Lesen, Lernen, Schauen: Weihnachtsempfehlungen, Teil IV

Meine diesjährigen Weihnachtsempfehlungen sind sicher nicht jedermanns Sache, aber vielleicht gibt es den einen oder anderen Leser, der mit meinen "Spezialinteressen" etwas anfangen kann. Wie Sommerfeld beschränke ich mich diesmal auf zwei Titel.

Martin Lichtmesz

Martin Lichtmesz ist freier Publizist und Übersetzer.

Ler­nen

Alex­an­der Nitz­berg, gebo­ren 1969 in Mos­kau, ist einer der bedeu­tends­ten und umtrie­bigs­ten deut­schen Über­set­zer rus­si­scher Lite­ra­tur, und zwar sowohl von Lyrik als auch von Pro­sa, was nicht vie­le können.

Die Lis­te der von ihm über­setz­ten Dich­ter liest sich wie ein Who-is-Who der rus­si­schen Klas­si­ker: unter ande­rem Dos­to­jew­skij und Pusch­kin, Wolo­schin und Bul­ga­kow, Ach­ma­towa, Rad­lo­wa und Ros­top­schi­na, Sawin­kow (hier und hier) und Majakowski.

Zusätz­lich hat er seit 1996 eini­ge eige­ne Lyrik-Bän­de ver­öf­fent­licht, nebst einem herr­li­chen Lehr­buch “wie man Gedich­te macht” mit dem Titel Lyrik Bau­kas­ten.

Auch sein jüngs­tes Buch ist ein Lehr­buch zum “Sel­ber­ma­chen”, aller­dings mit einem gänz­lich ande­ren The­ma. Der geschlif­fe­ne Geo­mant. Das Horo­skop der vier Ele­men­te ist eine detail­lier­te Ein­füh­rung in eine klas­si­sche Ora­kel­tech­nik, die sich ins­be­son­de­re im Mit­tel­al­ter (Dan­te erwähnt sie am Ende sei­ner Com­me­dia) und der Renais­sance gro­ßer Beliebt­heit erfreut hat und die höchst­wahr­schein­lich ori­en­ta­li­schen Ursprungs ist: die “Geo­man­tie” oder “Punk­tier­kunst”, wobei sich das Wort “Geo” hier auf die Welt “als Gan­zes” bezieht. Es steht für “den pla­to­ni­schen Misch­krug, in dem alle Antei­le sinn­voll ver­rührt werden”.

Die Ele­men­te Feu­er, Erde, Was­ser, Luft sym­bo­li­sie­ren hier die vier Grund­prin­zi­pi­en, aus denen “alle Din­ge bestehen”: Das Feu­er steht für Geist und Wil­len, “den drän­gen­den Impuls zum Sein”, Luft für die “gedank­li­che Kon­zep­ti­on”, Was­ser für “das Prin­zip des Lebens, der sinn­li­chen Wahr­neh­mung und Emp­fin­dung”, die Erde für das “Mani­fes­te, das Form­ge­wor­de­ne, die Gestalt”.

Die­se sind die vier Grund­ele­men­te des geo­man­ti­schen Horo­skops, das sehr ein­fach zu erstel­len ist: Alles, was man braucht, ist ein Blatt Papier und Blei­stift. Aus zufäl­lig gesetz­ten Punk­ten oder Stri­chen ent­ste­hen geo­man­ti­sche “Kar­ten”, die oft von erstaun­li­cher Schön­heit und Kom­ple­xi­tät sind. Sie zu ergrün­den, bedeu­tet, sich auf einen inne­ren “Erkennt­nis- und Läu­te­rungs­pro­zess” ein­zu­las­sen. Das Ora­kel ist kei­ne “blo­ße Ant­wort­ma­schi­ne”; es anzu­wen­den und zu deu­ten, ist eine Kunst.

Nitz­berg, geschult am stren­gen Den­ken René Gué­nons, steht dabei firm auf dem Boden neo­pla­to­ni­scher Phi­lo­so­phie. “Eso­te­rik” ist für ihn ver­bun­den mit Namen wie Hera­klit, Pla­ton, Her­mes Tris­me­gis­tos, Apu­lei­us, Boe­thi­us, Fici­no, Pico del­la Miran­do­la und Para­cel­sus, und nicht mit den Ent­ar­tun­gen des “New Age”, der Theo­so­phie, des Räu­cher­stäb­chen­kit­sches oder der “tie­fen­psy­cho­lo­gi­schen Sur­ro­ga­te” im Gefol­ge von C. G. Jung, die er in sei­ner Ein­lei­tung scharf kri­ti­siert und verwirft.

Im Zuge die­ser Kri­tik spricht er auch tie­fer lie­gen­de Übel an. Aus Nitz­bergs Sicht hat “unse­re west­li­che Zivi­li­sa­ti­on im post­auf­klä­re­ri­schen Zeit­al­ter jede Bin­dung an ihre eso­te­ri­schen Wur­zeln ver­lo­ren”: “Etwas, das jahr­hun­der­te­lang Bestand hat­te und dem Men­schen im Inne­ren einen Halt bot, wur­de preis­ge­ge­ben und gna­den­los ersetzt.” Die Kunst des geo­man­ti­schen Ora­kels ein­zu­üben mag ein Weg sein, sich zu den “Müt­tern” (so auch der Name der vier Grund­fi­gu­ren eines geo­man­ti­schen Horo­skops) zurück­zu­tas­ten; jeder Leser mag selbst ent­schei­den, wie sehr er sich dar­auf ein­las­sen mag.

Der geschlif­fe­ne Geo­mant ist ein kurz­wei­li­ges, klar geschrie­be­nes Buch, geeig­net auch für Lai­en, Anfän­ger und Neu­gie­ri­ge ohne prak­ti­sche Ambi­tio­nen. Es bie­tet Eso­te­rik mit nüch­ter­ner Klar­heit, ohne “Geschwur­bel”, Quatsch und mys­ti­sche Bene­be­lung. Als Bonus ent­hält es einen vom Autor aus dem Latei­ni­schen über­setz­ten raren Trak­tat eines alten Meis­ters der Geo­man­tia, Pie­tro d’A­ba­no aus Padua.

