Es gibt bei Kaczynski keinen Kompromiß mit dem “System”: Die technologische Gesellschaft, wie sie sich seit der industriellen Revolution manifestiert hat, müßte restlos von diesem Planeten verschwinden.
Im Vorwort zum Band Technologische Sklaverei, der auch die gültige Fassung seines Manifests “Die technologische Gesellschaft und ihre Zukunft” enthält, faßte Kaczynski sein Denken in vier Kernthesen zusammen, die da wären:
1. Der technologische Fortschritt führt uns in eine unvermeidliche Katastrophe. (Dazu gleich mehr.)
2. Nur der Zusammenbruch der modernen technologischen Zivilisation kann die Katastrophe vermeiden. (Was freilich eine Art “Präventivkatastrophe” wäre, um ein noch größeres Unglück zu vermeiden.)
3. Die politische Linke bildet die vorderste Front der technologischen Gesellschaft zur Abwehr der Revolution.
Kaczynski hielt Themen wie z. B. “Rassismus”, “Sexismus”, Schwulenrechte, Tierrechte, Indigenenrechte, Antikolonialismus etc. und “soziale Gerechtigkeit” im Allgemeinen für bloße Ablenkungen des Systems, um vom eigentlichen Problem abzulenken und wahrhaft revolutionäre Bewegungen zu zersetzen und zu ersticken. Der Köder ist hier die hypermoralische Mission: Linke beißen an, weil sie ihrer Neigung zur Überanpassung entgegenkommt und ihnen Gelegenheit gibt, ihre Minderwertigkeitsgefühle zu kanalisieren.
Man könnte ergänzen, daß folgerichtig dasselbe auch für rechte Bewegungen zutrifft, die fast immer nur Reaktionen auf linke Agenden sind, vom Kampf gegen Transgender-Pronomen bis zum Kampf gegen den “Großen Austausch”.
Hinter jedem dieser Probleme lassen sich mit Leichtigkeit (auch) technologische Ursachen ausfindig machen: Rasant steigendes globales Bevölkerungswachstum ebenso wie die mobilen Möglichkeiten, ganze Bevölkerungen von einem Kontinent auf den anderen zu transportieren. Auch Pathologien wie “white guilt” oder egalitär-utopische Ideen, die die multikulturelle Ideologie prägen, könnte man theoretisch auf eine mentale Degeneration durch die technologische Optimierung des Wohllebens zurückführen.
4. Es bedarf einer neuen revolutionären, internationalen Bewegung, die sich der Elimination der technologischen Gesellschaft verschreibt.
Diese Bewegung müsse aus oben genannten Gründen rigoros alle (zumindest politisch korrekten/“woken”) Linken ausschließen, ebenso wie alle “Neurotiker, Faulpelze, Unfähige, Scharlatane, Personen ohne Selbstdisziplin”, also das übliche Gemenge, das sich heute in Amerika sogenannten “Widerstandsbewegungen” anschließt. Kaczynski betont, daß es sich hier um keine “politische” Revolution im engeren Sinne handelt: “Ihr Ziel wird sein, nicht Regierungen, sondern die ökonomischen und technologischen Grundlagen der bestehenden Gesellschaft zu stürzen.”
Die erste These, von der sich alle anderen ableiten, entspricht dem mittlerweile berüchtigten Anfang des “Manifests”:
Die industrielle Revolution und ihre Folgen sind eine Katastrophe für die Menschheit. Zwar ist die Lebenserwartung derer, die in “hoch entwickelten” Ländern leben, dadurch bedeutend gestiegen, gleichzeitig aber ist eine Destabilisierung der Gesellschaft eingetreten, das Leben bringt keine Erfüllung mehr, Menschen sind Demütigungen unterworfen, psychische Leiden sind weit verbreitet (in der Dritten Welt auch körperliche Leiden) und der natürlichen Welt ist schwerer Schaden zugefügt worden. Die technologische Fortentwicklung wird die Lage weiter verschlimmern.
