Sie forderten Präsident Macron auf, dieser drohenden Eskalation, verursacht durch multikulturalistische Politik und “Laschheit”, endlich durch hartes Durchgreifen vorzubeugen. Andernfalls würden im Falle eines Staatskollapses Teile der Armee auf eigene Faust eingreifen müssen, um die Ordnung wiederherzustellen.
Letzterer Punkt wurde den Verfassern als “Androhung eines Putsches” angekreidet, ein Verdacht, der auch durch das Datum der Veröffentlichung genährt wurde: Der Appell, der bislang von über 10,000 aktiven und ehemaligen Soldaten unterzeichnet wurde, erschien am 21. April 2021, dem sechzigsten Jahrestag des Putschversuches von vier Generälen in Algier gegen Staatspräsident Charles de Gaulle, weil dieser Algerien in die Unabhängigkeit entlassen wollte.
Wenig überraschend reagierte das politische Establishment Frankreichs empört und gereizt. Verteidigungsministerin Florence Parly verurteilte den Appell (veröffentlicht in der konservativen Wochenzeitung Valeurs actuelles) und drohte umgehend mit juristischen Sanktionen. Die deutschsprachige Presse berichtete darüber etwa hier und hier, die Junge Freiheit hat einen der Initiatoren interviewt (hier).
Ohne Zweifel kann man davon ausgehen, daß diese Warnung erhebliches Gewicht hat und nicht leichtfertig ausgesprochen wurde. Wer in den letzten Jahren die Stimmen von Renaud Camus, Richard Millet, Laurent Obertone, Jean Raspail, Guillaume Faye, Eric Zemmour, Alain Finkielkraut, Michel Houellbecq und anderen zur fatalen, gewaltträchtigen Lage in Frankreich gehört hat, wird das Bild, das der Aufruf zeichnet, kaum für übertrieben halten.
Während “Corona” im letzten Jahr alle anderen Probleme zu überschatten schien, erleben wir nun, wie alte ethnische Konflikte wieder mit voller Wucht aufflammen. Die erneuten Ausbrüche islamistischer Gewalt im Oktober letzten Jahres erinnerten daran, daß das französische Pulverfaß noch lange nicht entschärft ist. Zwei Wochen vor der Enthauptung des Lehrers Samuel Paty verkündete Macron in einer Rede, Frankreich müsse mit einem “republikanischen Erwachen” und einem “republikanischen Patriotismus” den “islamischen Separatismus” bekämpfen, ebenso wie alle anderen Separatismen, die die Einheit der Nation gefährden.
Dem Aufruf der Generäle, den manche als separatistisches Donnergrollen interpretierten, ging die Ermordung einer Polizistin voran, die im April von einem illegalen Einwanderer aus Tunesien erstochen wurde. Als es im Mai zu einer erneuten kriegerischen Eskalation im Gazastreifen kam, protestierten tausende Araber auf Frankreichs Straßen gegen die israelische Politik. Der Staat erachtete dies als eine derart ernste Gefährdung der öffentlichen Ordnung, daß er sämtliche pro-palästinensischen Demonstrationen verbot. Dazu hatte er gewiß guten Grund, denn ähnliche Proteste dieser Art haben im letzten Jahrzehnt immer wieder zu Gewaltausbrüchen und antijüdischen Übergriffen geführt.
Und so kann ich sagen, daß auch mein im Herbst letzten Jahres erschienenes Buch Ethnopluralismus trotz “Corona” aktuell bleibt. Es enthält einen längeren Abschnitt über den “Universalismus der französischen Nation”, der helfen könnte, Licht auf die gegenwärtigen Vorgänge zu werfen.
Der Zerfall Frankreichs findet parallel zum Zerfall der USA statt, den ich auf diesem Blog laufend kommentiert habe. Beide Nationen (Frankreich verstanden als die Nation von 1789) sind etwa zeitgleich, als miteinander verflochtene politische Früchte der Aufklärung entstanden. Beide scheitern heute (trotz aller historischen Unterschiede) an demselben Anspruch, nämlich eine universalistische Staatskonzeption auf Bevölkerungsteile auszudehnen, denen dafür die ethnokulturellen Grundlagen und Voraussetzungen fehlen. Ein Zuviel an “Diversität” sprengt das Gefüge.
In beiden Fällen zerbröselt die nationale Einheit entlang einer Rassen- und Kulturfrage: In den USA scheitert, 150 Jahre nach dem Sezessionskrieg, die Integration vor allem der Afroamerikaner, in Frankreich vor allem die Integration der arabischen Muslime. In den USA sind Sklaverei und Rassensegregation die historischen Negativa, mit denen die überlieferte nationale Identität madig gemacht und zersetzt wird, in Frankreich ist es der Kolonialismus. Auch dies sprechen die Generäle in ihrem Aufruf an.