Alex­an­der Nitz­berg: Der geschlif­fe­ne Geo­mant. Das Horo­skop der vier Ele­men­te, Chi­ron Ver­lag, Tübin­gen 2023, 243 Sei­ten, 26,80 €.

Lesen (und Schauen)

Die­ses Buch ist zuge­ge­be­ner­ma­ßen viel­leicht nicht unbe­dingt das pas­sends­te Geschenk für Weih­nach­ten, das man emp­feh­len kann.

Der ers­te Text, den ich mit dem Namen Mar­tin Licht­mesz zeich­ne­te, war ein Arti­kel in eng­li­scher Spra­che über den Ber­li­ner Under­ground­fil­mer Jörg Butt­ge­reit, sekun­diert von einem Inter­view, das ich mit ihm in einem Schö­ne­ber­ger Kino geführt hat­te, in dem er damals als Pro­jek­tio­nist arbei­te­te, auf­ge­nom­men auf einem alten Kas­set­ten­re­cor­der (das Tape muß noch irgend­wo existieren).

Arti­kel und Inter­view wur­den Mit­te 2000 in einem kurz­le­bi­gen Neo­folk-Indus­tri­al-Fan­zine mit klei­ner Auf­la­ge abge­druckt (damals war ich noch ein gänz­lich unpo­li­ti­scher Film­stu­dent, Butt­ge­reit trifft also kei­ne “Kon­takt­schuld”).

Butt­ge­reit, Jahr­gang 1963, hat­te damals – zumin­dest für jene, die einen aus­rei­chend gro­ßen Knall hat­ten, sich für der­glei­chen zu inter­es­sie­ren – einen “Kult­sta­tus” als extrem “trans­gres­si­ver” Film­re­gis­seur, berühmt-berüch­tigt vor allem durch sei­ne Hor­ror­fil­me Nekro­man­tik (1987) und Nekro­man­tik 2 (1991). Der Film, der den stärks­ten Ein­druck bei mir hin­ter­las­sen hat, ist aller­dings der depres­si­ve Sui­zid-Epi­so­den-Film Der Todes­king (1989).

Der “Charme” die­ser abgrün­di­gen, ama­teur­haf­ten, die Schmerz­gren­zen des Zuschau­ers bru­tal stra­pa­zie­ren­den, gera­de­zu anti­so­zia­len Low-Bud­get-Fil­me (Nekro­man­tik wur­de kom­plett auf Super‑8, sein Nach­fol­ger auf 16mm gedreht) bestand vor allem dar­in, daß sie Pro­duk­te einer unbrems­ba­ren, unge­ho­bel­ten, un- bis anti-intel­lek­tu­el­len Fil­mer- und Pro­vo­ka­ti­ons­lei­den­schaft jen­seits jeg­li­cher kom­mer­zi­el­ler Inter­es­sen waren.

Butt­ge­reit und sei­ne Spieß­ge­sel­len woll­ten nie­mals “Kunst” machen, aber mit ihrem obses­si­ven Wil­len zum Tabu­bruch und zum Über­schrei­ten der Gren­zen des Dar­stell­ba­ren, sind sie in Berei­che vor­ge­drun­gen, die tie­fer gele­gen sind, als sie viel­leicht ver­mu­tet oder beab­sich­tigt haben. Hin­ter dem juve­ni­len Jux und dem gewollt Scho­ckie­ren­den und Absto­ßen­den waren durch­aus ernst­haf­te Füh­lungs­auf­nah­men mit dem Tod, dem Grau­en und dem Ster­ben wahr­nehm­bar. Das ist etwas, wo man durch­muß  – oder wo zumin­dest ich durchmußte.

Butt­ge­reits reich bebil­der­te, auf alten Tage­buch­ein­trä­gen basie­ren­den Memoi­ren Nicht jugend­frei! zei­gen, auf wel­chem Boden sei­ne “Unter­grund­fil­me” ent­spros­sen sind. Es ist das heu­te bei­na­he mythisch anmu­ten­de West-Ber­lin der sieb­zi­ger und acht­zi­ger Jah­re, eine ein­zig­ar­ti­ge Insel anar­chisch-chao­tisch gären­der Sub­kul­tu­ren, in der Butt­ge­reit als Kind der Punk­rock-Gene­ra­ti­on auf­ge­wach­sen ist (und ein gro­ßes, aber sym­pa­thi­sches und trotz allem offen­bar boden­stän­di­ges Kind ist er bis heu­te geblieben).

Als Sozia­li­sier­ter der “schwar­zen Sze­ne” und Fan von SPK, NON, Psy­chic TV, Nur­se with Wound, Cur­rent 93, Coil, Nick Cave, Lydia Lunch, den Ein­stür­zen­den Neu­bau­ten und ande­ren übli­chen Ver­däch­ti­gen kam ich fünf­zehn bis zwan­zig Jah­re zu spät zur Par­ty. Von der Mau­er­stadt habe ich nur mehr einen Abglanz erlebt. Abtau­chend in Butt­ge­reits Tage­buch­ein­trä­ge (ver­faßt in einem schlich­ten, unprä­ten­tiö­sen Stil), füh­le ich die Weh­mut (und viel­leicht auch den Neid) des Zuspät­ge­bo­re­nen, der ger­ne dabei­ge­we­sen wäre.

Ich muß aber auch sagen, daß vie­les, was damals auf­re­gend, genia­lisch, befrei­end, herr­lich ver­bo­ten und sub­ver­siv gewirkt haben mag, heu­te etwas schal und abge­schmackt erscheint. Nach der Orgie kommt der Kat­zen­jam­mer, und auch der schöns­te “Kick” währt nicht ewig.

Es ist inzwi­schen witz­los gewor­den, für die “Radi­ka­li­tät” von John Waters zu schwär­men oder sich über die ohne­hin nur lah­men Vor­stö­ße der Zen­sur und des “Jugend­schut­zes” ver­gan­ge­ner Zei­ten zu erei­fern, die trotz aller Indi­zie­rungs­le­gen­den auch Butt­ge­reits Fil­me nur am Ran­de betra­fen.  Irgend­wann erreicht wohl jeder den Zeit­punkt, an dem die “Blu­men des Bösen” nicht mehr so berau­schend und ver­füh­re­risch duf­ten wie einst.