Die technologische Gesellschaft selbst ist also bereits eine “Katastrophe”, werde aber in eine noch größere führen. Wie wird sie aussehen? Darauf gibt es mehrere Antworten.
Die handfestere, materielle Option wäre eine Umweltkatastrophe von immensem Ausmaß. Darauf lag allerdings nicht Kaczynskis Hauptaugenmerk. Sondern auf der anderen, der “Katastrophe der menschlichen Würde”, in der die Spezies Mensch zu einer sklavenhaften und erniedrigten Masse reduziert wird (“reduction of the human race to a degraded and servile condition”).
Dies geschieht dadurch, daß das menschliche Verhalten vollständig durch die Technologie kontrolliert wird, bzw. durch jene, die diese Technologie kontrollieren (oder glauben, sie zu kontrollieren, während sie auch nur Zauberlehrlinge höheren Grades sind). Das ist meiner Auffassung nach der Kern des “Great Reset”, auf einen sehr einfachen Punkt gebracht.
Kaczynski betont, daß dies keine exzentrische Meinung sei, und ruft als Kronzeugen warnende Stimmen aus dem technologischen Bereich auf. Er nennt die Namen Bill Joy, Martin Rees und Richard A. Posner, aber auch “Klassiker” wie Jacques Ellul und Lewis Mumford. Man könnte hier an unzählige dystopische Science-Fiction-Romane und ‑filme denken, die derartige Befürchtungen dramatisiert und artikuliert haben.
Dieser Aspekt der Erniedrigung und Versklavung des Menschen erscheint mir von großer Bedeutsamkeit. Er ist allerdings den meisten Menschen wesentlich schwerer zu vermitteln als die Vorstellung einer Umweltkatastrophe, etwa in Form der Apokalypsen, wie sie auch die Klimawandelpropheten ausmalen.
Der Grund ist, daß sich die Menschen außerordentlich schnell an Erniedrigungen und Versklavungen gewöhnen, sofern sie mit einem gewissen Komfort und opiatischen Ablenkungen einhergehen. Dafür muß freilich auch immer ein Preis gezahlt werden. Kaczynski spricht von einem gestörten “power process”, nach dem jeder Mensch ein Bedürfnis habe: Er besteht aus den Elementen Ziel, Anstrengung und Erreichen des Ziels.
Damit unser Leben Sinn und Antriebskraft hat, brauchen wir alle “Ziele, die zu erreichen Anstrengung erfordert”, und es müssen wenigstens einige dieser Ziele erreichbar sein. Dies gibt den Menschen “Selbstachtung, Selbstvertrauen und Machgefühl”. Ist dieser Prozeß gestört, setzen pathologische Entwicklungen ein:
Langeweile, Mutlosigkeit, schwache Selbstachtung, Minderwertigkeitsgefühle, Defäitismus, Depressionen, Angst- und Schuldgefühle, Frustration, Feindseligkeit, Misshandlungen von Frau und Kindern, unstillbarer Hedonismus, abnormes Sexualverhalten, Schlafstörungen, Essstörungen etc.
Hinzu kommt ein viertes Element, das Kaczynski “Autonomie” nennt. Es bezeichnet das Maß an Entscheidungsfreiheit und Kontrolle, das die meisten Menschen brauchen, um ihre Ziele durchzusetzen und ihren “power process” in Gang zu halten. Technologie und Kybernetik zielen aber darauf ab, den Menschen ihre Entscheidungen abzunehmen und sie zu steuern.
Ist dieser Weg aber erst eingeschlagen, ist es eines Tages endgültig vorbei mit der menschlichen Autonomie: Die Technologie wird die totale Kontrolle über das menschliche Verhalten übernehmen.
Auch gegen die mit der Technologisierung einhergehende Uniformierung haben die Menschen in der Regel wenig einzuwenden. Das können wir täglich im Alltag beobachten, und das ist eine der vielen bitteren Lehren aus der Zeit der “Pandemie”.