Die Crux an der Sache zeigt sich, wenn sie jene Menschen als Vorbilder anpreisen, “die über Jahrhunderte hinweg unabhängig von ihrer Hautfarbe oder ihrem Glauben Frankreich gedient” haben. Die große Mehrzahl dieser Menschen, die in der Vergangenheit die “gloire” des französischen Vaterlandes gemehrt haben, war allerdings von weißer Hautfarbe und entweder christlich oder aufgeklärt-säkular orientiert. Zu diesem “Ruhm” gehören im Guten wie im Schlechten auch die Taten der Kolonisation, die unter universalistischen Vorzeichen als zivilisatorische Mission der französischen Nation betrieben wurde.
Es liegt auf der Hand, daß die aus Schwarz- und Nordafrika stammenden heutigen citoyens des Landes diese Geschichte erheblich anders sehen und bewerten. Hinzu kommt die Wühlarbeit der Linken, die aus dem Kolonialismus einen “Schuldkult” geformt hat, analog zur ideologischen Rolle des “Holocaust” in Deutschland und der Sklaverei und der Indianerkriege in den USA. Und genauso wie in den USA werden dadurch unablässig die Ressentiments der “Farbigen” gegenüber den “Weißen” gefüttert, was einen steigenden Rassenhaß auf der einen und einen Rassenselbsthaß auf der anderen Seite zur Folge hat.
Neben dem islamischen Separatismus und der ideologischen Zersetzung durch die politische Linke nennen die Verfasser des Manifests noch einen dritten wichtigen Punkt, der den Zerfall der Nation beschleunigt hat: Den Verrat der herrschenden Eliten an jenen petits blancs (“die kleinen Weißen”), die als “Gelbe Westen” einen vehementen und hartnäckigen “populistischen” Protest auf die Straßen gebracht haben, der vom französischen Staat auch entsprechend hart bekämpft wurde.
Den Flutwellen der linken Identitätspolitik und des Islamismus wollen die rebellischen Generäle ein Bollwerk klassisch-republikanischer Standards entgegenstellen, wie es auch Macron zumindest seinen Lippenbekenntnissen nach zu tun beabsichtigt. Was aber wäre die Lösung für die Probleme, die sich aus der demographischen Auflösung der französischen Nation ergeben? Erzwungene Völkervermischung, erhöhter kultureller Assimilationsdruck, strengere Unterwerfung unter das republikanisch-laizistische Gesetz? Das hat man versucht, das ist gescheitert, dazu ist es zu spät. In dieser Lage wäre die Remigration großer Bevölkerungsgruppen wünschenswert, ist aber so gut wie undurchführbar. Die Tragödie scheint vorprogrammiert.
Eine von dem TV-Sender LCI in Auftrag gegebene Umfrage vom 28. 4. 2021 brachte folgendes Ergebnis:
- 58% der Befragten, also mehr als die Hälfte (sechs von zehn Franzosen), sympathisieren mit der Petition der Generäle, wobei nicht jeder Sympathisant allen Punkten zustimmt.
- 86% sind der Meinung, daß es in Frankreich No-Go-Zonen gibt, in denen die Gesetze der Republik nicht gelten.
- 84% sehen eine Zunahme der Gewalt.
- 74% sind der Meinung, daß der Antirassismus das Gegenteil des Angestrebten bewirkt, also ein Ansteigen des Rassismus.
- 73% sind der Meinung, daß das Land innerlich zerfällt.
- 49% würden ein eigenmächtiges Eingreifen der Armee begrüßen, falls die innere Sicherheit nicht mehr anders hergestellt werden kann.
Das beauftragte Institut resümmierte:
Im Großen und Ganzen teilen die Franzosen die Einschätzung der Lage durch die Generäle. Auch wenn die Intensität der Reaktionen variiert und sich politische Zwischentöne bemerkbar machen, sind die Meinungsabweichungen insgesamt nur gering (abgesehen von der Frage nach einer “autonomen” Intervention der Armee). Wie zu erwarten, stimmen die Sympathisanten des Rassemblement National und der Republikaner den Aussagen der Militärs besonders vehement zu.
Im folgenden also der gesamte Text des offenen Briefes in deutscher Übersetzung.
– – –
Aufruf zur Wiederherstellung der Ehre unserer Regierenden
Sehr geehrter Herr Präsident,
Sehr geehrte Damen und Herren von der Regierung,
Sehr geehrte Damen und Herren Parlamentarier,
Eine schwere Schicksalsstunde hat geschlagen. Frankreich steht auf dem Spiel, bedroht von mehreren tödlichen Gefahren. Angesichts der gegenwärtigen Umstände können wir, die wir auch im Ruhestand Soldaten Frankreichs geblieben sind, nicht länger gleichgültig gegenüber dem Schicksal unseres schönen Landes bleiben.