Von frü­her Kind­heit an war Butt­ge­reit beses­sen von den rei­ße­ri­sche­ren und tra­shi­ge­ren Ange­bo­ten der Pop­kul­tur, von Mons­ter­fil­men, Hor­ror­schund, von God­zil­la, Super­hel­den­co­mics und Bruce Lee, der ihn dazu ani­mier­te, Kampf­sport­un­ter­richt zu neh­men. Spä­ter kom­men die “Mit­ter­nachts­fil­me” von John Waters und David Lynch hin­zu. Er besucht Kon­zer­te von Queen, Kiss und Led Zepel­lin, von DAF, Dead Ken­ne­dys und Throb­bing Gristle.

Es ist eine Geschich­te des beses­se­nen Kon­sums von Fil­men – im Kino, im Fern­se­hen, auf stark gekürz­ten Super-8-Kopien, auf Beta­max- und VHS-Kas­set­ten; von Kon­zer­ten, von Schall­plat­ten, von obsku­ren Maga­zi­nen und ande­ren Schät­zen des ana­lo­gen Zeit­al­ters, in deren Besitz zu gelan­gen es oft erheb­li­chen Auf­wands bedurf­te. Die digi­ta­le Ver­füg­bar­keit von allem und jedem via Inter­net hat einen wesent­li­chen Teil die­ses Zau­bers zerstört.

Auch in die­ser Hin­sicht lös­te Butt­ge­reits Buch in mir nost­al­gi­sche Gefüh­le aus, bis hin zum Phan­tom­schmerz. Wer eine ähn­li­che Rei­se wie ich hin­ter sich hat, wird an ihm sei­ne (zwie­späl­ti­ge) Freu­de und Fas­zi­na­ti­on haben.

Jörg Butt­ge­reit: Nicht jugend­frei! Tage­buch aus West­ber­lin, Mar­tin Schmitz Ver­lag, Ber­lin 2023, 364 Sei­ten, 36,00 €.

Martin Lichtmesz

Martin Lichtmesz ist freier Publizist und Übersetzer.

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Kommentare (30)

Florian Sander

4. Dezember 2023 04:59

Herr Lichtmesz, warum eigentlich so oft dieser resignative Unterton?
Ich habe Ihre Konter in der Nahost-Debatte genossen und Ihre Empfehlungen hier machen mich als jemand, der ebenfalls Nähe zur "schwarzen Szene" hat, neugierig. Aber dann: "Ok, sicher nicht jedermanns Sache, aber vielleicht gibts ja wen, der was damit anfangen kann...", "Nicht das passendste zur Weihnachten, aber ok...", "Richtig gut, aber naja, heute im Internetzeitalter im Grunde auch nur noch nostalgisch, seufz".
Och Mensch. Jetzt begeistern Sie sich doch mal! Im Übrigen: Sooo sehr hat unser Zeitalter den Charme von damals auch nicht hinweggefegt, und es ist längst nicht alles heute immer überall verfügbar. Man kann vergangene Rebellionen und Revolten durchaus auch im Kontext ihrer Zeit genießen, anerkennen und einfach mal für sich stehen lassen.
Beste Grüße von einem bekennenden New Ager, der auch mal Räucherkerzen anzündet und Jung liest. :)

Adler und Drache

4. Dezember 2023 09:36

Wie man bei einem boomenden Esoterikmarkt zum Urteil kommt, die westliche Zivilisation habe "jede Bindung" ans Esoterische verloren, ist mir durchaus fraglich.

ML: Das ist nun wirklich einfach: Er meint das "authentisch" Esoterische, nicht den Surrogatschund auf dem Markt.

Gehört jene Behauptung nicht vielmehr zum Werkzeugkasten des Esoterikers, um sein Angebot unter die Leute zu bringen? Mir jedenfalls scheint es, dass man der Esoterik gar nicht aus dem Weg gehen kann. 

RMH

4. Dezember 2023 10:27

"Es ist das heute beinahe mythisch anmutende West-Berlin der siebziger und achtziger Jahre, eine einzigartige Insel anarchisch-chaotisch gärender Subkulturen ...kam ich fünfzehn bis zwanzig Jahre zu spät zur Party. Von der Mauerstadt habe ich nur mehr einen Abglanz erlebt." Herr Lehmann lässt grüßen. Aber es stimmt schon, Berlin West war in den 80ern, nicht nur, weil man dort nicht zum "Bund" musste, sowas wie der "Holy Grail" vieler westdeutscher Jugendlicher, denen Hemd und Strickpullunder auf Dauer zu grätzig wurden und jede Szene fand etwas, die Touris mit Depeche Mode Faible wurden am Lininentreu abgefertigt und für manche war der erste "Döner" der Knaller.
"Von früher Kindheit an war Buttgereit besessen von den reißerischeren und trashigeren Angeboten der Popkultur, von Monsterfilmen, Horrorschund, von Godzilla, Superheldencomics und Bruce Lee," Andere, ähnlich Interessierte haben den Namen Tarantino und wurden ob dieser Leidenschaft später weltberühmt. Wie auch immer: Das Buch kaufe ich mir, danke für den Tipp.

Boreas

4. Dezember 2023 10:52

Das Nitzberg-Buch klingt spannend. Seit Eco´s "Foucaultschem Pendel"  fasziniert mich Geomantie und deren magische Akupunktur über bestimmte tellurische Ströme. Die moderne Konsum-Esoterik ist wirklich unterhaltsam-groteskt. Man besuche einmal eine der vielen Eso-Verkaufsmessen. Schon das zuhören und beobachten von Kunden und Verkäufern ist ein großer Spaß. Wer die Muße zum Diskurs hat, kann sich auf bewußtseinsverengende Gespräche freuen.
Für Buttgereits Schaffen bin ich zu zartbesaitet. Mich haben schon die frühen Industrial-Videos verstört. Die Faszination für das Insel-Berlin der 1970er und frühen 1980er kann ich allerdings nachvollziehen. im Nachwendewinter 1989/90 konnte man Rudimente davon noch entdecken, wenn man geeignete Führer hatte. 