Die Menschen verstehen auch mehrheitlich nicht, was erniedrigend daran sein soll, etwa vom permanenten Starren auf kleine Bildschirme, die man ständig in der Hand mit sich trägt, und den daraus resultierenden Dopaminschüben abhängig gemacht zu werden. Man kann es überall beobachten: Der Griff zum Smartphone bei jeder sich bietenden Gelegenheit ist beinahe schon zur automatisierten Geste geworden. Und dies ist nur ein kleines, beunruhigendes Detail innerhalb einer größeren Problematik.
Die menschliche Würde und Freiheit im Sinne wie sie Kaczynski meint, ist nur mehr jenen Menschen ein Anliegen und ihr Verlust eine Katastrophe, die noch so etwas wie eine Seele verspüren. Das ist auch der Grund, warum die geistigen Vorantreiber der Technologisierung wie Yuval Harari so vehement darauf beharren, daß “wir” keine “geheimnisvollen Seelen”, sondern “hackbare Tiere” ohne Willensfreiheit seien.
Kaczynski geht davon aus, daß der Mensch vor allem biologisch bestimmt sei. Er benutzt das Wort “Seele” an nur einer Stelle des “Manifests”:
Es mag eine immaterielle menschliche Seele geben oder nicht, aber wenn es sie gibt, wirkt sie deutlich schwächer als die biologischen Mechanismen auf das menschliche Verhalten ein. Denn wenn dies nicht der Fall wäre, wären die Forscher nicht in der Lage, menschliche Gefühle und Verhalten mittels Drogen und Strom so leicht zu manipulieren.
Er geht also davon aus, daß es tatsächlich möglich ist, die Bioeinheit Mensch zu “hacken” wie einen Computer. Es handelt sich hiermit um eine sehr reale Gefahr.
“Seele” ist ein Begriff mit einem sehr weiten Bedeutungsfeld. Ich schlage vor, damit als eine Art kleinsten gemeinsamen Nenner jenen Teil in uns zu bezeichnen, der gegen die Aussicht revoltiert, sich zum technologisch gesteuerten Bioroboter machen zu lassen.
In einem Brief an Lutz Dammbeck schrieb Kaczynski:
Gefiele es Ihnen, wenn die Menschen in einer virtuellen Welt leben? Dass Maschinen klüger sind als Menschen? Dass Menschen, Tiere und Pflanzen künftig Produkte von Technik sind? Wenn Ihnen das nicht gefällt, ist für Sie die Computer- und Biowissenschaft offensichtlich gefährlich.
Was ist das in uns, dem all dies nicht “gefällt”? Was ist es, das Abscheu, ja sogar Grauen empfindet vor der “schönen neuen Welt”?
Wer weiß, worum es hier geht, weiß auch oder spürt zumindest intuitiv, was gemeint ist, wenn wir von einer “Seele” reden. Wer es hingegen nicht weiß, dem wird es auch eine noch so logische Argumentation nicht begreiflich machen können. Dort, wo es ihn schmerzen sollte, spürt er nichts mehr. Das Organ wurde amputiert, und die Operation hat nicht einmal einen Phantomschmerz hinterlassen.
Kierkegaard schrieb in Entweder-Oder:
Das wirklich Gefährlichste und Schlimmste (sich selbst zu verlieren) kann in der Welt so still hingehen als wäre es nichts. Kein anderer Verlust kann so still hingehen; daß man einen Arm, ein Bein, fünf Taler, ein Weib usw. verliert, das merkt man doch!
Es ist auch diese Art Katastrophe, die Martin Heidegger vorrangig vor Augen hatte, als er vor den Gefahren für das “Sein” warnte, die aus der Entfaltung der Technik erwachsen. In seiner Einführung in die Metaphysik schrieb er 1935:
Dieses Europa, in heilloser Verblendung immer auf dem Sprunge, sich selbst zu erdolchen, liegt heute in der großen Zange zwischen Rußland auf der einen und Amerika auf der anderen Seite. Rußland und Amerika sind beide, metaphysisch gesehen, dasselbe; dieselbe trostlose Raserei der entfesselten Technik und bodenlosen Organisation des Normalmenschen.