Unsere Trikolore ist mehr als nur ein Stück Stoff. Sie symbolisiert die Tradition derer, die über Jahrhunderte hinweg unabhängig von ihrer Hautfarbe oder ihrem Glauben Frankreich gedient und ihr Leben geopfert haben. Auf diesen Flaggen stehen in goldenen Lettern die Worte “Honneur et Patrie” – „Ehre und Vaterland“. Unsere Ehre besteht heute darin, den Zerfall unseres Landes anzuprangern.
- Einen Zerfall, verursacht durch eine bestimmte Art des Antirassismus, der dem alleinigen Zweck dient, auf unserem Boden Mißtrauen, ja sogar Haß zwischen den Bevölkerungsgruppen zu säen. Mithilfe von Rassentheorien und Begriffen wie Indigenismus und Dekolonisation streben seine haßerfüllten und fanatischen Unterstützer einen Rassenkrieg an. Sie verachten unser Land, seine Traditionen und seine Kultur, und sie wollen es auflösen, indem sie es seiner Vergangenheit und seiner Geschichte berauben. In der Gestalt von Denkmälern greifen sie den militärischen und zivilen Ruhm vergangener Zeiten an, während sie altehrwürdige Worte auseinandernehmen.
- Einen Zerfall, verursacht durch den Mob der Vorstädte und den Islamismus, durch den weite Teile der Nation abgespalten wurden, um sie in Gebiete zu verwandeln, deren herrschende Dogmen im Widerspruch zu unserer Verfassung stehen. Da jedoch ein jeglicher Franzose, sei er gläubig oder nicht, überall in Frankreich zu Hause ist, kann und darf es keinen Ort und keinen Bezirk geben, in dem die Gesetze der Republik nicht gelten.
- Einen Zerfall, verursacht durch Autoritäten, die angesichts der verzweifelten Demonstrationen der gelben Westen den Haß über die Brüderlichkeit stellten und die hierfür die Ordnungskräfte als Handlanger und Sündenböcke mißbrauchten, während gleichzeitig Provokateure und Vermummte Geschäfte plünderten und eben diese Ordnungskräfte bedrohten. Dabei haben die Letzteren lediglich die – zuweilen widersprüchlichen – Anweisungen befolgt, die Sie, die Regierenden, ihnen erteilt haben.
Die Gefahren werden immer größer, die Gewalt nimmt von Tag zu Tag zu. Wer hätte vor zehn Jahren zu prophezeien gewagt, daß in unserem Land eines Tages ein Lehrer vor seiner Schule enthauptet werden würde? Wir, die Diener der Nation, die gemäß unserem militärischen Stand immer schon bereit waren, unseren Kopf zu riskieren, können nicht länger passive Zuschauer dieser Vorgänge bleiben.
Diejenigen, die unser Land regieren, haben deshalb die unbedingte Pflicht, den Mut aufzubringen, der erforderlich ist, um diese Gefahren zu beseitigen. Dabei würde es häufig schon ausreichen, die bereits bestehenden Gesetze ohne Schwächeln durchzusetzen. Vergessen Sie nicht, daß eine große Mehrheit unserer Mitbürger ebenso wie wir keine Geduld mehr mit Ihrem Zaudern und ihrem schuldbewussten Schweigen hat.
Wie Kardinal Mercier, der Primas von Belgien, sagte: “Wer immer vorsichtig ist, ist niemals mutig. ” Nun denn, unsere Damen und Herren: Genug des Zauderns, die Lage ist ernst, die Arbeit, die vor Ihnen liegt, ist gewaltig; verschwenden Sie keine Zeit mehr und seien Sie versichert, daß wir bereit sind, politische Maßnahmen zu unterstützen, die den Schutz der Nation ins Auge fassen.
Wenn jedoch weiterhin nichts unternommen wird, wird die Laschheit der Gesellschaft, die sich unaufhaltsam ausbreitet, letzten Endes zu einer Explosion und zu einer Intervention unserer aktiven Kameraden führen, die eine gefährliche Mission zum Schutz unserer zivilisatorischen Werte und unserer Landsleute auf dem nationalen Boden antreten werden.
Man sieht, daß wir keine Zeit mehr für Zaudereien haben, denn sonst wird morgen der Bürgerkrieg diesem wachsenden Chaos ein Ende setzen, und die Opferzahlen der Toten, für die Sie die Verantwortung tragen werden, werden in die Tausende gehen.
Dietrichs Bern
Naja, wer die "Partyszene" der "erlebnisorientierten" mal Leibhaftig gesehen hat, weiß was auch hier blüht. Mutmaßlich wird es keine langen Ankündigungen geben, es reicht, wenn bei solchen Gelegenheiten mal eine Schusswaffe im Handgemenge abhanden kommt und jemand getroffen wird und der Menge ihre zahlenmäßige Überlegenheit bewusst wird.
Die Zustände in Frankreich sind sicher noch deutlich schlimmer, aber wir arbeiten ja daran, Rückstände aufzuholen.