Maiordomus

4. Dezember 2023 11:59

@esoterisch. In einem Brief an Humboldt, ev, einen anderen, zitiert bei Josef Pieper Über das Schweigen Goethes, steht  beim Alten von Weimar zu lesen, der Hauptunterschied zwischen der Zeit vor und nach der Franz. Revolution sei, "dass man zwischen Esoterischem und Exoterischem keinen Unterschied mehr machte". Damit meinte er garantiert nicht das, was heute Esoterik-Boom genannt wird, sondern die Richtungen Robert Fludd, Freimaurer, vgl. auch Zauberflöte, und allgemein Gnosis im Vergleich etwa zum plumpen Vulgärmaterialismus und Frühpositivismus. So wie er sich in jungen Jahren in den Vorstudien zu Faust mit Paracelsus auseinandersetzte. Eine Hauptquelle dieser Art abendländischer Esoterik ist der oft auch "Pseudo-Dionysios" genannte spätantike Autor Dionysios Areopagita. Noch bei Novalis und Franz von Baader ist diese Denkweise recht kräftig vorhanden.
 
 

anatol broder

4. Dezember 2023 12:29

welches bedürfnis wird durch das geomantische horoskop gedeckt?

Adler und Drache

4. Dezember 2023 18:44

Woran misst man denn, welche Esoterik "authentisch" ist? Es gibt hier keinen Kanon (= Maßstab).

ML: Klar gibt es den, für diejenigen, die sich damit auskennen.

Am Alter? Die älteste Esoterik ist völlig unverständlich. Daraus macht auch jeder, was er will. Das war auch früher nur Schund, um den mystischen Erlebnisbedarf von Leuten zu befriedigen, für die Mystik zu anstrengend war.
Opium des Volks.  
 

RMH

4. Dezember 2023 22:01

@Adler und Drache,
wenn man in eine Barock- oder Rokoko-Kirche geht, kann man auch denken, was für ein Tand, was für ein Aberglaube, was für ein Kitsch. Wer sich dann aber einmal ernsthafter mit der katholischen Lehre befasst oder diese erklärt bekommt, erkennt den (tieferen) Sinn. So ähnlich verhält es sich auch mit der Esoterik, nur dass wir beim dem, was manche Heilpraktiker, Esoterik-Messen & Co. bieten, noch nicht mal in der Kirche sind, sondern draußen bei den Devotionalien- & Kitsch- Buden, wie man sie vor jeder besseren Wallfahrtskirche findet. Es ist schade, dass heutzutage viele nicht mehr herangeführt werden, an die Welt des Kleinen im Großen und Großen im Kleinen. Ach ja: Initiation bedeutet in diesem Falle nicht, dass man deswegen Gläubiger wird. Man bekommt lediglich ein gewisses Grundverständnis und im wahrsten Sinne des Wortes Einsichten. Niemand ist deswegen zu etwas verpflichtet und es ist einem frei überlassen, damit etwas anzufangen oder nicht. Auf jeden Fall erkennt man leichter Arkanes und Okkultes in scheinbar Rationalem, ohne deswegen paranoid zu werden oder überall gleich "Hintergrundmächte" am Werkeln zu sehen (viele wissen m.M.n. gar nicht, was sie unbewusst oder scheinbar "frei" so alles treiben).

Laurenz

5. Dezember 2023 06:26

@Adler & Drache ... Sie haben nie die EDDA gelesen? Ist auch extrem schwierig, komplex. Es handelt sich um Gesänge sogenannter Skalden. Die Schöpfungsgeschichte der EDDA steht diamtral zu der der Bibel, weil wesentlich realer & mystischer zugleich. Die EDDA bewertet nichts. Sie zeigt die Realität in einer anderen spirituellen Wirklichkeit & Wahrnehmung. Nehmen Sie die Midgard-Schlange. Sie verbreitet Furcht & Schrecken unter den Menschen auf dem Helweg, wenn sie sich bewegt. Wie im Schintoismus, sah der Erzähler alles irdische als beseelt an, auch die 3 KM hohe Eisgrenze damals im Norden Deutschlands. Wenn Ihr Verstand Sie daran hindert, spirituell wahrzunehmen, so ist das einfach zu kurieren. Suchen Sie Sich bei Ihnen vor Ort einen Aufsteller nach Bert Hellinger (wird es geben), investieren für ein Wochenende 200 Euro & melden Sich da an. Und dabei handelt es sich dann um Ihre persönliche spirituelle Wahrnehmung, was dann anfängt, jeden Bericht über spirituelle Wahrnehmung obsolet zu machen. Natürlich darf man trotzdem Esoterik-Bücher lesen. Die Wunder im Neuen Testament sind auch immer nur spirituelle Wahrnehmungen einzelner oder weniger.

Gracchus

5. Dezember 2023 09:35

Nicht zu vergessen, dass Nitzberg auch den unnachahmlichen Daniil Charms übersetzt hat. Seine eigene Lyrik ist ebenfalls höchst beachtlich. Von daher macht mich das Buch neugierig. 