Wenn die hinterste Ecke des Erdballs technisch erobert und wirtschaftlich ausbeutbar geworden ist, wenn jedes beliebige Vorkommnis an jedem beliebigen Ort zu jeder beliebigen Zeit beliebig schnell zugänglich geworden ist, wenn man ein Attentat auf einen König in Frankreich und ein Symphoniekonzert in Tokio gleichzeitig “erleben” kann, wenn Zeit nur noch Schnelligkeit, Augenblicklichkeit und Gleichzeitigkeit ist und die Zeit als Geschichte aus allem Dasein der Völker geschwunden ist, wenn der Boxer als der große Mann des Volkes gilt, wenn die Millionenzahlen von Massenversammlungen ein Triumph sind – dann, ja dann greift immer noch wie ein Gespenst über all diesen Spuk hinweg die Frage: wozu? wohin? – und was dann?
Heidegger hatte damals den Rundfunk vor Augen (das Fernsehen stand noch in den Kinderschuhen), aber diese Zeilen beschreiben in vollkommener Weise jenen Weltzugang, der sich vollends mit der Ankunft des Internets manifestiert hat, dessen Kennzeichen “Schnelligkeit, Augenblicklichkeit und Gleichzeitigkeit” und inzwischen auch permanente Allgegenwärtigkeit sind.
Mit dem Schwund der qualitativen Zeit wird aber auch der Raum (oder vielleicht genauer: das Raumgefühl) aufgezehrt, wird boden-los. Die Welt wird “flach”, wie der Globalisierungsapologet Thomas L. Friedman 2004 schrieb, und dadurch werden auch der Mensch und sein Denken und Fühlen, seine ganze Existenz, sein “Dasein”, wie Heidegger sagen würde, “flach”. Das bedeutet “Entortung” und “Verwurzelung”, und sie ist eine beinahe zwangsläufige Folge der unerbittlichen Entfaltung der Technik.
Auch die “Entzauberung” der Welt wird damit vorangetrieben. An ihre Stelle treten künstliche Welten in unseren Gehirnen. Hier ist auch kein Platz mehr für so etwas wie Ehrfurcht vor dem Erhabenen oder Numinosen, vor dem Hier und Jetzt des Einmaligen und Unwiederholbaren.
Die Welt scheint nur mehr als Quelle zu dienen, um Milliarden digitale Abbilder von ihr zu erstellen und via Instagram, Twitter und Facebook zu verbreiten. Wenn man so will, kann man auch dies als eine Art der Selbsttranszendenz deuten, als einen Versuch, Sein und Zeit durch Digitalisierung gleichsam einzufrieren, zu speichern, zu kontrollieren. Damit einher geht auch ein zunehmender Verlust an Realität, des Selbst wie auch der Welt, in der es lebt.
An dieser Stelle kommen mir einige Zeilen aus dem Track “Red Queen” von Coil in den Sinn:
Now you’ve absorbed it into your system
Now that you’ve allowed it to be true
Now that you’ve neutralised it, made it safe, made it yours
Now that you’ve been photographed, recorded
What are you gonna do?
Is it so unsafe when you are
Insecure in the space where you are?
Is it so, really so,
Is it more real?
Is it more yours?
Is it more real, for you,
Than it is for him or me?
And the people who perceive it
Repeat it, distort it, improve it, update it
Slightly change it
And these people believe it
And write it all up for you
And is it more real?
Eine weitere wichtige Erkenntnis, die gerne vergessen oder übersehen wird, weil wir in einer technologischen Welt leben wie die Fische im Wasser, und dies seit vielen Generationen, ist diese: Daß die Technologie der entscheidende Motor sozialer Veränderungen und damit auch politischer Umwälzungen ist. Sie ist schon ziemlich alt und nimmt etwa in der marxistischen Theorie einen prominenten Platz ein (vgl. etwa Ernst Noltes Marxismus und Industrielle Revolution, 1983).
