung.
Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer und die “Distanzierung von der Distanzierung” ist sicher nur ein Etappensieg in der Überwindung des Parlamentspatriotismus. Aber mit Möseneder gibt es in der Partei erstmals einen Jungpolitiker, der das vollkommen verstanden hat. Daraus kann viel Gutes entstehen.
Volksdeutscher
@Martin Sellner - "Strache distanzierte sich wortreich, nannte mich einen „Idioten“, die IBÖ eine „Sekte“ und beteuerte, daß die FPÖ nichts mit uns zu tun haben wolle."
Den Wendehals Strache braucht man wohl niemandem vorzustellen, und ich kann Ihre Enttäuschung angesichts seiner niveaulosen Distanzierung gut verstehen. Aber verstehen Sie auch meine Enttäuschung angesichts Ihrer Distanzierung von Ihrem jugendlichen Übermut und Ihrem Umgang mit den Patrioten der NPD? Wer oder was hat Sie denn gezwungen, sich zu distanzieren? Wozu sich händeringend von einer Vergangenheit distanzieren, die trotz Distanzierungsversuche die Ihre bleibt? Hätten ansonst intelligente Leute wie Sie immernoch nicht verstanden, daß die Leute, deren Gnade Sie sich erhoffen, ihre "Vergangenheit" Ihnen immer wieder vorhalten und Sie nicht in die Unschuld entlassen werden? Hätten Sie nicht begriffen, daß jede Entschuldigung bei denen aus diesem Grunde vollkommen vergeblich ist? Denn Sie wissen doch, daß Sie nicht mit Christen zu tun haben, nicht wahr? Mir bleibt leider nur die Befürchtung, daß Sie das Video, in dem Sie Ihre Vergangenheitsbewältigung begingen, nicht für sich selbst gedreht hatten. Für wen denn dann?