Maiordomus

5. Dezember 2023 10:03

"Die älteste Esoterik ist völlig unverständlich." Ein Beispiel dafür ist "Das Buch der heiligen Dreifaltigkeit" in seiner zweiten alchemistischen Fassung von Kadolzburg 1433. Dies freilich wegen der problematischen Handschrift, eine weitere befindet sich in St. Gallen, wurde dort mutmasslich 1531 für seine Schrift vom Regenbogen von Paracelsus konsultiert und mutmasslich verstanden. Bei jahrelanger Beschäftigung liegt durchaus drin, dass dieses sog. Geheimwissen bei entsprechenden Vorkenntnissen, auch die Gnosis betreffend, entschlüsselbar ist. Wie auch immer, so gut wie die gesamte Geschichte der älteren Alchemie gehört nun mal zur mittelalterlichen Esoterik. Das Wichtigste sowohl an der Alchemia transmutatoria (Goldmacher- und Metallverwandlungskunst), Alchemia medica und Alchemia spiritualis läuft auf das Anliegen der Selbstvervollkommnung des Menschen hinaus, Selbsterkenntnis durch Naturerkenntnis, "was ist die Philosophie anderes als die unsichtbare Natur", auf diesem Paracelsischen Satz beruht mithin die Schellingsche Philosophie, die, wie der deutsche Idealismus generell, aber auch Novalis und Goethe Elemente der älteren Esoterik enthält. Unter drei Jahre Beschäftigung damit sieht man in der Regel indes da nicht durch, besser noch: lebenslange Beschäftigung! Vgl. die diesbezüglichen Forschungen von Joachim Telle. Der Mehrheit der populären Buchautoren fehlt natürlich elementarstes Grundwissen, auch Kenntnis der Originalsprachen. 

Adler und Drache

5. Dezember 2023 10:44

@RMH
@Laurenz
@Maiordomus
Man müsste vermutlich klären, was Esoterik im Unterschied zu Gnosis, Mystik und auch Mythologie (vielleicht auch Okkultismus) ist, um nicht komplett aneinander vorbeizureden. 
Von der Edda habe ich Teile gelesen. Etwas eingehender habe ich mich mit der "Gnosis" beschäftigt. 
Dies alles zu diskutieren führt hier zu weit, ich hätte das Fass nicht aufmachen sollen.  

Olmo

5. Dezember 2023 12:39

Ich leide darunter, daß es keine Drachen gibt, und ich würde so gerne einmal Elben sehen. 
Esoterik, geheimes Wissen, Magie usw. das alles kann keinen Krebs heilen, es wird dich nicht in einen Brad Pitt verwandeln, noch aus dir einen Conor McGregor machen, und ob es deine Seele retten kann, ist zu bezweifeln.  Ein Spiel für intelligente Menschen und Hoffnung für Schlechtwegekommene. Da ich zumindest in die zweite Kategorie passe (ich war immer ein schlechter Fußballer) werde ich Der geschliffene Geomant bestellen. Noch ein lustiges Liedchen, welches, wie ich finde, irgendwie zum Thema Esoterik passt: https://youtu.be/YlfL7Oe5dAI?si=QcGCoysbSdqpym2G

Maiordomus

5. Dezember 2023 13:53

@Die Edda ist nun mal nicht mystisch, im Gegensatz etwa zum Hohen Lied in der Bibel, zu schweigen von der Begründung der abendländischen Mystik durch Paulus, wie bei Albert Schweitzer in seinem Standardwerk "Die Mystik des Apostels Paulus" dargestellt. Zur Mystik gehört die Erweckung, die Umkehr des Lebens, der Gedanke der Einheit, sowie natürlich die Technik der Meditation. Im Sinne der Chinesen ein Tao, ein Weg, wohingegen das mythische Denken mehr unmittelbar vergegenwärtigen ist, das sieht Laurenz halt anders als der Philologe Nietzsche. Gründer der Esoterik war Platon mit seinem Hinweis, dass die Hauptsache seiner Lehre unaufgeschrieben sei. Dies kann durch meditatives Verständnis etwa des Höhlen-, Linien- und Sonnengleichnisses erschlossen werden. Es geht um umfassende Erkenntnis auf der Basis von Selbsterkenntnis, Praxis der Meditation, der Analphabet Klaus von Flüe meditierte 20 Jahre über Punkt, Kreis und Rad, was der Geheimlehre von Pythagoras entspricht, einem Hauptschlüssel von Platon, der indes Homer kritisch gegenüber stand, mit anderen Worten Homer und die Edda sind erfrischend unesoterisch unmystisch. Dies gilt aber zum Beispiel nicht für die Lichtzeichen des Sonnen- und Mithraskultes und auch nicht das Zeichen des Kaisers Konstantin vor der Schlacht an der Milvischen Brücke.  
 

Maiordomus

5. Dezember 2023 14:29

PS II.Platon war eher der Vollender als der Begründer der abendländischen Esoterik, aber er tat es als Pythagoräer, mit anderen Worten, er dachte vielfach in Kategorien einer mathematischen Symbolik. Das Esoterische bei Pythagoras war die bekannte Schweige-Tradition, die schon damit begann, dass der Schüler zuerst etwa zwei Jahre zuhören musste, bis er auch nur eine Frage stellen durfte, eben als Akusmatiker, erst nachher wurde er zum "Mathematiker", was eigentlich Gelehrter heisst.
Die Differenz zwischen esoterischem und exoterischem Denken liesse sich vorzugsweise am Beispiel der Naturwissenschaftler Kepler und Newton illustrieren. 
 

RMH

5. Dezember 2023 15:51

@Adler und Drache, @Olmo, bitte nicht an der Exoterik hängen bleiben. Und ja, solche Diskussionen sind kein "Fass" aufmachen, sie sind substantiell.

Maiordomus

5. Dezember 2023 15:57

Ergänzung zu Exoterischem und Esoterischem bei Kepler und Newton
Die  Keplersche Fassregel fü Weinhändler, Näheres sogar bei Wikipedia korrekt nachlesbar, oder die Newtonsche Regel, in welcher Geschwindigkeit der Apfel vom Baum fällt und warum, gehören zur naturwissenschaftlichen Exoterik, d.h. verständlich für alle, die an Abitur. wie heute in Deutschland zum Teil möglich, nicht vom Mathematikunterricht befreit sind. Dabei ging es aber Kepler u. Newton bei ihrem mathematisch-physikalischen Bestreben stets darum, den Geheimnissen der Schöpfung auf der Spur zu bleiben, den Zufall und die Unberechenbarkeit auszuschliessen im Sinne des angeblichen Einstein-Diktums "Gott würfelt nicht", was primär dem Weltbild von Kepler, Newton und Leibniz entspricht.
Als die esoterische Seite der beiden Pythagoräer Kepler und des speziell frommen Newton dürfen deren dann von Leibniz übernommenen Gedanken in Richtung Weltharmonie gelten, vgl. auch die Kosmologie von Descartes, unbeschadet davon, dass diese mithin von Kopernikus mitgeprägten Denker jeweils kirchlich auf dem Index der verbotenen Bücher landeten. Beispiel bei Kepler Kap. 3 der Weltharmonie: "Welches die harmonischen Dinge sind. d-h. der sinnlichern immateriellen Dinge, in denen , sei es durch Gott oder durch den Menschen, Harmonien ausgedrückt werden und wie dies geschieht."
 