Dies ist wohl auch einer der Gründe, warum rechte, konservative, “reaktionäre” usw. Bewegungen seit 230 Jahren scheitern oder nur vorübergehende Siege erzielen können: Die Grundlagen dessen, was sie vor dem Zugriff des “Progressiven” bewahren wollen, werden unweigerlich früher oder später von der nächsten Welle der industriellen oder technologischen Revolution aufgelöst und hinweggefegt werden.
Unter diesem Blickwinkel kann man auch die gesellschaftlichen Entwürfe der Konservativen Revolution, der faschistischen Bewegungen und “nationalen Sozialismen” der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts sehen: Die Technik soll kontrolliert und genutzt werden, ohne zu einer Auflösung gewisser traditioneller Lebensformen, Institutionen, Werte, Bindungen und Hierarchien zu führen, ohne Entortung, Egalitarismus und Kosmopolitismus, kommunistische Kollektivisierung auf der einen oder liberale Individualisierung auf der anderen Seite zur Folge zu haben.
Die sozialen Folgen von Technologisierung und Industrialisierung sollen von einem entschlossen ideologisch gefestigten (also nicht technokratischen), autoritären Staat gesteuert und kanalisiert werden. Im günstigsten Fall soll die Technik den als “bodenständig” wahrgenommenen Mächten zu Hilfe kommen, der Nation, dem Volk, dem antiliberalen Staatsapparat oder der Rasse durch Eugenik und Zuchtwahl.
Diese Versuche sind gescheitert, und dies nicht nur durch militärische Niederlagen. Die Frage dahinter bleibt weiterhin offen.
Guillaume Faye versuchte sie in seinem utopischen Entwurf Ein Tag im Leben des Dimitri Leonidowitsch Oblomow durch eine radikale Zweiteilung der Gesellschaft zu lösen: In seinem zukünftigen “archäo-futuristischen” Eurasischen Imperium, das aus der Asche eines katastrophalen Zusammenbruchs entstanden ist, ist die Nutzung der Hochtechnologie, bis hin zu Biorobotik und transhumanistischen Eingriffen einer kleinen, weisen Übermenschen-Elite vorbehalten, während das einfache Volk ein glückliches, prä-industrielles, “traditionalistisches” Leben im ewigen Kreislauf des Seins führt. Er stellte sich vor, daß auf diese Weise das im Grunde Unvereinbare und Gegensätzliche zu einem harmonischen Ganzen vereint werden könnte.
Heidegger nun fuhr fort:
Der geistige Verfall der Erde ist so weit fortgeschritten, daß die Völker die letzte geistige Kraft zu verlieren drohen, die es ermöglicht, den (in Bezug auf das Schicksal des “Seins” gemeinten) Verfall auch nur zu sehen und als solchen abzuschätzen. Diese einfache Feststellung hat nichts mit Kulturpessimismus zu tun, freilich auch nichts mit einem Optimismus; denn die Verdüsterung der Welt, die Flucht der Götter, die Zerstörung der Erde, die Vermassung des Menschen, der hassende Verdacht gegen alles Schöpferische und Freie hat auf der ganzen Erde ein Ausmaß erreicht, daß so kindische Kategorien wie Pessimismus und Optimismus längst lächerlich geworden sind.
Als Heidegger im Sommersemester 1935 diese Vorlesung in Freiburg hielt, hatte er noch die Hoffung, daß das “nachbarreichste und so das gefährdetste und in all dem das metaphysische Volk”, die Deutschen unter dem Nationalsozialismus dem “Zangendruck” widerstehen und einen Weg jenseits von “Rußland” (Bolschewismus/Kommunismus) und “Amerika” (Liberalismus/Kapitalismus) finden könnte. Dies würde freilich (in meinen Worten, nicht in denen Heideggers) eine Art Hegung der Technik und das Wunder einer “bodenständigen” Organisation des Normalmenschen voraussetzen, ermöglicht durch die Entfaltung “geschichtlich geistiger Kräfte aus der Mitte” des Abendlandes.