 
 

Laurenz

5. Dezember 2023 16:51

@Maiordomus ... Ihre Literaturwissenschaft in allen Ehren, aber nur weil Ihnen die Mystik der EDDA fremd ist, Sie sie nicht verstehen, wird Ihr Urteil zum Fehlurteil. Ich kann Ihnen gerne die beiden Bücher Otto Hantls schicken. Hantl lag, wie jeder andere auch, ganz sicher nicht immer richtig & ist sehr schwer. Aber Hantl schaute nicht den Eggestein (die Externsteine), Er sah ihn. Ich hatte die Ehre, einmal dabei sein zu dürfen. Es war quasi erleuchtend. Rein für mich persönlich ziehe ich die wahrgenommenen Wunder der Bibel noch nicht mal in Zweifel. Aber die inhaltliche Text-Darstellung ist, in meinen Augen, doch arg Hollywood. Der Mensch neigt zu Ritualen. Aber Rituale sorgen dafür, daß über Generationen oft der eigentliche Zweck des Rituals als Wissen verloren geht.
@Olmo ... Drachen ... haben Sich aus dieser Welt verabschiedet, weil sie gemordet wurden, siehe Michael oder Georg. Drache ist auch nicht gleich Drache. Ab & an können Sie den Atem eines Drachen sehen, immer dann, wenn Morgen-Nebel über einer Wiese liegt. Es liegt nur an Ihnen Selbst, ob Sie nach Avalon rudern können oder nicht.

Maiordomus

6. Dezember 2023 09:45

@Laurenz. Mein 1. Seminar in isl.Literatur ist über 50 Jahre her, die Extern-Steine, u.a. als "Elsternsteine" gedeutet, im Teutoburger Wald habe ich im Gegensatz zu Ihnen nie besucht, wiewohl ein Schweizer namens Iselin zu ihren frühesten Beschreibern gehört. Die Buch von Hantl habe ich ebenfalls nicht gelesen. Meine eigenen Aufsätze, die Edda betreffend, so sprechende Tiere und die Auferweckung eines toten Vogels durch den germanischen Priester Seldan sind früheren Datums. Es ging mir um Bezüge zu Alpensagen, so aus dem Rätoromanischen mit Anklängen an die  Edda. Sie wissen, dass die Aufzeichner wie mutmasslich Snorri Christen waren, sie einleitend Ähnlichkeit mit der Schöpfungsgeschichte supponierten. Mit Mystik, wovon als nordischer Moderner Dag Hammarskjöld geprägt war, haben diese Geschichten nichts zu tun, sehr wohl mit Totenkult, so die in der Alpensage genannten Heere auf ihrem Heimweg gen Norden. Über Steinkulte aus dieser Tradition habe ich jahrzehntelang Lehrerfortbildungskurse erteilt, zuletzt in Graubünden vor 14 Tagen auf der Basis der rätoromanischen Chrestomathie, in ihrem Reichtum mit Island vergleichbar. Der Teutoburger Wald war indes die Hochburg der nationalsozialistischen Pseudo-Esoterik, wobei aber die Vorläufer, so Wilhelm Teudt, mir als Keplerverehrer bekannt, noch ernst zu nehmen waren. Hermann Wirth fantasierte von Binde-Rune und Julsymbolen. Was Hantl über Bezüge zur Edda fantasiert, wäre interessant., wiewohl dieser von der Forschung so gut wie nie zitiert wird. 

Laurenz

6. Dezember 2023 11:28

@Maiordomus ... Hier verlieren Sie interessanterweise Ihre Liebe zum Detail. Die Isländer bekannten Sich deswegen freiwillig zum Christentum, um der legalen Eroberung (heidnischer Länder) durch Norwegen/Dänemark zu entgehen. Der erste christliche Wikinger-König Olav Tryggvason drohte auch, alle Isländer in Norwegen zu ermorden. Auch wenn in Island freie Religionswahl blieb, so forderte die Kirche natürlich Gegenleistungen für den legalen Schutz. In der Pfalz wurden Isländer zu Mönchen ausgebildet, da nicht mal Irische Geistliche nach Island wollten. Diese Isländischen Geistlichen, der bekannteste ist Snorri Sturluson, schrieben die EDDA auf. Der Hintergrund ist also geo-politisch & nicht theologisch zu verorten. In der Erinnerung der EDDA spielt die Region der Schweiz keine Rolle, weil sie vom fast ewigen Eis begraben war. Midgard liegt im Isolat zwischen nördlicher & südlicher Eisgrenze des Alpenraums, von London bis Kiew. Um Ihnen einen Anhaltspunkt zu geben: Wenn die Wöluspa beginnt mit: "Weder Sand, noch salz'ge Welle" .... bedeutet das die Region, die heute aus Sand & Salzwasser besteht, die märkische Streusandbüchse & ihre Zugänge zur Ostsee. Und die Wöluspa beschreibt also den Zustand der Region zuvor. Da kann man quasi von der Würm-Eiszeit ausgehen.
 

Adler und Drache

6. Dezember 2023 11:39

@RMH
Habe eingehender über die Angelegenheit nachgedacht. Mit meinen Worten: Mystik als persönliche Aneignung und "Einverleibung" des Mythos (man könnte auch sagen: Text, Kerygma, Geschichte, Basisstory - aber "Mythos" trifft es am besten), Esoterik dagegen als eigenwillige Verfremdung des Mythos, im Grunde Dekonstruktion. Der feine, manchmal kaum wahrnehmbare Unterschied zwischen imitatio und simulatio. Deswegen ist das Johannesevangelium mystisch, das Philippusevangelium dagegen esoterisch. Esoteriker behaupten besseres Wissen, das sie entweder durch eine mündliche Überlieferung oder durch eine Offenbarung oder durch das "richtige" Verständnis des verschlüsselten, demnach allegorisch zu lesenden (oder meinetwegen auch numerologisch zu decodierenden) Texts/Mythos erlangt haben, sie legen nicht aus, sondern legen hinein. Der Mythos behält noch seine äußere Gestalt, verändert aber seine Substanz - es ist Unterstellung, Sabotage. Die gnostischen Lehrer waren auch nichts anderes als Gurus, die eine Sekte von Sinn- und Wahrheitssuchern um sich scharten, auch in der alten Esoterik sehe ich nichts, das ich irgendwie adeln oder würdigen möchte. Die Theologen der alten Kirche waren sich der feinen Unterschiede sehr bewusst, deswegen förderten sie die Mystik, aber verwarfen die Esoterik, deswegen wurde das Johannesevangelium als kanonisch, das Thomasevangelium aber als häretisch beurteilt - trotz großer Berührungsflächen -, ebenso Paulus/Marcion. - - 

Adler und Drache

6. Dezember 2023 11:41

@Laurenz
Auch ich kann in der Edda weder Esoterik noch Mystik erkennen. Esoterik/Mystik will immer etwas vom Rezipienten, Mythen sind zur reinen Anschauung da. 
Was irgendwer daraus macht, ist eine andere Geschichte. 

Maiordomus

6. Dezember 2023 12:12

Korr. "Die Bücher von Hantl", auf die ich neugierig bin, habe ich bisher nicht gelesen. Parallelisierungen zur Edda in den südgermanischen Sagen und Mythen, zumal den Alpensagen, bleiben natürlich spekulativ, wiewohl gerade die Schweizer Mythen mit grossem Nachdruck auf nordischer Abstammung beharrren. Die Edda hat aber, abgesehen von den von (Pseudo) Snorri supponierten Anklängen zur Schöpfungsgeschichte, mit mystischen Vereinigungsphantasien aus der Bibel. etwa dem Hohelied, das fürwahr nicht mit "Hollywood" zu verwechseln ist, nichts gemeinsam,, So wie andererseits die deutsche Mystik von Meister Eckhart in keiner Weise mit Wundergeschichten zu verwechseln ist, auch nichts mit Wundern zu tun hat, gilt auch nicht für das religiöse Innenleben von Saulus/Paulus, wie von Albert Schweitzer in seinem Buch über "Die Mystik des Apostels Paulus" dargestellt. Das ist auch nicht mit einer Geheimlehre zu verwechseln. Das für den deutschen Protestantismus wegweisende Werk der deutschen Mystik ist die "Theologia teutsch" des Frankfurters, von Martin Luther 1516, ein Jahr vor dem Thesenanschlag, als Wegweiser zu religiöser Innerlichkeit herausgegeben. Homer und die Edda verkörpern eine ganz andere Art Religion. Bemerkenswert der Hinweis von Plutarch auf den Tod der Götter, so wie die nordische Sage von einer Götterdämmerung "Ragnarök" berichtet: "Ragnarök - ein Schauer des Glaubens",  formulierte Reinhold Schneider 1933 in "Die Hohenzollern".  Vom erkünstelten Neuheidentum der Wirth und Himmler hielt er nichts, umso mehr von der Mystik der russischen Starzen. 

Maiordomus

6. Dezember 2023 15:37

@Adler und Drache. Völlig einverstanden. Es spricht für Homer und die Edda, dass sie weder mystisch noch esoterisch sind. Auf lichtvolle Weise heidnisch, wie Goethe es gesagt hätte.  Den dumpfen Kult um den Teutoburger Wald wie auch die absolut sehenswerten Extern-Steine sollte man, wie die Steinkulte im Alpenraum, die Rätsel der Zahlen- und Zeichensteine, gleichfalls nicht "veresoterisieren". Es sind zumal grossartige Naturdenkmäler, die durch einen ideologischen (braunen) Kakao gezogen wurden.

Laurenz

6. Dezember 2023 15:40

@Adler & Drache @L. ... EDDA... Sie haben nicht gelesen, was ich geschrieben habe & verstehen, wie Maiordomus, den Kontext nicht. Das ist auch extrem komplex. Ohne Unterstützung & die Möglichkeit, bezüglich meiner Frage-Notizen, mich an anderer Stelle zu erkundigen, wäre ich auch aufgeschmissen gewesen. Was Sie korrekt erkannt haben, die EDDA stellt Realitäten dar. (Die Bibel etwa nicht?) Aber die Wahrnehmungen der Erzähler nutzen die spirituelle Sphäre. Was kann mystischer sein als Realitäten (Fenris-Wolf, Midgard-Schlange, Riesen, Zwerge, Götter, etc.) in einer anderen Dimension zu erfahren? Gehen Sie unter 7(6)-Gestirn (Plejaden) in die Suchmaschine. Sie finden dann alle Plejaden-Mythen, außer unserem. 1. Die Plejaden sind immer jung (nur 140-160 Mio. Jahre alt). 2. Die Plejaden sind weiblich. 3. Die Mythen zeigen das reale Ereignis am Himmel. Unser Plejaden-Mythos ist das Märchen Der Wolf & die 7 Geislein. Das Märchen beschreibt exakt die Realität, aber in einer anderen Wirklichkeit.
@Maiordomus ... es spielt keine Rolle, was irgendwelche Theologen schrieben, wie auch Adler & Drache. Entscheidend ist die Schrift. Die 4 Evangelien wurden erst 325 nach 0 bestimmt. Das ist wie mit dem Grundgesetz. Da kommen irgendwelche Verfassungsrechtler angeschissen, die es interpretieren. Lesen Sie einfach, was im Alten oder Neuen Testament steht.