Dies blieb ein Philosophentraum. Der “dritte Weg” war seinen Gegenspielern innerlich zu ähnlich. Die sich anbahnende “Herrschaft der Manager” und Technokraten war ein Zeitphänomen, das die unterschiedlichen politischen Systeme miteinander verband, nicht zuletzt, weil sie dieselbe Technologie benutzen. Auch das mag man als “gegenstrebige Fügung” betrachten. Deutschland verfiel von innen denselben Kräften der Moderne wie seine Gegenspieler, und wurde im Zangengriff Rußlands und Amerikas zermalmt.
Heute hat die “Metaphysik” der ” trostlosen Raserei der entfesselten Technik und bodenlosen Organisation des Normalmenschen” mehr oder weniger auf dem ganzen Planeten gesiegt, nicht nur im Westen, sondern auch in China, Rußland oder Indien. Daran wird auch eine “multipolare” Weltordnung nichts ändern.
Ich überlasse Ted Kaczynski das Schlußwort:
Nehmen wir an, das System überlebt die Krise in den nächsten Jahrzehnten. In dieser Zeit muss es ihm gelungen sein, seine Hauptprobleme zu lösen oder wenigstens zu kontrollieren, besonders das Problem der »Anpassung« der Menschen ans System; im Klartext, die Menschen müssen so gefügig gemacht werden, dass ihr Verhalten das System nicht länger bedrohen kann.
Ist das einmal erreicht, gibt es keine Hürden mehr für die technologische Entwicklung, und die logische Konsequenz würde darin bestehen, alles auf der Erde vollständig kontrollieren zu können, einschließlich der Menschen und aller anderen wichtigen Lebensformen.
Das System könnte dann zu einer einheitlichen, monolithischen Organisation werden oder mehr oder weniger fragmentiert sein und aus einer Reihe von nebeneinander existierenden Organisationen bestehen, die gleichzeitig miteinander kooperieren und konkurrieren, so wie heute Regierung, Unternehmen und große Organisationen sowohl miteinander kooperieren als auch konkurrieren.
Menschliche Freiheit wird dann so gut wie verschwunden sein, weil Einzelpersonen und kleine Gruppen den großen Organisationen machtlos gegenüberstehen, die mit Supertechnologien und einem Arsenal von fortschrittlichen psychologischen und biologischen Methoden zur Manipulation von Menschen ausgerüstet sind, ganz abgesehen von Instrumenten zur Überwachung und dem Monopol physischer Gewalt.
Nur eine kleine Gruppe von Menschen hat dann wirkliche Macht, und selbst diese werden nur eine begrenzte Freiheit haben, denn auch ihr Verhalten wird reguliert werden; ganz wie unsere Politiker und Aufsichtsräte ihre Machtpositionen heute nur so lange halten können, wie ihr Verhalten innerhalb gewisser enger Grenzen bleibt.
(“Die technologische Gesellschaft und ihre Zukunft”, Abschnitt 163).
Maiordomus
Vorauszusetzen, dass man die Gedanken von Kaczynski kennt, kann bei gebildeten Konservativen und Rechten wirklich nur Kopfschütteln
auslösen und bei mir die Vermutung aufkommen lassen, dass ich ML leider doch überschätze.
ML: Das setze ich erstens doch gar nicht voraus, darum ja auch dieser Text. Zweitens, Konservative und Rechte, die alles Ernstes es bislang geschafft haben, Kaczynski zu ignorieren, können so "gebildet" nicht sein.
Beeindruckend sind die Zitate von Kierkegaard und Heideggerim unteren Teil des für mich doch eher mühsam zu lesenden Aufsatzes, was diese sagten, hat indes "unsereiner" schon vor 60 Jahren gewusst, als wir diese Autoren zu lesen begannen und es bestätigt sich traurigerweise. Dazu braucht man keinen UNA-Bomber oder sonstige verlorene Psychopathen. Wenn sich schon mit einem verfemten Aussenseiter befassen, dann immer noch lieber den gerne Hegel zitierenden beinamputierten jetzt offenbar entlassenen politischen Gefangenen H.M., der hoffentlich noch am Leben ist und vor dem ich als Lehrer der Ethik meine Achtung nie preisgegeben habe.