Maiordomus

6. Dezember 2023 15:54

@Laurenz. Sie haben keine wissenschaftliche Leistung auf diesem Gebiet erbracht, über Mystik im Sinne von Meister Eckhart, die nun wirklich gar nichts mit der Edda zu hat, worüber schon Alfred Rosenberg in seinem Mythos des 20. Jahrhunderts nicht im Bild war, haben Sie die notwendigen  Studien nicht erbracht, wo haben Sie eigentlich altisländisch gelernt, was haben Sie über die Graugansverfassung publiziert? Ernst Jünger investierte für die Lektüre der Bibel zur Kriegszeit um die zwei Jahre, ohne ein Frömmler zu werden. Zwingli und Luther engagierten die besten Hebräisten der Zeit, um das Alte Testament im Ansatz zu verstehen.  Fragen Sie mal Kubitschek, ob er Sie zu diesen Themen als Fachmann sprechen lassen würde und darüber ein Video bei SiN einstellen würde? In der Bibel gibt es jede Menge Partien, die selbst auch bei herkömmlichen Geistlichen erst recht Bibeleifrigen weisse Flächen bleiben,  so gibt es über 100 Stellen, die mit dem Schlachtopfer, dem Schächten zu tun haben, im Sinne auch des Standardwerks meines Lehrers Prof. Walter Burkert, Homo necans, der Metzger als eine der markantesten biblischen Gestalten, siehe auch den Keltertreter der Apokalypse, worüber übrigens Newton, der exoterische Physiker, seine esoterischen Betrachtungen anstellte.    

Gracchus

6. Dezember 2023 21:03

@Esoterik: @Maiordomus hat bereits wertvolle Hinweise gegeben. Es gibt Esoterik und Esoterik. Esoterik und Mystik überlappen sich, ohne deckungsgleich zu sein. Vielleicht so: Mystische Erfahrungen sind ein Moment innerhalb eines übergreifenden esoterischen Einweihungs- und Erkenntniswegs. Das Johannes-Evangelium lese ich durchaus als esoterisch, indem es zb auf den Logos (der Ur-Offenbarung, der philosophia perennis) rekurriert. Oder indem Jesus zu Nikodemus von der Wiedergeburt im Geiste spricht. 

Laurenz

6. Dezember 2023 23:44

@Maiordomus ... natürlich hatte ich mich immer auf Übersetzer verlassen, ob EDDA, Bibel oder Quran, wie Mio. andere auch. Und so ganz bescheuert bin ich auch nicht. Die EDDA-Übersetzung Genzmers ist relativ gut, aber nur Simrock hält die Runenreihenfolge ein. Bei der EDDA benötigt man aber das magische Verständnis ohne welches die ganze EDDA für die Katz ist. Sie besitzen es nicht. Wahrscheinlich blockiert das Ihr Verstand, Ihre Literatur-Wissenschaft. Sie wissen nicht, was die EDDA eigentlich ausmacht. Bei der Bibel ist das Deutsch einfach, schlicht. Beim Quran mußte ich die blumigen Übersetzungen schon wiederum 3x lesen, um ein Verständnis zu entwickeln. Die dortige Esoterik, Mystik ist aber wiederum so deutlich beschrieben, wie ein Online-Spiel. Das Nicht-Sterben des Isa ben Marjam ist magisch, aber völlig unmißverständlich, eindeutig. Hier braucht man nichts nachempfinden. Die Schiiten empfinden nach, wenn sie um die Söhne Alis trauern. Der Kirche waren Märtyrer relativ schnell unangenehm.

Olmo

7. Dezember 2023 11:18

Juristerei und Medizin/Und leider auch Theologie/Durchaus studiert, mit heißem Bemühn./Da steh ich nun, ich armer Tor!/Und bin so klug als wie zuvor;
Und ich wette, nicht einmal Mephisto läßt sich blicken. 
Und natürlich muss man Arabisch können, und überhaupt ein Leben lang studieren, um z.B.in die Mysterien des Korans vorzudringen (oder ihn überhaupt zu verstehen). Mir kommt manchmal der schreckliche Verdacht, daß hinter dem ein oder anderem Satz, der in den alten Schriften geschrieben steht, gar nicht so viel zu finden ist, sondern es tatsächlich so gemeint ist, wie es dort steht. Und vielleicht war nicht Mohammed das Siegel sondern Schopenhauer. Ein deprimierender Gedanke— ich weiß. 
@Laurenz danke dafür, daß Sie mich auf Hantl aufmerksam gemacht haben. Opa hatte eines im Bücherschrank stehen, meine ich. 
 

herbstlicht

7. Dezember 2023 11:46

@Laurenz, 6.Dezember 2023 11:28, schrieb
»... die märkische Streusandbüchse & ihre Zugänge zur Ostsee. Und die Wöluspa beschreibt also den Zustand der Region zuvor. Da kann man quasi von der Würm-Eiszeit ausgehen.«
Im Lichte der modernen, árchäogenetisch gestützten, Besiedlingsgeschichte Mittel- und Nordeuropas ist diese Hypothese nicht plausibel.  Als Bewohner des Raumes zwischen dem nördlichen und dem alpinen Eis vor 20000 Jahren kommt doch nur die Gruppe der westlichen Sammler/Jäger in Betracht, welche aber nur einen kleinen Beitrag zur Entstehung der germanischen Völker bilden.  Diese Sammler/Jäger vermischten sich in Südskandinavien mit mit einer östlichen Gruppe, welche an der norwegischen Küste nach Süden gewandert war.  Später kamen Getreidebauern, Abkömmlinge der Menschen, welche in Kleinasien den Feldbau entwickelt hatten.  Diese bauten die Steingräber und lebten lange neben den Sammlern/Jägern, wobei es zu einer gewissen Vermischung kam.  Dann kamen, vor 4000--5000 Jahren, Jamnaja-Leute, ganz überwiegend Männer, welche das Reitpferd und die indogermanische Sprache mitbrachten.  Sie nahmen sich Frauen der Ansässigen und assimilierten diese; deren Kulturen erloschen.  Die Jamnaja-Leute stellen den überwiegenden Teil der Vorfahren der Mittel- und Nordeuropäer.
Daß Mythen mittelsteinzeitlicher Sammler/Jäger diese ethnischen Brüche übersdauert haben, bedürfte schon eines besonderen Belegs.

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